E. Phillips Oppenheim
Das Mädchen mit den Millionen
E. Phillips Oppenheim

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Kapitel 18.
De Brensault stimmt zu.

Der Comte saß mit offenem Munde da. Das war das Zeichen seines höchsten Erstaunens. Auch die Prinzessin starrte mit großen Augen auf Jeanne. Merkwürdigerweise war es diesmal de Brensault, der sich zuerst faßte.

»Nun, das haben Sie ja ausgezeichnet arrangiert! In dem Augenblick, in dem ich die Belohnung erhöhe, drücken Sie auf einen geheimen Knopf, und die junge Dame erscheint.«

Die Prinzessin erhob sich und ging mit ausgestreckten Armen auf Jeanne zu.

»Seien Sie doch ruhig«, zischte sie dem Comte zu, als sie an ihm vorbeikam. »Aber Jeanne, mein Kind, bist du es wirklich?«

Jeanne war von ihrer Umarmung nicht gerade sehr begeistert. Als sie de Brensault erkannte, errötete sie ein wenig.

»Ja, ich bin zurückgekommen. Es tut mir sehr leid, daß ich fortging. Es war ein großer Fehler von mir.«

»Wir haben eine Todesangst um dich ausgestanden. Wo warst du denn?«

Jeanne zog ruhig die Handschuhe aus und setzte sich in einen Sessel.

»Ich war in Salthouse.«

»Du bist nach Red Hall zurückgekehrt?« rief die Prinzessin.

Jeanne schüttelte den Kopf.

»Nein. Ich hatte mich bei einer Familie im Dorf einquartiert. Ich ging fort, weil mir das Leben hier nicht mehr gefiel, und weil meine Stiefmutter« – sie wandte sich an den Comte – »den Wunsch hatte, daß ich Sie heiraten sollte. Ich hielt es für das beste, aufs Land zu gehen, wo ich ruhig über alles nachdenken konnte.«

»Du warst ganz von Sinnen, Kind!«

Jeanne lächelte müde.

»Nun, wenn ich von Sinnen war, so bin ich jetzt wieder vernünftig geworden.«

Der Comte beugte sich begierig vor.

»Sie sind jetzt also bereit, den Wunsch der Prinzessin zu erfüllen und mich überaus glücklich zu machen?«

Jeanne sah ihn ernst an.

»Das hängt ganz von den Umständen ab.«

»Sagen Sie mir schnell, was Sie meinen«, erklärte er. »Ich brenne darauf, ich kann es nicht ertragen, daß Sie mich warten lassen. Ich zittere um mein Glück.«

Die Prinzessin fühlte sich plötzlich sehr unbehaglich. Schon längst hatte sie bereut, daß sie Jeanne die Wahrheit über ihr Vermögen gesagt hatte. Aufrichtig genug war das Mädchen ja, dem Comte alles ins Gesicht zu sagen!

»Vor allem möchte ich eine Frage an Sie richten«, begann Jeanne. »Hat Ihnen meine Mutter den wahren Sachverhalt über mich und mein Vermögen mitgeteilt?«

Die Prinzessin gab das Spiel verloren.

»Wie meinen Sie denn das?« fragte er ein wenig verwirrt. »Ich weiß nur, was alle Welt weiß – daß Sie die Tochter von Charles Le Mesurier sind, und daß er Ihnen eins der größten Vermögen Europas hinterlassen hat.«

Jeanne zog einen Brief aus ihrer Handtasche.

»Die Prinzessin hat wahrscheinlich vergessen, Sie darüber zu informieren. Das große Vermögen, von dem jeder sprach, und das mich so berühmt machte, war von Anfang an ein Märchen. Es existierte nur in der Einbildung meiner lieben Freunde. Vor einigen Tagen klärte mich meine Stiefmutter über alles auf, und ich schrieb sofort an Mr. Laplanche, den Treuhänder. Ich erhielt auch gleich Antwort – hier ist sie. Man kann leicht daraus ersehen, wie die Höhe meines Vermögens übertrieben wurde, und wie die einzelnen Werte zusammenschrumpften. Meine Stiefmutter bestand auf einer großen Rente während meiner Schulzeit, und so ist das ganze Vermögen allmählich aufgebraucht worden. Nach der letzten Abrechnung besitze ich nur noch vierzehntausend Pfund, und das ist im Verhältnis zu dem früheren Vermögen meines Vaters eine verschwindend kleine Summe.«

Der Comte starrte sie fassungslos an.

