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Fünftes Kapitel

Vom 17. Mai bis 21. August 1896

Am 17. Mai 1896 befand sich die »Fram« auf ungefähr 83° 45' nördlicher Breite und 12° 50' östlicher Länge. Wir feierten den Tag wieder mit einer Flaggenprocession wie am letzten Siebzehnten Mai. Mogstad saß auf den Bärenfellen im Schlitten und fuhr, das Musikcorps (d. h. Bentsen) zur Seite, mit einem Gespann von sieben Hunden. Gerade als wir den Festzug für den Marsch über das Eis ordneten, erschienen plötzlich vier weibliche Narwale, und unmittelbar darauf sahen wir in der Rinne querab vom Schiff einen Seehund – ein belebender Anblick, den wir als ein gutes Omen für den kommenden Sommer auffaßten.

Der Große Hügel, der im vorigen Jahre am 17. Mai der Schauplatz unsers fröhlichen Treibens gewesen war, war jetzt so weit entfernt und der Rinne und des höckerigen Eises wegen so schwer zu erreichen, daß wir die Festlichkeiten im Freien auf die Flaggenprocession beschränkten. Der Festzug nahm seinen Weg südwärts, bei der Thermometerhütte vorbei, nach der Rinne, dann diese entlang nach Norden und darauf zum Schiffe zurück, wo er sich auflöste, jedoch nicht eher, als bis er photographirt worden war.

Nachdem um 12 Uhr ein Salut abgefeuert war, setzten wir uns zu einem vorzüglichen Mittagsmahle nieder, mit echtem »Château la Fram, 1896er Ernte«. Dieser Rothwein war für diese Gelegenheit hergestellt und bestand aus dem Safte getrockneter Preiselbeeren und Moltebeeren mit einem kleinen Zusatz von Spiritus. Man machte mir sehr viele Complimente wegen dieses Getränkes, das ich auch bei fernern Gelegenheiten serviren ließ. Die Tafel war mit großem Geschmack gedeckt, und bei jedem Couvert lag eine elegante Papierserviette mit dem Namen »Fram« in einer Ecke und der folgenden Inschrift:

Der Siebzehnte Mai! Er erinnert uns an
Alles das, was die Väter gethan;
Er tröstet und stärkt und ermuthigt den Mann
Und beweist, daß sein Wille kein Wahn,
Daß – das Recht ihm zur Seit' – er entfalten kann
Das Banner auf siegreicher Bahn.

Während des Mahles wurden Reden gehalten zu Ehren des Tages, Norwegens, Nansen's und Johansen's u. s. w.

In den nächsten Tagen nach dem 17. Mai waren wir beschäftigt, die Maschine nebst Zubehör zum Betrieb fertig und die Ruderbrunnen und den Schraubentunnel frei zu machen. Zuerst versuchten wir, das Wasser in den Kessel durch einen Schlauch zu pumpen, den wir draußen durch ein Loch im Eis hinabgelassen hatten; die Kälte war jedoch noch so stark, daß das Wasser in der Pumpe gefror. Wir waren daher gezwungen, das Wasser in Eimern herbeizutragen und in den Kessel zu gießen, und zwar vermittelst eines Segeltuchschlauches, der für diese Gelegenheit angefertigt war und vom Kessel bis zur Luke über dem Maschinenraum führte. Amundsen dachte anfänglich, er hätte den Bodenhahn frei bekommen, sodaß er das Wasser direct in den Kessel laufen lassen könne; es zeigte sich jedoch bald, daß die Arbeit nur sehr langsam von statten ging, solange noch Eis um den Hahn war. Später hißten wir den Schornstein auf und zündeten die Feuer an, und am Nachmittage des 19. Mai war zum ersten male, seitdem wir im Herbste 1893 ins Eis gekommen waren, wieder Dampf auf. Dann hackten wir so viel wie möglich von dem Eise im Schraubentunnel weg und führten einen Dampfschlauch hinein. Das war sehr wirksam. Wir versuchten auch, den Dampf zum Fortschmelzen des Eises in der Schraubennabe um den Schaft zu verwenden, jedoch anscheinend ohne Erfolg. Wasser für den Kessel konnten wir leicht bekommen, indem wir den Wasserbehälter an Deck mit Eis füllten und dieses mit Dampf schmolzen.

Nach dem Abendessen begaben wir uns in den Maschinenraum, um zu versuchen, den Schaft zu drehen, und schließlich gelang es uns, ihm eine Dreiviertelsdrehung zu geben. Das war ein Sieg, und wir waren sämmtlich voll befriedigt von unserm Tagewerk.

Am folgenden Tage schmolzen wir mittels Dampfes das Eis in dem Ruderbrunnen, und 1½ Uhr nachmittags begann Amundsen die Maschine zu »bewegen«. Von dem Ruderpfosten oder Rahmen trieben einige große Stücke Eis herab; wir fischten sie auf, und alles war in Ordnung. Amundsen ließ die Maschine eine Zeit lang arbeiten, während wir andern dabeistanden, um mit eigenen Augen das Wunder zu sehen und uns davon zu überzeugen, daß er sie wirklich zum Drehen gebracht habe.

Es war für uns geradezu ein Ereigniß. Es erfüllte uns mit neuem Muth und der Hoffnung, daß wir bald aus unserer langen Gefangenschaft befreit werden würden, mochte der Weg auch noch so lang und beschwerlich sein. Die »Fram« war nicht mehr ein hülfloser Ball, der von der Laune des Treibeises hin- und hergeworfen wurde. Nun war unser wackeres Schiff nach seinem jahrelangen Winterschlafe zu neuem Leben erwacht, und wir freuten uns, die ersten Pulsschläge seines stark zitternden Herzens zu fühlen. Es war, als ob die »Fram« uns verstände und sagen wollte: »Vorwärts! Südwärts! Heimwärts!«

Der Zustand des Eises um das Schiff war jedoch noch immer lange nicht so günstig, daß wir Aussicht hatten, schon jetzt herauszukommen. Zwar begannen sich Anzeichen des Frühlings zu zeigen, die Temperatur stieg und der Schnee verschwand rasch, aber wir blieben noch immer auf derselben Breite, auf der wir schon seit Monaten gelegen hatten, auf ungefähr 84°. Von der Tonne aus konnten wir thatsächlich eine große Rinne sehen, die sich südwärts ausdehnte, so weit das Auge reichte, aber durch den über 200 Meter breiten Eisgürtel zu dringen, der uns davon trennte, war unmöglich, solange das dicke Packeis sich nicht etwas lockerte. Wir machten daher keinen Versuch, das Schiff freizusprengen, sondern widmeten unsere Zeit verschiedenen Arbeiten an Bord, thaten, was bis dahin ungeschehen geblieben war, brachten das Dampfspill in Ordnung, untersuchten alles Tauwerk u. s. w.

In das Loch im Eise, welches für das Herablassen der Logleine immer offen gehalten wurde, hatten wir die Köpfe der beiden Bären versenkt, damit die Flohkrebse das Fleisch für uns herunterfressen möchten, eine Arbeit, die sie gewöhnlich rasch und wirksam ausführen. Als eines Tages ein Schwarm Flohkrebse um die Bärenköpfe versammelt war, fing Scott-Hansen eine Menge davon mit dem Sacknetz und ließ sie zum Abendessen kochen, in der Absicht, uns einen regelrechten Schmaus zu bereiten. Allein wir wurden bitter enttäuscht. An den jammervollen Thieren war auch nicht ein Theilchen Fleisch, nichts als Schale und Leere. Wenn wir ein paar Dutzend davon auf einmal in den Mund steckten, schmeckten sie ungefähr wie Garneelen. Ich fürchte, wir würden bald in unangenehmer Weise an Gewicht abgenommen haben, wenn wir nur auf solche Kost beschränkt worden wären.

