Christian Reuter
Schelmuffsky
Christian Reuter

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Indem mir nun einer von den Hauß-Burschen solches erzehlet hatte und noch mehr Dinge von den unreiffen Studenten erzehlen wolte, so wurde ich gleich zur Mahlzeit geruffen.

Über Tische fieng der Frembde nun wieder an, von seinen Reisen auffzuschneiden und erzehlete, wie daß er wäre in Franckreich gewesen und bey einer Haare die Ehre gehabt, den König zu sehen. Wie ihn nun seine Schwestern fragten: Was vor neue Moden ietzo in Franckreich wären? so gab er ihnen zur Antwort: Wer die neuesten Trachten und Moden zu sehen verlangete, der solte nur ihn fragen, denn er hielte biß dato noch einen eigenen Schneider in Franckreich, welchen er jährlich Pension-Gelder gäbe – er möchte ihn nun was machen oder nicht. Wer was bey demselbigen wolte von den neusten Moden verfertigen lassen, der solte nur zu ihn (als nemlich zu den Frembden) kommen. Er wolte es ihn hineinschicken, denn derselbe Schneider dürffte sonst niemand keinen Stich arbeiten, wenn ers nicht haben wolte. Ich kans der Tebel hohl mer nicht sagen, wie der Frembde seinen Leib-Schneider heraus strich und verachtete darbey alle Schneider in der gantzen Welt; absonderlich von den Schneidern in Teutschland wolte er gar nichts halten, denn dieselben (meynte der Frembde) waren nicht ein Schoß Pulver werth – aus Ursachen, weil sie so viel in die Hölle schmissen.

Nachdem er solches erzehlet und seine Jungfer Schwestern hierzu nicht viel sagen wolten, so ruffte er den Haus-Knecht, derselbe muste geschwinde in die Apothecken lauffen und Ihn vor 4 gr. Mastix-Wasser hohlen. Nun kan ichs der Tebel hohl mer nicht sagen, was der Frembde vor Wesens und Auffschneidens von dem Mastix-Wasser machte! Wie nemlich dasselbe früh Morgens vor die Mutter-Beschwerung und vor den Ohren-Zwang so gesund wäre und wie es dem Magen einen so brav zu rechte wieder harcken könte, wenn es einem speierlich im Halse wäre. Ich dachte aber in meinen Sinn, lobe du immer hin dein Mastix-Wasser, ich will bey meiner Bomolie bleiben! Denn ich sage es noch einmahl, daß auff der Welt nichts gesünders und bessers ist, als ein gut Gläßgen voll Bomolie, wann einem übel ist. Als nun der Hauß-Knecht mit den Mastix-Wasser kam, ey sapperment! wie soff der Frembde das Zeug so begierig in sich hinein! Es war nicht anders, als wenn er ein Glaß Wasser in sich hinein gösse und giengen ihm die Augen nicht einmahl davon über.

Nachdem der Frembde nun vor 4 Groschen Mastix-Wasser auff sein Hertze genommen hatte, so fieng er ferner an zu erzehlen von denen Handelschafften und Commercien in Teutschland und sagte: Wie daß sich die meisten Kauffleute nicht recht in die Handlungen zu finden wüsten und der hunderte Kauffmann in Teutschland nicht einmahl verstünde, was Commercien wären. Hingegen in Franckreich, da wären brave Kauffleute, die könten sich weit besser in den Handel schicken, als wie die dummen Teutschen. O sapperment! wie horchte ich, als der Frembde von den dummen Teutschen schwatzte! Weil ich nun von Geburt ein Teutscher war, so hätte ich ja der Tebel hohl mer wie der ärgste Bärenhäuter gehandelt, daß ich darzu stille schweigen sollen, sondern ich fieng hierauff gleich zu ihn an und sagte: Höre doch, du Kerl, was hast du auff die Teutschen zu schmählen? Ich bin auch ein Teutscher, und ein Hundsfott, der sie nicht alle vor die bravsten Leute aestimiret! Kaum hatte ich das Wort Hondsfott den Frembden unter die Nase gerieben, so gab er mir unversehener Weise eine Presche, daß mir die Gusche flugs wie eine Bratwurst davon aufflief! Ich war aber her und kriegten den Frembden hinter den Tische mit so einer artigen Manier bey seinen schwartzen Nischel zu fassen und gab ihn vor die eine Presche wohl tausend Preschen! O sapperment! wie geriethen mir seine Schwestern wie auch der unreiffe Studente und der Moderator, oder daß ich recht sage, des unreiffen Studentens sein Stuben-Geselle, in meine Haare und zerzausten mich da wichtig. Ich wickelte mich aber aus dem Gedränge eiligst heraus, sprang hinter den Tische vor und lieff nach den Kachel-Ofen zu. Daselbst hatte ich in der Hölle meinen grossen Kober an einen höltzernen Nagel hängen, denselben nahm ich herunter, und weil er von dem Specke (welchen ich von den barmhertzigen Brüdern im Kloster geschenckt bekommen) brav schwer war, so hätte man da schöne abkobern gesehen, wie ich so wohl des Frembden Schwestern und unreiffen Studenten wie auch des unreiffen Studentens Moderator (ey – wolte ich sagen Stuben-Gesellen!) und Frembden selbst mit meinen grossen Kober da zerpumpte! Daß auch der Frembde vor grosser Angst das Mastix-Wasser, welches er über Tische so begierig hineingesoffen hatte, mit halsbrechender Arbeit wieder von sich spie und unter währenden Speyen um gut Wetter bat. Wenn er ausgespien hätte, so wolte er die gantze Sache mit mir vor der Klinge ausmachen.

