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Teutschland ist mein Vaterland, in Schelmerode bin ich gebohren, zu Sanct Malo habe ich ein gantz halb Jahr gefangen gelegen, und in Holland und Engelland bin ich auch gewesen. Damit ich aber diese meine sehr gefährliche Reise-Beschreibung fein ordentlich einrichte, so muß ich wohl von meiner wunderlichen Geburth den Anfang machen:
Als die grosse Ratte, welche meiner Frau Mutter ein gantz neu seiden Kleid zerfressen, mit den Besen nicht hatte können todt geschlagen werden, indem sie meiner Schwester zwischen die Beine durchläufft und unversehens in ein Loch kömmt, fällt die ehrliche Frau deßwegen aus Eyfer in eine solche Kranckheit und Ohnmacht, daß sie gantzer 24 Tage da liegt und kan sich der Tebel hohlmer weder regen noch wenden. Ich, der ich dazumal die Welt noch niemals geschauet und nach Adam Riesens Rechen-Buche 4 gantzer Monat noch im Verborgenen hätte pausiren sollen, war dermassen auch auf die sappermentsche Ratte so thöricht, daß ich mich aus Ungedult nicht länger zu bergen vermochte, sondern sahe, wo der Zimmermann das Loch gelassen hatte und kam auf allen vieren sporenstreichs in die Welt gekrochen.
Wie ich nun auf der Welt war, lag ich 8 gantzer Tage unten zu meiner Frau Mutter Füssen im Bettstroh, ehe ich mich einmal recht besinnen kunte, wo ich war. Den 9ten Tag so erblickte ich mit grosser Verwunderung die Welt. O sapperment! wie kam mir alles so wüste da vor! Sehr malade war ich, nichts hatte ich auf den Leibe. Meine Fr. Mutter hatte alle Viere von sich gestreckt und lag da, als wenn sie vor den Kopff geschlagen wäre. Schreyen wolte ich auch nicht, weil ich wie ein jung Ferckelgen da lag und wolte mich niemand sehen lassen, weil ich nackend war, daß ich also nicht wuste, was ich anfangen solte. Ich hatte auch willens, wieder in das Verborgene zu wandern, so kunte ich aber der Tebel hohlmer den Weg nicht wieder finden, wo ich hergekommen war. Endlich dachte ich, du must doch sehen, wie du deine Frau Mutter ermunterst, und versuchte es auf allerley Art und Weise. Bald kriegte ich sie bey der Nase, bald krabbelte ich ihr unten an den Fußsohlen, bald machte ich ihr einen Klapperstorch, bald zupffte ich ihr hier und da ein Härgen aus, bald schlug ich sie aufs Nolleputzgen. Sie wolte aber davon nicht aufwachen; letzlich nahm ich einen Strohhalm und kützelte sie damit in den lincken Nasen-Loche, wovon sie eiligst auffuhr und schrie: »Eine Ratte! eine Ratte!« Da ich nun von ihr das Wort Ratte nennen hörete, war es der Tebel hohlmer nicht anders, als wenn iemand ein Scheermesser nehm und führe mir damit unter meiner Zunge weg, daß ich hierauf alsobald ein erschreckliches Auweh! an zu reden fing. Hatte meine Frau Mutter nun zuvor nicht »Eine Ratte! Eine Ratte!« geschrien, so schrie sie hernachmals wohl über hundert mal »Eine Ratte! Eine Ratte!«, denn sie meinte nicht anders, es nistelte eine Ratte bey ihr unten zu ihren Füssen. Ich war aber her und kroch sehr artig an meine Frau Mutter hinauf, guckte bey ihr oben zum Decke-Bette heraus und sagte: »Frau Mutter, Sie fürchte sich nur nicht! Ich bin keine Ratte, sondern ihr lieber Sohn; daß ich aber so frühzeitig bin auf die Welt gekommen, hat solches eine Ratte verursachet.« Als dieses meine Frau Mutter hörete, Ey sapperment! wie war sie froh, daß ich so unvermuthet war auf die Welt gekommen, daß sie gantz nichts davon gewust hatte. Wie sie mich dasselbe mal zu hertzte und zu leckte, das will ich der Tebel hohlmer wohl keinen Menschen sagen.
