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Am 27. Oktober 1863 wurde einem Baron, der sich in Hohenburg bei Miesbach niedergelassen hatte, ins Haberfeld getrieben. Der Baron hatte mit für die damalige Zeit unerhörten Geldmitteln Tausende von Tagwerk an Wiesen und Wäldern angekauft und, um den Holzreichtum zu Geld zu machen, Sägemaschinen aufgestellt. Die Flößer und Säger der Gegend sahen sich durch diese industriellen Unternehmungen gefährdet und die Bauern begannen für die Zukunft zu fürchten, als Hof um Hof in den Besitz des Barons überging.Auch Joh. Nep. Sepp erzählt von diesem Treiben: »Nun kamen die Haberer zu sechs Hunderten auf acht Stunden weit, bis von Sauerlach herbei, damit sie dem Wucherer ins Gesicht sagten, er habe schon so zu leben und brauche nicht ehrliche Familien an den Bettelstab zu bringen.« Diese Ansicht der Haberer stimmt nicht. Der Baron hatte im Gegenteil recht respektable Kaufpreise erlegt und niemanden übervorteilt. Dagegen mag hier eine historische Anekdote Platz finden, die den Geldadel behandelt, und die Sepp höchstwahrscheinlich aus ganz einwandfreier Quelle bezog: des Barons Vater, der noch Jude war, hatte sich nach dem Titel eines Grafen von Andechs gesehnt. »Graf von Andechs?« frug der König (Ludwig I.); »das gäbe Verwirrung unter den Adelsnamen. Aber wenn Sie Graf von Podex heißen wollen, will ich es gnädig bewilligen.«
Zu dem Treiben hatten die Haberer ein außerordentliches Aufgebot erscheinen lassen; jedenfalls hatten sich die Waldbauern und Sägewerksbesitzer wider den Baron verschworen und den Plan gefaßt, durch ein großes Haberfeldtreiben dem Manne den Aufenthalt in Hohenburg zu verärgern. (Sehr oft hatten ja die Haberergerichte den Erfolg, daß der Gerichtete in kurzer Zeit die Gegend verließ, in der er geächtet war.)
Die Akten über dieses merkwürdige Treiben sind leider mangelhaft.
Es ist lediglich zu konstatieren, daß der Baron gewarnt war und daß man eine kleine Gendarmeriewache in den Ort gelegt hatte. Dieser gesellte sich auch der Nachtwächter des Dorfes bei. Er schien der mutigste unter der kleinen Mannschaft zu sein; denn als die Haberer um Mitternacht anrückten, trat er augenblicklich hervor – um schon eine Kugel in seinen rechten Arm zu erhalten. Er zog sich zurück und die Gendarmen blieben auch weislich in ihrem Zimmer, als die Posten der Haberer jeden mit Erschießen bedroht hatten, der das Haus verlassen würde.Vergeblich wurde nach dem Schützen gefahndet. Das Landgericht schrieb eine Belohnung von 200 Gulden für die Ermittlung des Täters aus; soviel diese Summe auch für die damalige Zeit bedeutete und soviele den Täter kannten: Das Geld blieb unverdient.
Das Treiben endete mit der Drohung, daß, im Falle der Baron nicht innerhalb sechs Wochen abziehe, »der rote Vogel« auf sein Dach gesetzt werde. Dann machten sich die Haberer noch den Spaß, einen Mistwagen zu zerlegen, auf dem Dach des Hauses wieder zusammenzusetzen und dort mit Mist zu beladen, eine Zeremonie, die ein Höllenlärm begleitete.
Wenn man sich einigermaßen in die Situation hineinzudenken vermag: der Lärm um Mitternacht, mehrere hundert Burschen, die nach Herzenslust – scharf – schießen und zu jeder Gewalttat bereit sind; die Androhung der Brandlegung und die Erkenntnis der Tatsache, daß diese Drohung vielfachen Beispielen gemäß keine leere war: dann versteht man, warum der Baron seinen Herrensitz, noch ehe die sechs Wochenfrist verstrichen war, verließ.
Kurz vor dem Treiben in Hohenburg wurde in dem nicht sehr weit entfernten Ellbach getrieben.
Auch hier wurde eine deutliche Drohung ausgesprochen:
»Ladts engere Bixn scharf mit Pulver und Blei, daß ihr könnt ziehen ungehindert und frey im Fall eines Anstands habts Mueth, und verschonts mir net fremdes Bluet!« |
Was die Haberer nicht in großen Treiben zum Ausdruck brachten, das suchte der einzelne, oder die Gruppe, die vergeblich irgend ein Treiben beantragt hatte, durch Pasquille ruchbar zu machen, die an gut sichtbarer Stelle angebracht wurden. Ich führe einige davon an.
Am 21. Juni 1863 fand man am Tor der Stallung des Administrationsgebäudes in Tegernsee einen Anschlag, der eine »Wahre Geschichte in Knittelversen« behandelte und nichts anderes ist als ein Haberfeldtreiben.