In den spätern Tagen des Mai hellten sich die Aussichten auf, da der Wind sich zu einem halben Sturm aus Osten und Norden gestaltete. Das Eis begann langsam nach Südwesten zu treiben und fuhr gleichzeitig fort, sich zu lockern, sodaß wir am 29. Mai nach Süden ziemlich viel offenes Wasser sehen konnten, mit dunkelm Himmel darüber, so weit das Auge reichte.

Nachdem ich mehrfach dazu aufgefordert worden war, beschloß ich einen Versuch zu machen, das Schiff loszusprengen. Um 1 Uhr nachmittags zündeten wir eine Mine von 50 Kilogramm Schießpulver an, die erstaunlich gute Wirkung that, indem sie schwere Eismassen abbrach und mit Gewalt in die Rinne hinaustrieb. Unsere Hoffnung belebte sich wieder, da es wirklich schien, daß eine weitere solche Sprengung das Schiff vollständig befreien würde. Unmittelbar nach dem Mittagessen machten wir uns ans Werk, um 30 Meter hinter dem Heck eine neue große Mine zu legen. Es machte uns eine unglaubliche Arbeit, ein Loch im Eise herzustellen und die Ladung in die Tiefe zu bringen. Erst bohrten wir ein Loch, das wir anfänglich mit kleinen Ladungen Pulver, später mit Schießbaumwolle zu erweitern suchten; allein es half nichts. Darauf nahmen wir zu Lanzen, Eisäxten, Dampf, kurz allen möglichen Mitteln unsere Zuflucht, aber alles vergeblich. Das Eis war jedoch durch die vielen Ladungen, die wir an derselben Stelle zur Explosion gebracht hatten, in allen Richtungen so geborsten, daß wir annahmen, eine große Mine in dem Loche für die Logleine würde die ganze Masse auseinandersprengen. Da das Eis an dieser Stelle dünner war, senkten wir die Mine bis zur Tiefe von zehn Meter hinab. Sie explodirte mit fürchterlicher Wirkung und schleuderte eine mächtige Wassersäule bis zum Mars der »Fram« hinauf. Die Säule bestand aber nicht allein aus Wasser, sondern enthielt auch eine Menge Eisstücke, die rundherum in größerer Entfernung herunterprasselten. Ein Stück von über 50 Kilogramm fiel direct durch das Zelt auf die Back; andere Stücke flogen über das Schiff und fielen an der Steuerbordseite nieder. Scott-Hansen und Hendriksen, die auf dem Eise neben der zum Abfeuern benutzten elektrischen Batterie standen, hatten sich bei der Explosion der Mine in keiner angenehmen Lage befunden. Als der Stoß erfolgte, nahmen sie natürlich reißaus, so schnell ihre Beine sie tragen wollten, jedoch kamen sie nicht rasch genug fort, um den tiefen Schnee zu erreichen. Unbarmherzig regneten die Eisstücke ihnen auf den Rücken herab. Mit sehr großer Mühe legten und entzündeten wir noch zwei große sowie einige kleinere Pulverminen, aber ohne bedeutende Wirkung. Dann begannen wir Löcher zu zwei Minen für Schießbaumwolle zu bohren, die gleichzeitig abgefeuert werden sollten. Allein als wir bis zur Tiefe von 2½ Bohrerlängen gekommen waren, brach der eine Bohrer, und wir mußten, ehe wir die Arbeit fortsetzen konnten, erst den andern Bohrer schärfen, da dieser ausgeschliffen war. Um 12 Uhr nachts stellten wir die Arbeit ein, nachdem wir seit dem Morgen ununterbrochen daran thätig gewesen waren. Am nächsten Morgen um 6 Uhr setzten wir das Bohren fort. Das Eis war aber so hart und so schwer zu bearbeiten, daß wir, während vier Mann den Bohrer handhabten, einen kleinen Bock mit einer Talje aufrichten mußten, um den Bohrer jedesmal, wenn er sich vollgesetzt hatte, herauszuheben. Das Eis war so dick, daß wir vier Bohrerlängen (ungefähr 6 Meter) brauchten, um durchzukommen. Nunmehr wurde die eine von den Schießbaumwolle-Ladungen in das Loch hinabgelassen, während die andere mittels einer langen Stange unter dem Rande einer alten Rinne angebracht wurde. Beide Minen wurden gleichzeitig entzündet, jedoch explodirte nur eine; als wir dann die Drähte verbunden hatten, ging auch die andere los. Aber das Resultat entsprach gar nicht unsern Erwartungen. Es scheint, daß für die großen Minen, die da, wo das Eis dünn war, bis zur Tiefe von 20 Meter versenkt waren, der Widerstand doch zu groß war.

Wir hörten nunmehr mit dem Sprengen auf, bis das Eis sich am 2. Juni längs der alten Rinne in der Nähe des Schiffes während der Nacht geöffnet hatte. Zunächst entzündeten wir gerade hinter dem Schiffe eine Mine mit Schießbaumwolle, die das Eis bis dicht ans Heck zertrümmerte. Dann bohrten wir ungefähr 5 Meter vom Schiffe entfernt ein Loch und luden es mit 10 Prismen zu je 330 Gramm Schießbaumwolle (gleich etwa 13 Kilogramm gewöhnlichem Schießpulver); aber da ich es für zu gefährlich hielt, eine Mine von solcher Stärke so nahe am Schiffe zur Explosion zu bringen, entzündeten wir vorher eine kleinere Ladung von 5 Kilogramm Schießpulver, um die Wirkung zu sehen. Da diese unbedeutend war, wurde die große Mine abgefeuert.

Sie brachte in der That Leben! Das Schiff erhielt einen solchen Stoß, daß im Salon eins der Bilder und eine Flinte zu Boden fielen und in meiner Kabine die Uhr von der Wand geschleudert wurde. Offenbar wurde der Stoß im Maschinenraum ebenso stark gefühlt, da Amundsen eine Flasche und ein Lampencylinder zertrümmert wurden. Auf dem Eise verursachte die Explosion so gute Wirkung, daß das Schiff mit einem Schlage sich fast losbrach und nur noch vorn und hinten etwas festhing. Mit ein wenig Arbeit hätten wir es noch am selben Abend ganz frei machen können, doch ließ ich es so liegen, um die Mühe des Vertäuens zu sparen. Anstatt dessen hatten wir nach dem Abendessen einen kleinen Extraschmaus, da wir der Ansicht waren, nach einem solch guten Tagewerke wol eine Belohnung verdient zu haben.

Am nächsten Morgen sprengten wir das Eis fort, das unsern Bug hielt, während ich selbst eine Spitzhacke nahm und das Eis wegzuhacken begann, welches das Heck noch festhielt. Kaum war ich vier oder fünf Minuten mit dieser Arbeit beschäftigt gewesen, als das Schiff plötzlich überholte, am Heck ein wenig tiefer sank und sich von dem Rande des Eises fortbewegte, sodaß die Trossen straff wurden. Es lag jetzt mit dem Bug ungefähr 15 Centimeter höher als im Herbste, als es einfror. Die »Fram« war also frei und bereit, sich ihren Weg durch das Eis zu bahnen, sobald die Umstände dies gestatteten. Noch waren wir jedoch nicht im Stande, uns zu bewegen.

