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Unter den Raubtieren Ostafrikas spielt der Leopard unzweifelhaft die hervorragendste Rolle.
Unvergleichlich viel häufiger als der Löwe ist er tatsächlich »überall und nirgends«.
Seine im Käfig anscheinend so grelle und auffallende Färbung verschwimmt in der Freiheit so vollkommen mit der Umgebung, macht seinen Träger derartig unsichtbar, daß es dem Leoparden möglich ist, unbemerkt selbst am Tage Menschen in nächster Umgebung an sich vorbeigehen zu lassen.
Der Leopard hat keine besonders ausgesprochene Vorliebe für bestimmte Aufenthaltsorte, jedoch sagen ihm felsige, von schroffen Bergzügen unterbrochene Örtlichkeiten mit reichlicher Deckung am meisten zu.
Leoparden sind ausgezeichnete Kletterer und verbringen den Tag oftmals in der luftigen und schattigen Höhe der Baumkronen. Ich kenne einen Fall, in welchem ein einen Mangobaum besteigender Neger von einem auf ihn herabspringenden Leoparden auf der Stelle durch Aufreißen der Halsschlagadern getötet worden ist. Mehrere Ereignisse ähnlicher Art sind mir zuverlässig berichtet worden.
Es ist außerordentlich schwer zu beschreiben, mit welcher Blitzesschnelle Leoparden sich fortzubewegen pflegen, sei es im Angriff, sei es, wenn sie vor dem Menschen flüchtig werden.
Ich bin mit diesem so häufigen Raubtiere verhältnismäßig selten, nur zwölfmal nach meinen Tagebüchern, auf nähere Distanz zusammengetroffen, – ungerechnet die zahlreichen von mir gefangenen Leoparden; immer aber war dieses Zusammentreffen ein überraschendes.
Besonders interessant war mir eine Begegnung mit einem Leoparden in unmittelbarer Nähe der Stadt Pangani, am Tage meines Ausmarsches zum Antritt meiner großen Reise 1899. Von nur einem Manne begleitet war ich nochmals zur Stadt zurückgekehrt, um noch einige Reserveträger anzuwerben. Diesen voran eilte ich gegen Abend abermals meinem Lager zu, als ich plötzlich durch das Gekreisch einer Herde von Pavianen aufmerksam gemacht wurde. Aus dem Schreien und Schelten der Affen schloß ich, daß ein Leopard ihnen nachgestellt hatte, und da unfern vom Pfade einige starke, alte männliche Paviane von einem Affenbrotbaume herab mit allen Zeichen der Wut in das Dickicht blickten und tiefe grollende Laute hören ließen, versuchte ich, mich diesem Orte zu nähern, die gespannte und gestochene Büchse in der Hand.
Das Dickicht war fast undurchdringlich, und es schien mir, als ob sich der Leopard, – ein solcher konnte nach dem Benehmen der Affen nur in Frage kommen – unterhalb des Baobabs mit einem von ihm gerissenen Paviane beschäftige.
Nach einigen Schritten in der Richtung der Affen hörte ich jedoch etwas im Dschungel flüchtig werden, und gleichzeitig verfolgten die Paviane, immerfort kreischend und schreiend, dieses »Etwas«, jedoch in der sicheren Höhe ihrer Baumkronen. Da das Gehölz nun etwas lichter wurde, so konnte ich meine Verfolgung schneller fortsetzen und bemerkte, im Begriffe, eine Schlucht hinabzuklettern, links von mir auf etwa dreißig 5chritte einen starken Leoparden, der tatsächlich einen halberwachsenen Pavian getötet hatte und ihn, am Genick gepackt, mit sich schleifte. Das Tier bemerkte mich im Augenblicke, als ich, durch einige Zweige gehindert, die Büchse zum Schusse hob, und war im Nu mit einem blitzschnellen Sprung verschwunden, den Affen zurücklassend. Kreischend folgte ihm die Affenherde in den Zweigen; leider mußte ich der fortgeschrittenen Zeit wegen unbedingt meinen Marsch zum Lager fortsetzen und konnte nicht durch Ansitz in der Nähe einen Versuch machen, das Raubtier zu erlegen. Übrigens wird der »Chui« seinerseits gelegentlich vom Löwen gejagt und gerissen; zwei Fälle dieser Art sind mir mit Bestimmtheit bekannt geworden.
Mehrmals bin ich durch Zufall an verschiedenen Orten der Steppe in allernächste Berührung mit Leoparden gekommen, wenn ich, namentlich in den Mittagsstunden, mich ihren Lagerstätten, die meist im Hochgrase gelegen waren, genähert hatte.
