Fridtjof Nansen
Durch den Kaukasus zur Wolga
Fridtjof Nansen

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VII.
Schamyl.

Schamyl ist wohl eine der eigenartigsten Gestalten des 19. Jahrhunderts. Er ist 1797 zu Gimri in Awarien, nahe der Vereinigung des Awarischen und Andischen Koisu, geboren. Sei eigentlicher Name war Ali, doch wurde er später SchamylDie richtige Aussprache lautet: Schamwil mit langem »i« in der letzten Silbe. Das »w« muß ähnlich dem englischen »w« mit Annäherung an das »u« ausgesprochen werden. Die Schreibweise »Schamyl« wird aber hier beibehalten, weil sie dem allgemeinen Gebrauch entspricht. (das heißt Samuel) genannt. Er war von der Natur mit reichen Gaben ausgestattet und von Anbeginn zum Führer bestimmt. Sein Wuchs war hoch und schlank, die Haltung stolz. Die Augen waren blau oder grau, Haare und Bart dunkelblond, das Gesicht lang und schmal, die Züge regelmäßig und ernst, der Ausdruck sinnend und ruhig. Er ging in einfacher würdiger Kleidung und trug einen Gurt um den Leib. Für gewöhnlich verschmähte er den Farbenprunk und den Gold- oder Silberschmuck, den die Muriden seiner Umgebung zur Schau trugen. Die beherrschte Würde seiner Erscheinung verfehlte nie ihren starken Eindruck auf seine Scharen. Schamyl war ein körperlich geübter Mann, der beste Fechter, Läufer und Springer, wohlgeschult in allen turnerischen Künsten. Angeblich konnte er über einen 27 Fuß breiten Graben hinwegsetzen und höher springen, als er groß war. Als junger Mensch ging er bei jedem Wetter barfuß und mit nacktem Oberkörper. Kein dagestanischer Bergbewohner soll es ihm an Kühnheit und Ausdauer gleichgetan haben.

Scharfer Verstand, Organisationsgeschick, Erfindungsgabe, Geistesgegenwart, eine einzig dastehende Willenskraft und Selbstbeherrschung und unerschütterlicher Mut zeichneten ihn aus. Er war ein hervorragender Heerführer. Große Redegewandtheit und Begeisterungskraft verband er mit kühler Berechnung. Er kannte seine Leute und wußte in jeder Lage, welches Wort oder welche Geste der Augenblick erforderte. Als vortrefflicher Menschenkenner verstand er es, sich die guten und schlechten Eigenschaften anderer zunutze zu machen. Gleich den meisten bedeutenden Führerpersönlichkeiten war er ein vortrefflicher Schauspieler. Durch seine ruhige Haltung, das fromme prophetische Auftreten und eine enthaltsame Lebensführung umgab er sich mit einem mystischen Glorienschein. Er lebte zurückgezogen, zeigte sich selten seinem Volk, verbrachte viel Zeit in einsamer, grüblerischer Zwiesprache mit dem Propheten und Allah. So betrachteten ihn die Seinen als Allahs Auserwählten und als den Statthalter Muhammeds. Gewaltig war die Macht, die er über die Gemüter ausübte. Dazu kamen noch seine mannigfaltigen Kenntnisse. Er kannte den Koran und die heiligen Schriften genau, war auch in den christlichen Evangelien bewandert und benutzte sie zur Ergänzung seiner eigenen Lehre. Er verstand es ausgezeichnet, seine Kenntnisse zu verwerten, seine glühenden Aufrufe an das Volk waren oft richtige Meisterwerke.

Dabei konnte er listig und grausam, rücksichtslos und hart sein, wenn jemand sich seinem Willen nicht blindlings unterwarf. Durch grausame Strafen und Todesurteile verbreitete er Furcht um sich. Dieben ließ er zur Strafe die Hand abhacken, kleine Vergehen bestrafte er oft mit dem Tod. Er berief sich dabei auf Allah, dessen Prophet er war und in dessen Namen er als Imam, das heißt als unumschränkter Sachwalter in allen geistlichen und weltlichen Dingen, sich selbst seine Gesetze gab und die Vorschriften des Schariat nach Belieben ändern durfte. Sein Wort und seine Versprechungen verdienten daher nicht immer Glauben. Gegen Kriegsgefangene zeigte er sich oft grausam und von geringem Edelmut.

Auch in schwersten Gefahren bewahrte er vollkommene Ruhe. Die entsetzlichsten Foltern oder die Todesstrafe verhängte er mit gleicher Gelassenheit, wie er Verdienste anerkannte und Lob austeilte. Aber auch dieser harte Mann hatte seine weichen Regungen. Er war ein treuer Sohn, ein liebevoller Ehemann und Vater. Kindern gegenüber konnte er rührende Liebe an den Tag legen und konnte sich in ihrer Gesellschaft harmloser Heiterkeit hingeben.

Die Russen glaubten, den Widerstand der Bergbewohner endgültig gebrochen zu haben, und doch hielt der neue Führer der Bewegung sich noch 25 Jahre lang gegen die russische Übermacht. Mit seinen verhältnismäßig wenigen Mannschaften fügte er den Russen eine Niederlage nach der andern zu. Jedesmal, wenn sie ihn endgültig in der Falle zu haben glaubten, entwischte er ihnen auf rätselhafte Weise und griff sie unvermutet an anderer Stelle an. Fast schien es, als stünde er mit übernatürlichen Mächten im Bunde.

Als er die Führerschaft antrat, schien die Lage der Bewegung verzweifelt. Waren doch nach der Ermordung der Chane durch Hamsad-Bei und nach dessen eigenem Tod die meisten Awaren unter Chadschi-Murats Leitung abgefallen. Auch viele andere Stämme zogen sich von der Muridenbewegung zurück. Aber es gelang Schamyl wie durch ein Wunder, den Muridismus wieder zum Leben zu erwecken und neue Scharen um sich zu sammeln. So gerüstet zog er gegen Chunsach, wurde aber von dem kühnen Chadschi-Murat geschlagen. Bei einem zweiten Versuch, die Stadt einzunehmen, mußte sich Schamyl gegen die Russen wenden, die von allen Seiten her auf ihn eindrangen. Im Oktober 1834 wurde er von dem tüchtigen und tapferen General Klüke von Klugenau geschlagen. Der General eroberte Gotsatl und das wichtige Dorf Gherghébil am Zusammenfluß des Kara-Koisu und des Kasikumuchischen Koisu. Schamyl mußte den Gedanken an die Gewinnung der Awaren, dieses stärksten Gebirgsstammes in Dagestan, vorläufig aufgeben. Statt dessen nutzte er die Zeit zur Befestigung seiner Macht und zur engeren Verknüpfung der einzelnen Gruppen von Anhängern, die der Muridismus in den andern Teilen Dagestans und in Tschetschenien gewonnen hatte. So stärkte er die Stoßkraft der Bewegung gegen die Russen. Rußland machte inzwischen den verhängnisvollen Fehler, den Kasikumuchen Achmed-Chan aus Mechtulien als vorläufigen Chan einzusetzen. Achmed-Chan war Chadschi-Murats Todfeind, und die Russen stießen durch die Förderung dieses Mannes den für sie so wertvollen Chadschi-Murat vor den Kopf.

Im März 1837 gelang es Schamyl, in der Nähe seines Hauptquartiers Aschiltá, am Andischen Koisu, nahe bei dessen Vereinigung mit dem Awarischen Koisu, eine russische Truppenmacht vollständig aufzureiben. Im Mai rückte ein neues russisches Heer unter dem Befehl des Generals Fésé gegen Schamyl vor. Aschiltá wurde am 9. Juni eingenommen und dem Erdboden gleichgemacht. Das gleiche Schicksal traf wenige Tage danach das benachbarte, befestigte Aul Achulgo.

Schamyl schlug sich aber gleichzeitig bei dem befestigten Aul Tilitl in den Bergen südlich von Chunsach mit einer russischen Abteilung. Fésé eilte zum Entsatz herbei. Es gelang den Russen mit Hilfe ihrer Artillerie, die Hälfte des Auls einzunehmen. Der andere Teil blieb fest in Schamyls Hand. Die Russen hatten ihren Teilerfolg mit schweren Verlusten bezahlt, und ihre Stellung war bedenklich geworden. Schamyl schlug einen Waffenstillstand vor, und nach einigen Tagen des Verhandelns kam eine Vereinbarung zustande. Am 7. Juli zogen die Russen in Richtung auf Chunsach ab. Nach russischen Darstellungen sollen Schamyl und seine HäuptlingeUnter diesen Häuptlingen waren absonderliche Gestalten. Einer davon war Kibit Mahomá. Er hatte die Eingebornen-Beis von Tilitl und deren Familien, alles in allem 33 Menschen, meuchlerisch ermorden lassen und sich auf diese Weise zum Herrscher oder Kadi von Tilitl aufgeworfen. Er war fast bis zum Ende des Kriegs im Jahre 1859 einer der hervorragendsten Helfer Schamyls. Erst gegen Ende des Kriegs ließ er Schamyl im Stich und ging zu den Russen über. sich unterworfen und Treue gelobt haben. Dieser Behauptung widersprechen aber zwei Briefe Schamyls an den General Fésé. Diese Briefe beruhen auf der Voraussetzung, daß unter gleichen Bedingungen für beide Teile Friede geschlossen worden sei. Allerdings stellten Schamyl und seine Unterbefehlshaber drei Geiseln. Aber die Art, wie sich der russische Rückzug vollzog, deutete nicht auf einen russischen Sieg. Die Russen nahmen den Weg, den ihnen Schamyl vorgeschrieben hatte, und überließen das Schlachtfeld dem Feind.