O sapperment! was war das vor ein Fressen vor mich, als der Frembde von der Klinge schwatzte! Worauff ich auch alsobald Tob sagte und ihn mit meinen grossen Kober nicht mehr schmiß. Des unreiffen Studentens Stuben-Gesellen aber koberte ich Gottsjämmerlich ab, und ich sage, daß ich ihn endlich gar hätte zu Tode gekobert, wenn nicht des Frembden Mutter und Schwestern so erschröcklich vor ihn gebeten hätten, denn er stund überaus wohl bey den Töchtern und der Mutter. Daß auch die Mutter, als nehmlich die Wirthin, offtermahls zu den andern Hauß-Burschen sagte: Sie hätte noch niemahls so einen feinen Menschen zum Moderator vor ihren Sohn gehabt als wie sie ietzo hätte, und wenn er so bliebe, wäre er werth, daß man ihn in Golde einfassete. Die andern aber, welche sie sonst gehabt, hätten sie allemahl meistens betrogen. Absonderlich erzehlete sie immer von einem im weissen Kopffe, der hätte ihr so viel Geld abgeborget und keinmahl nichts wieder gegeben, und von einem, welcher alle Schlösser aufmachen können und ihr viel Sachen heimlicher Weise entwendet hätte. Allein ich habe ihre Nahmen wieder vergessen. -

Nachdem der Frembde nun mit Speyen wieder fertig war, hieng ich meinen grossen Kober wieder in die Hölle und suchte meinen langen Stoß-Degen zur Hand, welchen ich dazumahl trug, und forderte ihn hierauff vors Thor. Der Frembde suchte seinen Degen auch hervor, dasselbe war nun eine grosse breite Mußquetier-Plempe mit einem abscheulichen Korbe, damit marchireten wir beyde nun spornstreichs nach dem Thore zu. Der unreiffe Studente wolte mit seinen Stuben-Gesellen auch hinten nachgelauffen kommen – allein ich und der Frembde jagten die Bärenhäuter wieder zurücke.

