Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Dienstag, 26. Februar 1895. Endlich ist der Tag gekommen, der große Tag, an welchem die Reise angetreten werden soll. Die Woche ist mit unermüdlicher Arbeit hingegangen, um die letzten Vorbereitungen zu treffen. Wir hätten schon am 20. aufbrechen sollen, jedoch wurde die Abreise von Tag zu Tag verschoben, weil immer noch etwas zu verbessern war. Tag und Nacht hatten wir den Kopf voll von alledem, was noch geschehen mußte und was nicht vergessen werden durfte. O, diese unaufhörliche geistige Anstrengung, die nicht gestattet, daß man eine Minute die Verantwortlichkeit von sich wirft, den Gedanken freien Spielraum und die Träume in die Ferne schweifen läßt; die Nerven werden angespannt von dem Augenblicke an, da man morgens erwacht, bis sich die Augen spät in der Nacht schließen. O, nur zu gut kenne ich diesen Zustand, der mich immer befallen hat, wenn ich im Begriff stand aufzubrechen und der Rückzug abgeschnitten war; niemals, glaube ich, ist er es endgültiger als jetzt. In den letzten Nächten kam ich nicht vor 3 ½ oder 4 ½ Uhr morgens zu Bett. Nicht nur hatten wir für die Gegenstände zu sorgen, die wir mitnehmen mußten; da wir das Schiff verlassen, müssen auch der Befehl und die Verantwortlichkeit in andere Hände gelegt und es muß Sorge getragen werden, daß nichts vergessen wird, was die Zurückbleibenden behalten sollen. Denn die wissenschaftlichen Beobachtungen müssen in derselben Weise, wie sie bisjetzt vorgenommen worden sind, fortgesetzt und andere Beobachtungen aller Art angestellt werden u.s.w.
So kam der letzte Abend, den wir an Bord der »Fram« verbringen sollten, und wurde ein Abschiedsfest gefeiert. In seltsamer, wehmüthiger Weise mischten sich die Erinnerungen an alles, was wir hier an Bord erlebt hatten, mit der Hoffnung und dem Vertrauen auf das, was die Zukunft bringen würde. Ich blieb bis zu früher Stunde auf, da noch Briefe und Grüße für die Heimat geschrieben werden mußten, für den Fall, daß sich Unvorhergesehenes ereignen sollte.
Unter den letzten Schriftstücken, welche ich schrieb, befanden sich die folgenden Instructionen für Sverdrup, dem ich den Befehl über die Expedition übertrug:
» Kapitän Otto Sverdrup, Befehlshaber der «Fram».
»Da ich jetzt in Begleitung von Johansen die «Fram» verlasse, um eine Reise nach Norden – wenn möglich bis zum Pol – und von dort nach Spitzbergen, wahrscheinlich über Franz-Joseph-Land, zu unternehmen, so übertrage ich Ihnen hierdurch den Befehl über den zurückbleibenden Theil der Expedition. Von dem Tage an, an welchem ich die «Fram« verlasse, soll daher alle Machtbefugnis die mir zugekommen war, in demselben Maße auf Sie übergehen und haben die Uebrigen Ihnen, oder wen Sie als ihren Führer bevollmächtigen mögen, unbedingten Gehorsam zu leisten. Ich halte es für überflüssig, Ihnen Befehle darüber zu geben, was unter den verschiedenen Verhältnissen zu thun sei, selbst wenn es möglich wäre, solche Befehle zu ertheilen. Ich bin sicher, Sie werden selbst am besten wissen, was unter schwierigen Umständen zu thun ist, und ich bin daher überzeugt, daß ich mit vollem Vertrauen die «Fram» verlassen kann.
»Der Hauptzweck der Expedition ist, durch das unbekannte Polarmeer vorzudringen, von der Gegend um die Neusibirischen Inseln nach dem Norden von Franz-Joseph-Land und weiter nach dem Atlantischen Ocean bis in die Nähe von Spitzbergen oder Grönland. Den wichtigsten Theil dieser Aufgabe haben wir meines Erachtens bereits ausgeführt; der übrige wird erfüllt werden, wenn die Expedition weiter nach Westen kommt. Um dieselbe reicher an Ergebnissen zu machen, unternehme ich den Versuch, mit den Hunden noch weiter nach Norden vorzudringen.
»Ihre Aufgabe wird es sein, die Ihrer Obhut anvertrauten Menschen auf dem sichersten Wege nach Hause zurückzuführen und sie keiner unnöthigen Gefahr auszusetzen, sei es des Schiffes, oder der Ladung, oder der Resultate der Expedition wegen. Niemand weiß, wie lange es dauern wird, bis die ›Fram‹ wieder in offenes Wasser hinaustreibt. Sie haben noch Proviant für mehrere Jahre; wenn es aus irgendeinem Grunde zu lange dauern oder die Gesundheit der Mannschaft zu leiden beginnen sollte, oder wenn Sie es aus andern Gründen für am besten halten sollten, das Schiff zu verlassen, so soll das ohne alle Frage geschehen. Was die Jahreszeit, wann dies geschehen könnte, sowie die einzuschlagende Route betrifft, so werden Sie selbst darüber am besten zu urtheilen im Stande sein. Sollte es nothwendig werden, Land anzusteuern, so halte ich Franz-Joseph-Land und Spitzbergen für günstig. Wenn nach meiner und Johansen's Heimkehr Nachforschungen nach der Expedition angestellt werden, so wird dies dort zuerst geschehen. Wo Sie immer an Land kommen mögen, sollten Sie, so oft es Ihnen möglich ist, auf Vorgebirgen und vorspringenden Spitzen in die Augen fallende Baken errichten und im Innern derselben einen kurzen Bericht niederlegen über das, was geschehen ist und wohin Sie sich gewendet haben. Um diese Baken kenntlich zu machen, errichten Sie in der Richtung des magnetischen Nordpols vier Meter von der größern Bake eine zweite, ganz kleine. Die Frage, welche Ausrüstung am Vortheilhaftesten sein würde im Falle, daß die ›Fram‹ verlassen werden müßte, ist von uns so oft erörtert worden, daß ich es für überflüssig halte, bei derselben zu verweilen. Ich weiß, Sie werden Sorge dafür tragen, daß die erforderliche Anzahl von Kajaks, Schlitten, Schneeschuhen, Schneereifen und andern Ausrüstungsgegenständen sobald wie möglich vollständig in Ordnung gebracht und in Bereitschaft gehalten wird, sodaß eine solche Rückreise über das Eis mit möglichster Leichtigkeit unternommen werden kann. An anderer Stelle gebe ich Ihnen Anweisungen bezüglich des Proviants, den ich für am passendsten für eine solche Reise halte, sowie des für jeden Mann nöthigen Quantums.
»Ich weiß auch, daß Sie alles in Bereitschaft halten werden, um die ›Fram‹ in der kürzestmöglichen Zeit verlassen zu können für den Fall, daß ihr durch Feuer oder Eispressung plötzlich etwas zustoßen sollte. Wenn das Eis es gestattet, halte ich es für das Beste, an einer sichern Stelle auf dem Eise ein Depot mit genügenden Vorräthen u. s. w., wie wir es in letzter Zeit gehabt haben, anzulegen. Alle notwendigen Gegenstände, die nicht auf dem Eise aufbewahrt werden können, sollten an Bord so untergebracht werden, daß sie unter allen Umständen leicht zu erreichen sind. Wie Sie wissen, befindet sich jetzt im Depot nur concentrirter Proviant für Schlittenreisen; aber da Sie vielleicht, ehe Sie weiter kommen, noch längere Zeit ruhig liegen werden, so würde es höchst wünschenswerth sein, von dem conservirten Fleisch, von den Fischen und Gemüsen soviel wie möglich zu ersparen; sollten unruhige Zeiten kommen, so würde ich es sogar für rathsam halten, einen Vorrath von diesen Artikeln auf dem Eise bereit zu halten. Sollte die ›Fram‹ auf ihrer Drift zu weit nördlich von Spitzbergen gelangen und in die Strömungen der Ostküste von Grönland gerathen, so sind viele Möglichkeiten denkbar, über die man sich jetzt nur schwer eine Meinung bilden kann.