Indem sie sich nun so mit mir eine gute Weile in ihren Armen gehätschelt hatte, stund sie mit mir auf, zog mir ein weiß Hembde an und ruffte die Mieth-Leute in gantzen Hauße zusammen, welche mich alle mit einander höchst verwundernd ansahen und wusten nicht, was sie aus mir machen solten, weil ich schon so artig schwatzen kunte. Herr Gerge, meiner Frau Mutter damaliger Praeceptor, meinte, ich wäre gar von den bösen Geiste besessen, denn sonst könte es unmöglich von rechten Dingen mit mir zugehen, und er wolte denselben bald von mir austreiben! Lieff hierauf eiligst in seine Studier-Stube und brachte ein groß Buch unter den Arme geschleppt, damit wolte er den bösen Geist nun von mir treiben. Er machte in die Stube einen grossen Kreiß mit Kreide, schrieb ein hauffen Cauder-Welsche Buchstaben hinein und machte hinter und vor sich ein Creutze, trat hernachmals in den Kreiß hinein und fing folgendes an zu reden:
Hocus pocus Schwartz und Weiß Fahre stracks auf mein Geheiß Schuri muri aus den Knaben; Weils Herr Gerge so will haben. |
Wie Herr Gerge diese Wort gesprochen hatte, fing ich zu ihn an und sagte: »Mein lieber Herr Praeceptor, warum nehmet ihr doch solche Köckel-Possen vor und vermeinet, ich sey von dem bösen Geiste besessen! Wenn ihr aber wissen soltet, was die Ursache wäre, daß ich flugs habe reden lernen und weswegen ich so frühzeitig bin auf die Welt gekommen, ihr würdet wol solche närrische Händel mit euren Hocus pocus nicht vorgenommen haben.« Als sie mich dieses nun so reden höreten, o sapperment! was erweckte es vor Verwunderung von den Leuten im Hauße! Hr. Gerge stund der Tebel hohlmer da in seinen Kreiße mit Zittern und Beben, daß auch die um ihn Herumstehenden alle aus der Lufft muthmassen kunten, der Herr Praeceptor müste wol in keinen Rosen-Garten stehen.
Ich kunte aber seinen erbärmlichen Zustand nicht länger mit ansehen, sondern fing da an, meine wunderliche Geburth zu erzehlen und wie es niemand anders als die jenige Ratte verursachet hätte, welche das seidene Kleid zerfressen, daß ich so frühzeitig auf die Welt gekommen wäre und flugs reden können.
Nachdem ich nun mit vielen Umständen denen sämtlichen Hausgenossen die gantze Begebenheit von der Ratte erzehlet hatte, so glaubten sie hernach allererste daß ich meiner Fr. Mutter ihr Sohn wäre. Hr. Gerge aber, der schämte sich wie ein Hund, daß er meinetwegen solche Narren-Possen vorgenommen hatte und vermeinet: Ein böser Geist müste aus mir reden. Er war her, leschte seinen Hocus Pocus-Kreiß wieder aus, nahm sein Buch und gieng mit feuchten und übelriechenden Hosen stillschweigend immer zur Stuben-Thüre hinaus. Wie auch die Leute hernach alle mit mir thaten und mich zu hertzten und zu poßten, weil ich so ein schöner Junge war und mit ihnen flugs schwatzen kunte, das wäre der Tebel hohlmer auf keine Kühhaut zu schreiben. Ja, sie machten auch alle mit einander flugs Anstalt, daß mir selben Tag noch bey grosser Menge Volcks der vortreffliche Nahme Schelmuffsky beygeleget wurde.