Schon im Monat Mai hatten wir in den offenen Rinnen Anzeichen von Walen und Seehunden bemerkt, und gelegentlich hatte sich auch ein Vogel gezeigt. Während der Monate Juni und Juli war noch mehr thierisches Leben um uns herum, sodaß wir bald nach Herzenslust auf die Jagd gehen konnten. Im Laufe des Sommers schossen wir nicht nur eine Anzahl Eissturmvögel, Grilllummen, Raubmöven, Alken und Krabbentaucher, sondern auch ein paar Eiderenten sowie ein paar breitschnäbelige Strandläufer. Wir schossen auch eine Anzahl kleinerer Seehunde, bekamen aber nur sechs davon; die übrigen versanken so rasch, daß wir sie nicht rechtzeitig erreichen konnten. Selbstverständlich hießen wir jede Gelegenheit zu einem Jagdausflug willkommen, besonders wenn es sich um einen Bären handelte. Ein solcher erzeigte uns nicht oft die Ehre, und die Aufregung und das Interesse waren daher um so größer, wenn sein Erscheinen angekündigt wurde. Dann pflegten die Jungens lebhaft zu werden und schleunigst einen passenden Empfang für den Besucher vorzubereiten. Insgesammt tödteten wir im Laufe des Sommers 16 oder 17 ausgewachsene Bären und einen jungen, den wir lebendig fingen, aber später ebenfalls tödten mußten, weil er an Bord fürchterlichen Lärm machte.

Als Hendriksen eines Abends zu Anfang Juni auf dem Wege nach dem Beobachtungshause war, um die Instrumente abzulesen, kam plötzlich ein Bär auf ihn los. Ehe er sich an seine wissenschaftliche Arbeit begab, war er vorsichtshalber erst auf die Brücke gestiegen und hatte Umschau gehalten, ob die Luft rein sei, hatte aber nichts Verdächtiges wahrgenommen. Als er sich aber dem Beobachtungshause näherte, hatte er plötzlich ganz nahe bei sich ein zischendes Geräusch gehört und einen Bären erblickt, der, die Zähne fletschend, auf einem Eisrücken stand und ihn anstarrte. Natürlich fühlte sich Hendriksen, unbewaffnet wie er war, nichts weniger als behaglich. Zuerst überlegte er, ob er sich in würdevoller Weise zurückziehen oder ob er so schnell wie er konnte ausreißen sollte. Beide Parteien waren gleich weit vom Schiffe entfernt, und wenn der Bär schlimme Absichten hatte, so war es vielleicht rathsam, unverzüglich die Flucht zu ergreifen, ehe er näher herankäme. Peder rannte also so rasch er konnte davon, ohne sicher zu wissen, ob der Bär ihm auf den Fersen sei; er erreichte aber wohlbehalten das Schiff und ergriff seine Büchse, die auf Deck bereit stand. Allein ehe er wieder auf das Eis kam, hatten die Hunde den Bären gewittert und ihn sofort angegriffen. Der Bär sprang zuerst auf das Beobachtungshaus, jedoch folgten ihm die Hunde, worauf er wieder herunterschoß, und zwar mit solcher Schnelligkeit, daß Hendriksen keine Zeit zum Feuern hatte. Der Bär rannte dann nach der nächsten Rinne, wo er den Hunden wie dem Jäger aus Sicht kam. In seinem Eifer sprang »Garm« auf einige in dem dicken Eisschlamm der Rinne treibende Eisstücke und saß dort heulend, da er sich nicht getraute, wieder zurückzuspringen. Ich hörte das Jammern und bekam ihn bald von der Tonne aus in Sicht, worauf Scott-Hansen und ich uns aufmachten und ihn befreiten.

Einige Tage später hörten wir Nordahl etwa um 10 Uhr vormittags »ein Bär!« rufen, worauf alle eiligst mit ihren Büchsen an Deck stürzten. Allein die Hunde hatten einen Vorsprung vor uns und hatten die Bären bereits in die Flucht gejagt. Mogstad bemerkte jedoch von der Tonne aus, daß die Hunde sie an einer kleinen Rinne, wo sie ins Wasser gegangen waren, eingeholt hatten, und kam herunter, um mir Bescheid zu sagen. Er und ich brachen zur Verfolgung auf; das Eis war in gutem Zustande, und wir kamen rasch vorwärts. Aber da wir den Wind von der Seite hatten, dauerte es geraume Zeit, ehe wir das Gebell der Hunde hören konnten, um uns von demselben leiten zu lassen. Endlich erblickte ich einen der Hunde hinter einem kleinen Rücken, und bald sah ich mehrere und zuletzt auch die Bären. Sie saßen beide auf einer Scholle in der Rinne, mit dem Rücken an einen großen Eisblock gelehnt. Zwei von den Hunden waren auf die Scholle nachgesprungen, während die übrigen rund um die Rinne Wache hielten. Die Hunde hatten ihre Rolle gut gespielt, indem sie die Bären so scharf bewacht hatten, daß es uns keine Mühe machte, diese zu erlegen. Beide fielen sofort um; da sie sich aber noch etwas bewegten, gaben wir ihnen, um ganz sicher zu sein, noch einen letzten Schuß.

Da lagen sie nun. Allein zu ihnen hinüberzukommen, war nicht leicht. Endlich glückte es uns, nachdem wir um die Rinne herumgegangen waren, von der andern Seite auf die Scholle zu gelangen, wo die Entfernung von dem festen Eise geringer war und kleine Schollen eine Art Brücke gebildet hatten. Wir weideten die Bären aus und suchten dann die Kadaver über die Schollen zu schleppen. Dies führten wir in der Weise aus, daß wir den Bären eine laufende Schlinge um das Maul warfen und sie durch das Wasser bis an den Rand des Eises zogen, wo wir einige Schollen unter die Kadaver schoben und sie dann mit vereinten Kräften heraufzogen. Auf dem Rückwege nach dem Schiffe begegneten uns Nordahl, Pettersen, Bentsen, Hendriksen und der Steuermann, die aus dem Knallen der Büchsen geschlossen hatten, daß etwas zu holen sei, und uns mit Schlitten und Geschirren für die Hunde entgegengekommen waren. Die Schlitten wurden zusammengebunden, ein Bär auf jeden derselben gelegt und neun Hunde davorgespannt, ein Mann setzte sich rittlings auf jeden Bären, worauf es mit solcher Schnelligkeit fortging, daß wir andern laufen mußten, um Schritt mit ihnen zu halten.

In der Nacht zum 24. Juni erhielten wir wieder Besuch von zwei Bären. Nordahl entdeckte sie, als er um 12 Uhr nach dem Beobachtungshause ging; er rannte rasch zurück und rief diejenigen, die sich noch nicht zum Schlafen niedergelegt hatten. Als sie aber auf das Eis stürzten, wurden sie sofort von den Bären gesehen, die darauf verschwanden.