»Sollten Sie aber gezwungen sein, die ›Fram‹ zu verlassen und sich dem Lande zuzuwenden, so würde es am besten sein, wie schon vorher bemerkt, Baken (mit nähern Angaben, wohin Sie gehen, u.s.w.) zu errichten, weil möglicherweise dort nach der Expedition gesucht werden wird. Ob Sie in diesem Falle versuchen sollten, Island (welches ja das nächste Land ist und wohin Sie, wenn Sie dem Rande des Eises folgen, in der ersten Hälfte des Sommers zu gelangen im Stande sein würden) oder die dänischen Colonien westlich von Kap Farewell zu erreichen, werden Sie nach Erwägung aller Umstände selbst am besten beurtheilen können.
»Unter dem, was Sie im Falle des Verlassens der ›Fram‹ außer dem nothwendigen Proviant mitnehmen müßten, möchte ich Waffen, Munition und Ausrüstung erwähnen, sowie alle wissenschaftlichen und andern Journale und Beobachtungen, alle wissenschaftlichen Sammlungen, soweit sie nicht zu schwer sind, oder wenn letzteres der Fall ist, kleine Proben davon; ferner Photographien, am liebsten die Originalplatten (Films) oder, wenn dieselben zu schwer sein sollten, Copien davon, auch das Åderman-Aräometer, mit dem die meisten Bestimmungen des specifischen Gewichts des Seewassers vorgenommen werden, sowie selbstverständlich alle Journale und Aufzeichnungen, die Interesse haben könnten. Ich lasse ein paar Tagebücher und Briefe hier, die ich Sie in besondere Obhut zu nehmen und an Eva zu geben bitte, wenn ich nicht wiederkehre oder wenn Sie, gegen alle Erwartung, vor uns nach Hause zurückkommen. Hansen und Blessing werden, wie Sie wissen, die verschiedenen wissenschaftlichen Aufgaben und die Sammlungen übernehmen. Sie selbst werden das Lothen besorgen und darauf achten, daß die Lothungen so oft, als es der Zustand der Leine gestattet, vorgenommen werden. Ich würde es mindestens einmal alle 60 Seemeilen für äußerst wünschenswerth halten; wenn es noch häufiger geschehen kann, um so besser. Sollte die Wassertiefe geringer und veränderlicher werden als jetzt, dann müssen, wie ich wol nicht zu erwähnen brauche, die Lothungen öfter vorgenommen werden.
»Da die Mannschaft schon bisher klein war und noch um zwei Leute verringert werden wird, wird dem Einzelnen wahrscheinlich mehr Arbeit zufallen; ich weiß aber, daß Sie, wenn Sie Leute entbehren können, diese bei den wissenschaftlichen Beobachtungen helfen lassen werden, um diese so vollständig wie möglich zu machen.
»Wollen Sie, bitte, auch darauf achten, daß jeden zehnten Tag (am 1., 10. und 20. jeden Monats) das Eis durchgebohrt und die Mächtigkeit desselben in derselben Weise gemessen werde, wie das bisher geschehen ist. Zum größten Theile hat Hendriksen diese Bohrungen vorgenommen, er ist bei dieser Arbeit zuverlässig.
»Zum Schlusse wünsche ich Ihnen und allen, für welche Sie jetzt verantwortlich sind, den besten Erfolg; mögen wir uns in Norwegen wiedertreffen, sei es an Bord dieses Schiffes oder ohne dasselbe!
Ihr treu ergebener
Fridtjof Nansen.
»An Bord der ›Fram‹, 25. Februar 1895.«
Endlich sollte das Gehirn zur Ruhe kommen und die Arbeit für die Beine und Arme beginnen. Heute Morgen wurde alles zum Aufbruch bereit gemacht. Fünf von den Kameraden, Sverdrup, Hansen, Blessing, Hendriksen und Mogstad, sollten uns auf dem Wege folgen und wollten einen Schlitten und ein Zelt mitnehmen. Die vier Schlitten wurden bereit gemacht, die Hunde vorgespannt; ein Frühstück mit einer Flasche Malzextract pro Mann wurde auf dem Fallreep eingenommen, und dann sagten wir den Zurückbleibenden ein letztes, herzliches Lebewohl. Nunmehr machten wir uns bei Schneetreiben auf den Weg.
Ich selbst ging mit »Kvik« als führendem Hund am ersten Schlitten an der Spitze, dann folgte unter Hurrah und Peitschenknall und Hundegebell Schlitten auf Schlitten. Gleichzeitig fiel vom Hinterdeck Schuß auf Schuß hinaus in den Schneesturm als Abschiedssalut. Die Schlitten bewegten sich schwerfällig vorwärts. Langsam ging es die Hügel hinauf, und es kam gänzlich zum Stillstand, als der Aufstieg zu steil wurde, worauf wir sämmtlich helfen mußten, da ein Mann den Schlitten nicht weiter bringen konnte. Ueber ebenen Grund flogen wir aber wie der Wind dahin, sodaß es unsern Begleitern auf Schneeschuhen schwierig genug wurde, mit den Schlitten Schritt zu halten. Ich mußte mit aller Macht ausschreiten, als letztere mich einholten, damit ich mich nicht mit den Füßen in die Stränge verwickelte. Da schwingt einer weit hinter uns einen Stock. Es ist Mogstad, der kommt und schreit, es seien von einem Schlitten während der Fahrt drei Querstreben Die Querhölzer des Schlittens, welche die senkrechten Stützen der Kufen untereinander verbinden. abgerissen. Der Schlitten war mit seiner schweren Last über ein aufrecht stehendes Stück Eis geschleudert worden, welches die Querstreben getroffen und nacheinander alle drei gebrochen und außerdem eine oder zwei der senkrechten Stützen der Kufen zertrümmert hatte. Da war nichts weiter zu thun, als nach dem Schiffe zurückzukehren, um den Schaden wieder auszubessern und die Schlitten fester zu machen, damit etwas Derartiges nicht wieder vorkäme. Auf der Rückfahrt wurde ein Schlitten gegen einen andern geschleudert, wobei einer der Stäbe des Bogens abbrach; diese Bogen müssen daher ebenfalls verstärkt werden. Die Schlittenkufen sind vorn durch einen Bogen miteinander verbunden, der aus drei bis vier zusammengebundenen Bambusstäben bestand; an diesem Bogen wurden die Zugleinen befestigt
Die Schlitten sind wieder entladen und an Bord gebracht worden, damit die Ausbesserung vorgenommen werden kann. Wir sind also heute Abend wieder hier. Indeß freue ich mich, daß dieser Unfall sich jetzt ereignet hat; es wäre schlimmer gewesen, wenn wir eine solche Erfahrung einige Tage später gemacht hätten. Ich werde jetzt anstatt vier sechs Schlitten nehmen, damit die Last eines einzelnen geringer wird, sodaß sie leichter über die Unebenheiten des Bodens hinwegzubringen sind. Ich werde auch der Länge nach unter den Querstreben des Schlittens ein breites Brett anbringen lassen, das zum Schutz gegen vorstehende Eisspitzen dienen soll. Da eine Menge Zeit gespart wird, wenn man solche Arbeiten vor dem Aufbruche gründlich herstellen läßt, so werden wir vor übermorgen nicht wieder zum Abmarsche fertig sein.
Es kam mir merkwürdig vor, wieder an Bord zu sein, nachdem ich meiner Umgebung, wie ich glaubte, auf immer Lebewohl gesagt hatte. Als ich auf das Hinterdeck kam, fand ich die Kanonen im Schnee liegen; die eine war umgefallen, die andere war beim Salutschießen infolge des Rückstoßes weit nach hinten gesprungen. Am Besantopp wehte noch die rothe Flagge.