Den zehenden Tag nach meiner wunderlichen Geburt lernete ich allmählig, wiewol etwas langsam, an den Bäncken gehen, denn ich war gantz malade, weil ich auf der Welt gar noch nichts weder gefressen noch gesoffen hatte. Denn der Fr. Mutter Pietz war mir zu eckel und keine andere Speisen kunte ich noch nicht gewohnen, daß ich also, wenn sichs nicht so geschickt hätte, wohl verhungern und verdursten müssen.
Was trug sich zu? Meine Fr. Mutter, die hatte gleich selben Tag ein groß Faß voll Ziegen-Molcken auf der Ofen-Banck stehen, über dasselbe gerathe ich so ohngefehr und titsche mit den Finger hinein und koste es; weil mir das Zeug nun sehr wohl schmeckte, kriegte ich das gantze Faß bey den Leibe und soffs der Tebel hohlmer halb aus. Wovon ich hernach gantz lebend wurde und zu Kräfften kam. Als meine Frau Mutter sahe, daß mir das Ziegen-Molcken so wol bekam, war sie her und kauffte hernach noch eine Ziege, denn eine hatte sie schon. Die musten mich also bis in das zwölffte Jahr meines Alters mit lauter solchen Zeuge ernehren und auferziehen. Ich kans wol sagen, daß ich denselben Tag, als ich gleich 12 Jahr alt war, der Tebel hohlmer Speck Ellen dicke auf meinen Rücken hatt, so fett war ich von dem Ziegen-Molcken geworden. Bey Anfange des 13. Jahres lernete ich auch alle sachte die gebratene Krams-Vögelgen und die jungen gespickten Hünergen abknaupeln, welche mir endlich auch sehr wol bekamen.
Da ich nun so ein Bißgen besser zu Jahren kam, so schickte mich meine Frau Mutter in die Schule und vermeinte nun, einen Kerl aus mir zu machen, der mit der Zeit alle Leute an Gelehrsamkeit übertreffen würde; ja, es wäre dazumal wol endlich was aus mir geworden, wenn ich hätte Lust was zu lernen gehabt, denn so klug als ich in die Schule gieng, so klug kam ich auch wieder heraus! Meine grösste Lust hatte ich an den Blase-Rohre, welches mir meine Fr. Groß-Mutter zum Jahrmarckte von der Eselswiese mitgebracht hatte. So bald ich denn aus der Schule kam, so schmiß ich meine Büchergen unter die Banck und nahm mein Blase-Rohr, lief damit auf den obersten Boden und schoß da entweder die Leute auf der Gasse mit auf die Köpffe oder nach den Spatzianern, oder knapste denen Leuten in der Nachbarschafft die schönen Spiegelscheiben entzwey, und wenn sie denn so klirrten, kunte ich mich recht hertzlich drüber zu lachen. Das trieb ich nun so einen Tag und alle Tage, ich hatte auch so gewiß mit meinen Blase-Rohr schiessen gelernet, daß ich einem Sperlinge, wenn er gleich 300 Schritte von mir saß, damit das Lebens-Licht ausblasen kunte. Ich machte das Rabenzeug so schüchtern, wenn sie nur meinen Namen nennen höreten, so wusten sie schon, wie viel es geschlagen hatte!
