E. Phillips Oppenheim
Das Mädchen mit den Millionen
E. Phillips Oppenheim

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Kapitel 7.
Der unterirdische Gang.

Die Prinzessin erschien in bester Laune zum Frühstück.

»Mein lieber Cecil, das Klima in dieser Gegend ist wunderbar«, sagte sie. »Und Sie haben einen so vorzüglichen Küchenchef. Ich bin mit dem einfachen Landleben vollkommen ausgesöhnt.«

»Ich garantiere Ihnen, daß das Leben hier wirklich sehr einfach für jeden ist, der hier wohnen muß. Wir haben keine Nachbarn, keinen gesellschaftlichen Verkehr und keine Zerstreuungen. Ich habe Sie ja genügend gewarnt, bevor Sie kamen.«

»Aber werden Sie doch nicht fad!« rief die Prinzessin. »Sie haben das Meer direkt vor der Tür, und ich liebe es doch so sehr. Wenn Sie ein hübsches Segelboot hätten, würde ich zu gern auf die See hinausfahren.«

Cecil sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Wenn das Ihr Ernst ist, kann ich natürlich ein Boot beschaffen.«

»Ich spreche wirklich im Ernst«, erklärte die Prinzessin. »Das wäre eine wundervolle Erholung für meine Nerven. Auch Jeanne ist ganz bezaubert von diesem Platz. Sie hat mir von ihrem Abenteuer erzählt. Ein Mann mit großen, weiten Seemannshosen und langen Wasserstiefeln hat sie im letzten Moment vor dem Ertrinken gerettet. Sie hat versprochen, mir nach dem Frühstück die Stelle zu zeigen, wo sie stand. Morgen früh stelle ich mich auch dorthin, vielleicht erlebe ich etwas Ähnliches.«

»Ich werde Ihnen sagen, was Sie erleben, Prinzessin. Sie bekommen nasse Füße«, erwiderte Cecil.

»Außerdem füllen sich Ihre Schuhe mit Sand«, bemerkte Forrest.

»Auf solche Kleinigkeiten achte ich nicht, wenn es sich um die Sensation eines wirklichen Abenteuers handelt. Aber auf jeden Fall müssen wir nachmittags einmal eine hübsche Segelpartie machen, Cecil. Darauf bestehe ich. Ich will auch erst nach dem Abendbrot Bridge spielen. Ich habe doch gestern abend ein unerhörtes Glück gehabt. Sie brauchen mich nicht so düster anzusehen, Cecil. Ich weiß, daß ich gewonnen habe, aber das war ein Zufall. Ich bekam die ganze Zeit schlechte Karten und gewann nur, weil die anderen noch schlechtere hatten. Klingeln Sie doch bitte, Cecil, daß das Boot beschafft wird.«

»Ich habe wirklich nicht gedacht, daß ich so unternehmungslustige Gäste bekomme«, sagte Cecil, nachdem er dem Hausmeister die nötigen Anweisungen gegeben hatte.

»Oh, ich habe noch viel interessante Dinge vor«, erklärte die Prinzessin. »Zum Beispiel möchte ich auf den Garnelenfang gehen. Sicher gibt es solche Tiere an dieser Küste. Ich habe einmal ein Bild gesehen – eine hübsche Dame mit hochgeschürzten Röcken, die im Wasser stand und ein Netz trug. Es sah wirklich ganz reizend aus.«

»Vielleicht wollen Sie auch noch Golf spielen?« meinte Cecil. »Unten an der Küste haben wir verschiedene Löcher, die Sie dazu benützen könnten.«

»Nein, Golf mag ich nicht. Wir werden in einem Fischerboot hinausfahren, und ich will sehr viel Kissen haben, damit ich weich sitze. Dann werden wir versuchen, Fische zu fangen. Jeanne wird davon begeistert sein, und Sie beide werden mich verwünschen. Ich sehe schon, daß ich mich köstlich dabei amüsiere.«

»Nun gut«, erklärte Cecil resigniert. »Sie tragen die Verantwortung für die Folgen. Wir können ein schönes Boot haben. Wenn es ganz schlimm und langweilig wird, können wir ja unterwegs Bridge spielen.«

»Karten werden unter keinen Umständen mitgenommen«, erwiderte die Prinzessin entschieden. »Das verbiete ich. Wir wollen auf das Meer hinausschauen und uns von der Sonne braun brennen lassen.«

Cecil zuckte die Schultern.

»Tun Sie alles nach Ihrem Gefallen, aber machen Sie mir später keine Vorwürfe.«

*   *   *

Die Prinzessin hatte ihren Willen durchgesetzt und benahm sich wie ein ausgelassenes Schulmädchen. Sie hatte sich den bequemsten Platz ausgesucht und hielt ihr kleines japanisches Hündchen im Arm. Eine Schachtel Konfekt lag neben ihr. Jeanne stand vorn am Bug, ließ sich den Wind ins Gesicht wehen und war restlos glücklich. Lord Ronald fühlte sich ein wenig seekrank und saß zu ihren Füßen.

