Christian Reuter
Schelmuffsky
Christian Reuter

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Indem ich nun so eine kleine Weile lag und lauschte, so pochte gantz sachte iemand an unsere Stuben-Thüre an! Ich fragte, wer da wäre, es wolte aber niemand antworten. Es pochte noch einmal an, ich fragte wieder, wer da wäre, es wolte mir aber niemand Antwort geben. Ich war her, sprang nackend zum Bette heraus, machte die Stuben-Thüre auff und sahe wer pochte! Als ich selbige eröffnete, so stund ein Mensche draussen und hatte ein klein Brieffgen in der Hand, both mir im finstern einen guten Abend und fragte, ob der frembde vornehme Herr, welcher heute Abend über Tische die Begebenheit von einer Ratte erzehlet, seine Stube hier hätte. Da Sie nun hörete, daß ichs selbst war, fieng Sie weiter an: Hier ist ein Brieffgen an Sie und ich soll ein paar Zeilen Antwort drauf bringen. Hierauf ließ ich mir den Brieff geben, hieß sie ein wenig vor der Stuben-Thüre verziehen, zog geschwinde mein Hembde und Hosen an und pfiff den Hauß-Knechte, daß er mir das Licht anbrennen muste, welches er auch alsobald that und mit einer grossen Laterne die Treppe hinauff gelauffen kam. Damit so erbrach ich den Brieff und sahe, was drinnen stund. Der Inhalt war wie folget also:

Anmuthiger Jüngling.
Woferne Euchs beliebet diesen Abend noch mein Zimmer zu besehen, so lasset mir durch gegenwärtige Servante Antwort wissen.
Adjeu!
      Eure affectionirte Dame
      welche bey Euch heute Abend über Tische an der Ecke zur rechten Hand gesessen und manchmahl mit den Knie gestossen
La Charmante.    

Sobald ich diesen Brieff nun gelesen, pfiff ich dem Hauß-Knechte wieder, daß er mir Feder, Dinte und Papier bringen muste. Darauf satzte ich mich nur hin und schrieb einen sehr artigen Brieff wieder an die Dame Charmante zur Antwort. Derselbe war nun auf diese Manier eingerichtet:

Mit Wündschung alles Liebes und
Gutes zuvor Wohl-Erbare
Dame Charmante.

Ich will nur erstlich meine Schue und Strümpffe wie auch meinen Rock wieder anziehen (denn das Hembde und Hosen habe ich schon wieder angezogen, ob ich gleich nackend aus den Bette sprang, als das Mensche – die Servante – anpochte und ich ihr auch nackend auffmachte, da Sie mir Euren Brieff über brachte, so zweiffele ich, daß sie in finstern was an mir wohl groß gesehen hat.) Hernach wil ich gleich zu Euch kommen. Ihr müsset aber, Wohl-Erbare Dame, die Servante unfehlbar wieder zu mir schicken, daß sie mir die Wege weist, wo ich Eure Stube finden soll; und lasset sie eine Laterne mit bringen, daß ich auch nicht in finstern falle, denn alleine komme ich der Tebel hohl mer nicht. Warumb? es ist ietzo gleich zwischen 11 und 12, da der Hencker gemeiniglich sein Spiel hat und mir leichtlich ein Schauer ankommen möchte, daß mir auf den Morgen hernach das Maul brav ausschlüge und was würde Euch denn damit gedient seyn, wenn ich eine grindigte Schnautze kriegte! Wornach Ihr Euch zu achten wisset! Haltet nun wie Ihrs wollet. Hohlt das Mensche mich ab – wohl gut. Kömt Sie aber nicht wieder, wie bald ziehe ich die Hosen und mein Hembde wieder aus und lege mich wieder zu meinen Herrn Bruder Grafen ins Bette! In übrigen lebet wohl – ich verbleibe dafür

Meiner Wohl-Erbarn Madame
    Charmante

allezeit
treu-gehorsambst dienst-
schuldigst Reisefertigster
Schelmuffsky.
   