Schamyl verkündete feierlich, er habe einen großen Sieg über die Russen davongetragen und sie aus Dagestan vertrieben. Viele früher von der Bewegung abgefallenen Stämme hätten sich ihm wieder angeschlossen. Als er nach Aschiltá zurückkehrte, faßte ihn glühende Wut beim Anblick des einst so reichen und blühenden Auls, das nur noch ein einziger rauchender und rußgeschwärzter Trümmerhaufen war. Keines von den 500 Häusern stand unversehrt. Die Moschee, in der er die Weihe zum Imam empfangen hatte, war dem Erdboden gleichgemacht, die üppigen Obst- und Weingärten waren vernichtet, die Reben ausgerauft, die Obstbäume gekappt, der Mais zertrampelt, die Wasserleitungen zerstört. – So hausten die Russen in einem Lande, in das sie als Fremdlinge eingedrungen waren und in dem sie kein anderes Recht hatten als das der rohen Übermacht. Schamyl schwor blutige Rache.

Er wählte das Aul Achulgo, etwas flußabwärts am rechten Ufer des Andischen Koisu auf zwei unzugänglichen Felshöhen gelegen, zu seinem neuen Sitz. Seine erste Sorge war, das Aul zu einer uneinnehmbaren Festung auszubauen. Er hatte die Erfahrung gemacht, daß die festen Steintürme der Bergvölker den russischen Kanonen nicht standhalten konnten. So kam der begabte Heerführer auf den Gedanken, Kasematten in das Gestein selbst zu sprengen.

Inzwischen war der Plan eines persönlichen Besuches des Zaren Nikolaus im Kaukasus für den Herbst 1837 herangereift. Den Russen war mehr als je daran gelegen, Schamyl zu einem Vergleich zu bewegen und eine Begegnung zwischen ihm und dem Zaren in Tiflis herbeizuführen. Der tüchtige und tapfere General Klugenau wurde als Unterhändler ausersehen. Am 18. September 1837 fand eine dramatische Begegnung zwischen ihm und Schamyl in einer wilden Bergschlucht nahe bei Gimri statt. Schamyl erschien mit mehr als 200 waffenstarrenden Muriden, turbangeschmückten Reitern in farbenprächtigen Gewändern. Klugenaus Begleitung bestand nur aus seinem Adjutanten, 15 Donkosaken und 10 Eingebornen. Der General ließ alle Wasser der Beredsamkeit spielen, aber Schamyl blieb fest. Als Klugenau die Aussichtslosigkeit weiteren Verhandelns einsah, erhob er sich und reichte Schamyl die Hand zum Abschied. Da stürzte ein Muride vor, faßte Schamyls Arm und sagte, der Führer der Gläubigen dürfe nicht die Hand eines Gjavur berühren. Der General geriet in rasenden Zorn, hob seinen Stock – er mußte stets am Stock gehen – und wollte dem Muriden den Turban vom Schädel schlagen. Schamyl fing zum Glück den Stockschlag auf, hielt gleichzeitig den Muriden zurück, der schon im Begriff war, seinen Kindschal zu ziehen, befahl seinem Gefolge mit Donnerstimme, sich ruhig zu verhalten, und bat den General Klugenau, sich unverzüglich zu entfernen. Aber der leicht erregbare Österreicher, der vor keiner Gefahr zurückscheute, ließ seiner Zunge freien Lauf und brach in eine Flut von Schimpfwörtern über die Bergstämme aus. Endlich faßte ihn sein Adjutant am Rockschoß, zog ihn fort und redete ihm so lange gut zu, bis er nachgab und sich entfernte. Klugenau stieg in aller Ruhe aufs Pferd und ritt im Schritt von dannen, ohne die Muriden noch eines Blickes zu würdigen. Damals, wie so oft, stand die Entscheidung über die Zukunft auf des Messers Schneide. Hätte Schamyl nicht im letzten Augenblick den Stockschlag verhindert, so wären Klugenau und sein Gefolge ohne Zweifel niedergemacht worden. Aber auch Schamyl und mancher seiner Getreuen wären kaum lebend aus dem Scharmützel hervorgegangen. Der Krieg hätte gewiß während der nächsten Jahre einen ganz andern Verlauf genommen. Vielleicht wären viele tausend Menschenleben verschont geblieben. – Zar Nikolaus kam kurz danach, vom September bis November, nach Transkaukasien, traf aber nicht mit Schamyl zusammen.

Im Laufe des Jahres 1838 nahm Schamyls Macht in Dagestan und Tschetschenien ständig zu, und die Russen sahen ein, daß sie ernste Schritte gegen ihn unternehmen mußten. Im Mai brach General Grabbé an der Spitze einer Truppenmacht von Wnesápnajna nach Achulgo auf. Er hoffte, Schamyl dort umzingeln und endgültig erledigen zu können. Schamyl trat den Truppen Grabbés mit einer starken Macht in der Nähe des unzugänglichen Auls Arguami entgegen und versuchte den Russen den weiteren Vormarsch abzuschneiden. Aber in der Zeit vom 30. Mai bis zum 1. Juni wurde das Aul durch Sturmangriffe und blutige Straßen- und Häuserkämpfe von den Russen eingenommen. Schamyl zog sich zurück, das Aul wurde geplündert und dem Erdboden gleichgemacht. Am 12. Juni stand Grabbé nach Überwindung weiterer Hindernisse mit seinen Truppen vor Achulgo. Schamyl und mit ihm die ganze Bevölkerung, 4000 Männer, Weiber und Kinder, darunter nur ein Viertel waffenfähige Männer, wurden in dem Dorf eingeschlossen. Die Befestigungen waren zu stark, als daß sie dem ersten Sturmangriff hätten zum Opfer fallen können. Grabbé schritt zur Belagerung und begann mit der Beschießung. Er belagerte das Dorf länger als einen Monat, ehe er am 16. Juli einen Sturmangriff versuchte. Die Russen wurden mit blutigen Köpfen zurückgeschlagen, setzten aber die Belagerung mit der Absicht fort, den Feind auszuhungern. Die russische Artillerie beschoß die Festung ununterbrochen. Die Lage der Verteidiger wurde immer bedenklicher. Am 27. Juli wurden Unterhandlungen eröffnet, und die Beschießung ruhte während einiger Stunden. Die Unterhandlungen scheiterten daran, daß Grabbé unnachgiebig auf der Bedingung bestand, Schamyl müsse sich der russischen Oberherrschaft unterwerfen und zum Beweis für die Aufrichtigkeit seiner Gesinnung seinen Sohn Jamalu'd-Din als Geisel stellen. Die Beschießung begann von neuem. Am 12. August schickte Schamyl selbst einen Unterhändler ins russische Lager. Abermals ruhte die Beschießung während einiger Stunden. Aber auch diesmal verliefen die Verhandlungen erfolglos. Es bestand kein Zweifel, daß Schamyl nur Zeit gewinnen wollte, um in Ruhe seine Befestigungen auszubessern. Am 16. August stellten die Russen ein Ultimatum, wenn Schamyls Sohn nicht vor Einbruch der Nacht ausgeliefert sei, so würde Achulgo am folgenden Morgen im Sturm genommen werden.

Jamalu'd-Din erschien nicht im russischen Lager. Am Morgen des 17. August wurde also, diesmal nach sorgfältiger Vorbereitung, zum Sturm angesetzt. Die Angreifer erlitten zwar schwere Verluste, machten aber doch erhebliche Fortschritte, während in den Reihen Schamyls mancher gute Kämpfer fiel. Schamyl sah ein, daß weiterer Widerstand aussichtslos war, gab endlich nach, hißte die weiße Flagge und schickte schweren Herzens seinen geliebten zwölfjährigen Sohn in das Lager des verhaßten Feindes. Während der darauffolgenden drei Tage wurde wegen der Übergabe von Achulgo verhandelt. Schamyls Bedingungen waren unannehmbar; und am 21. August wurde der Sturmangriff wiederholt. Der erste Tag brachte den Russen nur geringen Erfolg. Aber im Zwielicht des nächsten Morgens folgte ein neuer Vorstoß. Der Kampf tobte furchtbar. Haus um Haus mußte einzeln genommen werden. Endlich war Achulgo erobert. Aber noch eine volle Woche lang mußte der Kampf fortgesetzt werden, weil die Verteidiger sich in den unterirdischen Teilen der Häuser und in Höhlen verschanzt hatten und nicht an Übergabe dachten. Sogar Frauen und Kinder rannten mit Kindschalen und Steinen gegen die starrenden Bajonette, soweit sie nicht durch Sprung in den Abgrund den Tod suchten. Mütter töteten mit eigener Hand ihre Kinder, um sie nicht in die Hand der verhaßten Russen fallen zu lassen. Es war ein Kampf der Verzweiflung.