»Ein abscheulich unsittliches Treiben ist, wie die Eh man bricht, das kann nicht länger so bleiben, dies macht ein Haberfeld zur Pflicht. Im Dorf Kreuth die Frau N. N. |
Der Schluß:
»Und bekennt euch ihr Sünder nicht schnell, fahrt euch der Haberfeldteufel in d' Höll.« |
Ich bezweifle sehr, daß ein richtiger Haberer der Verfasser dieses Pasquills ist. Nicht selten benützten auch Nichthaberer die landesübliche Sitte, um auf solchen Umwegen ihren niedrigen Instinkten freien Lauf zu lassen . . .
Gut bäuerlich ist das folgende Pasquill gedacht, das man am 5. August 1865 in Enterbach bei Kreuth fand und in dem der Bauer seine Ansichten über den Wildfrevel ausdrückt: daß eben der ungeheure Wildbestand die Arbeit des Bauern zunichte mache und daß die Notwehr (das Wildern) bestraft werde:
»Gott is gwön a gscheida Mo den vogangan Winta gwis, er hat den Bauer gholfn da, wens scho dian hart gwön is.« |
Der strenge Winter hatte nämlich den Wildbestand doch etwas dezimiert.
»Wias Plätz wais Wildprat geit, und was vo den Teifls Vih der Bauer schadn leit. Und jagt oana a so a Schintapesti und in Feld grad mit an Stäcka is, so is er als Wilddiab scho vodächtö und ausgsuacht werd eahms Haus.« |
Der Schluß der langen Klage:
»Drum, ös Bauern, verzagts no nit, vieleicht gehts no mit mehrern aso, mit Holz und Streu und Almfeldtreibn, denn der alte Gott, der lebt ja no!« |
Ein bitterer Hohn: der alte Gott läßt die Entrechtung des Bauern ruhig vorwärts schreiten. Man hat ihm die Jagd genommen, nun kommen Wälder und Almen dran.
Dem Forstmeister von Tegernsee dedizierte man im Jahre 1863 die folgenden
Kirchweihnudeln |
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Ein schöner Ort, ein wunderlieblich Thall, Ist Tegernsee, die ganze Gegend überall, Ganz wahr ein zweites Paradies Und wär es auch ganz gewiß Mit Schönheit der Natur vereint, Die Sonne! eines Prinzen scheint. Doch in diesem Thall so wenig, schön und gut Haust ein Ungeheuer mit weitverzweigter Brut. Ein Quälgeist vür den Bauer! Und seyn Vieh! |
Es handelt sich in den folgenden Anklagen offensichtlich um einen energischen Beamten, der den Wilderern und Forstfrevlern ab und zu auf die Hühneraugen tritt. Darum verspricht ihm der Dichter, der wiederum ganz sicher kein Haberer ist, ein Haberfeldtreiben:
»Und liefert Ihr nicht selbst den Stoff hinzu, habt ihr vorn Haberfeld die beste Ruh.« |
Am 5. Dezember 1869 sagt ein Pasquillant den Gmundern ihre Sünden und fordert Besserung:
»Ich hab euch das noch im guten gschriebn, das negstemal wird euchs Haberfeld trieben.« |
Im Jahre 1871 ein Pasquill in Gmund:
»Geschrieben an die, welche mit Schafskleidern kommen, inwendig aber die größten Spitzbuben sind.
Den Kaufmann N. N.
den därft ma auch Lebn nimmer schenkn.Den Lehrer N. N.
schießt ma ei den Kopf vonan.in den Kopf, daß dieser in Stücke gehtDen Papierfabrikant N. N.
des is ei Schwarzkünstler Freund,ein Pfaffenknecht
den mueß ma auch Lebn austreibn.
der därf ei nimmer da bleibn,
den mueß ei Todes urtheil schreibn.
Den vieraugigen Bader,
des is ei schwarzer Kader,
den därfma nit vogessn,
der mag unserne bleierne Knöl fressn.Den Kooperator, den Hund,
derschießt no glei,
den mörderischn Schund.Geschrieben von den Unfehlbaren in Rom, Anstifter der Blutvergießungen des Jahres 1870.«
Ein ähnliches summarisches Verfahren droht auch ein Maueranschlag in Tölz (1865) an, als dort infolge der Habererunruhen zwangsweise Militär einquartiert werden sollte:
»Die Herren Bürger dürfen auf Militäreinlegung nicht Angst haben, nachdem die Herren Haberfeldtreiber ebenso verfahren werden, wie die Russen zur Zeit Napoleons in Moskau.«
Also sollen die Tölzer hübsch den Markt verlassen, damit man die Soldaten allein in den angezündeten Häusern hat.
