Christian Reuter
Schelmuffsky
Christian Reuter

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Das sechste Capitel.

Als ich nun von den grossen Mogol Abschied genommen und er mich mit seiner gantzen Hofstadt bis zu Ende seiner Ring-Mauer zu Fusse das Geleite gegeben hatte, marchirte ich auf derselben Pfingst-Wiese immer nach denselben Wasser wieder zu, wo ich vor 14 Tagen abgestiegen war und satzte mich da wieder auf ein groß Last-Schiff, welches nach Engelland zu segeln wolte und fuhr mit denselben fort.

Auf den Schiffe erzehlete ich nun den Schiffmann sehr artig auch: wie daß mich der grosse Mogol so vortrefflich tractiret hatte und bey meinen Abschiede sein Bildniß mit der Kette mir auch verehret. Da meinte ich nun, der Schiffer würde etwan die Augen groß drüber aufsperren und sich über mich verwundern, daß ich so ein brav Kerl wäre, allein der Tebel hohlmer nicht das geringste! Der Kerl nahm den Hut nicht einmahl vor mir ab, sondern fing gar zu mir an und sagte: Manche Leute hätten mehr Glücke als Recht. O Sapperment! wie verdroß mich das Ding, daß der Bärenhäuter mir von solchen Sachen schwatzte, und fehlte dazumahl nicht viel, daß ich ihn nicht ein halb Tutzend Preschen gegeben hätte. Doch dachte ich endlich, es ist ein einfältiger Mensche, was kanst du mit ihn machen! Er kennt dich nicht, was Standes du bist, und ließ es also dabey bewenden. Ich erzehlete hernach meinen damahligen Cammeraden zu Schiffe meine wunderliche Geburth, wie auch die Begebenheit von der Ratte und von meinen Blase-Rohre.

Wie wir nun 3 Tage und 5 Nächte von der Indianischen Pfingst-Wiese fortgeseegelt waren, so kamen wir mit unsern Schiffe auf das grosse Mittelländische Meer. Ey Sapperment! was gab es da vor allerhand Meerwunder zu sehen, die schwummen wohl zu etlichen tausenden immer um unser Schiff herum. Meine einzige Freude hatte ich damahls mit einen kleinen See-Hündgen, das lockte ich mit einen Stückgen Brote gantz nah an unser Schiff heran, daß es auch endlich so freundlich that und mit mir spielen wolte. Ich war her, weil es so artig aussah, und wolte es aus den Meere ins Schiff haschen. Als ich aber nach den Aase griff, so biß mich die Wetter-Kröte der Tebel hohlmer durch alle fünff Finger durch und durch und dauchte drauff unter. O Sapperm., wie lieff das Blut zwischen die Finger herunter und bluteten wol 8 Tage, ehe sie wieder aufhöreten! Sie thaten mir überaus weh nach den Bisse. Endlich so brachte mir der Schiffer ein Gläßgen mit Bomolie getragen u. hieß mich die Finger damit schmieren u. sagte, daß die Bomolie so trefflich gut dafür were, wenn einen was gebissen hätte. Ich war her und schmierete mir die Finger damit. Es vergingen kaum 2 Stunden, so war der Tebel hohlmer alles wieder geheilet!

Nachdem wir nun bald durch das Mittelländische Meer durch waren, so liessen sich erschröcklich viel Syrenen von ferne in Meer blicken. Dieselben Menscher singen der Tebel hohlmer admirable schön. Da selbige der Schiffmann gewahr wurde, hieß er uns die Ohren alle mit einander feste zustopffen, denn wenn sie näher kämen, so würden sie uns mit ihren wunderschönen Singen so bezaubern, daß wir nicht würden von der Stelle fahren können. Ey sapperment! als ich dieses hörete, wie stopffte ich mir die Ohren feste zu und hieß den Schiffmann geschwinde fortfahren!

Drey Tage hierauf kamen wir in die Ost-See, da schifften wir auch wohl etliche Wochen, ehe wir durch wegkamen. Was es in derselben See vor Hechte gab, das kan ich der Tebel hohlmer keinen sagen! Die Boots-Knechte hatten einen Haamen mit auf den Schiffe. Sapperm., was fingen die Kerl da vor Zeugs von Hechten! Sie hatten der Tebel hohlmer Zungen wie die grossen Kälber und klebete wohl an einer Hecht-Zunge über 6 Kannen Fett!