»Nein, das kann man kein Vermögen mehr nennen!« rief er. »Das ist nicht einmal eine Aussteuer, nicht einmal ein Jahreseinkommen, das ist nichts! Eine Kleinigkeit, über die man überhaupt nicht spricht!«

»Trotzdem ist es alles, was ich habe«, erklärte Jeanne ruhig. »Wie Sie sehen, bin ich zu meiner Stiefmutter zurückgekommen, und da ich durch das Gesetz gebunden bin, bis zu meiner Volljährigkeit ihre Wünsche zu erfüllen, habe ich mich entschlossen, ihr zu folgen und Sie zu heiraten. Aber ich wollte Ihnen vorher zweierlei offen sagen. Ich bin arm, und ich liebe Sie nicht im geringsten, ja, ich fühle mich sogar durch Sie abgestoßen.«

Die Prinzessin vergrub das Gesicht in den Händen, und de Brensault erhob sich verstört. Schweißtropfen standen auf seiner Stirne.

»Ist das wahr, Madame?« fragte er.

»Ja«, erwiderte die Prinzessin kleinlaut.

»Und was wird aus meinen dreitausend Pfund?« flüsterte er ihr zu, indem er sich über sie neigte. »Wer zahlt mir die zurück? Das ist ja reiner Betrug! Sie haben mich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu einer Zahlung veranlaßt! Das Gesetz sieht eine scharfe Strafe für dieses Vergehen vor!«

Die Prinzessin wischte sich die Augen mit ihrem Taschentuch.

»Man muß doch leben«, sagte sie verzweifelt. »Ich war es doch nicht, die von Jeannes Vermögen gesprochen hat. Warum sollte ich den Gerüchten widersprechen, die andere in die Welt setzten? Ich wollte meinen Platz in der Gesellschaft wieder erobern, und es gab nur einen Weg für mich. Ich mußte ihn wählen.«

»Aber das Geld, das ich Ihnen gegeben habe?«

»Sie haben es mir auf eigene Gefahr gegeben«, antwortete die Prinzessin kühl. »Aber es ist noch nicht zu spät, Sie sind doch nicht mit ihr verheiratet!«

»Nein – noch nicht.«

Die Prinzessin beobachtete ihn verstohlen von der Seite. Diese plötzlichen Enthüllungen hatten ihn scheinbar sehr stark mitgenommen. Er ging im Zimmer auf und ab und sah zuweilen zu Jeanne hinüber, die blaß und vornehm in ihrem Sessel saß. Der Anblick ihrer schönen Erscheinung reizte ihn wieder auf; er konnte sich ihrem Charme nicht entziehen. Plötzlich blieb er stehen. Der große Augenblick seines Lebens war gekommen, und er fühlte sich selbst als ein Held.

»Madame, man hat mich schändlich behandelt, man hat mich getäuscht! Leute, die weniger höflich sind als ich, würden sagen beraubt. Aber ich will das alles vergessen, allen Ärger und alle Enttäuschungen. Ich will vergessen, daß diese junge Dame eine so armselige Mitgift hat, daß es nicht der Mühe wert ist, darüber zu sprechen. Aber ich will sie heiraten. Jeanne, hören Sie es?« Er ging auf sie zu. »Ich tue das, weil ich Sie über alle Maßen liebe!«

Jeanne schrak zurück.

»Wollen Sie sagen, daß Sie mich heiraten wollen, trotzdem ich nur dieses kleine Vermögen besitze?«

Er bejahte ihre Frage huldvoll. Niemals hatte er sich selbst mehr bewundert als in diesem Augenblick.

»Ich will alles vergeben, vergessen und verzeihen. Ich will nur daran denken, daß ich Sie über alles liebe, und daß Sie die einzige Frau auf der Welt sind, die ich zur Comtesse de Brensault machen möchte. Gestatten Sie?«

Er neigte sich zu ihr und küßte ihre Hand. Jeanne sah ihn verzweifelt an. Die Prinzessin erhob sich beglückt. Das war ein Triumph, an den sie nicht zu denken wagte.

»Jeanne, mein Kind, du bist das glücklichste Mädchen, daß du dem Comte solche Liebe und Verehrung eingeflößt hast. Und Sie, Comte, überbieten sich selbst und beschämen mich. Sie verdienen all das Glück, das Ihnen Ihre Ehe sicher bieten wird.«

Er sah aus, als ob er vollkommen von ihren Worten überzeugt wäre, trotzdem neigte er sich einen Augenblick später zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr:

»Aber die dreitausend Pfund müssen Sie mir zurückzahlen!«

 


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