Ich befinde mich in merkwürdig siegesfroher Stimmung; die Schlitten schienen so leicht weiter zu gleiten, obwol sie mit 10 Kilogramm mehr belastet waren, als ursprünglich beabsichtigt war (zusammen ungefähr 1100 Kilogramm), und alles sieht vielversprechend aus. Wir werden noch einige Tage warten müssen, dann aber den ganzen Tag südöstlichen Wind haben, der uns gewiß rasch nordwärts führen wird.
Gestern hatten wir 83° 47' nördlicher Breite, heute haben wir wol über 83° 50'.
Am Donnerstag, 28. Februar, brachen wir endlich mit unsern sechs Schlitten wieder auf. Sverdrup, Hansen, Blessing, Hendriksen und Mogstad begleiteten uns, doch folgten uns auch die meisten der Uebrigen eine Weile. Wir fanden bald, daß die Hunde nicht so gut zogen, wie ich erwartet hatte, und ich sah daher ein, daß wir mit dieser Belastung doch gar zu langsam vorwärts kommen würden.
Ich beschloß daher, als wir uns noch nicht weit vom Schiffe entfernt hatten, einige der Säcke mit Proviant für die Hunde zurückzulassen; sie wurden später von den andern an Bord zurückgebracht.
Als wir um 4 Uhr nachmittags halt machten, zeigte unser Hodometer Dieser Apparat war kurz vor unserm Aufbruche an Bord aus einem alten Anemometer hergestellt worden; er wurde hinter dem letzten Schlitten befestigt und gab ziemlich genau die von uns zurückgelegte Entfernung an. oder Wegmesser, daß wir uns etwa 6 Kilometer von der »Fram« entfernt hatten. Wir verbrachten im Zelte einen angenehmen Abend mit unsern Freunden, die am nächsten Tage wieder umkehren wollten. Zu meiner Ueberraschung wurde eine Punschbowle bereitet, und Toaste wurden ausgebracht auf die, welche fortzogen, und die, welche zurückblieben. Erst um 11 Uhr abends krochen wir in unsere Schlafsäcke.
An Bord war an diesem Abend uns zu Ehren große Illumination.
Am Großmast war die elektrische Bogenlampe aufgezogen; zum ersten mal erstrahlte das elektrische Licht über den Eismassen des Polarmeeres. Auch wurden auf mehrern Schollen um die »Fram« herum Feuerräder und andere Feuerwerkskörper abgebrannt, die einen brillanten Eindruck machten. Sverdrup hatte, beiläufig gesagt, angeordnet, daß bis zu seiner und der Uebrigen Rückkehr das elektrische Licht oder eine Laterne jeden Abend im Großtopp aufgehißt werden solle. Es geschah dies für den möglichen Fall, daß im Unwetter die Spuren verwischt werden und sie dann die Richtung verfehlen würden; dann wäre es schwer gewesen, zum Schiff zurückzufinden. Ein solches Licht ist aber in weiter Entfernung über die Ebene zu sehen; wenn man auf eine hohe Scholle steigt, kann man es aus meilenweiter Entfernung erblicken.
Ich hatte befürchtet, daß die Hunde, wenn sie loskämen, nach der »Fram« zurückkehren würden, und hatte daher zwei Stahlleinen anfertigen lassen, an denen in geringer Entfernung voneinander kurze Riemen angebracht waren, sodaß wir die Hunde an diesen Leinen zwischen zwei Pfählen oder Schlitten anbinden konnten. Trotzdem machten sich mehrere Hunde frei; jedoch verließen sie uns merkwürdigerweise nicht, sondern blieben bei ihren Gefährten und bei uns. Nachts hörte man um das Zelt natürlich klägliches Geheul, das mehrere von uns einigermaßen im Schlaf störte.
Am nächsten Morgen (Freitag, 1. März) sollte einer unserer Gefährten Kaffee kochen und brauchte drei Stunden, bis er fertig war. Er konnte eben mit dem Kochapparat nicht umgehen. Dann nahmen wir zusammen ein sehr gemüthliches Frühstück ein, und erst um 11½ Uhr setzten wir den Marsch fort. Unsere fünf Kameraden begleiteten uns noch ein paar Stunden und kehrten dann am selben Abend nach der »Fram« zurück.
»Es war jedenfalls ein höchst vergnügter Abschied«, sagt mein Tagebuch, »und doch ist es immer schwer, sich zu trennen, selbst auf 84°; es blinkte wol auch im Auge des einen oder andern eine Thräne.«
Das Letzte, wonach Sverdrup mich fragte, gerade als wir uns trennen wollten und er noch auf dem Schlitten vor mir saß, war, ob ich nach dem Südpol zu gehen beabsichtige, wenn ich nach Hause käme; in diesem Falle hoffe er, würde ich warten, bis die »Fram« zurück sei. Dann bat er mich, Frau und Kind von ihm zu grüßen.
Nun setzten Johansen und ich den Weg fort. Es war aber für uns allein eine recht langsame Arbeit mit den sechs Schlitten, die durch alle möglichen Risse und Unebenheiten aufgehalten wurden; außerdem wurde das Eis auch schlechter. Da die Tage noch sehr kurz waren und die Sonne noch nicht über dem Horizont stand, war es nachmittags infolge der Dunkelheit schwierig, weiter zu kommen, und wir schlugen daher schon ziemlich früh das Lager auf. –
Mittwoch, 6. März. Wir befinden uns wieder an Bord der »Fram«, um zum dritten mal den Aufbruch zu unternehmen, diesmal aber hoffentlich im Ernst!
Am Sonnabend, 2. März, hatten wir den Marsch mit den sechs Schlitten fortgesetzt, nachdem ich eine Strecke nach Norden gewesen war und das Eis dort ziemlich passirbar gefunden hatte. Wir kamen nur langsam weiter, weil wir den Weg sechsmal machen mußten, da die Schlitten überall aufgehalten wurden und ihnen weiter geholfen werden mußte. Ich gewann daraus die Ueberzeugung, daß wir auf diese Weise niemals weiter kommen würden und eine Aenderung treffen müßten, und beschloß, zu lagern, um erst das Eis im Norden anzusehen und die Sache noch weiter zu überlegen. Nachdem wir die Hunde angekoppelt hatten, machte ich mich auf den Weg, während Johansen das Zelt aufrichten und die Hunde füttern sollte. Diese erhielten täglich einmal Futter, und zwar abends nach beendetem Tagesmarsch.
Nachdem ich eine kleine Strecke gegangen war, kam ich auf ausgezeichnete ausgedehnte Ebenen, wo gutes Fortkommen möglich war; so weit war alles in Ordnung, allein die Lasten mußten erleichtert und die Zahl der Schlitten mußte verringert werden. Unzweifelhaft war es daher das Beste, nach der »Fram« zurückzukehren, die erforderlichen Aenderungen an Bord vorzunehmen und die Schlitten, die wir mitnehmen wollten, noch weiter zu verstärken, um größeres Vertrauen zu ihrer Dauerhaftigkeit zu bekommen.
Natürlich hätten wir uns eine Zeit lang irgendwie nach Norden weiter schleppen können; die Last würde sich allmählich verringert haben, aber es wäre nur sehr langsam gegangen, und die Hunde würden ermattet gewesen sein, ehe die Lasten sich genügend verringert gehabt hätten. Es war ihnen nachts zum Schlafen zu kalt, wir hörten viele von ihnen fast die ganze Nacht heulen. Wenn wir dagegen die Lasten erleichterten und dann kürzere Zeit für die Reise rechneten, so konnten wir lieber warten und erst etwas später im Monat aufbrechen. Wir konnten dann die Zeit besser ausnutzen, da die Tage heller wurden, die Kälte geringer und daher die Bahn für die Schlitten besser war. Wir brachten noch eine weitere Nacht im Zelte zu, in welches wir nur mit Mühe hineingelangen konnten, weil unsere Pelzkleidung steif gefroren war, ebenso wie unser Schlafsack.
