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Die Prinzessin folgte einem leisen Wink des Majors und wandte sich an ihren Gastgeber.
»Es ist eigentlich keine schlechte Idee. Wo wollen wir denn spielen? Doch sicher in einem kleineren Zimmer? Dieser große Saal fällt mir ein wenig auf die Nerven. Einer von Ihren Ahnen hängt mir gerade gegenüber und sieht mich so vorwurfsvoll an. Und dann die vielen kahlen Wände! Mein lieber Cecil, wir modernen Menschen gehören eigentlich nicht in diese Umgebung!«
Cecil lachte, erhob sich und wandte sich an Jeanne.
»Ihrer Mutter kommt allmählich zum Bewußtsein, wo sie sich befindet. Ich kann es ihr nachfühlen, denn ich selbst leide dauernd darunter. Sehnen Sie sich nicht auch schon wieder nach den prächtigen Salons in London?«
»Nicht im geringsten«, antwortete Jeanne. »Ich fühle mich hier viel wohler, und ich würde gar nichts dagegen haben, wenn einer Ihrer Vorfahren aus dem Rahmen herausträte und sich zu uns setzte.«
»Wir haben hier ein achteckiges Zimmer, in dem es sehr gemütlich ist, obwohl seine Eleganz im Lauf der Jahre etwas gelitten hat. Ich habe den Kaffee dorthin bestellt, und Kartentische haben wir dort auch. Darf ich Sie führen?«
Cecil brachte seine Gäste in einen kleineren, intimen Raum. Ein Holzfeuer brannte in dem offenen Kamin, und ein schöner Kandelaber verbreitete strahlende Helle. Das Zimmer lag in einem der alten Türme, die direkt auf die See hinausschauten.
»Die Gemälde hier sind alle schon etwas verblaßt, und es sind auch nur Blumenstücke vorhanden, keine Porträts. Hier können keine Augen von den Wänden herunterstarren, Prinzessin«, sagte Cecil lächelnd.
Sie lachte vergnügt, als sie sich an einen Spieltisch setzte, der im Louis Quinze-Stil gearbeitet war. Sie breitete die Karten über das verblichene grüne Tuch aus.
»Wirklich ein entzückendes Spielzimmer«, sagte sie. »Nigel, wollen wir gegen die beiden jungen Herren spielen? Sie sind der einzige, der auf meine Anregungen beim Spiel eingeht und mich nicht wegen meiner Ankündigungen auszankt.«
»Ich bin dabei«, erklärte Forrest bereitwillig. »Wollen wir aufdecken, um zu sehen, wer zusammen spielt?«
Cecil de la Borne lehnte sich über den Tisch und legte eine Karte um.
»Ich bin auch mit Ihrem Vorschlag einverstanden. Was sagen Sie dazu, Engleton?«
Lord Ronald zögerte einen Augenblick. Er stand noch in der Mitte des Zimmers und rauchte; seine Züge waren ausdruckslos wie immer.
»Wir wollen lieber nicht zusammen spielen«, wandte er sich an de la Borne. »Ich fürchte die Prinzessin und Forrest. Das letztemal war es überhaupt nicht möglich, gegen sie aufzukommen.«
Die Prinzessin sah Forrest an, der gleichgültig die Schultern zuckte.
»Ganz wie Sie wollen«, erwiderte er und deckte eine Fünf auf. Die Prinzessin hatte eine Drei gezogen. »Es scheint so, als ob das Schicksal uns zusammenbrächte.«
»Es hängt nun alles von Engleton ab«, meinte Cecil, der ein Aß aufgedeckt hatte.
Lord Ronald trat an den Tisch und zog eine Karte. Forrest kniff die Augenlider zusammen, als er darauf sah. Es war ein Aß.
»Forrest und ich werden trotzdem zusammen spielen«, sagte der Lord. »Das ist einmal etwas anderes. Ich habe schon so oft gegen Sie gespielt. Ich glaube, wir gehen zum erstenmal zusammen. Also gut Glück!«
Das Spiel begann.
Jeanne war an das Fenster getreten, schaute in die Dunkelheit hinaus und lauschte dem Toben des Sturmes. Im Zimmer wurde kaum gesprochen. Es war eine merkwürdige kleine Gesellschaft, die hier beim Spiel versammelt saß. Die Prinzessin Kara Kely, deren genealogische Abstammung vollkommen einwandfrei war, die aber in der Gesellschaft eine etwas zweifelhafte Rolle spielte, war die Heldin zahlloser Skandalaffären gewesen, und ihre eigene Familie kümmerte sich nicht mehr um sie. Sie war verarmt, und niemand wußte, wovon sie lebte. Trotzdem war sie der rechtmäßige Vormund ihrer Stieftochter, die für eine der reichsten Erbinnen Europas galt. Die Gerichtshöfe waren angerufen worden, um diese Vormundschaft aufzuheben, aber man hatte nichts erreichen können. Ein Kardinal, ein Verwandter ihres verstorbenen Mannes, hatte ein Vermögen geboten, wenn sie ihre Vormundschaft aufgeben wollte, aber die Prinzessin hatte ihn nur ausgelacht. Sie war fest entschlossen gewesen, Jeanne selbst in die Gesellschaft einzuführen, und schließlich hatte sie sich durchgesetzt. Viele Türen hatten sich dadurch vor ihr geöffnet, die ihr sonst für immer verschlossen geblieben wären. Sie nahm für sich das Recht in Anspruch, alles zu tun und zu lassen, was ihr gut dünkte. Das alte Fürstengeschlecht der Kara Kely konnte seinen Stammbaum fast tausend Jahre zurückverfolgen und war mit königlichen Familien verwandt. Viele vergaßen die Vergangenheit dieser Frau und verkehrten wieder mit ihr. Sie ignorierte einfach die anderen, die einer strengeren Auffassung huldigten.
Lord Ronald Engleton war als Waisenkind in Paris erzogen worden. Er hatte einen etwas dekadenten Charakter, frönte vielen Leidenschaften und war nur deshalb noch nicht zugrunde gegangen, weil ihn trotz seiner Ausschweifungen eine gewisse Lebensklugheit leitete. Seine Neigungen brachten ihn zuweilen mit den sonderbarsten und unmöglichsten Menschen zusammen. Er besaß aber auch gute Eigenschaften, obgleich er sein Bestes tat, sie nicht zu zeigen.
Neben ihm saß Forrest mit sphinxähnlichem Gesicht. Er war ein Mann von mittleren Jahren, der fast alle Länder der Welt kennengelernt und sich in vielen Berufen versucht hatte, ohne jemals wirkliches Glück zu haben. Er fahndete ständig nach neuen Methoden, die Mittel für seine Kleidung und seinen Lebensunterhalt zu beschaffen. Vor Jahren hatte er die Prinzessin in Marienbad getroffen und wie selbstverständlich seinen Platz in ihrem Gefolge eingenommen. Sein elegantes, gewandtes Auftreten hatte Eindruck auf sie gemacht, und sie achtete ihn, weil ihr die Art und Weise imponierte, wie er sich durchs Leben schlug.
Jeder dieser vier Menschen hatte Anspruch auf einen Platz in der Gesellschaft, und doch haftete allen ein Schimmer von Talmi an.