Drei Tage später trottete eine Bärin mit einem Jungen um Mittag auf das Schiff zu. Wir verbrannten etwas Speck, um sie anzulocken, jedoch war sie sehr vorsichtig, und es dauerte geraume Zeit, bis sie auf 200–300 Meter nahekam. Dann aber konnte der Steuermann sich nicht mehr beherrschen und gab Feuer; auch wir andern sandten ihr zu gleicher Zeit einige Kugeln zu, und nach ein paar Schritten stürzte sie nieder. Da eine breite Rinne zwischen den Bären und dem Schiffe war, nahmen einige von uns den Prahm und ruderten nach der Stelle hinüber. Das arme Junge war ein prächtiger kleiner Bursche mit fast völlig weißem Pelz und dunkler Schnauze; es war ungefähr von der Größe eines unserer kleinsten Hunde. Als sie herbeikamen, saß es auf dem Körper der Mutter, verhielt sich ganz still und schien die Sache für den Augenblick ganz ruhig aufzufassen. Hendriksen warf ihm eine Schlinge um den Hals, und es folgte, als die Mutter nach der Rinne geschleppt wurde, willig nach und setzte sich wieder auf ihren Rücken, während sie hinübergeschleppt wurde. Als es aber bei der Ankunft am Schiffe von der Mutter getrennt und an Bord gebracht werden sollte, wurde die Geschichte ganz anders. Es leistete mit aller Macht Widerstand und raste vor Wuth. Als wir es unter der Kajütskappe an Bord losließen, wurde es noch schlimmer; es that wie besessen, biß, zerrte, brummte und heulte in wilder Wuth wie ein richtiger Teufel und hörte nur so lange damit auf, als es mit dem Verschlingen der ihm zugeworfenen Fleischstücke beschäftigt war. Niemals habe ich bei einem Geschöpf eine solche Bereinigung der wildesten Eigenschaften reißender Thiere gesehen wie bei diesem kleinen Ungethüm. Und doch war es noch ganz jung! Abends gab ich Befehl, uns von diesem unangenehmen Passagier zu befreien, worauf Mogstad mit einem wohlgezielten Beilhiebe sein Leben endete.

Einige Wochen lang sahen wir dann keine Bären, bis wir in der Nacht des 12. Juli von dreien besucht wurden, von denen einer nach hitziger Verfolgung von Scott-Hansen, dem Steuermann, Nordahl und Bentsen getödtet wurde. Auch diesmal thaten die Hunde gute Dienste. Die beiden andern Bären schlichen sich beim ersten Schusse davon und kamen im Nebel außer Sicht.

Am Abend des 18. Juli schossen Mogstad und ich einen Bären, den wir ohne »Bella's« Schlauheit und Schnelligkeit schwerlich bekommen haben würden. Anfänglich griffen die Hunde den Bären ein- oder zweimal an, nach kurzem Widerstande sprang er aber ins Wasser und kreuzte zwei breite Rinnen, die zu umgehen den Hunden lange Zeit kostete. Er war gerade im Begriff, sich in eine dritte Oeffnung zu stürzen, als »Bella«, die inzwischen herumgelaufen war, ihn keine 10 Meter vor dem Rande stellte. Mogstad feuerte aus einer Entfernung von 200–300 Meter und hatte das Glück, ihn in den Kopf zu treffen und zu Fall zu bringen, worauf der Bär einige schwache Versuche machte, sich der Hunde zu erwehren. Ich sandte ihm darauf eine Kugel hinter die Schulter, und als er auch dann noch nicht ganz todt war, gab Mogstad ihm den Fangschuß.

Am 20. Juli schoß der Steuermann einen großen Bären, der über eine Rinne geschwommen war, und den letzten Bären tödteten wir am Abend des 6. August, aber in so schwieriger Lage, daß wir das Fleisch zurücklassen mußten und nur mit knapper Noth das Fell an Bord bringen konnten.

Was die Vogeljagd anlangt, waren wir ebenfalls ziemlich glücklich. Beispielsweise schossen Scott-Hansen und ich eines Abends 9 Krabbentaucher, 1 Stummel- und 1 Raubmöve, am nächsten Tage weitere 21 Krabbentaucher und 2 Grilllummen. Hendriksen erbeutete an einem Tage 18 Krabbentaucher und 1 Grilllumme; und später, als einige Tage Ueberfluß an Wild war, erlegten wir im Laufe weniger Stunden sogar 30–40 Vögel.

Dieses Jagdleben hatte nicht nur einen wohlthätigen Einfluß auf unsere Stimmung, die gelegentlich etwas gedrückt war, sondern machte uns auch Appetit, der manchmal ganz riesig war. Als wir uns am Ende des Monats wogen, stellte sich heraus, daß, während vorher einige von uns an Gewicht verloren hatten, wir diesmal gleichmäßig zugenommen hatten, seitdem Alkenbrust, gebratene Lummen, gedämpfte Möven, Mövensuppe und – last, not least – Bärenrippen unsere tägliche Kost geworden waren.

Wir brauchten aber thatsächlich alle Ermuthigungen und das gute Leben, welche die Jagd uns verschaffte. Der Zustand des Eises war alles andere als tröstlich, und die Aussichten, daß wir im Laufe dieses Jahres herauskommen würden, wurden mit jedem Tage geringer.

Während der ersten Tage nach der Befreiung der »Fram« war das Eis verhältnißmäßig ruhig; am 8. und 9. Juni aber hatten wir einige schlimme Pressungen, namentlich am letztern Tage, an welchem das Achterende des Schiffes etwa 2 Meter in die Höhe geschraubt wurde, sodaß der Ruderbrunnen vollständig aus dem Wasser kam, während der Bug etwa 60 Centimeter gehoben war und das Schiff 4° Neigung nach Backbord hatte. Auch am 10. und 11. Juni war der Eisdruck stark, besonders in der Nacht von 11½ Uhr bis 3 oder 4 Uhr.

Endlich lockerte sich das Eis am Morgen des 12. Juni, sodaß Aussicht vorhanden war, das Schiff eine Strecke weit vorausholen zu können. Da der Eisschlamm noch immer sehr dick war, hielten wir es nicht für möglich, uns ohne Hülfe des Dampfspills weiter zu ziehen, und ich gab daher Befehl, die Feuer unter dem Kessel anzuzünden. Allein noch ehe Dampf auf war, öffnete sich der Kanal so weit, daß es uns gelang, das Schiff mit Leinen durch die schmalste Durchfahrt zu ziehen.

Als Dampf auf war, dampften wir durch den Teich, wo ich einen guten Liegeplatz für das Schiff gefunden hatte. Da das Ruder noch nicht eingehängt war, mußte ich das Schiff, um es zu drehen, manchmal etwas zurückgehen lassen. Dort blieben wir, bis sich das Eis am 14. Juni etwas lockerte, und da wir in südsüdwestlicher Richtung eine Oeffnung sahen, beschlossen wir, ihr zuzusteuern. Wir machten daher Feuer unter dem Kessel, hängten das Ruder ein und steuerten mit voller Fahrt nach einem schmalen Kanal, der nach jener Oeffnung führte. Ein- über das anderemal trieben wir das Schiff in die Spalte hinein, aber immer vergebens: die Ränder wollten sich nicht um Haaresbreite rühren. Ich ließ die Maschine eine Zeit lang mit voller Kraft arbeiten, um den Riß zu forciren, wobei ich gelegentlich die Lage des Ruders änderte. Dieses Manöver hatte zum Theil Erfolg, da wir das Schiff bis zu den Fockwanten in die Spalte hineinbrachten. Dies war aber auch alles, was wir thun konnten. Die Oeffnung begann sich wieder zu schließen, und wir mußten nach dem frühern Platze zurückkehren und das Schiff dort wieder vertäuen. Das war um so ärgerlicher, als der ganze Kanal nur ungefähr drei Viertel Schiffslängen lang war.