Etliche Monate hierauf, nachdem wir durch unterschiedene Flüsse durchpaßiret waren, gelangeten wir glücklich in Engelland an, allwo ich vor Londen ausstieg, den Schiffer das Fähr-Geld richtig machte und in die Stadt Londen hineinging und mein Qvartier bey den Alamode Töpffer nahm, welcher flugs an den Thore wohnete. Der Kerl war nun endlich gegen mich sehr höfflich. Er empfing mich, fragte, was mein Verlangen wäre, wo ich herkäme und wer ich wäre? Ich erzehlete ihn nun flugs sehr artig auch meine Geburth und von der Ratte und wie daß ich so ein brav Kerl wäre und wolte das Qvartier bey ihn nehmen; auch wie ich gesonnen wäre, mich in cognito etliche Wochen bey ihn aufzuhalten.

Der Kerl, der Alamode Töpffer war hierauf sehr wohl zu sprechen und sahe mir auch flugs an den Augen an, daß ich was rechts seyn müste. Aber der Lumpenhund war etwas sehr undiscret, denn wenn er mit mir redete, so nahm er nicht allemahl seinen Hut vor mir ab, welches mich denn abscheulich auf ihn verdroß, daß er mir meinen gebührenden Respect nicht gab.

Es war gut, wie ich nun vermeinte, ich wolte nur Londen als ein schlechter Cavallier mich aufführen und vor keine Standes-Person nicht ausgeben, so kam der Tebel hohlmer Hr. Toffel, der vornehme Lord in Londen, mit Trauten, seiner Liebste, bey welchen ich zu Amsterdam auf der Hochzeit gewesen, zum Alamode Töpffer in die Stube hinein getreten und hiessen mich da willkommen. Sapperment! wie verwunderte ich mich, daß sie mich flugs ausgestanckert hatten! Sie erzehleten mir hernach alles, wie daß sie mich hätten sehen am Ufer aussteigen und wie ich so artig zum Alamode Töpffer ins Hauß hineingewischt wäre, denn Toffel, der vornehme Lord, hatte seinen Pallast allernechst in derselben Gasse. Er bath mich auch hernach, daß ich bey ihm das Qvartier nehmen solte, allein weil ich mich bey den Alamode Töpffer schon einlogiret hatte und der Mann auch mich nicht von sich lassen wolte, also mochte ich nicht gerne das Qvartier verändern, denn es hätte nur Aufsehens von den Leuten erweckt, wenn ich meine Sachen so hin und wieder schleppen lassen.

Ich wurde gleich selben Abend von Hr. Toffeln, den vornehmen Lord, zu Gaste gebethen, allwo viele andere Standes-Personen und vornehme Lords Töchter auch waren, die sich alle mit einander in mich verliebeten und heyrathens bei mir vorgaben! Denn ich zeigte ihnen des grossen Mogols Bildniß mit der Kette und erzehlete ihnen, wie daß er mich damit beschencket und vortrefflich gastiret hätte, weilen ich Ihn den calculum seiner Einkünffte sehr artig und richtig ziehen können, daß er nemlich über sein gantzes Einkommen das Jahr lang noch halb so viel Überschuß gehabt, als er eingenommen hatte. Ich sagte auch, daß er mich hätte zu seinen Geheimbden Reichs-Cantzlar machen wollen, allein weil ich mich noch nicht Lust zu setzen gehabt, hätte ich mich wegen des guten Anerbiethens bedanckt. Sapperment! wie sahen mich die Menscher, die vornehmen Lords-Töchter über Tische nach einander an! Sie fingen alle mit einander an, meine Gesundheit zu trincken. Eine sagte, es lebe des reichen Mogols in Indien sein Herr Reichs-Cantzlar, die andere sagte, es lebe der frembde vornehme Herr, welcher mit des Grossen Mogols Bildniß ist beschencket worden. Die 3te sagte, es lebe eine hohe Standes-Person in Gedancken, den was Rechts aus den Augen heraus sihet. Ich merckte nun wohl, daß dieses alles mir galt, so machte ich allemal gegen das Frauenzimmer, welche meine Gesundheit trunck, eine sehr artige Mine, daß es mir der Tebel hohlmer sehr wohl ließ.

Wie die Historie von den grossen Mogol nun aus war, so fing ich von meiner wunderlichen Geburth und von der Ratte was an zu schwatzen. Ey sapperment! wie sperreten die vornehmen Lords alle Maul und Nasen auf, als sie diese Dinge höreten!