Nach vollen 70 Tagen hatte die Belagerung endlich zum Ziel geführt. Wo aber war Schamyl, dessen Person doch im wesentlichen die ganze Unternehmung galt? Die Russen kehrten das Unterste zuoberst und durchstöberten jedes elendeste Loch. Jede einzelne Leiche wurde genau untersucht. Schamyl blieb unauffindbar. Er war weder unter den Gefangenen noch unter den Toten. Die Festung war ringsum dicht eingeschlossen gewesen, und doch war Schamyl auf unerklärliche Weise entwischt, ähnlich wie einst bei Gimri. Die Bevölkerung war mehr als je von der Heiligkeit ihres Führers überzeugt, und von Mund zu Mund ging ein Flüstern, Muhammed selbst sei herniedergestiegen und habe den großen Mann mit eigener Hand gerettet. Später stellte sich heraus, daß Schamyl in der Nacht zum 22. August mit Frau, Kind und wenigen treuen Begleitern in einer Höhle an der Felswand über dem Koisu Zuflucht gesucht hatte. In der Nacht zum 23. August kletterte er ans Flußufer herab, kroch weiter flußabwärts, stieß aber in der Dunkelheit auf einen russischen Posten. Schamyl und sein kleiner Sohn, den die Mutter auf dem Rücken trug, wurden verwundet, der Leutnant, der die Patrouille führte, wurde getötet, Schamyl und die Seinen entkamen und befanden sich glücklich hinter den russischen Linien. – Die Russen freuten sich lärmend ihres Sieges. Jetzt mußte ja Schamyls Macht endlich gebrochen sein. Was war er denn noch? Ein heimatloser, armseliger, verwundeter Flüchtling, bar aller Mittel und ohne Anhang. Und doch war kaum ein Jahr vergangen, da stand der Besiegte und Flüchtige abermals an der Spitze eines Volkes in Waffen. Während die Russen durch Plünderung und Verwüstung verdoppelten Haß der Bergbewohner auf sich zogen, wandte sich Schamyl nach Tschetschenien. Dort hatte das unheimlich grausame Regiment des Generals Pullo die Bevölkerung für den Aufstand reif gemacht, nachdem sie sich erst den Russen unterworfen hatte. Hier fand Schamyl neuen Anhang, und schon im März 1840 war der Krieg wieder in vollem Gang. Hatte Schamyl sich bisher den Ruf als auserlesener Heerführer in den baumlosen Felsentälern Dagestans erworben, so zeigte er sich nun auch als Meister der Kriegsführung in den dichten Wäldern Tschetscheniens. Bald dehnte er auch seine Kriegszüge wieder nach Dagestan aus, und dort strömten die einstigen Anhänger aufs neue seinen Fahnen zu.

Im November desselben Jahres trat ein Ereignis ein, das für die Russen schwere Folgen nach sich ziehen sollte. Chadschi-Murat, der es die ganze Zeit mit den Russen gehalten hatte, war von seinem Feind Achmed Chan von Mechtuli, dem nunmehrigen Beherrscher Awariens, des heimlichen Einverständnisses mit Schamyl verdächtigt worden. Die Russen nahmen ihn deshalb gefangen und führten ihn unter starker Bedeckung nach ihrem Hauptquartier ab. Der Weg führte an einer senkrechten Felswand entlang, wo Mann für Mann einzeln gehen mußte. Diese Gelegenheit benutzte Chadschi-Murat, um sich loszureißen, und sprang gefesselt in den Abgrund. Man ließ ihn für tot liegen. Er aber hatte sich nur das Bein gebrochen und vermochte, wenn auch übel zugerichtet, kriechend menschliche Wohnungen zu erreichen. Von diesem Tage an war er ein erbitterter und gefährlicher Feind der Russen. Er schloß sich Schamyl an, wurde von ihm zum Naïb ernannt und brachte ihm allmählich den ganzen awarischen Stamm als Anhänger zu.

Schamyl wählte nun das Aul Dargo in Tschetschenien (Itschkerien) zum Hauptsitz und leitete von hier aus während der nächsten Jahre die Neuorganisation seines mächtigen Bereiches. Er teilte sein großes Gebiet in Bezirke auf und setzte in jeden einen Naïb ein. Jeder Naïb hatte mindestens 300 berittene Krieger zu stellen. Diese Reiterei bildete den Kern eines stehenden Heeres. Jeder zehnte Hof hatte durch Wahl einen Reiter zu stellen, in jedem Aul wurden solche Mannschaften einquartiert, und die Bewohner des Auls waren verpflichtet, das Pferd des Mannes zu unterhalten, sein Land zu bestellen und die Ernte für ihn einzubringen. Diese Reiter mußten ständig auf Abruf bereit sein. War ein Feldzug zu Ende, so kehrten sie in ihr Dorf zurück und standen dort unter Aufsicht der übrigen Einwohner. Im Notfall mußte jeder Hof statt jedes zehnten einen Mann stellen, und für den Fall der äußersten Bedrängnis waren alle Männer zwischen 15 und 50 Jahren zum Kriegsdienst verpflichtet. Schamyl führte regelmäßige Steuern ein und befestigte seine Herrschaft auch sonst mit allen Mitteln. Im Jahre 1840 stiftete er sogar Orden, um die Tapfersten der Seinen zu belohnen. Eine Eilpost hatte Nachrichten und Befehle auf schnellstem Wege im Lande zu verbreiten. Schamyl bewährte sich als glänzender Organisator, doch war er von unheimlicher Strenge und Grausamkeit, auf Schritt und Tritt folgten ihm seine Scharfrichter mit schweren, langschäftigen Beilen, stets bereit, Kopf oder Hände dem abzuschlagen, der auch nur im Verdacht der Unzuverlässigkeit stand. Schamyl war als Herrscher gefürchtet, doch nicht beliebt. Vor allem die Awaren hegten keine Zuneigung zu ihm. Sie konnten nie vergessen, daß er seinerzeit am Mord der Chane beteiligt gewesen war.

Im Jahre 1841 griffen die Russen wieder an, hatten aber wenig Glück. Schamyl wagte mit seinen Reitern die kühnsten Handstreiche auf russisches Gebiet. Immer war er dort, wo man ihn am wenigsten erwartete. Er brach sogar in das Land der Kumücken ein, drang bis an die befestigte Stadt Kisliar am Nordufer des unteren Terek vor und schlug sich auf dem Rückweg mit gewaltiger Beute, vielen Gefangenen und ganzen Herden von Großvieh zwischen zwei russischen Truppenabteilungen durch.

Ende Mai 1842 war Schamyl auf einem Kriegszug gegen die Kasikumuchen in Süddagestan. General Grabbé benutzte den Augenblick, um mit einem Heer von 10 000 Mann und 24 Kanonen in Tschetschenien einzurücken und Dargo zu erobern. Unterwegs umschwärmten ihn Scharen von Eingebornen und fielen ihn bald von der einen, bald von der andern Seite an. Grabbé mußte seine Absicht schon nach drei Tagen aufgeben und brachte sein Heer nur unter schweren Verlusten und in jammervollem Zustand zurück. Ende Juni versuchte er einen neuen Einfall in Norddagestan. Er hatte diesmal so wenig Glück wie im Mai, auch jetzt mußte er sich mit schweren Verlusten zurückziehen und alle weiteren Versuche aufgeben. Im Sommer 1843 fühlte sich Schamyl stark genug zu einem entscheidenden Feldzug gegen die Russen in Dagestan. Am 27. August brach er unvermutet mir starker Macht von seinem Hauptquartier Dilim in Tschetschenien auf. Nicht ganz 24 Stunden später stand er 60 Kilometer weiter südlich vor Untsukul in Awarien. Dort stießen Kibit Mahomá von Tilitl und Chadschi-Murat von Awarien mit starken Abteilungen zu ihm. Schamyls Heer zählte damit 10 000 Köpfe. Seine überlegenen Fähigkeiten als Heerführer bewies er durch die Geschwindigkeit und Pünktlichkeit, mit der er große berittene Truppenteile unter den Augen des russischen Generals über lange Strecken verschob, und durch das vollendete Zusammenarbeiten der verschiedenen Abteilungen bei den Kampfhandlungen.

Die Eingebornen von Untsukul hatten Verrat an Schamyl geübt und eine russische Garnison aufgenommen. Schamyl mußte beweisen, daß er dergleichen nicht ungestraft ließ. Einige russische Kompanien, im ganzen 500 Mann und zwei Kanonen, eilten unvorsichtigerweise vom nahe gelegenen Gimri her zu Hilfe. Sie wurden vollständig aufgerieben, nur wenige Mann entkamen. Schamyl nahm Untsukul im Sturm. Die Garnison und das russische Fort ergaben sich nach so tapferer Verteidigung, daß Schamyl den Befehlshaber, Leutnant Anósow, zum Zeichen seiner Hochachtung den Säbel behalten ließ. Im Lauf von 25 Tagen, zwischen dem 27. August und dem 21. September, hatte Schamyl alle festen Plätze der Russen in Awarien, mit Ausnahme des Hauptquartiers Chunsach, eingenommen und kehrte nach Dilim zurück. Nach einem mißglückten Versuch, das russische Fort Wnesápnajna nördlich von Dilim zu nehmen, entließ er seine Mannschaften in die Heimat. Ende Oktober machte er unvermutet einen neuen Angriff. Am 8. November nahm er die für die Russen wichtige Festung Gherghébil an der awarischen Südgrenze durch Sturmangriff. Nach Gurkos Bericht blieben von der ganzen Besatzung nur zwei Offiziere und einige Soldaten am Leben. Am 11. November schloß Schamyl sogar den russischen Oberstkommandierenden, General Gurko, in seinem Hauptquartier Temir-Chan-Schura ein. Die Russen verließen Chunsach, wurden aber auf dem Rückzug auf der Straße nach Siriáni, am 17. November, umgangen und abgeschnitten. Damit waren alle bewaffneten Russen in Norddagestan in vier Festungen eingesperrt. Gurko wurde vom General Freitag entsetzt, und auch die andern Abteilungen wurden gerettet. Aber ehe noch der November zu Ende ging, waren alle russischen Truppen aus Norddagestan zurückgezogen. Schamyl hatte uneingeschränkt die Oberhand und stand stärker da als je. Die Russen hatten zwischen dem 27. August und Ende November 92 Offiziere, 2528 Mann, 12 befestigte Plätze und 27 Kanonen eingebüßt.