Wir blieben dort, bis sich das Eis am Abend des 27. Juni so lockerte, daß ich einen neuen Versuch zu machen beschloß. Wir machten Dampf auf und begannen um 11½ Uhr abends das Eis zu forciren. Die Arbeit schritt in dem schweren Eise nur langsam vorwärts, und um 2 Uhr mußten wir das Schiff vertäuen, nachdem wir etwa 4 Kilometer nach Südost zu Ost zurückgelegt hatten. Diesmal probirten wir es mit der Compound-Maschine, und zwar mit gutem Erfolge. Sie machte 160 Umdrehungen in der Minute, aber der Kohlenverbrauch war natürlich entsprechend größer, fast doppelt so groß wie gewöhnlich. Wir blieben dort ungefähr eine Woche, bis das Eis am 3. Juli sich genügend öffnete, sodaß wir etwa 6 Kilometer durch einen nach Südsüdwest laufenden Kanal vorwärts kommen konnten. Während der Nacht vom 6. zum 7. Juli machten wir einen weitern Versuch, das Eis zu forciren, hatten aber erst ungefähr 2 Kilometer zurückgelegt, als wir wieder vertäuen mußten.

Der damals vorherrschende südliche Wind hielt das Eis dicht zusammengepackt, und von einer Drift war fast nicht zu reden. Andererseits war seit Mitte Juni ziemlich viel Strömung gewesen, je nachdem die Gezeiten gesetzt hatten. Wir konnten jedoch nicht wahrnehmen, daß der Strom wirklich nach einer bestimmten Richtung setzte; manchmal zeigte die Leine innerhalb eines Tages nach allen Richtungen des Kompasses. Die Strömung war jedoch sehr stark und trieb gelegentlich die Eisschollen in den Rinnen derart in die Runde, daß dem Zuschauer dabei ganz schwindelig zu Muthe wurde. Das Schiff erhielt von den tanzenden Schollen und Eisblöcken oft so heftige Stöße, daß lose Gegenstände herabfielen und die ganze Takelung erschüttert wurde.

Das Meer blieb anhaltend sehr tief. Beispielsweise konnten wir am 6. Juli bei 3000 Meter keinen Grund bekommen, während wir zwei Tage später – wir befanden uns damals auf ungefähr 83° 2' nördlicher Breite – bei nochmaligem Lothen mit 3400 Meter Grund erreichten.

Am 10. Juli gelang es uns, das Schiff zwei oder drei kurze Strecken in einem Zuge weiter zu holen, jedoch war dies eine langsame und schwierige Arbeit: das Eis war schlecht, und der Gegenwind hinderte uns sehr stark. Aber wenn die Fortschritte auch nur langsam waren, so waren es doch Fortschritte, und ich gab daher Befehl, das Schiff weiter zu holen, so oft sich eine Gelegenheit bieten sollte, etwas nach Süden zu kommen.

Aber während wir uns in dieser Weise kurze Strecken weiter quälten, enthüllte uns die Beobachtung vom 13. Juli die Thatsache, daß wir in Wirklichkeit eine beträchtliche Entfernung zurückgetrieben und wieder nach 83° 12' nördlicher Breite gekommen waren. Es mochte sinnlos erscheinen, das Vorwärtsdringen unter diesen Umständen fortzusetzen; allein so düster die Aussichten auch waren, wir versuchten doch, die Hoffnung aufrecht zu halten, und waren stets bereit, die erste Gelegenheit, die sich uns bieten sollte, zu benutzen.

Spät am Abend des 17. Juli begann das Eis sich so stark zu lockern, daß wir Dampf zu machen beschlossen. Zwar schloß es sich sofort wieder, aber trotzdem behielten wir Dampf auf. Und wir wurden auch nicht enttäuscht! Denn um 1 Uhr morgens öffnete sich das Wasser so weit, daß wir vorausdampfen und 6 Kilometer in südlicher Richtung machen konnten. Im Verlaufe des Morgens wurden wir durch eine ungeheuere, sich meilenweit ausdehnende Scholle aufgehalten, sodaß wir festmachen mußten. Den ganzen folgenden Tag blieben wir dort. Um Mitternacht lockerte sich das Eis ziemlich stark, doch war der Nebel so dicht, daß wir nichts sehen konnten. Am 19. endlich hatten wir einen unsern Wünschen entsprechenden, ausgezeichneten Fortgang. Nachdem wir vormittags, als der Nebel sich etwas gehoben hatte, aufgebrochen waren, legten wir von 12 Uhr nachmittags bis 8 Uhr abends ungefähr 40 Kilometer zurück. Durch diesen Glücksfall wurde unsere Stimmung wunderbar belebt; sie stieg noch mehr, als wir am folgenden Tage trotz des Nebels und obwol wir dreimal hatten halt machen müssen, von 83° 14' am Morgen bis 82° 52' um Mittag und 82° 39' um Mitternacht vordrangen. Vom 20. bis 27. Juli machten wir fortgesetzt gute Fortschritte. Um Mitternacht am letztgenannten Tage hatten wir 81° 32' nördlicher Breite erreicht.

Vom 27. Juli bis zum 2. August war es eine langsame und ermüdende Arbeit. Bis zum 2. August waren wir nicht über 81° 26' nördlicher Breite hinausgekommen, und gleichzeitig waren wir eine Strecke nach Osten getrieben, bis 13° 41' östlicher Länge.

Am Montag, 3. August, machten wir etwa 4 Kilometer nach Südwest, mußten dann aber in Wasser, das unmöglich zu passiren war, bis zum 8. liegen bleiben, worauf das Eis sich um das Schiff so lockerte, daß wir um 9 Uhr vormittags wieder weiter gehen konnten. Jedoch hatten wir nur erst ungefähr 11 Kilometer gemacht, als wir durch eine lange schmale Straße aufgehalten wurden. Wir versuchten, mit gewöhnlichem Pulver und später mit Schießbaumwolle zu sprengen, und dampften ein- über das anderemal mit voller Fahrgeschwindigkeit gegen die die Straße versperrenden kleinen Schollen; allein alles ohne Wirkung. In der Regel sind diese Schollen nicht so klein und unschuldig, wie sie aussehen. Sie bestehen gewöhnlich aus den Bruchstücken der alten, dicken und sehr zähen Eisrücken, die zertrümmert worden sind. Wenn die Stücke frei werden, sinken sie tief unter die Oberfläche des Wassers, sodaß nur ein verhältnißmäßig unbedeutender Theil von ihnen sichtbar bleibt, während die unter Wasser liegenden Theile sehr groß sein können.

Eine Scholle von dieser Art blockirte die Durchfahrt vor uns. Das Eis war so zäh, daß der Versuch, es mit dem Vordersteven des Schiffes zu zerbrechen, nutzlos war, obwol wir wiederholt mit voller Fahrt dagegen anrannten. Wir sahen deutlich, wie sich das zähe alte Eis bei dem Stoß bog und hob, ohne zu brechen. Das Sprengen dieser Schollen war oft unausführbar, weil sie von solcher Dicke waren, daß es uns unmöglich war, die Minen unter ihnen anzubringen. Und selbst wenn es uns gelang, eine dieser Schollen zu sprengen, so gewannen wir damit wenig oder nichts, da die Rinne zu schmal war, um die Stücke hinter uns forttreiben zu lassen, die andererseits zu schwer und zu dick waren, um sie unter den festen Rand des Packeises zu zwängen.