Am nächsten Morgen (Sonntag, 3. März) beschlossen wir, nach der »Fram« zurückzukehren. Ich schirrte ein doppeltes Gespann Hunde vor einen Schlitten, worauf sie über die Eishügel und alle andern Unebenheiten so rasch zur »Fram« stürmten, daß ich mit ihnen kaum Schritt halten konnte. In wenigen Stunden legte ich die Strecke zurück, zu der wir auf dem Hinwege drei Tage gebraucht hatten. Der Vortheil einer leichtern Belastung war also klar.
Als ich mich der »Fram« näherte, sah ich zu meinem großen Erstaunen im Süden den obern Rand der Sonne über dem Eise; es war zum ersten mal in diesem Jahre. Ich hatte die Sonne noch gar nicht erwartet, aber die durch die niedrige Temperatur verursachte starke Strahlenbrechung machte sie so früh sichtbar. Die erste Nachricht, die ich von den mir Entgegenkommenden erfuhr, war, daß Hansen am Nachmittage vorher eine Beobachtung genommen hatte, die 84° ' nördlicher Breite ergeben hat.
Unzweifelhaft war es für mich ein großes Vergnügen, die Glieder noch einmal auf dem Sofa im Salon der »Fram« auszustrecken, den Durst mit angenehm schmeckendem, süßem Citronensaft stillen und ein civilisirtes Mittagsmahl genießen zu können. Nachmittags kehrten Hansen und Nordahl mit meinem Schlitten zu Johansen zurück, um ihm die Nacht über Gesellschaft zu leisten. Als ich ihn verlassen hatte, war verabredet worden, daß er den Rückweg so gut, wie er könne, ausführen sollte, während ich ihm Hülfe schicken würde. Die Hunde verloren keine Zeit, und schon nach einer Stunde und zwanzig Minuten hatten die beiden abgesandten Mann Johansen's Zelt erreicht. Abends feierten die Drei ebenso wie wir ein großes Fest zu Ehren der Sonne und des 84. Grades.
Am nächsten Morgen machten wir uns zu Dreien auf, um die Schlitten zu holen. Nun wir auf dem Wege nach dem Schiffe waren, zogen die Hunde weit besser, und wir würden in kurzer Zeit an Bord gewesen sein, wenn sich im Eise nicht eine lange Rinne gezeigt hätte, deren Ende nicht abzusehen war und die unsere Fahrt aufhielt. Schließlich ließen wir die Schlitten zurück, worauf es uns mit den Hunden gelang, auf losen Eisstücken über die Rinne zu kommen und an Bord zurückzukehren. Gestern versuchten wir zweimal, die Schlitten zu holen, jedoch war anscheinend etwas Bewegung in der Rinne, während das neue Eis noch so dünn war, daß wir ihm nicht trauen durften. Heute haben wir die Schlitten doch an Bord geholt, und jetzt wollen wir uns, hoffentlich zum letzten mal, für die Reise vorbereiten.
Wenn ich rechne, daß wir die Reise in der kürzestmöglichen Zeit machen, indem wir leichte Schlitten benutzen und so rasch weiter jagen, wie unsere Beine und die Schneeschuhe uns zu tragen vermögen, dann werden wir um nichts schlechter daran sein, vorausgesetzt, daß wir nicht zu viel Eishügel oder zu viele Rinnen im Eise antreffen.
Ich habe alle Hunde gewogen und bin zu dem Schlüsse gekommen, daß, wenn wir sie mit ihrem eigenen Fleisch füttern, wir den Marsch ungefähr 50 Tage fortsetzen können; da wir außerdem noch für ungefähr 30 Tage Proviant für die Hunde haben, so müßten wir 80 Tage mit Hunden reisen können, und man sollte denken, daß in dieser Zeit schon etwas zu erreichen wäre. Außerdem haben wir für 100 Tage Proviant für uns selbst. Das wird, wenn wir drei Schlitten mitnehmen, etwa 220 Kilogramm für jeden derselben ausmachen, und wenn wir neun Hunde für jeden Schlitten haben, so müßte sich die Sache machen lassen.
Wieder sind wir eifrig mit Vorbereitungen und Verbesserungen beschäftigt. Inzwischen hat das Eis sich ein wenig bewegt; es ist aufgebrochen und in verschiedenen Richtungen haben sich Risse gebildet. Am 8. März schrieb ich: »Der Riß, der sich während unserer Abwesenheit in der großen Scholle an Steuerbord gebildet hat, ist gestern zu einer breiten Rinne geworden, die sich ersichtlich mit neugefrorenem Eis nach Norden und Süden bis an den Horizont ausdehnt.
»Es ist spaßhaft, daß das Petroleumboot sich stets, wo es auch sei, in fataler Lage befindet. Dieser Riß ist gerade unter dem Boote entstanden, sodaß dasselbe, als man es heute Morgen fand, mit dem Heck über dem Wasser hing. Wir haben jetzt beschlossen, das Boot abzubrechen und die Ulmenbretter zu Schlittenkufen zu verarbeiten. Das wird sein Ende sein.«
Mittwoch, 13. März. 84° nördlicher Breite, 101° 55' östlicher Länge. Die Tage sind wieder mit der Ausrüstung vergangen; jetzt ist alles in Ordnung. Die drei Schlitten stehen auf dem Eise bereit und sind mit eisernen Befestigungen zwischen den Stützen und deren Querhölzern gehörig verstärkt; die letztern sind besonders stark gemacht und untereinander verbunden mit Eschenstäben, die oben auf die Querhölzer gelegt sind, während diese auch unten durch der Länge nach gelegte Bretter geschützt sind. Als wir heute Nachmittag die Hunde probeweise vor die beladenen Schlitten spannten, gingen sie so leicht wie nur denkbar. Morgen brechen wir zum letzten mal mit frischem Muthe auf. Da die Sonne jetzt am Himmel steht, haben wir die Gewißheit, nunmehr hellern Tagen entgegenzugehen.
Heute Abend fand großes Abschiedsfest mit vielen herzlichen Ansprachen statt, und morgen machen wir uns so früh wie möglich auf, vorausgesetzt, daß die Nachtschwärmerei uns nicht zurückhält.
Ich habe Sverdrup's Instructionen noch Folgendes hinzugefügt:
»P. S. In den vorstehenden Instructionen, die ich in der Nacht des 25. Februar ziemlich eilig niederschrieb, habe ich einiges zu bemerken vergessen, das noch erwähnt werden muß. Ich werde mich aber darauf beschränken, Ihnen ferner zu bemerken, daß, wenn Sie unbekanntes Land sichten sollten, natürlich alles geschehen müßte, um es festzulegen und zu untersuchen, soweit die Umstände dies gestatten. Sollte die ›Fram‹ so nahe daran hintreiben, daß Sie glauben, es könnte ohne große Gefahr erreicht werden, so würde alles, was Sie zur Erforschung des Landes thun können, von höchstem Interesse sein. Jeder Stein, jeder Grashalm, Flechten oder Moos, jedes Thier, vom größten bis zum kleinsten, würde von hoher Wichtigkeit sein; Photographiren und eine genaue Beschreibung dürften nicht versäumt werden, und zugleich müßte es auch in der weitestmöglichen Ausdehnung bereist werden, um die Küstenlinien, Größe u. s. w. festzustellen. Alles dies soll jedoch nur geschehen, wenn es ohne Gefahr ausgeführt werden kann. Wenn die ›Fram‹ im Eise treibt, versteht es sich von selbst, daß nur kurze Ausflüge vom Schiffe aus gemacht werden, da es für die Theilnehmer solcher Expeditionen große Schwierigkeiten haben könnte, das Schiff wieder zu erreichen. Sollte die ›Fram‹ längere Zeit an einer Stelle bleiben, dann dürften solche Ausflüge nur mit größter Vorsicht unternommen und nicht über einen längern Zeitraum ausgedehnt werden, da man nicht wissen kann, wann das Schiff weiter treiben wird, und es für alle Betheiligten sehr unangenehm sein würde, wenn die Mannschaft der ›Fram‹ noch weiter reducirt würde.