Schamyls Charakter und die Art, wie er die Leute behandelte, werden durch eine Begebenheit aus jener Zeit schlaglichtartig beleuchtet. Er hatte während der Kämpfe in Dagestan Tschetschenien nicht hinreichend beschützen können. Die Tschetschenzen in den Vorbergen und im Flachland hatten daher mehr als je unter den Raubzügen der Russen zu leiden. In ihrer Verzweiflung schickten sie vier Abgesandte zu Schamyl nach Dargo und ließen ihn bitten, er möge ihnen entweder ausreichenden Schutz gewähren oder ihnen den Friedensschluß mit den Russen erlauben. Die Abgesandten wagten nicht, ihren Auftrag dem fanatischen Imam selbst auszurichten. Sie fürchteten für ihr Leben. Statt dessen gelang es ihnen durch Bestechungsgelder, Zutritt zu Schamyls greiser Mutter zu erlangen und sie dazu zu bewegen, daß sie ihrem Sohn den Fall vortrage. Schamyl liebte seine Mutter zärtlich, aber in diesem Falle blieb er hart. Er sah ein, daß es verhängnisvolle Folgen haben könne, wenn er die Abgesandten umbringen ließ oder sie mit ausgestochenen Augen, abgehauenen Händen oder in sonst verstümmeltem Zustand nach Hause schickte, wie das sonst in solchen Fällen seiner Gewohnheit entsprach. Er ließ den Wunsch der tschetschenzischen Bevölkerung bekanntgeben und gleichzeitig verbreiten, daß er sich zu Fasten und Gebet zurückziehe, bis der Prophet selbst ihm seinen Willen kundgebe. Hierauf schloß er sich in der Moschee ein, seine Muriden und die Eingebornen von Dargo versammelten sich auf seinen Befehl vor den Türen der Moschee und vereinigten ihre Gebete mit dem seinen. Drei Tage und drei Nächte hindurch blieben die Pforten der Moschee geschlossen. Die Menge draußen war von Fasten und Gebetsübungen ganz erschöpft, das lange Warten hatte sie in einen Zustand fieberhafter, religiöser Erregung versetzt. Endlich öffnete sich die Tür, auf der Schwelle stand Schamyl, bleich und mit blutunterlaufenen Augen. Zwei Muriden begleiteten ihn auf das flache Dach der Moschee. Oben angekommen, befahl er, seine Mutter zu ihm zu führen. Sie erschien, in das weiße Tuch, die Tschadra, eingehüllt. Von zwei Mullahs geführt, näherte sie sich mit langsamen, unsicheren Schritten ihrem Sohn. Der starrte sie minutenlang schweigend an, dann hob er die Augen zum Himmel und rief:

»Großer Prophet Mohammed, heilig und unantastbar sind deine Gebote. Dein gerechtes Urteil mag als Beispiel und Warnung für alle Rechtgläubigen vollzogen werden.«

Hierauf wandte er sich an das Volk und sagte, die eidbrüchigen Tschetschenzen wollten sich den Ungläubigen unterwerfen, ja sie seien schamlos genug gewesen, sogar Abgesandte nach Dargo zu schicken und sein Einverständnis zu solchem Treubruch einzuholen. Die Gesandtschaft habe nicht den Mut gehabt, mit ihrem Auftrag vor ihn selbst hinzutreten, sie habe sich an seine Mutter gewandt und die unglückliche schwache Frau dazu vermocht, bei ihm Fürbitte zu tun. Ihre eindringlichen Vorstellungen und seine unbegrenzte Verehrung für sie hätten ihm den Mut gegeben, Gottes Propheten Mohammed selbst um seinen Willen zu befragen.

»Und sehet: hier in eurer Gegenwart, begleitet von euern Gebeten, habe ich in dreitägigem Gebet und Fasten die gnädige Antwort des Propheten auf meine vermessene Frage erhalten. Des Propheten Antwort traf mich wie ein Donnerkeil. Denn es ist Allahs Wille, daß derjenige, der mir zuerst die schmähliche Absicht des Volkes der Tschetschenzen offenbarte, mit 100 schweren Peitschenhieben bestraft werden solle. Und dieser erste Bote war – meine eigene Mutter.«

Auf den Wink des Imam rissen die Muriden der unglücklichen alten Frau die Tschadra vom Leibe, packten sie an den Händen und hieben mit einer geflochtenen Peitsche auf sie ein. Ein Schauer des Grauens und der Bewunderung durchrieselte die Menge. Schon beim fünften Schlag wurde das Opfer ohnmächtig. Schamyl selbst war außer sich vor innerer Qual, fiel den Bütteln in die Arme und warf sich seiner Mutter zu Füßen. Der Auftritt war ergreifend, die Augenzeugen flehten weinend und heulend um Gnade für ihre Wohltäterin. Nach wenigen Sekunden erhob sich Schamyl. Nichts mehr war ihm von seiner Gemütsbewegung anzusehen. Abermals hob er die Augen zum Himmel und rief mit grabesernster Stimme:

»Es gibt keinen Gott außer dem einen, und Mohammed ist sein Prophet. Ihr Bewohner des Paradieses, ihr habt mein inniges Gebet gehört, ihr habt mir erlaubt, daß ich selbst die Schläge entgegennehme, zu denen meine arme Mutter verurteilt war. Laßt mich diese Schläge mit Freuden empfangen als ein unschätzbares Geschenk eurer Gnade und Güte.« Mit lächelnden Lippen zog er den roten Kittel aus, drückte den beiden Muriden schwere Nogaipeitschen in die Hände und sagte ihnen, er werde mit eigener Hand den töten, der es wage, dem Befehl des Propheten lässig zu gehorchen. Stumm und ohne Schmerzenszeichen nahm er die 95 Schläge hin. Dann schlüpfte er wieder in seine Jacke, stieg zu der in Schreck erstarrten Menge herab und fragte: »Wo sind die verfluchten Hunde, um derentwillen meine Mutter eine so entehrende Strafe erleiden mußte?« Die Unglücklichen wurden herbeigeschleppt und krümmten sich zu seinen Füßen. Niemand zweifelte, welches Schicksal die Gesandten treffen würde. Aber zur Überraschung aller hob Schamyl die vier Tschetschenzen auf und sagte: »Kehrt heim zu euern Landsleuten und berichtet ihnen als Antwort auf ihr wahnwitziges Ansinnen, was ihr soeben gehört und gesehen habt.«

Es ist wohl nicht nur der Schauspieler Schamyl, der uns in dieser Szene begegnet, es ist der Glaubenseiferer. Die meisterhaft inszenierte dramatische Vorstellung mußte auf die abergläubische und leichtgläubige Bergbevölkerung tiefen Eindruck machen.

Um dieselbe Zeit war Zar Nikolaus I. in seinem Palast zu Petersburg übler Laune und wegen des schlechten Standes seiner Angelegenheiten im Kaukasus aufs tiefste bedrückt. Dort lief der freche Bandit Schamyl noch immer frei herum und widersetzte sich seinem, des allmächtigen Selbstherrschers, heiligen Willen. Am 18. September 1843 gab der Zar dem neuen Oberstkommandierenden General Neidhardt den Befehl, ins Gebirge vorzudringen, »alle Horden Schamyls zu schlagen und zu zerstreuen, seine militärischen Stützpunkte zu vernichten, alle wichtigen Plätze zu besetzen und sie in dem Maße zu befestigen, wie es zur Aufrechterhaltung der russischen Herrschaft nötig erscheint.« Zu diesem Zweck befahl er, die Truppen an der Kaukasusfront auf mehr als die doppelte Stärke zu bringen. Der Plan sollte ohne Zaudern in Angriff genommen und vor Ende 1844 durchgeführt sein.

Die Russen machten mit ihrer verstärkten Heeresmacht die gewaltigsten Anstrengungen. Bei einzelnen Kampfhandlungen waren sie vom Glück begünstigt, der Eroberungsplan im ganzen mißglückte aber und brachte keine dauernden Erfolge. Schamyls Stellung und Ansehen waren gegen Jahresende noch immer ungeschwächt.

Im Sommer 1844 machte sich Schamyl einer Bluttat schuldig, die zwar im Augenblick seine Machtstellung befestigte, aber auf lange Sicht zu ihrer Erschütterung beitrug. Bei dem Aul Zonteri in der Nähe von Dargo war ein treuer Anhänger Schamyls in der Blutfehde getötet worden. Schamyl schickte 200 Mann in das Dorf und ließ einige hochangesehene Einwohner gefangennehmen, weil sie den Totschlag nicht verhindert hatten. Schamyl setzte sich damit in Widerspruch zur allgemeinen Rechtsauffassung (Adat), die ja die Blutrache zur Pflicht machte, mochte sie auch nach Schamyls Lehre gegen die heiligen Vorschriften (Schariat) sein. Die Einwohner widersetzten sich und schlugen die Muriden mit bewaffneter Macht zurück. Da fiel Schamyl über das Aul her, überredete die Einwohner, sich ihm zu ergeben, und ließ hierauf die gesamte Einwohnerschaft, Kinder und Greise mit eingeschlossen, insgesamt 100 Familien, niedermetzeln.