In Rosenheim verspottet ein vielfach gesungenes Spottlied um das Jahr 1865 das Landgericht:
»Und wenns beim Gricht das Haberfeldtreibn erfahrn, Kommt morgen glei der Bezirksamtmann gefahrn, Und ein paar Tag drauf kommt der Untersuchungsrichter mit sein Karrn, Und einer wird so viel wie der ander erfahrn.« |
Aber ein Jahr darauf kam der blutige Ernst: als am 20. Oktober 1866 die Haberer abermals die Kühnheit hatten, in das städtische Rosenheim einzudringen, stießen sie mit der Polizei zusammen. Es wurden Schüsse gewechselt und bei der Hartnäckigkeit der Haberer, die der unvermutete Widerstand reizte (das Bezirksamt war frühzeitig unterrichtet worden und hatte die ganze Polizeimacht des Bezirkes zusammenziehen können), zog sich ein regelrechtes Feuergefecht eine volle Stunde hin, bis die Haberer den Platz verließen. Sie konnten ihre Verwundeten, sieben an der Zahl, nicht mehr mitschleppen. Ein achter Getroffener, der Schmiedsohn Sixtus Maier von Langenpfunzen, war augenblicklich tot. Die Polizei hatte keine Verluste erlitten.
In Moorenweis verkündet im Jahre 1860 ein Pasquill:
»Nächster Tage wird im hiesigen Ort eine Faschings Quatrille aufgeführt und zwar dem Pfarrer wegen Umgang mit Betschwestern, nächtlicher Unterkunft derselben im Pfarrhof, Partheipredigten und Einmischung in alle Händel.
Dem Schulmeister wegen Unterdrückung der Entdeckung von zwei Einbrüchen und falscher Anklage bei Gericht.«
usw. usw.
Die Unterschrift:
»Der Ausschuß der Haberer.
Pascolini.«Pascolini ist der allmählich legendenhaft gewordene aber tatsächliche Räuberhauptmann der Schrobenhausener Gegend, berüchtigt wie seine Vorfahren Gump und Genswürger. Es ist interessant, daß der berühmte Mathias Kneißl mütterlicherseits von Pascolini abstammt: seine Großmutter ist eine Tochter des Räuberhauptmanns.
Den Traunsteinern wird unterm 1. April 1866 (allerdings ist der 1. April der Tag allgemeiner Nasführung) aus Rosenheim durch einen »Direktor Abraham« mitgeteilt, daß man für den Osterdienstag ein schönes Haberfeldtreiben beabsichtige.
Dem Bürgermeister geht am selben Tage ein Schreiben zu, das vielleicht auch noch in den Rahmen der Aprilscherze fällt, das aber in seinem Inhalt recht bedenklich erscheint:
»Warnung 6. Abril 66.
Wie vern das im Bezirk Traunstein noch eine Pendung oder Versteigerung volzogen würd, so ist es vest geschworen, das die Stad in asche gelegt das waßer vergift das die meisten in wohner und das Vieh sterben mißen, den das gemeine bublikum ist gezwungen die Beamten zu verdilgen, weill si das ganze Land arm machen woh sich Beamten loschieren denen wird balt Feuer gelegt alen Beamten wirenten aus der Stad verdreiben werden, den wier suchen Rache sofiel wie möglich.«
»Diser Brief muß auch ihn das Wochenblad gedruckt wern so wie es geschrieben ist.
Ulrich Kracher
Vrey Maurer
Der sonderbare »Freimaurer« war jedenfalls ein verschuldeter Gütler, der den Gerichtsvollzieher haßte und kurzen Prozeß liebte.
In Gmund findet man 1867 das folgende Plakat:
»Merkwürdig, wie dieser Mann
Die armen Seelen verurteilen kann.es handelt sich um die Kritik einer Bußpredigt, die der Pfarrer am Allerseelentag gehalten hatte
Am Tag Allerseelen gar ein schöner
Trost für die Hinterbliebenen:
20, 30, vielleicht 100
Läßliche Sünden, die werden ins Fegfeuer
Auf 1000 Jahr Qual verurteilt,
Schwere Sünden werden von ihm verurteilt
Zur ewigen Verdammnis,
Da heißt es weg von mir,
Du gehörst dem Teufl und seine Anhänger.Er tobt und schreit
Als wie ein Narr
Und das Volk glaubt,
Es ist doch kein Wort wahr.Tanzen ist gesund,
Und die Liebe veracht,
Und so schreit er halt Furt,
Bis alle gelacht.Der Herr Pfarrer von Gmund
Is sonst kein ganz braver Mann,
Die Leut, die tut's wundern,
Daß er den Scharfrichter so aushalten kann.daß es so lange dauert, bis er dem Scharfrichter überantwortet wirdD' Höll, dö is voll
Und das Fegfeur is zu kloa,
Unser Pater schickt Seelen,
Was werds damit daun?O Seelen, ös därfzing nit freun,
d'Höll werd gmacht größer,
da mueß unser Pater
Bauführer sein.
I glaubs halt, beim Teufl
besteht er recht guet,
weil er ihm alle Seeln
zueliefern thuet.So, meine lieben Gemeinde, das Ding is nit so, ich habe gmeint, die Höll ist ausgelöscht und der Tofi davon.
Eingesandt von den Verdammten und von Satan unterzeichnet als Wahrheit bestätigt.«