»Wir haben über die wissenschaftlichen Untersuchungen so oft miteinander gesprochen, daß ich es nicht für nöthig halte, hier noch weitere Andeutungen darüber zu machen. Ich bin gewiß, daß Sie alles in Ihrer Macht Stehende thun werden, um jene so vollständig wie möglich auszuführen, damit die Expedition mit so reicher Ausbeute zurückkehrt, wie die Umstände es irgend gestatten. Und nun nochmals meine herzlichsten Wünsche für den besten Erfolg, und auf ein demnächstiges Wiedersehen!
Ihr treu ergebener
Fridtjof Nansen.
»An Bord der ›Fram‹, 13. März 1895.«
Bevor wir die »Fram« für immer verlassen, sollte ich wol eine kurze Schilderung der Ausrüstung geben, für welche wir uns schließlich entschieden als diejenige, die sich höchstwahrscheinlich am besten für unsere Zwecke eignen würde.
Ich habe bereits die beiden Kajaks Sie waren 3,7 Meter lang und 73 Centimeter breit; Johansen's war 30 Centimeter, das meinige 38 Centimeter tief. erwähnt, die wir im Laufe des Winters hergestellt hatten und die wir notwendigerweise bei uns haben mußten, um damit etwaige Rinnen und Tümpel zu kreuzen, die uns sonst aufhalten könnten, und um über das offene Meer zu kommen. Anstatt fertiger Boote hatte ich anfänglich beabsichtigt, fertige Bootüberzüge aus Segeltuch mitzunehmen und dieselben über die Schlitten zu ziehen, die als Gerüste dienen sollten. Auf diese Weise hätte in sehr kurzer Zeit ein Fahrzeug aufgetakelt werden können, das durchaus fähig gewesen wäre, uns über Rinnen und kleine offene Meerestheile zu tragen. Ich gab diesen Gedanken jedoch wieder auf und blieb bei dem Kajak, einem Fahrzeug, mit dem ich vertraut war und das uns, wie ich wußte, in mancher Hinsicht werthvolle Dienste leisten würde. Selbst wenn wir im Stande gewesen wären, für die Schlitten eine Bekleidung herzustellen, aus der in kurzer Zeit ein Boot gemacht werden konnte, so wäre die Arbeit doch nicht so rasch gegangen, als wenn wir einfach ein fertiges Kajak ins Wasser zu lassen hatten. Hierzu kam noch, daß jenes Fahrzeug schwer zu rudern gewesen sein würde, sodaß viel Zeitverlust entstanden wäre, wenn es sich um weite Entfernungen in offenem Wasser gehandelt hätte, wie etwa längs der Küste von Franz-Joseph-Land oder von dort quer hinüber nach Spitzbergen. Eine Erwägung von einiger Bedeutung war die Ersparniß an Gewicht. Allein diese war nicht von so großer Wichtigkeit, wie es aussah, da die Bekleidungen beider Arten von Fahrzeugen ungefähr gleichviel gewogen hätten und an den Kajakgerüsten nicht viel erspart worden sein würde, weil das ganze Gerüst, wie man sich erinnern wird, nur 8 Kilogramm betrug. Etwas würde damit gewonnen, daß die auf den Schlitten befindlichen Kajaks zum Verstauen der Lasten dienen konnten; während man andernfalls genöthigt gewesen wäre, den Proviant und die Werkzeuge in ziemlich schweren Säcken aus starkem Segeltuch aufzubewahren, konnte man so einen großen Theil in leichten Beuteln aus dünnem Stoff mit sich führen und im Kajak unterbringen. Unser Proviant war auf diese Weise gut und trocken verwahrt und vor jeder Gefahr eines Angriffs seitens der Hunde sowie vor Beschädigung durch die scharfen Eisspitzen geschützt. Die Segeltuchbekleidung dagegen, die über das Gestell gezogen und nach dem Gebrauch im Wasser wieder zusammengefaltet werden müßte, würde bei der niedrigen Temperatur, die wir zu erwarten haben, steif gefrieren und nothwendigerweise rasch verderben und leck werden. Endlich, und das war nicht der unwichtigste Grund, ist das Kajak mit seinem vollständig wasserdichten Deck ein höchst leistungsfähiges Boot für den Seegebrauch, in welchem man bei jedem Wetter fahren kann, sowie auch ein bewundernswerthes Fahrzeug zu Jagd- und Fischereizwecken. Das Boot, welches man auf die andere Weise hätte anfertigen können, wäre in dieser Beziehung nur schwer mit einigermaßen befriedigendem Resultat herzustellen gewesen.
Auch die Schlitten, die ich für diese Expedition angefertigt hatte, habe ich bereits erwähnt; sie waren nach dem Muster der grönländischen gebaut und glichen in der Form ungefähr dem norwegischen Ski kjälke, einem niedrigen Handschlitten auf breiten, unserm gewöhnlichen Schneeschuh ähnlichen Kufen. Die Schlitten waren 3,6 Meter lang, 50 Centimeter breit, und die Unterkante der Querhölzer lag ungefähr 12 Centimeter über dem Schnee.
Anstatt der breiten, glatten Kufen, die wir in Grönland benutzt hatten, ließ ich solche hier zwar von derselben Breite (8,5 Centimeter), aber an der Unterseite etwas abgerundet machen, wie man sie vielfach bei den Handschlitten in Oesterdalen und anderswo findet. Wie sich ergab, glitten diese runden Kufen sehr leicht über das Terrain, auf welchem wir zu reisen hatten, und ermöglichten eine bequeme Drehung der langen Schlitten. Dies war von besonderer Wichtigkeit im Treibeis, wo die vielen Unebenheiten oft einen sehr gewundenen Kurs nothwendig machten. Die Kufen waren mit dünnem Neusilberblech beschlagen, das seinem Zwecke sehr gut entspricht, da es stets blank und glatt bleibt und nicht rostet. Wie schon früher erwähnt, waren unter dem Neusilberbeschlag lose, dünne, gut getheerte Kufen aus Ahornholz angebracht. Die Schlitten waren auch noch in verschiedener anderer, früher schon besprochener Weise zur Aufnahme der schweren Lasten, die sie zu Anfang tragen mußten, besonders stark gemacht. Die Folge davon war, daß sie etwas schwerer geworden waren, als ich anfänglich beabsichtigt hatte, dafür hatte ich aber auch die Genugthuung, daß sie während der ganzen Reise gebrauchsfähig blieben und wir nicht ein einziges mal durch ihren Zusammenbruch gehindert oder aufgehalten wurden. Das ist auf frühern Schlittenreisen kaum jemals der Fall gewesen.
Schon mehreremal habe ich auf unsere Kleidung und die damit gemachten Versuche Bezug genommen. Obwol wir zu dem Schlusse gekommen waren, daß unsere Wolfsfellanzüge für die Reise zu warm sein würden, nahmen wir sie bei unserm ersten Ausbruch doch mit und trugen sie auch. Wir schwitzten jedoch immer sehr stark darin. Dadurch, daß sie die ganze Feuchtigkeit des Körpers aufsogen, waren sie so schwer geworden, daß sie eine beträchtliche Vermehrung des Gewichts unserer Lasten ausmachten; bei unserer Rückkehr nach der dreitägigen Abwesenheit vom Schiffe waren sie so naß, daß wir sie längere Zeit über dem Ofen im Salon zum Trocknen aufhängen mußten. Dazu kam noch eine andere Unannehmlichkeit: wenn wir sie eine Zeit lang getragen hatten und dann in der Kälte auszogen, froren sie so steif, daß es sehr schwierig war, sie wieder anzuziehen. Die Folge von alledem war, daß ich nicht sehr für sie eingenommen war und mich schließlich dafür entschied, meine wollenen Kleider beizubehalten, die, wie ich meinte, der Transpiration freien Abzug gewährten. Johansen folgte meinem Beispiel.