Als nun meine Fr. Mutter sahe, daß mir das Studiren gantz nicht zu Halse wolte und nur das Schulgeld vor die lange Weile hingeben muste, nahm sie mich aus der Schule wieder heraus und that mich zu einem vornehmen Kauffmann, da solte ich ein berühmter Handelsmann werden. Ja, ich hätte es wol werden können, wenn ich auch Lust darzu gehabt hätte, denn an statt da ich solte die Nummern an den Wahren mercken und wie teur die Elle müste mit Profit verkauftet werden, so hatte ich immer andere Schelmstücken in Gedancken und wenn mich mein Patron wohin schickte, daß ich geschwinde wiederkommen solte, so nahm ich allemal erstlich mein Blaserohr mit, ging eine Gasse auf, die andere wieder nieder, u. sahe wo Sperlinge sassen! Oder wenn wo schöne grosse Scheiben in Fenstern waren und es sahe niemand heraus, so knapste ich nach denselben und lief hernach immer meiner Wege wieder fort. Kam ich denn wieder zu meinem Herrn und war etwan ein paar Stunden über der Zeit aussen gewesen, so wuste ich allemal so eine artige Lügente ihn vorzubringen, daß er mir sein lebetage nichts sagte. Zuletzt versahe ichs aber dennoch auch bey ihn, daß es nicht viel fehlete, so hätte er mir mein Blase-Rohr auf den Buckel entzwey geschmissen! Ich aber merckte den Braten und gab mit meinen Blase-Rohre reißaus und soll nun noch wieder zu ihn kommen. Hernach so schickte er zu meiner Fr. Mutter und ließ ihr sagen, wie daß ich ihn allen Unfug mit meinem Blase-Rohre bey den Leuten angerichtet hätte und mich gantz zur Handlung nicht schicken wolte. Meine Frau Mutter ließ den Kauffmann aber wieder sagen: Es wäre schon gut und sie wolte mich nicht wieder zu ihm thun, weil ich indem schon von ihn weggelauffen und wieder bey ihr wäre. Vielleicht krigte ich zu sonst was bessers Lust.
Das war nun wieder Wasser auf meine Mühle, als meine Fr. Mutter den Kauffmann solches zur Antwort sagen ließ und hatte ich zuvor die Leute auf der Gassen und die schönen Spiegelscheiben in den Fenstern nicht geschoren, so fupte ich sie hernach allererste wie ich wieder meinen freyen Willen hatte!
Endlich, da meine Fr. Mutter sahe, daß immer Klage über mich kam und etlichen Leuten die Fenster muste wieder machen lassen, fing sie zu mir an: »Lieber Sohn Schelmuffsky, du kömmst nun alle sachte zu bessern Verstande und wirst auch fein groß dabey! Sage nur, was ich noch mit dir anfangen soll, weil du gantz und gar keine Lust zu nirgends zu hast und nur einen Tag und alle Tage nichts anders thust, als daß du mir die Leute in der Nachbarschafft mit deinen Blase-Rohre zum Feinde machst u. mich in Ungelegenheit bringest?« Ich antwortete aber meiner Fr. Mutter hierauf wieder und sagte: »Fr. Mutter, weiß sie was? ich will her seyn und fremde Länder und Städte besehen! Vielleicht werde ich durch mein Reisen ein berühmter Kerl, daß hernach, wenn ich wiederkomme, iedweder den Hut vor mir muß unter den Arm nehmen, wenn er mit mir reden will!« Meine Frau Mutter ließ sich diesen Vorschlag gefallen und meinte, wenn ichs so weit bringen könte, solte ich mich immer in der Welt umsehen – sie wolte mir schon ein Stück Geld mit auf den Weg geben, daß ich eine Weile daran zu zehren hätte. Hierauf war ich her, suchte zusammen, was ich mitnehmen wolte, wickelte alles zusammen in ein Zwilchen Schnuptuch, stackte es in die Ficke und machte mich reisefertig. Doch hätte ich mein Blase-Rohr auch gerne mitgenommen, allein so wuste ichs nicht mit fortzubringen und besorgte, es möchte mir unterwegens gestohlen oder genommen werden. Ließ also dasselbe zu Hausse und versteckte es auf den obersten Boden hinter die Feuer-Mäuer und trat in den 24. Jahre meines Alters meine sehr gefährliche Reise an. Was ich nun in der Fremde zu Wasser und Lande überall gesehen, gehöret, erfahren und ausgestanden, das wird in folgenden Capiteln mit höchster Verwunderung zu vernehmen seyn.