Diesen Brieff schickte ich nun der vornehmen Dame Charmante zur Antwort wieder und suchte meine Schue und Strümpffe unter der Banck flugs hervor, daß ich sie anziehen wolte. Ich hatte kaum den einen Strumpff an das lincke Bein gezogen, so stund die Servante schon wieder drausen und hatte eine grosse papierne Laterne in der Hand, worinnen eine töpfferne Lampe mit zwey Daachten brannte, und wolte mich nach der Dame Charmante ihren Zimmer leuchten, daß ich nicht fallen solte. Sobald als ich mich nun angezogen, nahm ich meinen Degen, welches ein vortrefflicher Rückenstreicher war, unter den Arm und gieng mit nach der Charmante Ihrer Stube zu. Das Mensche die Servante kunte mir mit der papierne Laterne überaus stattlich leuchten; sie führete mich von meiner Stube an die Treppe wieder hinunter über den schönen Saal weg, einen langen Gang im Hoff hinter, alwo ich 6 Treppen hoch mit ihr wieder steigen muste, ehe ich an der Charmante ihr Zimmer kam. Wie mir das Mensch die Stuben-Thüre nun zeigte, so klinckte ich gleich auf und gieng ohne Bedenken unangemeldet hinein. Da mich die Charmante nun kommen sah, sprang Sie gleich in ihren Nacht-Habith aus den Bette heraus, empfieng mich auf Frantzösische Manier mit einen gedoppelten Kusse und bath bey mir um Verzeihung, daß ich solches nicht ungeneigt auffnehmen möchte, daß Sie bey später Nacht noch zu mir geschickt und mich in Ihr Zimmer bemühet hätte! Ich antwortete der Charmante aber hierauf sehr artig wieder und sagte: wie daß ich nemlich ein brav Kerl wäre, desgleichen man wohl wenig in der Welt antreffen würde und es hätte nichts auf sich, weil ich indem vor meines Hn. Bruder Grafens seinen Schnarchen nicht einschlaffen können. Als ich Ihr dieses nun so mit einer überaus artigen Mine zur Antwort gab, so bath Sie mich, daß ich mich doch zu Ihr auff Ihr Bette setzen möchte und Ihr die Begebenheit doch noch einmahl von der Ratte erzehlen solte und in was vor ein Loch sie doch gelauffen wäre, da man sie wegen des zerfressenen seidenen Kleides mit den Besen todt schlagen wollen.

Ich erzehlete der Charmante hierauf Augenblicks die gantze Begebenheit und sagte: was das Loch anbelangete, worein die Ratte gelauffen wäre, hätte ich zwar nicht gesehen, allein so viel ich von meiner Schwester Nachricht erhalten, wäre die Ratte, als sie Ihr zwischen die Beine unversehens durchgekrochen kommen, vor ihren Augen verschwunden und kein Hencker hätte hernach wissen wollen, wohin das Rabenaß sich doch immer und ewig müste versteckt haben! O Sapperment! wie fiel mir das Mensche, die Charmante, um den Halß, da Sie von den Verstecken hörete! Sie stackte mir der Tebel hohl mer Ihre Zunge eine gantze halbe Elle lang in mein Maul, so lieb hatte Sie mich, und druckte mir ein Spanisch Creutze über das andere, daß ich auch manchmahl nicht anders dachte, Himmel und Erden läge auf mir, vor solcher Liebes-Vergnügung, welche mir das Mensche erzeugte. Wie Sie nun die Liebes-Regungen durch Ihre allzu grossen Caressen bey mir gantz Schamloß gemacht hatte und ich der Tebel hohlmer selber nicht wuste, was ich thate, so gab Sie hernach Freyens bey mir vor und sagte: Ich solte Sie nehmen! Ich antwortete der Charmante aber hierauf sehr artig wieder und sagte: Wie daß ich nemlich ein brav Kerl wäre, aus dem was rechts noch erst werden würde, wenn er weiter in die Welt hinein käme, und daß ich so balde noch nicht Lust hätte, eine Frau zu nehmen. Doch wolte ich Ihrs nicht abschlagen, sondern es ein wenig überlegen. O Sapperment! wie fieng das Mensche an zu heulen und zu gransen, da ich Ihr von den Korbe schwatzte! Die Thränen lieffen Ihr immer die Backen herunter, als wenn man mit Mulden gösse! Und macht sich da ein paar Augen wie die grössesten Schaff –Käse Näppe groß!

Wolte ich nun wohl oder übel, daß Sie sich nicht gar über mich zu todte heulen möchte, muste ichs der Tebel hohl mer zu sagen, daß ich keine andere als Sie zur Frau haben wolte. Da nun solches geschehen, gab Sie sich wieder zu frieden und stackte mir hernach so artig Ihr Züngelgen eine gantze halbe Elle lang wieder in mein Maul und nutschte mir damit in Halse wie ein klein Kind an der Mutter Pietze. Nach unterschiedlichen dergleichen Liebes-Vergnügungen nahm ich selben Abend von Ihr Abschied und ließ ich mich durch die Servante mit der papiernen Laterne wieder auf meine Stube leuchten und legte mich zu meinen Hn. Bruder Grafen ins Bette, welcher noch eben uf der Stelle da lag und in einen Weg schnarchte! Ich war kaum ins Bette wieder hinein, so kriegte ich auch etwa seine Laune und schnarchten da alle beyde wie ein altes Pferd, welches dem Schinder entlauffen war.