Unsere Kleidung bestand daher ungefähr aus Folgendem: auf dem Oberkörper zwei wollene (Jäger-)Hemden, über denen ich eine Jacke aus Kamelhaar und schließlich eine sogenannte isländische Wollenjacke trug. Anstatt der isländischen Jacke trug Johansen ein Kleidungsstück aus dickem Fries, das man an Bord einen »Anorak« nennt; es ist mit einer Kapuze versehen, die nach Eskimoart über das Gesicht gezogen werden konnte. An den Beinen hatten wir wollene Unterhosen, darüber Kniehosen aus Fries und lose Friesgamaschen. Um uns vor dem Winde und dem Schneestaub zu schützen, trugen wir die schon früher erwähnte »Windkleidung«, die aus einer dünnen, aber dichten Art von Baumwollentuch angefertigt war und aus einer Jacke, die über den Kopf gezogen wurde und nach Eskimo-Manier mit einer Kapuze versehen war, und einem Paar weiter Hosen bestand.
Ein wichtiger Theil der Kleidung ist die Fußbekleidung. Anstatt langer Strümpfe zog ich es vor, lose Gamaschen und Socken zu benutzen, da diese sich während des Schlafs in der Nacht auf der Brust trocknen lassen. Auf Reisen, auf denen man sich beständig im Schnee und in niedriger Temperatur bewegt, möge es nun auf Schneeschuhen sein oder nicht, habe ich die Erfahrung gemacht, daß Finnenschuhe in jeder Beziehung die geeignetste Fußbekleidung sind, doch müssen sie aus der Haut der Hinterbeine eines Renthierbockes gemacht sein. Sie sind warm und stark, bleiben auch stets schmiegsam und sind bequem an- und auszuziehen. Sie verlangen aber eine sorgfältige Behandlung, wenn sie nicht bald verderben sollen, und man muß daher versuchen, sie nachts während des Schlafs so gut man es vermag zu trocknen. Wenn das Wetter sonnig ist oder es draußen gut trocknet, ist es am besten, sie an ein paar Ski-Stöcken oder etwas Aehnlichem im Winde vor den Zelten aufzuhängen, am besten das Innere nach außen gekehrt, damit das Fell selbst rasch trocknet. Beachtet man diese Vorsichtsmaßregel nicht, dann wird das Haar bald beginnen auszufallen. Bei starker Kälte, wie wir sie während des ersten Theils der Reise hatten, war es unmöglich, sie so zu trocknen, und es blieb uns daher nichts anderes übrig, als sie nachts an den Füßen trocken werden zu lassen. Nachdem man vorher den Schnee und die Feuchtigkeit vorsichtig abgekratzt und abgebürstet hat, ist das Nächste, was man dann zu thun hat, das Innere nach außen zu kehren und sie mit getrocknetem Sennegras, wenn man solches hat, zu füllen, dann die Füße hineinzustecken und in den Schlafsack zu kriechen. Für die später zu erwartende mildere Witterung, in der der Schnee naß wurde, hatten wir uns mit Lederstiefeln nach der Façon der »Komager« (Lappenschuhe) versehen, wie sie die Lappen im Sommer benutzen. Sie waren aus halbgegerbter Ochsenhaut gemacht, mit Sohlen aus Seehundsfell. Mit einer Mischung von Theer und Talg gut eingerieben, geben sie wunderbar starke und wasserdichte Stiefel ab. Im Innern der Finnenschuhe verwendeten wir zu Anfang der Reise Sennegras, von dem wir Vorrath mitgenommen hatten. Füllt man die Schuhe damit aus und steckt nach Art der Finnen die Füße bloß hinein, so halten sie sehr warm und trocken, da das Gras alle Feuchtigkeit aufsaugt. Bei Nacht muß das Seunegras aus den Stiefeln entfernt und mit den Fingern tüchtig auseinandergezupft werden, damit es sich nicht zusammenballt; dann wird es während des Schlafes in der Weise getrocknet, daß man es auf der Brust oder im Hosenbein trägt. Am nächsten Morgen wird es ziemlich trocken sein und kann wieder in die Stiefel gesteckt werden. Allmählich verbraucht es sich jedoch, und wenn man auf einer langen Reise auskommen will, muß man einen tüchtigen Vorrath davon mitnehmen.
Wir hatten auch Socken aus Schafwolle und Menschenhaar mitgenommen, die ebenso warm als dauerhaft waren. Ferner hatten wir Fußlappen aus Fries, die wir, namentlich ich, während des letzten Theiles der Reise benutzten. Sie sind bequem zu tragen und leicht zu trocknen, da man sie nachts unter der Jacke oder den Hosen ausbreiten kann.
An den Händen trugen wir sowol schwere Fausthandschuhe aus Wolfsfell als auch gewöhnliche wollene Handschuhe. Die Handschuhe mußten genau ebenso am Körper getrocknet werden wie die Fußbekleidung. Im großen und ganzen ist die Körperwärme des unglücklichen Menschen die einzige Wärmequelle, die man zu solchem Zweck hat und wird daher möglichst ausgenutzt; wir haben unsere Nächte in nassen Umschlägen zugebracht, nur um es tagsüber etwas weniger naß zu haben.
Auf dem Kopfe trugen wir einen Filzhut, der die Augen gegen das blendende Licht schützte und durch den der Wind weniger leicht hindurchdrang als durch gewöhnliche wollene Mützen. Außerdem trugen wir gewöhnlich noch eine oder zwei Wollkapuzen. Auf diese Weise konnten wir es so reguliren, daß der Kopf immer genügend warm blieb, was nicht unwichtig ist.
Ursprünglich war es meine Absicht gewesen, leichte Schlafsäcke aus dem Felle eines Renthierkalbes für je einen Mann zu verwenden. Als sie sich jedoch als nicht genügend warm erwiesen, benutzte ich wie auf meiner Grönland-Reise einen Doppelschlafsack aus der Haut eines ausgewachsenen Renthiers. Dabei erzielt man eine beträchtliche Wärmezunahme dadurch, daß der eine Schlafgenosse den andern wärmt. Außerdem ist auch ein Sack für zwei Personen viel leichter als zwei einzelne Säcke. Zwar ist gegen den Gebrauch von Doppelsäcken der Einwand erhoben worden, daß man durch die Bewegungen des Schlafgenossen leicht in der Nachtruhe gestört werde, wir haben das aber nicht gefunden.
Etwas, das nach meiner Meinung auf einer Schlittenreise nicht fehlen darf, ist ein Zelt. Denn selbst wenn es aus dünnem, leichtem Stoffe ist, bietet es den Teilnehmern der Expedition so viel Schutz und Behaglichkeit, daß die unbedeutende Vermehrung des Gewichts der Ausrüstung mehr als ausgeglichen wird. Die Zelte, die ich für die Expedition hatte anfertigen lassen, bestanden aus Rohseide und waren sehr leicht; sie waren am Fuße viereckig und nach oben spitz und wurden vermittelst einer einzigen Zeltstange in der Mitte aufgerichtet, nach demselben Princip, wie die in unserer Armee verwendeten Viermannzelte. Die meisten unserer Zelte waren mit einem Boden aus ziemlich dichtem Baumwollstoff versehen. Bei unserm ersten Aufbruche nahmen wir ein Zelt dieser Art mit, das für vier Mann berechnet war und 3¼ Kilogramm wog. Der Boden bietet einen gewissen Vortheil, da das Zelt dadurch fester wird und leicht aufzuschlagen ist, während zugleich auch der Wind weniger leicht durchdringt. Das ganze Zelt, Seitenwände und Boden, ist zu einem Stück zusammengenäht, in welchem als einzige Oeffnung nur ein kleiner Schlitz zum Hindurchkriechen ist. Es hat jedoch den einen Nachtheil, daß es fast unmöglich ist, mit sich selbst nicht auch ein gewisses Quantum Schnee an den Füßen hineinzubringen. Dieser schmilzt in der Nacht infolge der Wärme des auf ihm ruhenden Körpers, der Zeltboden saugt die Feuchtigkeit auf und verursacht dadurch, daß das Zelt stets beträchtlich schwerer ist als das von mir angegebene Gewicht.