Die Russen hatten trotz der Anordnungen des Zaren und ihrer verstärkten Heeresmacht auch im nächsten Jahre keine besseren Erfolge zu verzeichnen als bisher. Die Kopfzahl von Schamyls Heer betrug zwar nur einen Bruchteil der russischen Heeresstärke, auch fehlte ihm, abgesehen von den eroberten Kanonen, jegliche Artillerie. Aber er war dem Feind durch die Beweglichkeit seiner berittenen Truppen weit überlegen. An Stellen, wo die Russen ihre großen Truppenabteilungen voll entfalten und ihre Artillerie wirksam einsetzen konnten, ging er dem Kampf aus dem Wege. Statt dessen lockte er sie soweit als möglich ins Gebirge und in die Wälder hinein, fiel ihnen dann plötzlich an den schwierigsten Übergängen in den Rücken oder umging ihre Marschkolonnen, machte kurze, heftige Angriffe, die gewöhnlich mit schweren Verlusten für die Russen endeten, trennte sie von ihrem Troß oder nahm ihnen die Nachfuhr weg und erreichte so, daß sie niemals etwas Entscheidendes ausrichten konnten und regelmäßig unverrichteterdinge abziehen mußten.

Genau das gleiche Schicksal hatte auch der Feldzug des Fürsten Woronzow im Jahre 1845. Woronzow hatte sich im Napoleonischen Krieg einen Namen gemacht und war im Jahre 1845 zum Vizekönig des Kaukasus und Höchstkommandierenden ernannt worden. Auf Befehl des Zaren verließ er am 31. Mai 1845 mit einem Heer, wie es trefflicher bis dahin im Kaukasus nicht gesehen worden war, mehr als 18 000 Mann stark, den befestigten Platz Wnesápnajna in Tschetschenien. Sein Ziel war Schamyls Hauptstadt Dargo. Er erreichte Dargo am 6. Juli, hatte unterwegs nur wenig unmittelbaren Widerstand gefunden, aber in dem schwierigen Gelände ernste Verluste gehabt, so daß sein Heer halb verhungert und im schlechtesten Zustande war. Er fand Dargo von Schamyl selbst niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht. Alle Vorräte waren weggebracht, und alle Möglichkeiten, sich Lebensmittel zu verschaffen, waren zunichte gemacht worden. Seine eigene Zufuhr war zum größten Teil unter schweren Verlusten für ihn abgeschnitten. Schamyl hatte in den unterirdischen Gefängnissen seiner Hauptstadt 33 russische Offiziere und Mannschaften gefangengesetzt. Die Russen hofften, ihre Kameraden retten zu können, aber Schamyl hatte sie vor seinem Abzug niedermachen lassen.

Woronzows Lage war ernst, er mußte darauf bedacht sein, das inzwischen auf nur 5000 kampffähige Mannschaften zusammengeschrumpfte Heer schleunigst durch einen Rückzug in Sicherheit zu bringen. 1100 Verwundete mußten mitgeschleppt werden. Dabei war nur Verpflegung für wenige Tage vorhanden. Am 13. Juli begann der traurige Rückzug, ständige Kämpfe und schwierige Hindernisse zogen ihn bedenklich in die Länge. Die Verluste waren ungeheuer, im Lauf von vier Tagen hatte Woronzow 1000 Tote zu beklagen, und die Zahl seiner Verwundeten war auf über 2000 gestiegen. Die Armee konnte täglich nur 6½ Kilometer im Durchschnitt zurücklegen. Am 16. Juli sah Woronzow ein, daß er den weiteren Rückzug aufgeben mußte. Er ließ Lager schlagen und wartete auf den Entsatz, den er durch mehrfache Meldungen gefordert hatte. Aber niemand wußte, ob die Ordonnanzen auch durchgekommen seien. Der 17. Juli verging, die Mannschaften hatten nur noch etwas Mais zu essen, den sie auf den Feldern in der Umgebung vorfanden. Schamyl umschwärmte das russische Lager mit seinen Leuten und beschoß es mit eroberten Kanonen. So verging auch der 18. Juli. Der Hunger begann die Russen zu plagen, es fehlte an Artilleriemunition, bei der Infanterie und Kavallerie hatte jeder Mann nur noch etwa 15 Schuß. Das Ende schien nahe. Da ertönte gegen Sonnenuntergang ferner Kanonendonner. Im Nu war das ganze Lager auf den Beinen, allgemeiner Jubel erfaßte die Mannschaften, sogar Verwundete und Kranke vergaßen ihren elenden Zustand. General Freitag marschierte heran. Die Ordonnanzen hatten ihn am 16. Juli in Grosnyj erreicht, er war in zwei Tagen 160 Kilometer weit geritten, hatte die an verschiedenen Stellen einquartierten Truppen unterwegs gesammelt und war mit seinem Vortrupp am 18. Juli, 9 Uhr abends, an Ort und Stelle. Schamyl nahm mit Freitag Kampffühlung, zog sich aber dann zurück und schalt seine Naïbs aus, weil sie sich im letzten Augenblick den Erfolg hatten entreißen lassen. Am 20. Juli waren die Überreste des stolzen russischen Heeres in dem Aul Ghersel, in der Ebene, in Sicherheit gebracht; aber der Rückzug hatte nochmals schwere Verluste bei der Nachhut gekostet. Zar Nikolaus begann zu begreifen, daß die Befehle von seinem kaiserlichen Schreibtisch in St. Petersburg allein kein geeignetes Mittel waren, um ihm das Haupt des Banditen Schamyl vor die Füße zu legen.

Schamyls kühnste Tat in jener Zeit war sein Einfall in die Ebenen von Kabardien, zu beiden Seiten des Terek, nördlich und nordwestlich von Wladikawkas. Die tapferen Bergstämme im nordwestlichen Kaukasus, die ebenfalls einen erbitterten Kampf um ihre Freiheit führten, waren von Tschetschenien durch das fruchtbare Kabardien getrennt, das die Russen seit 1822 fest in der Hand hielten. Schamyl hoffte zu erreichen, daß die zahlreichen kriegerischen Kabardiner sich gegen Rußland erhoben und sich seiner Bewegung anschlossen. Dieser Zuzug hätte sein Heer wesentlich verstärkt, und zwischen ihm und dem nordwestlichen Kaukasus wäre eine Verbindung hergestellt worden. Die Russen hätten dann eine geschlossene Front vor sich gehabt, und ihre verbündeten Gegner wären stärker gewesen als je zuvor. Schamyl warb mit Versprechungen und Drohungen um die Kabardiner. Gegen Ende des Jahres 1845 schickte er ihnen eine in der blühendsten Sprache abgefaßte Botschaft, deren letzte Sätze etwa so lauteten: »Wenn ihr aber fortfahrt, den verlockenden Versprechungen der rothaarigen Christenhunde mehr Glauben zu schenken als meinen Warnungen, so werde ich wahr machen, was euch Kasi-Mullah in Aussicht gestellt hat: wie finstere Gewitterwolken werden sich meine Scharen über eure Dörfer hinwälzen und werden mit Gewalt erzwingen, was ihr uns im Guten verweigert. Blut wird meinen Weg bezeichnen, Schrecken und Vernichtung werden mein Gefolge sein. Wo die Macht des Wortes versagt, muß die Tat entscheiden. Gottes Diener, der Imam Schamyl.«

Mitte April 1846 fiel Schamyl von Tschetschenien her mit einer starken Macht in Kabardien ein. Er hoffte, daß die Kabardiner der russischen Herrschaft überdrüssig seien und sich ergeben würden, sobald ihnen seine unmittelbare Gegenwart Hilfe und Unterstützung versprach. Aber der tüchtige General Freitag hatte von Schamyls Absicht Kunde bekommen. Er sammelte eine Armee und verfolgte Schamyl in größter Hast, um ihm den Weg abzuschneiden. Den Kabardinern fehlte der Mut zum Aufstand, und Schamyl wagte nicht dem General Freitag in der offenen, baumlosen Ebene entgegenzutreten, sondern zog sich mit nur wenigen Stunden Vorsprung fluchtartig ins Gebirge zurück. Dieses kühne Abenteuer stärkte trotz des Mißerfolges sein Ansehen bei den Bergstämmen, zumal er nur ganz geringe Verluste hatte. Immerhin war es Freitag gelungen, Rußland von einer großen Gefahr zu befreien.

In diesem Jahr ließen die Scharen Schamyls den Russen keine Ruhe mehr. Sie griffen hier an und wagten dort einen Einfall, ja die Kühnheit der Muriden ging so weit, daß sie am 24. Juli sogar Grosnyi selbst beschossen und um 17. August gegen das neue Fort Wosdwischensko südlich von Grosnys vorgingen. Die Russen verstärkten ihre Linie durch den Bau zweier wichtiger Befestigungen in diesem Frontabschnitt. Schamyl wurde im Oktober bei Kuteschi in Dagestan geschlagen, und infolgedessen mußte sich der fruchtbare und dichtbevölkerte Darghibezirk den Russen wieder unterwerfen.

Im Juli 1847 belagerte Woronzow das von Schamyl stark befestigte Gherghébil und versuchte es im Sturm zu nehmen. Er wurde mit schweren Verlusten zurückgeschlagen und mußte von seinem Unternehmen abstehen. Wohl konnte er sich damit trösten, daß es ihm im August gelang, nach siebenwöchiger Belagerung das noch stärker befestigte Dorf Salti zu erobern, aber die Russen bezahlten ihren Erfolg mit 2000 Toten und Verwundeten. Im Juli 1848 fiel dann auch Gherghébil, nachdem es von einer 10 000 Mann starken Armee 22 Tage lang belagert worden war. Aber die Russen konnten die Stadt nicht halten, sondern mußten sich zurückziehen und alle Früchte ihrer Anstrengungen wieder preisgeben. Muridenschwärme verfolgten sie. Im September 1848 griff Schamyl mit starker Truppenmacht das Fort Achti am Samur, nahe der Südgrenze Dagestans, an. Die 500 Mann starke Besatzung unter Oberst Roth verteidigte sich heldenmütig. Die Hälfte der Besatzung war gefallen oder verwundet, die wichtigste Pulverkammer in die Luft gesprengt, in die Mauern waren Breschen gelegt, der Wasservorrat war zu Ende, und es konnte nichts mehr gekocht werden. Schamyl hatte dem Naïb, der als erster die Muridenfahne auf den Mauern des Forts aufpflanzen würde, die jugendliche Tochter des Obersten Roth versprochen. Fräulein Roth und die Soldatenfrauen waren aber entschlossen, sich selbst in die Luft zu sprengen, um nicht dem Feind in die Hände zu fallen. Schon war alle Hoffnung auf Rettung aufgegeben, da kam im letzten Augenblick eine russische Truppenabteilung zum Entsatz.