Den andern Tag früh, da es etwan um 9 Uhr seyn mochte und ich in besten Schlaffe lag, so stieß iemand mit beyden Beinen an unserer Stuben-Thür lästerlich an, daß ich aus dem Schlaffe Klafftern hoch vor Erschröcknüß in die Höhe fuhr! Das Anschlagens wolte aber kein Ende nehmen – ich war her und sprung flugs mit gleichen Beinen aus dem Bette heraus, zog mein Hembde an und wolte sehen wer da war. Wie ich aufmachte, so stund des einen Staadens aus Holland sein Junge draussen, welcher fragte: Ob der von Schelmuffsky seine Stube hier hätte? Da ich den Jungen nun zur Antwort gab, daß ichs selber wäre, sagte er weiter: Sein Herr, der hielte mich vor keinen braven Kerl, sondern vor einen Ertz-Bärenhäuter, wenn ich nicht zum allerlängsten um 10 Uhr heute vormittags mit einen guten Degen auf der grossen Wiese vor den Altonaischen Thore erschiene, und da wolte er mir weisen, was raison wäre! O Sapperm. – wie verdroß mich das Ding, als mir der Kerl durch sein Jungen solche Worte sagen ließ! Ich fertigte den Jungen aber alsobald mit folgender Antwort ab und sagte: Höre, Hundsfott, sprich du zu deinen Hn. wieder, ich ließe ihn sagen: Warum er denn nicht selbst zu mir gekommen wäre und mir solches gesaget – ich hätte bald mit ihn fertig werden wollen. Damit er aber sehen solte, daß ich mich vor ihn nicht scheuete, so wollte ich kommen und ihn nicht allein zu Gefallen einen guten Degen, welches ein Rückenstreicher wäre, mit bringen, sondern es solten auch ein paar gute Pistohlen zu seinen Diensten stehen. Damit wolte ich ihn weisen, wie er den bravsten Kerl von der Fortuna ein andermahl besser respectiren solte, wenn er was an ihn zu suchen hätte. Hierauf gieng des Staadens sein Junge fort und mupte nicht ein Wort weiter, ausgenommen, wie er an die Treppe kam, so schielte er mich von der Seite mit einer hönschen Mine recht sauer hinterrücks an und lieff geschwinde die Treppe hinunter. Ich war aber her, gieng in die Stube wieder hinein, zog mich geschwinde an und pfiff den Hauß-Knechte, daß er eiligst zu mir kommen muste. Welcher sich auch flugs Augenblicks bey mir einstelte und sagte: Was belieben Euere Gnaden? Das Ding gefiel mir sehr wohl von den Kerl, daß er so bescheidentlich antworten kunte. Ich fragte ihn hierauff: Ob er mir nicht ein paar gute Pistohlen schaffen könte? Das und das gienge vor sich, wolte ihn keinen Schaden daran thun, und er solte dafür ein Trinckgeld zu gewarten haben. O Sapperment! als der Kerl von den Trinckgelde hörete, wie sprang er zur Stuben-Thüre hinaus und brachte mir im Augenblick ein paar wunderschöne Pistolen geschlept, welche dem Wirthe waren! Die eine muste er mir mit grossen Haasen-Schroten und die andere mit kleiner Dunst füllen und 2 Kugeln drauff stopffen; da solches geschehen, gürtete ich meinen Rückenstreicher an die Seite, die Pistohlen stackte ich ins Gürtel und marchirte da immer stilleschweigens nach dem Altenaischen Thore zu.