Ich gab infolge dessen den Gedanken an ein Zelt dieser Art auf und nahm ein anderes mit von ungefähr denselben Abmessungen, aber ohne Boden, und ebenfalls aus Rohseide wie das andere. Das Aufschlagen dieses Zeltes dauerte etwas länger, doch war der Unterschied nicht groß. Die Wände wurden durch kleine Holzpflöcke festgehalten; dann wird das Zelt rundherum sorgfältig mit Schnee verdämmt, um Wind und Zug abzuhalten. Dann kam das eigentliche Aufrichten des Zeltes, das in der Weise ausgeführt wurde, daß einer durch das Loch hineinkroch und das Zelt mit einem Ski-Stocke, der auch als Zeltträger diente, in die Höhe schob. Das Zelt wog, einschließlich 16 Pflöcke, nur 1,4 Kilogramm; es hielt die ganze Reise bis zum Herbst 1895 aus und war uns stets ein lieber Zufluchtsort.
Der Kochapparat, den wir benutzten, hatte den Vortheil, daß er das Feuerungsmaterial aufs sparsamste ausnutzte. Wir konnten damit in verhältnißmäßig kurzer Zeit nicht nur Essen kochen, sondern gleichzeitig auch reichliche Mengen Trinkwasser schmelzen, sodaß wir morgens und abends soviel wie wir mochten davon trinken konnten.
Der Apparat bestand aus einem Kochgefäß und zwei Gefäßen zum Schmelzen des Schnees und war in folgender Weise eingerichtet:
Im Innern eines Ringgefäßes ( b) befand sich der Kessel ( a), unter welchem die Lampe ( d) brannte, sodaß die ganze sich beim Gebrauch entwickelnde Hitze in den Raum ( e) zwischen dem Kessel und dem Ringgefäß gedrängt wurde. Darüber war ein dicht schließender Deckel ( f) mit einem Loch in der Mitte, durch welches die heiße Luft passiren mußte, ehe sie weiter zog und den Boden eines darüber befindlichen flachen Schneeschmelzers ( c) erreichte. Nachdem die Luft hier einen Theil ihrer Hitze abgegeben hatte, wurde sie durch einen das Ganze umgebenden Mantel ( g) an der Außenseite des Ringgefäßes wieder nach unten geleitet, wo sie die noch übrige Wärme an die Außenseite des letztern abgab, sodaß sie schließlich fast völlig abgekühlt am untern Rande der äußern Hülle entwich.
Zum Heizen wurde ein unter dem Namen »Primus« bekannter schwedischer Petroleumgasapparat verwendet, in welchem das Petroleum vor dem Verbrennen in Gas verwandelt wird. Auf diese Weise wird eine ungewöhnlich vollständige Verbrennung und große Hitze erzielt. Professor Torup hat durch zahlreiche Versuche in seinem Laboratorium nachgewiesen, daß der Kocher unter gewöhnlichen Umständen 90-93 Procent der Wärme ergibt, die das verbrauchte Petroleum bei der Verbrennung theoretisch entwickeln sollte. Ein befriedigenderes Resultat ist meiner Ansicht nach schwer zu erreichen. Die Gefäße in unserm Kocher bestanden aus Neusilber, während der Deckel sowie der äußere Mantel u. s. w. aus Aluminium angefertigt waren. Mit zwei Blechbechern, zwei Blechlöffeln und einem Blechschöpflöffel wog der Apparat 4 Kilogramm, während die »Primus«-Lampe ein Gewicht von 800 Gramm hatte. Füllte man das Ringgefäß und das obere flache Gefäß mit Eis, so wurde, während das Fleisch im Kochgefäß gesotten wurde, so viel Wasser erzeugt, daß wir mehr hatten, als für unsern Durst nöthig war.
Was das Feuerungsmaterial betrifft, so fiel meine Wahl auf Petroleum (Marke »Schneeflocke«). Spiritus, der früher auf arktischen Expeditionen verwendet worden ist, hat verschiedene Vortheile, vor allem brennt er besonders leicht; ein entschiedener Nachtheil desselben ist jedoch, daß er im Verhältniß zu seinem Gewicht keineswegs soviel Hitze entwickelt wie Petroleum, wenn dasselbe vollständig verbrennt, wie es bei der von uns benutzten Lampe der Fall ist. Da ich befürchtete, daß das Petroleum gefrieren könnte, dachte ich daran, Gasöl zu verwenden, doch gab ich den Gedanken wieder auf, weil es sich sehr schnell verflüchtigt, sodaß es schwer aufzubewahren ist, und außerdem sehr feuergefährlich. Mit unserm »Schneeflocken«-Petroleum hatten wir in Bezug auf die Kälte keine Schwierigkeiten; wir nahmen etwa 20 Liter davon mit, mit denen wir 120 Tage auskamen und die uns in den Stand setzten, uns zweimal am Tage eine warme Mahlzeit zu kochen und Eis im Ueberfluß zu schmelzen.
Von Schneeschuhen hatten wir verschiedene Paare mit, weil wir darauf vorbereitet sein mußten, daß dieselben auf dem unebenen Treibeis brechen könnten und sich außerdem zur Sommerszeit, wenn der Schnee naß und körnig wurde, stark abnutzen würden. Die unserigen waren besonders zäh und glatt; sie waren zum größten Theil aus Ahornholz wie die Schlitten, sowie aus Birken- und Hickoryholz angefertigt, und waren sämmtlich mit einer Mischung von Theer, Stearin und Talg tüchtig getränkt.
Da wir darauf rechneten, bis zu einem gewissen Grade von der Jagd leben zu müssen, mußten wir notwendigerweise auch Feuerwaffen mitnehmen. Das beste Gewehr auf solchen Reisen ist natürlich die gezogene Büchse. Aber da wir aller Wahrscheinlichkeit nach auch große Strecken zu durchqueren haben würden, wo großes Wild weniger leicht zu finden war, während oft Vögel über uns hinfliegen würden, so hielt ich auch Schrotflinten für uns nützlich. Wir entschieden uns daher in dieser Beziehung für dieselbe Ausrüstung, die ich in Grönland gehabt hatte, und nahmen zwei doppelläufige Flinten (Büchsflinten) mit, die einen Schrotlauf (Kaliber 20) und einen Kugellauf (Expreß, Kaliber 360) hatten. Unser Vorrath an Munition bestand aus ungefähr 180 Kugel- und 150 Schrotpatronen.
An Instrumenten zur Bestimmung unsers Standortes und zu Peilungen hatten wir einen kleinen leichten Theodoliten, der für unsere Zwecke besonders construirt war und mit dem Kasten, den ich als Stativ hatte einrichten lassen, nur 2 Kilogramm wog; ferner einen Taschensextanten und einen künstlichen Glashorizont, einen leichten Peilkompaß aus Aluminium und ein paar andere Kompasse. Zu den meteorologischen Beobachtungen hatten wir ein paar Aneroidbarometer, zwei Minimum-Weingeistthermometer und drei Quecksilber-Schleuderthermometer. Außerdem nahmen wir ein gutes Fernrohr aus Aluminium sowie einen photographischen Apparat mit.
