Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das sechsunddreißigste Kapitel

Ist wohltätig kurz und endet mit einem Siege der Frau Mutter

 

Sie ließ den müden Mann ein Stündchen schlafen und weckte ihn in jenen grausamen Augenblicken, da der Ungar seine Geister noch in Magen und Hirn sitzen hatte und von hier aus den ganzen Körper nach Belieben quälen konnte. So geriet Herr Hansjakob gewissermaßen zwischen zwei Feinde, deren einem er bereits unterworfen und deren anderem er nicht gewachsen war. Er war angegriffen, während er von hinten gehalten war, gefesselt, während der Gegner in Parade lag – sein Gesicht war unglücklich und heischte Erbarmen, aber Frau Anna wich nicht von der Sitte des Heimzahlens ab und hatte Wucherzinsen zum Kapital geschlagen.

Sie ließ ihn lange nicht zu Worte kommen, und das tat ihm eigentlich wohl, weil er an allen den Lähmungen litt, die ein starker Trunk im Gefolge hat: Kehlenvertrocknung, Bleizunge, Gedankenkrampf – er saß belämmert da und seine Augen zuckten wie unter Fechterhieben.

Aber schließlich ermüdete doch auch die stattliche Frau und Hansjakob konnte wenigsten einen Vergleich erzielen, den Frau Anna heraufbeschworen hatte.

Es war unklug von ihr gewesen, bloßen Äußerlichkeiten schweres Gewicht zu geben: »Wo ich ihm den neuen Mantel schon bestellt habe! Wo die Bücher schon alle da sind! Wo wir's schon meiner Schwester und dem Herrn Schwager zu wissen getan haben! Wo ihn die hochwürdigen Herren Jesuiten schon erwarten!«

Hansjakob brummte: »Das ist alles nicht schlimm!« (Denn schlimmer stund es mit seinem Schädel, den er manchmal mit beiden Händen zusammenpreßte, in der Absicht, tausend Quälgeister zu Brei zu zerquetschen.)

»Wenn wir heute ja sagen und morgen nein,« gellte die Stimme der starken Frau, »so sind wir Narren.«

»So sagen wir erst übermorgen nein,« schlug der gequälte Mann vor.

»Narr!« wütete die Frau Mutter und sah sehr gereizt aus.

»Oder in einem Monat.« Der Bürgermeister litt furchtbar unter seinem Kater und strebte einem Friedensschluß zu.

»Du doppelter und dreifacher Hansnarr!«

»Oder in einem halben Jahr!« stöhnte der Bürgermeister.

Jetzt wurde die Stimme der zornigen Frau vor seinen erstaunten Ohren ein wenig ruhiger und ging in ein erregtes Flehen über: »Werd' mir doch wieder vernünftig! Schau, der Bub ist gesund, wie der Fisch im Wasser. Und ein Gescheiter stirbt auch nicht leichter wie ein Dummer. Hast ja auch studiert und lebst noch.«

»Hm,« sagte der Herr Vater, als er das Lob aufgesogen hatte. Er erkannte, daß ein wenig Nachgeben seine Leiden mildern würde und überlegte sich den Fall. »Das war ein vernünftiges Wörtl,« stammelte er und schöpfte Hoffnung.

»Na also, so hör noch ein vernünftiges Wörtl an: jetzt lassen wir ihn so, lange studieren, bis der Mantel zerrissen und die Bücher weg sind, sonst sieht's entweder aus, als wollten wir unser Geld zum Fenster hinausschmeißen oder als ob wir mit dem Beutel nicht mehr weiter könnten. Denk dir doch!«

»Wie!?« polterte nun Herr Hansjakob. »wer sagt das?«

»Es sieht so aus. Willst du deine Familie, dein Haus und Melchior Pentenrieder selig Erben zum Gespött werden lassen!?«

»Nie und nimmer!« schrie Herr Hansjakob. »Der Bub muß mir studieren, bis der ganze Mantel in Fetzen gerissen ist.«

»Du mußt es am besten wissen,« beruhigte ihn die Frau Mutter sanft; »du bist der Mann und hast zu befehlen. Du bist studiert und weißt, was ums Studieren ist. Ich kann dir nur recht geben.«

»Morgen muß der Bub fort!« befahl der Herr Vater. »Das war mir denn doch das Wahre!!«

*

Und wenn wir unserer Geschichte ein Vierteljährchen vorauseilen, so finden wir, daß der liebe Gott im Einverständnis mit Frau Anna gehandelt hat und ihre christlichen Bitten in seinem Himmel wohl vernahm: weder der Pater Tantlaquakapatschius noch der Pater Mulonius durften ihre Tage in ihren gewohnten Zellen beschließen.

Sie erhielten ehrenvolle Rufe in sehr stinkige Nester und der Pater Guardian Pankraz mußte sie in brüderlicher Liebe ermahnen, in heiligem Gehorsam ihren Stab zu ergreifen.

Und die beiden Graubärte wanderten aus dem Lande Kanaan in die Wüsteneien der Oberen oder Kartoffelpfalz.

 


 << zurück weiter >>