Wie ich nun vor das Thor kam, so erkundigte ich mich nun gleich, wo die grosse Wiese wäre? Es gab mir aber ein kleiner Schiffer-Junge alsobald Nachricht davon. Da ich nun ein klein Eckgen von der Stadt-Mauer gegangen war, so kunte ich die grosse Wiese sehen und sahe, daß ihrer ein gantz Hauffen dort stunden, auf welche ich gleich Sporenstreichs zu marchirete. Als ich nun bald an Sie kam, sahe ich, daß der eine Staade da stund und Ihrer etliche noch bey sich hatte. Ich fragte ihn aber gleich, wie ich zu ihn kam, ob er mich durch seinen Jungen vor einer Stunde wohin hätte fordern lassen und was die Ursache ware? Worauf er mir zur Antwort gab. Ja, er hätte solches gethan und das wäre die Ursache, weil ich die vergangene Nacht bey der Madame Charmante gewesen und das könte er gar nicht leiden, daß ein Frembder Sie bedienen solte! War hierauff Augenblicks mit der Fuchtel heraus und kam auf mich zu marchiret. Da ich nun sahe, daß er der Haare war – O Sapperm., wie zog ich meinen Rückenstreicher auch von Leder und legte mich in Positur! Ich hatte ihn kaum einen Stoß auspariret, so that ich nach ihn einen Saustoß und stach ihn der Tebel hohl mer mit meinen Rückenstreicher die falsche Quinte zum lincken Ellebogen hinein, daß das Blut Arms dicke heraus schoß und kriegte Ihn hernach beym Leibe und wolte ihn mit der einen Pistohle, welche starck mit Dunste und Kugeln geladen war, das Lebens-Licht vollends ausblasen! Es wäre auch in bösen Muthe geschehen, wenn nicht seine Cammeraden mir wären in die Arme gefallen und gebethen, daß ich nur sein Leben schonen solte, indem ich Revenge gnug hätte. Die Sache wurde auch auff vielfältiges Bitten also bemittelt, daß ich mich wieder mit ihn vertragen muste, und zwar mit den Bedinge, daß er mir durch seinen Jungen niemahls mehr solche Worte sagen ließe, wenn ich der Madame Charmante eine Visite gegeben hätte. Welches er mir auch zu sagte. In was vor Ehren ich hernach von seinen Cammeraden gehalten wurde, das kan ich der Tebel hohlmer nicht genug beschreiben! Wo auch nur eine Action vorgieng, da muste ich allezeit mit darbey seyn und die Contra-Parten aus einander setzen. Denn wo ich nicht darbey mit war, wenn Schlägerey vorgiengen und wurde nur in Geheim so vertragen, davon wurde gar nichts gehalten. Wo es aber hieß, der von Schelmuffsky hat den und den wieder secundiret, so wusten Sie alle schon, wie viels geschlagen hatte!

Die gehabte Action mit den einen Staaden aus Holland erzehlete ich alsobald der Dame Charmante, und sagte, daß es Ihrentwegen geschehen wäre. Das Mensche erschrack zwar anfänglich sehr darüber, allein wie sie hörete, daß ich mich so ritterlich gehalten hatte, sprung Sie vor Freuden hoch in die Höhe und fiel mir um den Halß, hertzte mich und steckte mir Ihre Zunge lang wieder in meine Schnautze, welches mir der Tebel hohl mer recht wohl von den Menschen gefiel.

Hernach so gieng ich zu meinen Herrn Bruder Grafen hinauf in die Stube, welcher zwar noch im Bette lag und lauschte. Denselben erzehlete ichs auch, was mir schon begegnet wäre in Hamburg. Der war nun so gifftig, daß ich ihn nicht aufgeweckt hatte! Er hätte wollen auf seinen Schellen-Schlitten mit hinaus fahren und mich secundiren helffen. Ich gab ihn aber zur Antwort, daß sich ein brav Kerl auch vor ihrer hunderten nicht scheuen dürffte!

Hierauf kam der Wirth in grünen Sammt-Peltze hinauf zu uns und ruffte uns wieder zur Mittags-Malzeit. O Sapperment! Wie sprung mein Herr Bruder Graf nackend aus den Bette heraus und zog sich über Halß über Kopff an, daß er das Essen nicht versäumen wollte; wie er sich nun angezogen hatte, marchireten wir beyde mit den Hn Wirthe wieder hinunter zur Tafel. Es stellte sich die gantze Compagnie bey Tische wieder ein, welche vorigen Abend mit gespeiset hatte, ausgenommen der eine Staade, welchen ich die falsche Quinte durch den Arm gestossen hatte. Der war nicht da. Ich und mein Herr Bruder Graff nahmen nun ohne Bedencken die Oberstelle wieder ein; da meinte ich nun, es würde über Tische von der Action was gestichelt werden – allein der Tebelhohlmer – nicht ein Wort wurde davon erwehnet und ich hätte es auch keinen rathen wollen, denn die falsche Quinte und der Saustoß lag mir noch immer in Sinne. Sie fiengen von allerhand wieder an zu discurriren und meinten, ich würde auch etwan wieder was erzehlen, darüber Sie sich verwundern könten. Sie gaben mir auch Anleitung darzu, allein ich that der Tebel hohl mer als wenn ichs nicht einmahl hörete.


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