Wie wir nun vor das Thor hinaus kamen, so war gleich flugs nahe an der Ring-Mauer ein hoher spitzigter Berg, denselben kletterten wir hinauff und oben auff der Spitze des Berges giengen wir zusammen. Wir hätten uns zwar unten am Berge schlagen können, allein so hatten wir keine Secundanten bey uns; denn wenn wir Secundanten gehabt, hätten dieselben mit blossen Degen müssen hinter uns stehen, damit von uns keiner zurücke weichen können. In Ermangelung derselben aber muste uns der hohe spitzige Berg secundiren, denn da durffte und kunte von uns beyden auch keiner ausweichen, denn wenn nur einer ein Strohalm breit aus seiner Positur gewichen, so wären wir der Tebel hohl mer alle beyde den Berg hinunter gepurtzelt und hätten Halß und Beine über unsere Schlägerey mursch entzwey gebrochen. So aber musten ich und der Frembde oben auff der Spitze Katze inne halten und unter wärenden Schlagen wie eine Maure auff den Knochen stehen. Ehe wir uns aber anfiengen zu schmeissen, so fing der Frembde zu mir an und sagte: Ich solte mit ihn auff den Hieb gehen, weil er keinen Stoß-Degen hätte oder wenn ichs zufrieden wäre, so wolte erden ersten Gang mit mir auff den Hieb gehen, den andern Gang wolte er mit mir auff den Stoß versuchen. Ich sahe aber nun gleich, daß der Frembde kein Hertze hatte, sondern sagte: Kerl, schier dich nur her! Es gilt mir alles gleich, ich will mit dir nicht lange Federlesens machen. Damit so zogen wir beyde von Leder und giengen mit einander da auff den Hieb zusammen. Ey sapperment! wie zog ich meinen Stoß-Degen mit so einer artigen Manier aus der Scheide heraus! Den ersten Hieb aber, so ich mit meinen Stoß-Degen nach dem Frembden that, so hieb ich ihn seine grosse Plempe flugs glat von den Gefäße weg und im Rückzuge streiffte ich ihn die hohe Quarte über der Nase weg und hieb ihn der Tebel hohl mer alle beyde Ohren von Kopff herunter! O Sapperment! wie lamentirete der Frembde, da er seine Ohren vor sich liegen sahe! Ich hatte auch Willens, ihn (wie den See-Räuber Hans-Barthe) eine stumpfichte Nase zu machen – weil er aber so sehr um die Ohren that und mich bath, daß ich ihn ungeschoren lassen solt und daß er Zeitlebens keinen Deutschen wieder verachten wolte, sondern allezeit sagen: Die Teutschen wären die bravsten Leute unter der Sonnen, so stackte ich meinen Stoßdegen wieder ein und hieß ihn beyde Ohren nehmen und damit eiligst zum Balbier wandern – vielleicht könten sie ihn wieder angeheilet werden.

Hierauff war er her und wickelte seine Ohren in ein Schnuptuch und nahm seine zerspaltene Plempe mit den grossen Korb-Gefäße unter den Arm und gieng mit mir in die Stadt Padua hinein. In dem grossen Hause flugs am Thore neben den Auffpasser wohnete ein berühmter Feldscheer (welcher auch wacker wolte gereiset seyn), zu demselben hieß ich den Fremden mit seinen abgehauenen Ohren gehen und solte da hören, ob sie ihn wol könten wieder angeheilet werden? Der Fremde aber hatte keine Lust, zum Feldscheer hinzugehen, sondern sagte, er wolte erstlich ein gut Gläßgen Mastix-Wasser auff die Schmertzen aussaugen, hernach so wollte er sich zum Schinder in die Cur begeben und bey dem hören, ob seine Ohren wieder könten angeheilet werden.

Nachdem er dieses zu mir gesaget, so gieng er von mir und nahm seinen March immer nach der Apothecke zu. Ich aber war her und schlich mich heimlich in des Fremden seiner Mutter Haus (alwo ich im Qvartier lag), daß mich keiner gewar wurde und practicirte mit so einer artigen Manier meinem grossem Kober aus der Stube hinter der Hölle weg, satzte mich wieder auff mein gewonnenes Pferd und ritt da ohne Stallgeld und ohne Abschied immer zur Stadt Padua hinaus und nach Rom zu.

Von derselben Zeit an habe ich den Fremden, wie auch den unreifen Studenten mit seinem Moderator oder sage ich Herrn Stuben-Gesellen mit keinem Auge wieder gesehen. Nachricht aber habe ich Zeithero von dem Universitäts-Bothen aus Padua erhalten, daß der Schinder den Fremden die Ohren wiederum feliciter solte in 2 Tagen angeseilet haben. Er häte aber die 2 Tage über vortrefflichen Fleiß bey ihm angewendet und hätte unterwährender Cur der Fremde über 12 Kannen Mastix-Wasser Mutter-Stein allein ausgesoffen und von demselben Mastix-Wasser (meinte der Universitäts-Bothe) wär er meistentheils wieder zu rechte geworden.

Was den unreiffen Studenten und Moderator wie auch des Fremden gantze Familie anbelanget, so habe ich biß dato nichts erfahren können, was sie machen müssen.

Nun Adieu, Badua – Signor Schelmuffscky muß sehen, wie Rom aussiehet!


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