Der wichtigste, aber vielleicht auch der schwierigste Punkt bei der Ausrüstung einer Schlittenexpedition ist eine durchaus gute und ausreichende Verproviantirung. Schon in der Einleitung dieses Werkes habe ich hervorgehoben, daß der erste und wichtigste Zweck ist, gegen Skorbut und andere Krankheiten sich durch die Auswahl der Lebensmittel zu schützen, die durch sorgfältige Zubereitung und Sterilisirung gegen Verderben gesichert sein müssen. Auf einer Schlittenexpedition wie diese, wo man so große Rücksicht auf das Gewicht der Ausrüstung nehmen muß, ist es kaum möglich, Proviant irgendwelcher Art mitzunehmen, dessen Gewicht nicht durch sorgfältiges und vollkommenes Trocknen soviel wie möglich verringert worden ist. Da aber Fleisch und Fisch in getrocknetem Zustande nicht so leicht verdaulich sind, so ist es nicht unwichtig, sie in pulverisirter Form mitzunehmen; die getrocknete Masse wird dabei so fein zertheilt, daß sie mit Leichtigkeit verdaut und vom Organismus aufgenommen wird. Wir nahmen daher nur Fleisch und Fisch mit, welche so zubereitet waren. Ersteres war Muskelfleisch vom Ochsen und von allem Fett, Knorpeln u. s. w. befreit; dann wurde es in vollständig frischem Zustande so rasch wie möglich getrocknet, darauf gemahlen und in demselben Verhältniß wie der gewöhnliche Pemmikan mit Nierenfett vermischt. Dieses Nahrungsmittel, das schon seit langer Zeit auf Schlittenexpeditionen zur Verwendung gelangt ist, hat sich mit vollem Recht einen großen Ruf erworben; wenn es gut zubereitet ist, wie es das unserige war, ist es unleugbar eine nahrhafte, leicht verdauliche Speise. Ich hatte auch ein großes Quantum Pemmikan vorbereitet, der zu gleichen Theilen aus Fleischpulver und vegetabilischem Fett (von der Cocosnuß) bestand; jedoch erwies sich derselbe als eine ziemlich unglückliche Erfindung. Selbst die Hunde wollten ihn nicht fressen, nachdem sie es ein- oder zweimal probirt hatten. Vielleicht erklärt sich dies durch die Thatsache, daß Pflanzenfett schwer verdaulich ist und Säuren enthält, welche die Schleimhäute des Magens und Schlundes reizen. Man darf sich jedoch nicht darauf verlassen, daß es stets harmlos ist, da es der Gesundheit auch nachtheilig sein kann, wenn es leichtfertig zubereitet, d. h. langsam oder unvollständig getrocknet ist.
Ein weiterer Proviantartikel, auf den wir großen Werth legten, war Waage's Fischmehl aus getrockneten, dann gemahlenen Fischen. Es ist gut zubereitet und hält sich ausgezeichnet; in Wasser gekocht und mit Butter und Weizenmehl oder getrockneten Kartoffeln vermischt, gibt es ein sehr wohlschmeckendes Gericht. Ein fernerer Punkt, auf den man achten sollte, ist, daß die Lebensmittel genossen werden können, ohne erst gekocht zu werden. Das Feuerungsmaterial bildet zwar einen Theil der Ausrüstung, allein wenn es aus dem einen oder andern Grunde verloren gehen oder verbraucht sein sollte, so würde man sich thatsächlich in einer schlimmen Lage befinden, wenn man für solchen Fall nicht durch die Mitnahme von Proviant, der ungekocht genossen werden kann, Vorsorge getroffen hätte. Um Feuerung zu sparen, ist es auch von Wichtigkeit, daß das Essen nicht gekocht, sondern nur erwärmt zu werden braucht. Das Mehl, welches wir mitnahmen, war daher gedämpft und konnte im Nothfalle so, wie es war, und ohne weitere Vorbereitung gegessen werden; nur zum Kochen gebracht, gab es eine gute Speise. Wir hatten auch getrocknete gekochte Kartoffeln, Erbsensuppe, Chocolade, »Vril«-Speise u. s. w. Unser Brot bestand zum Theil aus sorgfältig getrocknetem Weizenhartbrot, zum Theil aus Aleuronat-Brot, welches ich aus Weizenmehl, vermischt mit etwa 30 Procent Aleuronat (vegetabilisches Eiweiß), hatte herstellen lassen.
Wir nahmen ferner ein beträchtliches Quantum (39 Kilo) Butter mit, die ich an Bord gehörig hatte durchkneten lassen, um alles überflüssige Wasser daraus zu entfernen. Auf diese Weise sparten wir nicht nur ein beträchtliches Gewicht, sondern die Butter wurde auch in der Kälte nicht so hart. Im ganzen muß ich sagen, daß unsere Proviant-Ausrüstung eine große Abwechselung in der Nahrung erlaubte und daß wir nie dem ewigen Einerlei der Speisen unterworfen waren, über welches frühere Schlittenexpeditionen so viel geklagt haben. Uebrigens hatten wir andauernd einen wahren Wolfshunger, und unsere Mahlzeiten konnten uns unmöglich besser schmecken.
Unsere Apotheke bestand aus einem kleinen Sacke, der natürlich nur das Allernothwendigste enthielt: einige Schienen und Binden, Gipsbandagen für etwaige Bein- und Armbrüche, abführende Pillen und Opiumtinctur für Störungen des Magens, an denen wir aber nie litten, Chloroform für den Fall einer Amputation, z. B. infolge von Erfrieren, ein paar kleine Gläser Cocainlösung für Schneeblindheit (ebenfalls nicht benutzt), Tropfen für Zahnschmerzen, Karbolsäure, Jodoformgaze, ein paar gebogene Nadeln und etwas Seide zum Zunähen von Wunden, ein Skalpell, zwei Arterienpincetten (gleichfalls für Amputationen) und einige andere Gegenstände. Glücklicherweise bedurften wir unserer Apotheke nicht, abgesehen davon, daß die Binden und Bandagen uns im Winter 1895 auf 1896 als Dochte für die Thranlampen sehr gelegen kamen. Noch besser eignet sich für diesen Zweck aber Nicolaysen's Pflaster, von dem wir einen Vorrath für etwaige Schlüsselbeinbrüche mitgenommen hatten. Wir schabten die Schichte Wachs sorgfältig ab und fanden, das dies sich beim Kalfatern unserer lecken Kajaks ausgezeichnet verwenden ließ.
Liste der Ausrüstungsgegenstände
Schlitten Nr. 1 (mit Nansen's Kajak).
Schlitten Nr. 2, auf welchem in verschiedenen Segeltuchsäcken Folgendes verladen war:
Schlitten Nr. 3 (mit Johansen's Kajak).
Hierher mag die Liste unserer Hunde und ihrer Gewichte passen:
Kilogramm | |
Kvik | 35,7 |
Freia | 22,7 |
Barbara | 22,5 |
Suggen | 28,0 |
Flint | 27,5 |
Barrabas | 28,0 |
Gulen | 27,5 |
Haren | 27,9 |
Barnet | 17,7 |
Sultan | 31,0 |
Klapperslangen | 27,19 |
Blok | 26,8 |
Bjelki | 17,3 |
Sjöliget | 18,0 |
Katta | 20,7 |
Narrifas | 21,0 |
Livjägeren | 17,5 |
Potifar | 26,5 |
Storräven | 31,8 |
Isbjörn | 28,0 |
Lilleräven | 26,7 |
Kvindfolket | 26,0 |
Perpetuum | 28,6 |
Baro | 27,5 |
Russen | 26,5 |
Kaiphas | 31,5 |
Ulenka | 26,0 |
Pan | 29,5 |