Gelegentlich kam es vor, daß altes, dickes Eis plötzlich in einem Kanal oder einer Oeffnung, in welche wir hineinzufahren im Begriffe standen, aus der Tiefe des Wassers emporschoß und die Passage vor uns versperrte. In einem solchen Falle erhielt die »Fram« einen Stoß in die Rippen, dem ein anderes Schiff schwerlich widerstanden haben würde.

Als wir durch einen offenen Kanal kamen, sah ich von der Tonne aus das eine Ende einer unter Wasser befindlichen Scholle über dem Rande des Packeises erscheinen und gab sofort Befehl, frei davon zu steuern, um sie zu passiren. Allein gerade in demselben Augenblicke, als wir frei davon zu sein glaubten, kam die Scholle los und schoß mit so gewaltiger Wucht an die Oberfläche, daß der Gischt hoch in die Luft flog. Die Scholle traf die »Fram« mit solcher Gewalt bei den Steuerbord-Fockwanten, daß das Schiff schwer überholte und beinahe 10 Striche von seinem Kurse abwich, bis es gegen einige kleine Schollen anrannte. Als das Ungethüm von einer Scholle aus der Tiefe heraufkam, brachte es eine ungeheuere Wassermasse mit empor und schleuderte sie wie einen brüllenden Wasserfall in die offene Rinne.

Aehnliches passirte, wenn wir gelegentlich einen treibenden Eishügel berührten, der gerade im Begriff stand, infolge des raschern Schmelzens des Eises unter der Wasserlinie umzufallen. Der leichteste Stoß genügte dann, den Hügel zu heftigem Umschlagen zu bringen, sodaß die See rund um uns so bewegt wie bei einem Sturme war.

Am 9. August arbeiteten wir den ganzen Tag, um den Kanal frei zu machen, kamen aber damit nur unbedeutend weiter. Am 10. setzten wir die Arbeit fort, und im Laufe des Vormittags gelang es uns endlich, durchzukommen. Während des übrigen Tages machten wir auch noch einige Fortschritte nach Süden, bis das Eis unpassirbar wurde und wir um 10 Uhr abends festzumachen gezwungen waren, nachdem wir ungefähr 4 Kilometer zurückgelegt hatten.

Nebels wegen waren wir nicht im Stande, eine Beobachtung zu machen, bis wir am 9. feststellten, daß wir uns auf 81° 48' nördlicher Breite befanden. Es war dies unsere letzte Breitenbeobachtung im Treibeise.

Am Dienstag, 11. August, setzten wir unter schwerer Arbeit beim Entfernen von Schollen und Schlammeis, die uns oft den Weg versperrten, die Fahrt nach Südosten fort. Um 7½ Uhr abends mußten wir in einer schmalen Straße vertäuen, bis wir im Laufe der Nacht die Hindernisse beseitigt hatten und nach Südwesten weiter fahren konnten. Das Vorwärtskommen war jedoch langsam, und am Morgen des 12. August wurden wir durch eine sehr häßliche Scholle aufgehalten. Wir versuchten, sie fortzusprengen, allein während wir noch mit dieser Arbeit beschäftigt waren, schloß das Eis sich rasch zusammen, sodaß das Schiff zwischen zwei großen Schollen gefangen lag. Nach Verlauf von ein paar Stunden lockerte sich das Eis wieder in südwestlicher Richtung, und wir dampften nunmehr in verhältnißmäßig guten Kanälen, bis um 12½ Uhr nachmittags eine Scholle unserm weitern Fortkommen ein Ende machte. Wir hatten an diesem Vormittage ungefähr 18 Kilometer in etwa 5 Stunden zurückgelegt. Nunmehr zeigte sich etwas dünneres Eis, und von der Tonne aus sahen wir, als der Nebel sich einige Augenblicke etwas hob, sowol östlich als westlich von uns mehrere große Kanäle, die in südlicher Richtung liefen. Außerdem nahmen wir eine Zunahme der Vögel und kleinen Seehunde wahr und bemerkten gelegentlich auch einen bärtigen Seehund, alles Beweise, daß wir uns nicht mehr sehr weit von offenem Wasser befinden konnten.

Zwischen 3 und 4 Uhr nachmittags wurden wir von den uns eingeschlossen haltenden Eisschollen frei, und um 5½ Uhr nachmittags dampften wir in südöstlicher Richtung durch stetig sich besserndes Eis weiter. Dieses wurde jetzt merkbar dünn und spröde, sodaß wir die kleinern Schollen forciren konnten. Von 5½ Uhr nachmittags bis Mitternacht waren wir ungefähr 30 Kilometer weiter gekommen; während der letzten Wache ließen wir wieder die Compound-Maschine arbeiten.

Nach Mitternacht, am l3. August, steuerten wir Südwest, dann Süd und Südost, während das Eis fortgesetzt lockerer wurde. Um 3 Uhr bekamen wir in Südsüdost eine dunkle Wasserfläche in Sicht, und um 3¾ Uhr steuerten wir durch die letzten Eisschollen ins offene Wasser hinaus. In 28tägiger Arbeit beim Forciren dieses mehr oder weniger dichten Packeises hatten wir eine Entfernung von 340 Kilometer zurückgelegt.

Wir waren frei! Hinter uns lagen drei Jahre voll Arbeit und Mühe, mit ihrer Last von trüben Gedanken während der langen Nächte, vor uns lag das Leben, das Wiedersehen aller, die uns theuer waren. Nur noch einige wenige Tage!

Ein Chaos widerstreitender Gefühle bemächtigte sich eines jeden von uns. Eine Zeit lang schien es, als könnten wir unsern Augen nicht trauen, als sei das tiefblaue wogende Wasser vor dem Bug eine Illusion, ein Traum. Wir befanden uns noch ein gutes Stück oberhalb des 80. Breitengrades, und nur in sehr günstigen Sommern dehnt sich das eisfreie Wasser so weit nach Norden aus. Waren wir vielleicht in einem großen offenen Teich? Hatten wir noch einen breiten Eisgürtel zu passiren?

Nein, es war Wirklichkeit! Auf allen Seiten um uns herum war freies, unbegrenztes Meer, und ein entzückendes Gefühl war es, als die »Fram« in der ersten schwachen Dünung leicht stampfte.

Wir bezeigten unserm besiegten Feinde zum Schluß unsere Achtung, indem wir einen donnernden Salut zum Abschied abfeuerten. Noch einen Blick nach den letzten schwachen Umrissen der Eishügel und Schollen, dann verbarg sie der Nebel unserm Auge.

Wir setzten den Kurs jetzt mißweisend Südsüdost, da der Nebel noch immer so dick war, daß wir keine Beobachtungen anstellen konnten. Unser Plan war, zuerst die Rothe Bai auf Spitzbergen anzusteuern, um das Land zu begrüßen, und von dort der Westküste nach Süden zu folgen, bis wir einen passenden Ankerplatz fänden, wo wir Wasser einnehmen, die Steinkohlen aus dem Raum in die Bunker schaffen und überhaupt die »Fram« in gehörige Ordnung für die Heimreise bringen könnten.