Die nächsten Jahre waren arm an größeren kriegerischen Unternehmungen. Die Russen sowohl als Schamyl beschränkten sich mehr auf Verteidigung, und so gab es auf beiden Seiten nur geringe Verluste und keine größeren Niederlagen. Woronzow war durch Schaden klug geworden und hatte allmählich eingesehen, daß Dagestan und Tschetschenien nicht durch einzelne Unternehmungen erobert werden konnten. Schamyls Macht ließ sich nicht mit einem Schlage brechen, die Russen mußten geduldig und planmäßig zu Werke gehen, an einer bestimmten Grenzlinie entlang eine Kette starker Befestigungen bauen, sie durch Straßen verbinden und Garnisonen oder Barackenlager einrichten. Diese befestigte Linie mußte dann allmählich immer weiter vorgeschoben werden. Gleichzeitig versuchten die Russen die tschetschenzischen Wälder, die dem Feind so große Vorteile boten, niederzuhauen oder zu lichten. Sie legten breite Straßen durch den Wald und zerstörten die Dörfer im Umkreis, soweit es irgend ging.

Schamyl benutzte die Zeit zur weiteren Befestigung seines Einflusses bei den Bergvölkern. Im Jahre 1849 erreichte seine Macht ihren Höhepunkt. Seine Herrschaft war die eines Despoten und stützte sich immer mehr auf das Beil des Henkers. Niemand wagte sich seinem Willen zu widersetzen, nicht einmal die Blutsverwandten seiner Opfer. Tausende waren bereit, unter Führung der Häuptlinge auf Schamyls Befehl ihr Leben hinzugeben. Der kühnste Häuptling in Schamyls Schar war Chadschi-Murat. Er wagte immer wieder Einfälle in Feindesland, einen dreister als den andern. Sein Wagemut kannte keine Grenzen, und immer gelang es ihm durch seine Entschlossenheit und Beweglichkeit, mit heiler Haut davonzukommen. In einer Dezembernacht des Jahres 1846 war er mit 500 Mann in Dschengutai, der Hauptstadt von Mechtuli, eingedrungen und hatte unter den Augen der russischen Besatzung die Witwe seines ehemaligen Feindes Achmed-Chan entführt. Im April 1849 übertraf er durch seine Kühnheit sogar die sagenhaftesten Gerüchte, die über ihn umgingen. Er brach nachts in Temir-Chan-Schura, dem Hauptort und militärischen Mittelpunkt des russischen Teiles von Dagestan ein. Um die Verfolger irrezuführen, hatte er seinem Pferd die Hufeisen verkehrt aufgeschlagen. Am 1. Juli 1851 brach er mit 500 Reitern nachts in das reiche Aul Buinaksk, an der Küste zwischen Derbent und Petrowsk, ein, tötete Schach Wali, den Bruder des Schamchals von Tarku, auf der Schwelle seines Hauses und entführte Frau und Kinder des Erschlagenen. Schamyl ließ sich später schweres Lösegeld für die Freilassung dieser Gefangenen bezahlen. Chadschi-Murat und seine Leute legten bei diesem Unternehmen 150 Kilometer in weniger als 30 Stunden zurück und entkamen trotz scharfer Verfolgung ohne Verluste. Chadschi-Murats kecke Reiterstückchen nahmen kein Ende und machten ihn zum Schrecken seiner Feinde. Böse Zungen verdächtigten aber Chadschi-Murat bei Schamyl, der schon immer auf den Ruhm seines Häuptlings neidisch war und ihn seit dem Mord an den Chanen von Chunsach fürchtete. Schamyl suchte nach einer Gelegenheit, um sich Chadschi-Murats zu entledigen, dessen Beliebtheit beim Volk ihm selbst gefährlich werden konnte. Er ließ ihn durch ein heimliches Gericht zu Awturi in Tschetschenien zum Tode verurteilten. Chadschi-Murat wurde im letzten Augenblick gewarnt, floh im November 1851 in das russische Fort Wosdwischensko und hoffte, sich mit Hilfe der Russen an Schamyl rächen zu können. Die Russen jubelten über diesen Glücksfall und sahen schon die allgemeine Auflösung der Muridenbewegung bevorstehen. Chadschi-Murat bekam die Erlaubnis, sich unter ständiger Aufsicht in verschiedenen russischen Standorten an der Grenze aufzuhalten und Verbindung mit seinen Anhängern in Dagestan zu suchen. Er hoffte, sich bei günstiger Gelegenheit mit Hilfe der Russen auf Schamyl stürzen und ihn durch seine verwegene Kühnheit überrumpeln zu können. Schamyl hielt inzwischen Chadschi-Murats Familienangehörige gefangen, drohte, seine Frauen zu entehren und seinen geliebten Sohn Jusuf zu töten oder ihm die Augen auszustechen. Chadschi-Murat wollte nichts unternehmen, ehe die Seinen durch Gefangenenaustausch befreit waren. Endlich aber wurde er es müde, auf die Erfüllung der Versprechungen zu warten, die ihm die Russen gemacht hatten. Die Untätigkeit und die Besorgnis um seine Familie rieben seine Nerven auf, und im April 1852 floh er mit fünf Begleitern in die Berge. Ehe er noch die russischen Linien durchbrechen konnte, war er von zahlreichen Verfolgern umringt. Ein Kampf von einem gegen hundert war aussichtslos. Aber Chadschi-Murat und die Seinen dachten nicht an Ergebung, sondern verschanzten sich, stimmten ihren Sterbegesang an und feuerten. Solange sie Patronen hatten, hielten sie sich den Feind vom Leibe. Chadschi-Murat wurde von einer Kugel getroffen, verstopfte die Wunde mit Watte und schoß weiter. Kurz darauf bekam er einen tödlichen Schuß, feuerte aber noch immer. Endlich kroch er aus seiner Deckung, richtete sich auf und stürzte mit dem Kindschal in der Faust auf seine Gegner, bis er von mehreren Kugeln getroffen zusammenbrach.

»Eilig kommst du, Kugel des Todes, den ich verachte,
Denn mein Sklave warst du.
Du, schwarze Erde! einst stampfte mein Streithengst dich,
Jetzt bist du mein Grab.
Kalt bist du, Tod, des Meister und Herr ich war.
Bald wird mein Leib in die Grube fahren.
Schneller noch fährt meine Seele zum HimmelAus einem tschetschenzischen Totenlied nach J. F. Baddeley, a. a. O., S. 488 f.

Zwei Begleiter Chadschi-Murats waren an seiner Seite im Kampf gefallen, die drei andern wurden gefangengenommen und hingerichtet. Dies geschah am 18. April 1852. Die Russen waren von einem ihrer furchtbarsten Gegner befreit. Sein Name wird noch lange in den Bergtälern leben, die er so heldenmütig verteidigt hat.

Man möchte glauben, Schamyl hätte den Krimkrieg von 1853 bis 1856 als günstige Gelegenheit benutzt, um im Verein mit den Türken und den Westmächten vernichtende Schläge gegen die russische Macht im Kaukasus zu führen. Aber die unglaublich törichte Politik der Türken veranlaßte Schamyl, jede Verbindung mit ihnen abzubrechen. Da auch die Westmächte kein Verständnis für ihre großen Aussichten an der Kaukasusfront hatten, verhielt sich Schamyl während des ganzen Krieges ziemlich still. Er versuchte nur seinen Einfluß bei der Bevölkerung aufrechtzuerhalten oder ihn wiederherzustellen, soweit er durch die Kriegsmüdigkeit geschwächt war.

Temir-Chan-Schura. Der Hauptstützpunkt der Russen in Dagestan während des Krieges gegen die Muriden.

Die Ruinen von Gunib und das Birkenwäldchen, bei dem sich Schamyl ergab.

Burg und Mauer von Derbent.

Im Jahre 1854 fiel Schamyl in Georgien ein und plünderte das fruchtbare Alasántal. Seine Truppen wurden aber geschlagen, während eine Abteilung gegen das Schloß Zinondal vordrang und die georgischen Fürstinnen Tschawtschawadse und Orbeliâni, zwei Schwestern, gefangennahm. Im Austausch gegen die Fürstinnen bekam Schamyl seinen Sohn Jamalu'd-Din wieder, den er 1839 in Achulgo hatte ausliefern müssen. Der junge Mann war damals als zwölfjähriger Knabe zu den Russen gekommen, 15 Jahre bei ihnen erzogen worden und war als Offizier der russischen Armee seinem Vater, seinem Volk und der Heimat entfremdet. Schamyl war bitter enttäuscht. Jamalu'd-Din verfiel einer Geistesstörung, wurde trübsinnig und starb drei Jahre später.