Den morgenden Tag stellte Hr. Toffeln seine Liebste meinetwegen die Tour a la mode an, allwo wohl über 200 Kutschen mir zu gefallen von Standes-Personen und den vornehmsten Lords-Töchtern aus Londen mitfuhren. Ich muste mich zu ihrer zweyen, welches Hr. Toffeln seine Jungfer Muhmen waren, in die Carosse setzen. Wie auch die Menscher unter wegens mit mir gethan haben, das kan ich der Tebel hohlmer nicht sagen! Sie frassen mir bald das Maul ab, so zu hertzten sie mich. Sie hatten mich nun mitten inne sitzen, welches sehr artig zu sehen war, denn mein Bildniß hatte ich aus der Kutsche gehängt. Da lieffen wohl über 100 Jungen neben der Kutsche her und sahen des grossen Mogols sein Contrafait mit grosser Verwunderung an, worüber ich recht meine Freude auch hatte, daß so viel kleine Jungen neben der Carosse herlieffen.

Als wir nun etwan 2 Meilen von Londen an den Ort kamen, wo die Tour a la mode gehalten wurde, Ey sapperment! wie wurde ich da vortrefflich tractiret! Sie erwiesen mir auch solche Ehre an denselben Orte, daß ichs der Tebel hohlmer nicht sagen kan.

Den morgenden Tag drauf kamen Hr. Toffeln seine Jungfer Muhmen auf ihrer Kutsche vor des Alamode Töpffers Hauß gefahren, allwo ich in Qvartire lag und bathen mich, ob ich belieben wollte, ein wenig mit sie zu fahren? Sie wollten mir etwas von einigen Antiquitäten der Stadt Londen zeigen, welches ich wohl vielleicht noch nicht gesehen hätte. Damit satzte ich mich ohne Bedencken zu sie in die Carosse hinein, und wieder in die Mitten, welches recht artig zu sehen war.

Wie ich nun so ein Ecke mit Hr. Toffeln seinen Jungfer Muhmen in Londen herum gefahren war, so kamen wir an eine grosse Capelle, vor welche wir abstiegen und alle drey da hinein gingen. In derselben lagen wohl über 200 Schock Sensen, an denselben klebete das Blut Fingers dicke noch. Wie ich nun Hr. Toffeln seine Jungfer Muhmen fragte, was die Sensen alle da machten und warum an allen so viel Blut klebete? So gaben sie mir zur Antwort: Sie werden zur Rarität allda verwahret und alle denen frembden Standes-Personen gezeiget, denn vor diesen so wäre des Herzogs von Monmouth oder wie der Kerl geheissen hatte, seine Soldaten mit gewaffnet gewesen, und die hätten mit solchen Sensen denen Leuten die Kopffe so stattlich herunter gesäbelt.

Nach diesen satzten wir uns wieder alle dreye sehr artig in unsere Kutsche hinein und fuhren an einen andern Ort. Allda zeigten sie mir auch den Stein, auf welchen der Patriarcha Jacob solte gesessen haben, wie er im Traum die Himmels-Leiter gesehen hätte. Von dar fuhren wir wieder fort und kamen an einen Ort, allwo ein groß Beil hing, mit denselben wäre gar eine vornehme Person der Kopff abgeschlagen worden. Sie nenneten mir auch, wie die Person geheissen hätte, allein ich kan mich der Tebel hohlmer nicht mehr drauf besinnen. Wie sie mir nun dieses und jenes alles gezeuget, fuhren wir wieder zu Hr. Toffeln, bey welchen ich wieder mit speisete. Ich muß gestehen, daß mir in Londen der Tebel hohlmer grosse Ehre die drey Jahr über, als ich da gewesen bin, wiederfahren ist und absonderlich von den vornehmen Lord Hr. Toffeln und seiner Jungfer Muhmen.

Als ich nun von denselben Abschied nahm und mich auf die Spannische See begab, haben der Tebel hohlmer dieselben Menscher die bittersten Zähren gegranßt, daß ich von sie reisete. Sie bathen mich wohl 100 mahl, daß ich bey sie bleiben möchte, ich sollte nicht einen Heller verzehren. Ja wenn ichs dasselbe mahl gethan hätte, so wäre ich wohl ein brav Kerl geblieben! Allein so dachte ich durch mein Reisen immer höher und höher zu steigen. Es hätte auch leichtlich geschehen können, wenn ich nicht so unglücklich auf der Spanischen See gewesen wäre. Wie mirs nun da gegangen, wird man in folgenden Capitel bald hören.


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