Als der Nebel sich um 7 Uhr morgens ein wenig hob, bekamen wir an Backbord ein Segelschiff in Sicht und richteten den Kurs darauf, um es anzusprechen und, wenn möglich, Nachrichten von Dr. Nansen und Johansen zu erhalten. In ungefähr einer Stunde waren wir ihm ganz nahe. Es lag beigedreht und schien uns nicht eher zu sehen, als bis wir nahe bei ihm waren. Der Steuermann stürzte hinab, um zu melden, daß ein Schiffsungethüm im Nebel gerade auf sie zusteuere. Bald war das Deck von Leuten angefüllt, und gerade als der Kapitän den Kopf aus der Kajüte steckte, passirte die »Fram« an der Luvseite des andern Schiffes, das wir im Vorbeilaufen mit einem Salut aus unserer Steuerbordkanone begrüßten. Dann drehten wir hinter seinem Heck herum und feuerten einen zweiten Salut an der Leeseite ab, worauf die »Feindseligkeiten« eingestellt wurden. Unzweifelhaft war es eine bündige Art und Weise, uns unsern Landsleuten anzukündigen, die dort so friedfertig lagen, im Morgennebel umhertrieben und wahrscheinlich mehr an Seehunde und Walfische dachten als an die »Fram«. Allein hoffentlich werden Kapitän Botolfsen und seine Mannschaft uns unsere überschwengliche Freude bei dieser unserer ersten Begegnung mit menschlichen Wesen nach drei langen Jahren verzeihen.

Das Schiff war die Galeote »Söstrene« (»Die Schwestern«) aus Tromsö. Die erste Frage, die wir hinüberriefen, als wir längsseits vorbeifuhren, war: »Sind Nansen und Johansen angekommen?« Wir hatten ein dröhnendes »Ja« zu hören gehofft und waren bereit, die Antwort mit einem donnernden Hurrah und einem Salut zu begrüßen. Allein die Erwiderung, die wir erhielten, war kurz und traurig »Nein«.

Kapitän Botolfsen und einige aus seiner Mannschaft kamen zu uns an Bord und mußten ein regelrechtes Kreuzfeuer von Fragen jeder nur denkbaren Art bestehen. Einer solchen Prüfung sind sie gewiß noch niemals unterzogen worden und werden sie wahrscheinlich auch niemals wieder unterworfen werden.

Unter den vielen Neuigkeiten, die wir erfuhren, war auch die, daß der schwedische Luftschiffer Oberingenieur Andrée auf der Dänen-Insel angekommen sei und von dort mit einem Ballon aufsteigen wolle, um den Nordpol zu entdecken.

Botolfsen fuhr als Passagier mit uns, ließ sein Schiff unter dem Befehl des Steuermanns und begleitete uns nach Tromsö. Gegen Mittag nahmen wir den Kurs nach der Rothen Bai wieder auf, mit der Absicht, von dort nach der Dänen-Insel zu dampfen und Herrn Andrée zu besuchen. Gegen Mitternacht bekamen wir Land voraus in Sicht, das wir für das Kap unmittelbar westlich von der Rothen Bai hielten. Es war 1041 Tage her, seitdem wir zuletzt Land gesehen hatten!

Wir blieben an diesem Punkte längere Zeit liegen und warteten, daß der Nebel genügend aufklaren sollte, damit wir die Landmarken finden könnten. Da es aber nicht klar wurde, dampften wir unter häufigem Lothen langsam westwärts, und befanden uns dann bald, wie wir es erwartet hatten, im Norwegischen Sund, wo wir nach weiterer Fahrt um 9½ Uhr vormittags unweit des Holländischen Kaps ankerten. Nunmehr hob sich der Nebel, und bald sahen wir den Dampfer »Virgo« von der Andrée'schen Expedition, sowie das Ballongebäude am Lande.

Durch das Fernrohr konnten wir bemerken, daß man unsere Ankunft beobachtet hatte, und bald kamen Herr Andrée, die übrigen Mitglieder der Expedition, sowie Kapitän Zachau von der »Virgo« mit einer Dampfbarkasse an Bord.

Auch diese Herren konnten uns keine Nachrichten von dem Schicksale unserer Gefährten geben. Unsere Stimmung wurde noch gedrückter als vorher. Wir hatten zuversichtlich erwartet, daß Nansen und Johansen vor uns die Heimat erreichen würden; nun schien es, als ob wir zuerst ankommen sollten.

Wir hegten jedoch keine ernstlichen Befürchtungen wegen ihrer Sicherheit, namentlich als wir erfuhren, daß die Jackson'sche Expedition zwei Winter auf Franz-Joseph-Land zugebracht habe. Höchst wahrscheinlich war, daß Dr. Nansen und Johansen früher oder später mit dieser Expedition zusammentreffen würden; vielleicht warteten sie auch nur auf eine Gelegenheit, um nach Hause zu kommen. Waren sie aber Jackson nicht begegnet, dann mußte offenbar etwas nicht in Ordnung sein, und in diesem Falle brauchten sie Hülfe, und zwar so bald wie möglich.

Unser Plan war rasch fertig. Wir wollten nach Hause eilen, um in Tromsö zuverlässige Nachrichten zu erhalten. Im Falle, daß auch dort nichts zu erfahren war, wollten wir unsere Kohlenvorräthe ergänzen – etwas anderes brauchten wir nicht – und sofort nach Franz-Joseph-Land fahren, um nach ihnen zu suchen und, wie wir hofften, die unaussprechliche Freude zu erleben, sie unserm erwartungsvollen Vaterlande in unserer eigenen getreuen »Fram« heimzubringen.

Unser Aufenthalt auf der Dänen-Insel wurde infolgedessen so kurz wie möglich. Wir statteten der »Virgo« Besuche ab, besahen den Ballon, der jetzt zur Auffahrt bereit war, sobald günstiger Wind sie gestattete, und erhielten Gegenbesuche von unsern liebenswürdigen schwedischen Freunden. Im Laufe der Nacht beendeten wir das Wassereinnehmen und das Umstauen der Steinkohlen. Das Schiff war seefertig, und um 3 Uhr morgens am 15. August dampfte die »Fram« unter Dampf und Segel durch die Smeerenberg-Bai nach See hinaus.

Auf der Ueberfahrt hatten wir gutes Wetter und günstige, oft frische Brise, sodaß das Schiff tüchtige Geschwindigkeit entwickelte, bis zu 18 Kilometer in der Stunde.

Am 19. um 9 Uhr morgens sahen wir die ersten blauen Kämme unserer heimatlichen Berge. Um Mittag sichteten wir Lögö und um 8 Uhr abends die Nordspitze von Loppen. Dann steuerten wir in den Kvenanger-Fjord hinein und ankerten um 2 Uhr am Morgen des 20. August unweit Skjärvö.

Sobald der Anker gefallen war, rief ich den Doctor und Scott-Hansen, die beide mit mir an Land gehen wollten. Allein da sie mir bei ihrer Toilette zu langsam waren, so bat ich Bentsen, mich mit dem Prahm an Land zu setzen, und stand bald vor der Telegraphenstation. Hier suchte ich die Leute lebendig zu machen, indem ich mit geballten Fäusten erst an die eine, dann an eine andere Thür donnerte, jedoch lange Zeit vergeblich. Endlich steckte im zweiten Stock ein Mann den Kopf aus dem Fenster, um zu sehen, welcher Nachtschwärmer solchen Spektakel mache. Es war der Chef des Telegraphenamts selbst. Er beschreibt den nächtlichen Vorfall in einem Briefe an eine in Christiania erscheinende Zeitung in der folgenden scherzhaften Weise:

»Es waren nichts weniger als freundschaftliche Gefühle und Absichten, mit denen ich um etwa 2½ Uhr morgens aufstand, um nachzusehen, welche Canaille es war, die so lebhaft an meine Hausthür trommelte. Ziemlich leicht bekleidet steckte ich den Kopf zum Fenster hinaus und schrie: »Zum Donnerwetter! Was ist denn los? Solchen Teufelslärm zur Schlafenszeit zu machen!«

»Ein Mann in grauem Anzug, mit einem langen Barte, trat heran. Es war an seiner Erscheinung etwas, das mich sofort auf den Gedanken brachte, daß ich meinem Mißvergnügen über das Gewecktwerden etwas zu voreilig freien Lauf gelassen hätte, und ich fühlte mich etwas beschämt, als er pfiffig bemerkte: »Ja, das ist wahr; aber trotzdem muß ich Sie bitten, die Thür zu öffnen. Ich komme von der ›Fram‹!« Sofort ging mir ein Licht auf, wer das sein könnte. Es konnte niemand anders sein als Sverdrup. »Ich komme sofort, Kapitän«, antwortete ich, warf mich in die notwendigsten Kleider und stürzte hinunter, um ihn hereinzulassen.