Nach dem Pariser Frieden vom 13. März 1856 konnte sich Rußland wieder ernsthaft der Unterwerfung des Kaukasus widmen und setzte größere Kräfte als je zuvor für dieses Unternehmen ein. Am 22. Juli 1856 wurde Fürst Barjatinski zum Oberstkommandierenden und Vizekönig im Kaukasus ernannt. Die Ruhepause hatte für Schamyl nicht lange genug gedauert, um die Wunden des Krieges zu heilen. Nicht eine einzige Familie war von Verlusten verschont geblieben. Die Bevölkerung war kriegsmüde. Während der langen Ruhepause hatte keine strahlende Waffentat, kein Mißerfolg des Feindes die erschlaffende Begeisterung wieder anfachen können. Die grausame Hand Schamyls lastete während der Zeit des Waffenstillstandes doppelt schwer auf der Bevölkerung, und die Leute begannen zu murren. Viele waren längst bereit, sich den Russen anzuschließen, hatten aber bisher gezweifelt, ob ihnen die Russen den nötigen Schutz gegen den mächtigen, gefürchteten Imam gewähren könnten. Der Krimkrieg hatte das Ansehen Rußlands bei den Bergvölkern und den Glauben an Rußlands Macht gefördert. Wenn Rußland im Kampf gegen die Türkei und die noch viel stärkeren Westmächte bestehen konnte, war aller Widerstand der Bergvölker aussichtslos. Allmählich ließen die Bergstämme Schamyl im Stich und schlossen sich den Russen an. Seine Versuche, mit den nordwestkaukasischen Stämmen zusammenzugehen, mißglückten.

Die Russen stellten immer wieder neue und von Mal zu Mal größere Streitkräfte gegen Schamyl ins Feld, er aber hatte stets das gleiche Muridenheer, das im Laufe der Zeit durch Verluste und durch den Abfall einzelner Abteilungen zusammenschmolz. Die neuen Schußwaffen der Russen waren den Gewehren der Bergvölker weit überlegen. So schlossen sich die russischen Linien immer enger um Schamyl und sein Hauptquartier Wedén in Tschetschenien, wo er sich seit der Zerstörung von Dargo im Jahre 1845 niedergelassen hatte. Am 1. April 1859 wurde die starke Festung Wedén von dem »dreiäugigen« General Jewdokimow nach zweimonatiger Belagerung im Sturm genommen. Die Russen hatten dabei nur geringe Verluste. Schamyl zog sich weiter ins Innere Dagestans zurück und suchte sich dort mit unerschütterlichem Heldenmut in einigen festen Stellungen zu behaupten. Die Bergstämme fielen nun in großer Zahl von ihm ab. Seine treuesten Häuptlinge verließen ihn. Sogar Kibit Mahomá, der fanatische Kadi von Tilitl, ging zu den Russen über und bekämpfte von nun an seinen ehemaligen Gebieter.

Verraten und verlassen, suchte Schamyl mit seinen Frauen, Kindern und einem kleinen Gefolge von Getreuen die letzte Zuflucht auf dem Berg Gunib, am linken Ufer des Kara-Koisu. Die dortige Bevölkerung war ihm treu geblieben. Das geschah in den ersten Tagen des August. Wenige Tage danach, am 9. August, rückte das russische Heer heran, und die Belagerung begann.

Der Berg gleicht einer gewaltigen, oben abgeplatteten, dreikantigen Pyramide, deren Seitenflächen fast senkrecht aus dem umgebenden Bergland aufsteigen. Die Gipfelplatte mag etwa zehn Quadratkilometer groß sein, sie ist mit Weide, Ackerland und etwas Birkenwald bedeckt. Einige Bäche durchziehen sie. Im Mittelpunkt der Hochfläche liegt das Dorf Gunib mit einigen Höfen, Mühlen und allem, was zum Lebensunterhalt gehört.

Schamyl verfügte, die männliche Dorfbevölkerung und seine kleine Gefolgschaft zusammengerechnet, über etwa 400 Mann. Er suchte die natürliche Festung mit allen Mitteln unzugänglich zu machen. Hätten ihm genug Mannschaften zur Verfügung gestanden, so wäre seine Stellung wohl uneinnehmbar gewesen. Aber seine 400 Mann und nur vier Kanonen reichten natürlich nicht aus, um einen so ausgedehnten Bereich gegen die gewaltige Übermacht zu verteidigen, die den Bergblock bald von allen Seiten her einschloß. Fürst Barjatinski erschien selbst auf dem Kampfplatz. Er ließ Verhandlungen einleiten und Schamyl unter ehrenvollen Bedingungen zur Übergabe auffordern. Der aber lehnte ab. Er konnte es nicht über sich gewinnen, einen Kampf freiwillig aufzugeben, den er sein ganzes Leben hindurch geführt hatte.

Nach einer Belagerungszeit von zwei Wochen und mehreren Scheinangriffen von der am leichtesten zugänglichen Ostseite gingen die Russen in der Nacht vom 24. zum 25. August (5. zum 6. September) zum Sturm über. In der frühen Morgendämmerung kletterten mehrere Bataillone an Tauen und Leitern an der Süd- und Nordwand empor, gerade an den Stellen, die bei den Bergbewohnern als unersteigbar galten. Die Überrumpelung der Verteidiger gelang nicht vollständig. Schamyls Leute stürzten sich auf die Russen, aber im gleichen Augenblick erschienen auch auf der Südostseite russische Bataillone. Nach heftigem und verlustreichem Verteidigungskampf flüchtete die Besatzung ins Aul, und Schamyl verschanzte sich mit seiner Familie. Etwa 100 Muriden stürzten sich, des Untergangs sicher, mit Säbeln und Kindschalen auf die Angreifer. Sie wurden bis auf den letzten Mann niedergemacht.

Fürst Barjatinski wollte Schamyl womöglich lebend in die Hände bekommen. Die Russen machten also vor dem Dorf halt und umstellten es mit 14 Bataillonen. Ein armenischer Oberst wurde als Unterhändler zu Schamyl geschickt. Der fanatische Greis wurde schwankend. Wäre er allein gewesen, so hätte er sicher bis zum letzten Atemzug gekämpft. Aber er hatte Weiber und Kinder bei sich. Hier war der schwache Punkt, an dem man ihn treffen konnte. Schamyl stieg zu Pferd und ritt aus dem Dorf. Er kam nicht weit, da hörte er aus den Kehlen der russischen Soldaten, die nun ihren Todfeind nach 30jährigem Kampf in ihren Händen sahen, schmetternde Hurrarufe. Schamyl erbleichte, wendete sein Pferd und wollte ins Dorf zurückreiten. Der schnell entschlossene Armenier jagte ihm nach und rief ihm zu, das Hurrageschrei sei doch ein Zeichen der Hochachtung. Schamyl ließ sich bereden und ritt mit etwa 50 Muriden, dem armseligen Überrest des einst so gewaltigen Heeres, zu dem nahen Birkenhain, wo ihn Fürst Barjatinski mit seinem Stab erwartete. Dort ergab sich Schamyl mit seinem Muridengefolge.

So endete Schamyls zäher Kampf gegen die Ungläubigen, die in seine Bergwelt eingedrungen waren, um die einheimischen Stämme zu unterjochen. Während er als Gefangener auf dem Weg nach Petersburg durch Rußland reiste, machten ihm die Größe der Städte, im Vergleich mit den armseligen Dörfern seiner Heimat, die wimmelnde Menge der Menschen, die endlose Weite des Landes einen ungeheueren Eindruck. Er konnte es nicht fassen, daß er mit seinem kleinen Anhang mehr als 30 Jahre lang im Kampf gegen dieses mächtige Reich hatte bestehen können. Unterwegs wurde er von den Russen als Held gefeiert. Zar Alexander II. empfing ihn bei Charkow und begrüßte ihn durch Umarmung und Kuß wie einen Freund. Schamyl, der Vergeltung für die grausame Behandlung mancher russischen Gefangenen gefürchtet hatte, war tief gerührt über soviel Edelmut. Am Abend wurde ihm zu Ehren ein großer Hofball gegeben. Als aber er und seine Muriden die tief ausgeschnittenen Damen sahen, nahmen sie schweres Ärgernis, wandten sich ab und begannen ihre Gebete zu verrichten. Es war ihnen ganz unverständlich, wie Männer und Frauen sich in aller Öffentlichkeit um den Leib fassen und miteinander tanzen konnten.

Die kleine Stadt Kaluga, südwestlich von Moskau, wurde Schamyl als Aufenthaltsort angewiesen. Dort baute man für ihn und seine Familie, drei Frauen und eine Anzahl Söhne und Töchter, ein geräumiges Haus. Der Zar setzte ihm eine Jahresrente von 10 000 Silberrubeln, also etwa 30 000 Mark, aus. Schamyl war für die ihm gewährte Gastfreundschaft dankbar. Im Jahre 1870 wurde ihm eine Pilgerfahrt nach Mekka erlaubt, von da reiste er nach Medina und starb dort im Jahre 1871 im Alter von 74 Jahren.

Nach Schamyls Gefangennahme gab es niemand mehr, der die Lesghier und Tschetschenzen zum Kampf gegen die Russen hätte sammeln können. Dagestan und Tschetschenien unterwarfen sich. Die Streitkräfte der Russen wurden also in diesem Teil des Kaukasus entbehrlich und konnten im nordwestlichen Kaukasus zusammengezogen werden, wo sich die Abchasier und Tscherkessenstämme (Adighenen) noch immer heldenmütig verteidigten.