»Ich hatte keine Ahnung«, sagte er etwas vorwurfsvoll«, daß Ihre Mutter zu derartigen Roheiten fähig wäre. Hätte ich das gewußt, so hätte ich die Partie wirklich nicht mitgemacht. Dieses Herumfahren auf dem Wasser ist einfach schrecklich. Meine Zigaretten sind von der Seeluft schon ganz feucht geworden. Und wenn man dieses teerige Boot anfaßt, kann man ja überhaupt keine reinen Hände mehr bekommen. Ein solcher Ausflug ist schlimmer, als wenn man schmutziges Wasser trinken muß.«

Jeanne lächelte verächtlich.

»Sie sind eben zu sehr Stadtkind, Lord Ronald. Nächstes Jahr werde ich mir meine eigene Jacht kaufen, aber Sie lade ich bestimmt nicht ein, mitzufahren.«

Lord Ronald seufzte.

»Das ist das Schlimmste. Wenn eine junge Dame viel Geld erbt, dann bekommt sie verrückte Ideen. Ich werde mich niemals dazu entschließen können, Ihnen einen Antrag zu machen.«

»Das ist auch gar nicht nötig.«

»Welche Herzlosigkeit!« sagte Lord Ronald halblaut. »Was halten Sie denn davon, Forrest?«

»Es ist geradezu idyllisch, auf diesen harten Planken zu sitzen und sich von dem Seegang die Verdauung stören zu lassen«, erklärte der Major ironisch. »Wenn man wenigstens eine Kabine hätte, daß man sich schlafen legen könnte.«

»Auf meiner Jacht werden schöne Kabinen sein, aber Sie lade ich auch nicht ein, Major Forrest. Sie sind beide Ritter von der traurigen Gestalt! Ich werde einen großen, starken Fischer zum Kapitän machen, mit ihm um die Welt segeln und vergessen, was Tage und Monate sind.«

Forrest schüttelte sich vor Unbehagen.

»Der Landaufenthalt hat einen fürchterlichen Einfluß auf den Geisteszustand Ihrer Tochter«, wandte er sich an die Prinzessin.

Sie nickte und steckte dem Hündchen ein Stückchen Schokolade in den Mund.

»Ich bin daran schuld. Es war ja meine Laune, diese Fahrt zu machen. Aber ich habe jetzt auch genug. Sagen Sie de la Borne, daß wir umkehren wollen.«

Ein paar Minuten später fuhren sie der Küste zu. Jeanne stand immer noch vorn im Boot und schaute unentwegt auf die kleine Insel, die am Eingang zur Bucht lag. Jetzt zeigte sie auf das Haus.

»Wir wollen dort landen und Tee trinken!« rief sie.

Cecil sah sie verstört von der Seite an.

»In etwa einer Stunde sind wir zu Hause. Ich glaube kaum, daß wir dort Tee bekommen, wenn wir landen.«

»Ich bin aber davon überzeugt. Mutter, dort liegt die Insel mit dem hübschen Haus. Mein Retter wohnt dort – wäre es nicht interessant, wenn wir uns bei ihm zum Tee einlüden?«

»Ausgezeichnet!« rief die Prinzessin und richtete sich in ihren Kissen auf. »Ich möchte ihn doch gar zu gern kennenlernen. Und Tee ist gerade das, was ich im Augenblick unbedingt brauche.«

Cecil stand eine Weile unbeweglich und schwieg. Er sah nach dem kleinen Haus mit den weiß angestrichenen Mauern hinüber. Es war einfach unmöglich, diesem Andrew zu entkommen!

»Ich glaube, der Mann lebt allein dort. Es wird uns niemand Tee machen können. Wir bringen ihn höchstens in Verlegenheit, wenn wir ihn überraschen. Er wird gar nicht wissen, was er tun soll.«

Jeanne lächelte.

»Meiner Meinung nach läßt sich Mr. Andrew nicht so leicht aus der Fassung bringen. Aber wenn Sie nicht wollen, können wir unseren Besuch ja auf einen anderen Nachmittag verschieben – aber unter einer Bedingung.«

»Ich bin äußerst begierig, diese Bedingung zu erfahren«, sagte Cecil in schlechter Laune.

»Wir kehren zurück und Sie zeigen uns den unterirdischen Gang.«

»Einverstanden! Ich sage Ihnen allerdings im voraus, daß Sie es dort nur feucht, dumpf und unangenehm finden werden. Aber wenn Sie durchaus wollen, sollen Sie den Gang sehen.«

 


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