»Er war keineswegs ärgerlich über das lange Warten oder die unfreundlichen Worte, mit denen ich ihn empfangen hatte, als er nach der langen, ruhmreichen Expedition hier zuerst sein Heimatland wieder betrat. Er zeigte sich vielmehr sehr freundlich und liebenswürdig, als ich ihn um Entschuldigung bat wegen der Unhöflichkeit, mit der ich ihm begegnet war. Im innersten Herzen sprach ich sogar eine noch wärmere Entschuldigung aus, als ich in der ersten Verwirrung herausgestammelt hatte.

»Als Sverdrup Platz genommen hatte, war natürlich die erste Frage nach dem Wege, auf welchem er gekommen sei. Sie seien soeben von der Küste von Spitzbergen gekommen. Am 13. August seien sie in offenes Wasser gelangt, wo sie fast unmittelbar darauf mit Kapitän Botolfsen aus Tromsö zusammengetroffen seien, der dort mit seinem Walfischfängerschiffe gelegen habe. Sie hätten ihn mitgebracht. Dann hätten sie Andrée besucht, der gerade im Begriff gewesen sei, zusammenzupacken und heimzukehren, und seien von dort hierher gekommen. Sie hätten zuerst von Botolfsen und dann von Andrée, der die neuesten Nachrichten aus Norwegen hätte haben müssen, erfahren, daß man nichts von Nansen wisse, den sie zu Hause anzutreffen gehofft hätten; ihre Freude über die Aussicht, bald die Heimat zu erreichen, sei durch diese Nachricht beträchtlich gedämpft worden.

»»O, aber ich kann Ihnen gute Nachricht von Nansen geben«, sagte ich. »Er ist am 13. August in Vardö angekommen und befindet sich jetzt in Hammerfest. Wahrscheinlich fährt er heute mit einer englischen Jacht nach Tromsö ab.«

»»Nansen ist angekommen?«

»In einer Aufregung, wie sie dieser Mann selten zeigt, sprang die kräftige Gestalt auf und verschwand aus der Thür mit dem Rufe: »Das muß ich sofort den andern sagen!«

»Einen Augenblick später kehrte er in Begleitung von Scott-Hansen, Messing, Mogstad und Bentsen zurück, die sämmtlich ganz wild vor Freude über diese neueste Nachricht waren, die allem die Krone aufsetzte und es ihnen gestattete, ihrem Jubel darüber, nach ihrer langen und schwerlichen Abwesenheit wieder im Heimatlande zu sein, vollen Ausdruck zu geben, während das ungewisse Schicksal ihres Führers und ihres Kameraden sie sonst gedämpft haben würde. Und wie sie sich freuten! »Ist' es wahr? Ist Nansen angekommen?« wurde auf allen Seiten wiederholt. »Was für ein Tag das ist, welche Freude! Und welch seltsames Zusammentreffen, daß Nansen an demselben Tage angekommen ist, an welchem wir vom Eise frei geworden und heimwärts gesteuert sind!« Und, zitternd vor Erregung, wünschten sie einander Glück, diese kräftigen Jungen.

»Früh am Morgen hörte man plötzlich einen zweimaligen donnernden Knall von der »Fram«, gefolgt von dem brausenden Hurrah der Mannschaft zu Ehren ihrer abwesenden Gefährten. Die noch in tiefem Schlafe liegenden Einwohner des Ortes waren höchlich überrascht und sprangen rasch aus den Betten, und als ihnen nach und nach der Gedanke kam, daß es nur die »Fram« sein könne, ließen sie nicht lange auf sich warten und kamen herbei, um sich das Schiff anzusehen.

»Als die Fram-Leute hier ankerten, wehte ihnen vom Lande der Duft des neu gemähten Heues zu, der ihnen herrlich vorkam. Die grünen Wiesen mit ihrer dürftigen Flora, die wenigen, von Wind und Wetter unbarmherzig verkrüppelten zwerghaften Bäume erschienen ihnen so reizend, daß unsere armselige Insel in ihren Augen ein wahres Eden war. Heute wollten sie sich einmal ordentlich im Grase herumwälzen!

»Im übrigen lächelte Mutter Natur und zeigte sich in so festlichem Kleide, wie man es so spät im Jahre in diesen nördlichen Breiten nur erwarten konnte. Der Fjord war so ruhig, als ob er mit der leisesten Bewegung die Stille zu unterbrechen fürchtete, welche das auf seiner glatten Fläche ruhende, erprobte, wettergebräunte, wackere Schiff jetzt umgab.

»Sie sprachen alle ganz enthusiastisch von ihrem Schiffe. Ich glaube nicht, daß sich ein Mann an Bord befindet, der die »Fram« nicht liebte. Sverdrup erklärte: »Ein festeres und schöneres Schiff ist niemals gebaut worden und ist in der ganzen Welt nicht zu finden!«« –

Auf dem Wege nach dem Fjord begegneten mir fünf meiner Gefährten. Nordahl eilte mit der frohen Botschaft sofort an Bord, während wir übrigen uns bei dem Telegraphenverwalter bei einer Tasse Kaffee niederließen, die köstlich schmeckte. Ein besserer Willkommen hätte uns nicht werden können. Allein es endigte nicht mit dem Kaffee bei dem Telegraphenverwalter. Bald knallten in den Häusern des Kaufmanns und des Bürgermeisters die Champagnerpfropfen, während der Telegraphenverwalter Botschaft über Botschaft hinaussandte und unsere Ankunft Dr. Nansen, Sr. Majestät dem König, der norwegischen Regierung und den Angehörigen und Freunden meldete. –

Um 10 Uhr vormittags lichteten wir den Anker und fuhren weiter, um in Tromsö mit Nansen und Johansen zusammenzutreffen, die nördlich von Skjärvö passirt und südwärts gedampft waren. Auf der Höhe von Ulfstinden trafen wir den Dampfer »Kong Halfdan«, der uns von Tromsö mit 600 Passagieren an Bord entgegengefahren war. Wir nahmen sein Anerbieten, uns ins Schlepptau zu nehmen, an, und um 8½ Uhr abends lief die »Fram«, begleitet von Hunderten von beflaggten Booten, in den Hafen von Tromsö ein, wo sie mit Jubel und herzlichen Willkommensrufen empfangen wurde.

Am nächsten Tage, 21. August, um 4 Uhr nachmittags, traf Sir George Baden-Powell's Dampfjacht »Otaria« mit Dr. Nansen und Johansen an Bord ein.

Nach einer Trennung von 17 Monaten war unsere Schar wieder vollzählig, und die Norwegische Polarexpedition war wieder vereinigt.


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