Schamyl hatte mehrmals versucht, diese Stämme zum Anschluß an seine eigenen Unternehmungen zu bewegen. Sein Gebiet, Dagestan und Tschentschenien, war von diesen westkaukasischen Stämmen durch die christlichen Osseten, Chewsuren, Pschawer und andere georgische Bergstämme getrennt, die sich teils den Russen angeschlossen hatten, teils neutral blieben, aber den Muridismus ablehnten. Auch die Abchasier waren zum großen Teil Christen. Schon im Jahre 1842 hatte Schamyl den Naïb Chadschi Mehmet zu den Abchasiern geschickt. Dieser Sendbote hatte auch gewisse Erfolge zu verzeichnen, starb aber im Jahre 1844. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er vergiftet wurde. Noch im gleichen Jahre entsandte Schamyl einen neuen Naïb, Chadschi Soliman, der kecker und rücksichtsloser vorging. Er gewann dem Islam und der Lehre Schamyls zahlreiche Anhänger und predigte den heiligen Krieg. Im Jahre 1846 erschien der junge Muhámmed Emin, Schamyls ehemaliger Geheimsekretär. Er gewann zusehends Einfluß. Kurz nach seinem Erscheinen verschwand Chadschi Soliman auf geheimnisvolle Weise. Wahrscheinlich wurde er ermordet. Der junge Muhámmed Emin verstand es durch kluges und maßvolles Auftreten, seine Macht zu festigen und in weiteren großen Teilen des Landes Einfluß zu gewinnen. Seine Erfolge beruhten vor allem darauf, daß er das Volk gegen den Adel und die Fürsten unterstützte. Er schaffte die vielen drückenden Dienstpflichten der Freibürger ab und befreite viele Sklavenfamilien und Leibeigene aus ihrer Abhängigkeit. Im Laufe der Zeit machte er sich zum Herrn im größten Teil des Landes und gewann viele Einwohner für den Islam. Er gliederte das Land in Bezirke und organisierte die Bevölkerung zum ersten Male für einen gemeinsamen Kampf. Muhámmed Emin war der würdige Schüler Schamyls und ein gefährlicher Gegner für die Russen. Die weiten Entfernungen verhinderten aber ein planmäßiges Zusammenarbeiten zwischen ihm und Schamyl. Die Adelsfamilien und Fürsten der in aristokratischer Verfassung lebenden Tscherkessen mißtrauten den demokratischen Anschauungen Schamyls und seiner Bergstämme. Sie fürchteten Schamyl wegen seines grausamen Mordes an den Chanen von Dagestan. Die unteren Volksschichten waren zum Teil christlich und hatten schon deshalb keine Lust, sich dem fanatischen Muselmann und seinem heiligen Krieg gegen die Ungläubigen anzuschließen. Zu Beginn des Krimkrieges im Jahre 1853 mochte es scheinen, als sei nun für die Abchasier und Tscherkessen der Zeitpunkt gekommen, wo sie mit Hilfe der Türken und verbündeten Westmächte die Herrschaft der Russen in ihrem Teil des Kaukasus brechen konnten. Die Türken brachten es durch ihre erstaunlich törichte Politik fertig, daß gerade der umgekehrte Fall eintrat. Sie erklärten Abchasien und Tscherkessien als türkische Provinzen und brachten dadurch die Gebirgsvölker, die unabhängig waren und es auch bleiben wollten, gegen sich auf. Der Sultan und die Hohe Pforte mißtrauten Muhámmed Emin und Schamyl, weil sie vermuteten, daß diese beiden sich selbst zu Beherrschern des Kaukasus aufwerfen wollten und nicht daran dächten, sich der türkischen Oberherrschaft zu unterwerfen. Statt daß sie Muhámmed Emin als mächtigen Bundesgenossen benutzten und mit seiner Hilfe das ganze Land zum Aufstand bewogen, erreichten sie durch ihre Winkelzüge nichts anderes als eine Schwächung seiner Macht und die Zersplitterung des von ihm so mühsam und erfolgreich organisierten Landes. Die Folge davon war, daß sich die Bergstämme während des Krieges ruhig verhalten mußten und durch ihre Untätigkeit wider Willen zu stillen Bundesgenossen der Russen wurden.

Nach Friedensschluß konnten die Russen im Jahre 1856 mit frischen Kräften gegen die Kaukasusvölker vorgehen. Kaum war Schamyl überwunden, da wurden die russischen Streitkräfte gegen die Tscherkessen und Abchasier eingesetzt. Die Schwäche dieser Völker bestand darin, daß die einzelnen Stämme sich nicht zu einem nationalen Ganzen verbunden fühlten, sie konnten nicht zu einer dauernden Vereinigung ihrer Kräfte gegen den gemeinsamen Feind kommen. Die Russen waren durch ihre verbesserten Schußwaffen weitaus im Vorteil. Trotzdem verteidigten sich die kühnen Bergstämme noch fünf Jahre lang erfolgreich. Erst im Jahre 1864 mußten sie sich endlich ergeben. Ihr Freiheitskampf hatte mit Unterbrechungen nahezu ein Jahrhundert gedauert. Der Freiheitsdrang der Kaukasier war so groß, daß beinahe 400 000 Tscherkessen gemeinsam mit einer Anzahl Abchasier und Tschetschenzen die geliebten Bergtäler verließen und lieber nach der Türkei auswanderten, als daß sie den Nacken unter das russische Joch beugten. Viele dieser Auswanderer hatten ein trauriges Schicksal. In Türkisch-Kleinasien war für ihre Aufnahme schlecht gesorgt. Viele verkamen im Elend, andere ließen sich nieder, der Rest entartete zu wilden, gefürchteten Räuberbanden, die ihr Unwesen im kleinasiatischen Gebirge trieben.

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Schon vor den revolutionären Ereignissen des Jahres 1917 bestand unter der Bevölkerung Dagestans eine sozialistische Bewegung, deren Anhänger sich sofort der Februar-Revolution im Jahre 1917 anschlossen. Kerenski schickte neue Funktionäre nach Dagestan, aber bald setzte dort eine gegen Kerenski gerichtete Bewegung unter der Führung Machatsch Dachadajews ein. Auf der andern Seite bestand eine starke gegenrevolutionäre Bewegung der Mohammedaner, geführt vom Imam Gotschinski, dem Haupt der islamischen Geistlichkeit. Gotschinski hatte in den Gebieten der Awaren und Andier großen Einfluß. Er arbeitete zunächst mit Kerenski zusammen, brach aber dann jede Verbindung ab und wandte sich gegen Rußland. Im September 1917 kämpften er und seine Anhänger gegen die Russen. Sein Heerführer Usun Chadschi brachte binnen kurzer Zeit die awarischen, andischen und tschetschenzischen Länder in seine Gewalt.

Während der bolschewistischen Oktober-Revolution war Dagestan vom kommunistischen Rußland durch die gegenrevolutionären Gebiete am Don und Kuban getrennt. Gotschinski war in jener Zeit der eigentliche Machthaber in Dagestan. Er erklärte den heiligen Krieg gegen Armenien und schickte seine Truppen gegen Baku. Gerade damals war aber Baku in die Hände der Bolschewiken gefallen, und Gotschinskis Truppen wurden zurückgeschlagen. Die Rote Armee eroberte auch Petrowsk und Schura. Im August 1918 wurde Petrowsk von dem Abenteurer Bitschjerachow mit Unterstützung der Engländer genommen. Dadurch wurde die Stellung der Sowjetregierung in Schura schwierig: sie war von der Seeseite durch Bitschjerachow, von der Landseite durch die tschetschenzischen Banden Gotschinskis und an der Grenze gegen Aserbeidschan durch die türkische Armee bedroht, die im September Baku eingenommen hatte.

Im November 1918 schlugen die Türken Bitschjerachow und eroberten Petrowsk und Schura. Hierauf wurde in Dagestan eine neue sogenannte demokratische (menschewikische) Regierung gebildet, der sich auch Gotschinski als Mitglied anschloß. Nach dem Waffenstillstand vom Dezember 1918 zogen die Türken ab, die englische Armee rückte von Persien zur Unterstützung Denikins in Dagestan ein. Denikin hatte einen Teil seines Heeres dorthingeschickt. Usun Chadschi trat ihm entgegen, Gotschinski aber weigerte sich, gegen die Weiße Armee zu kämpfen. Im Jahre 1919 hatte Denikin in Dagestan eine starke Stellung, und Gotschinski arbeitete offen mit ihm zusammen. Usun Chadschi war inzwischen Emir von Nordkaukasien geworden, das unter dem Protektorat des türkischen Sultans stand. Er trennte sich von Gotschinski und setzte den Kampf gegen Denikin fort. Bald danach rückten die Türken unter Nuri Pascha in Aserbeidschan und von dort aus auch in Dagestan ein. Sie kämpften sowohl gegen Denikin als gegen die Rote Armee. Die Stärke der Roten nahm zu. Als sie im Frühjahr 1920 von Norden her weiter vorrückten, suchte Nuri Pascha Anschluß an Denikin. Sein Plan mißglückte, und er zog ab. Inzwischen starb Usun Chadschi, und seine Monarchie löste sich auf. Die Weiße Armee räumte Petrowsk und zog sich nach Baku zurück, die Rote Armee besetzte ganz Dagestan. So wurde endlich die autonome sowjet-sozialistische Republik (ASSR.) in Dagestan mit Selbstverwaltungsbefugnis in eigenen Angelegenheiten errichtet.

Tschetschenien, Kabardien, die Gebiete der Adighenen und Tscherkessen wurden autonome Bezirke mit beschränkten Selbstverwaltungsbefugnissen. Abchasten bildet zusammen mit Georgien eine sowjet-sozialistische Republik (SSR.).

 


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