Einmal trat ich dabei fast auf einen Leoparden, der auf freier kahler Steppe zwischen dürftigen Grasbüscheln ruhend so dicht vor meinen Füßen flüchtig wurde, daß ich im Augenblicke heftig erschrocken unwillkürlich einen Schritt zurückfuhr, um ihn dann leider zuerst zu fehlen und mit der zweiten Kugel anzuschweißen, ohne jedoch seiner habhaft zu werden.
Büchsenschüsse auf einen dergestalt flüchtigen Leoparden gehören übrigens zu den schwierigsten, die es gibt. Auch kann sich der Jäger fraglos freuen, wenn er unter solchen Umständen das Raubtier völlig fehlt, denn angeschossene Leoparden gehören in der Regel zu den allergefährlichsten Gegnern. Dennoch, – auch als ich durch Erfahrung gewitzigt und mit Leoparden, namentlich auch solchen in den Fallen, recht vorsichtig geworden war, – konnte ich mich nicht enthalten, von mir zufällig angetroffene Leoparden unter allen Umständen zu beschießen, wenngleich ich mir noch so häufig vorgenommen hatte, dies nur unter günstigen Umständen zu tun.
Ein Ereignis jedoch, welches im allerhöchsten Maße für mich hätte gefährlich werden können, zeigte mir wiederum, daß der Leopard vor allem durch die Schnelligkeit seines Angriffes ein im höchsten Maße ernster Gegner werden kann.
Ich hatte die Schleifspur im Sande aufgenommen, die ein, ein erbeutetes Stück Wild fortschleppender Leopard hinterlassen hatte. Vorsichtig näherte ich mich einer Regenschlucht, in welche die Fährte mich führte. Durch Umkreisen dieser sich bald verlaufenden Schlucht stellte ich fest, daß das Raubtier nirgendswo aus der Schlucht ausgewechselt war: gleich darauf nahm ich den Leoparden wahr, der sich unter dem verzweigten Wurzelwerk eines vom Regen unterwaschenen Baumstammes über der von ihm gerissenen kleinen Antilope niedergelegt hatte.
Mensch und Tier erblickten sich gleichzeitig! Schlangenartig glitt der Leopard, seine Beute im Stich lassend, um eine Ecke der Schlucht, die Flucht ergreifend! Blitzschnell gelang es mir, – dabei leider etwas nach hinten abkommend, – meinen Schuß abzugeben; fast gleichzeitig kündete mir das Geschrei einiger meiner zurückgebliebenen Leute am Eingange der Schlucht, daß sie des Tieres ansichtig geworden waren. Vom Anschusse an zeigte sich reichlicher Schweiß; vorsichtig suchte ich Schritt für Schritt, vom Rande abwärts spähend, nach dem Leoparden, den ich etwas unterhalb der Schußstelle auch bald zusammengekauert, halb von einigen Wurzeln verdeckt, erblickte. Die Entfernung zwischen ihm und mir betrug fünfundzwanzig Meter. Der Rand der Schlucht war steil und schwer zu erklettern.
Nunmehr ereignete sich folgendes:
Im Augenblicke, wo ich, meine Büchse hebend, nach meiner Gewohnheit schnell auf das Blatt des Tieres abkommen will, saust der Leopard wie ein Blitz auf mich zu. Im nächsten Momente scheint er mich bereits zu berühren!
Das Ganze ereignete sich so fabelhaft schnell, ist, – ich fühle es – so außerordentlich schwierig in Worte zu fassen, daß es Nichtaugenzeugen niemals zu verdolmetschen sein wird!
Schon hat das Tier meine Füße, sich in den Rand der Schlucht krallend, erreicht, schon fühle ich es im nächsten Augenblicke an mir hängen – da springt der Leopard mit eben der Schnelligkeit, mit der er gekommen, zurück und verschwindet abermals in der Schlucht!
Während des ganzen Vorganges, der nur den Bruchteil einer Sekunde umfaßte, war ich, obwohl sonst blitzschnell mit der gestochenen Büchse Bescheid wissend, nicht fähig gewesen, sie an den Kopf zu reißen!
Nur mein und der zwei mich begleitenden Leute unwillkürliches Zurückprallen hatte wie durch ein Wunder das Raubtier veranlaßt, die Flucht zu ergreifen.
Nie wird mir diese Situation, nie der gereizte, kurze, knurrende Ton der erbosten Katze aus dem Gedächtnis entschwinden. Nachträglich stellte ich fest, daß reichliche Schweißtropfen des krankgeschossenen Tieres wenige Zentimeter von meinen Fußstapfen im Sande verspritzt waren, dort, wo ich gestanden hatte; sogar meine Gamaschen wiesen solche Tropfen auf, Beweise, wie nahe das Tier mir gewesen.
Wenige Minuten später entdeckte ich den Leoparden abermals, und diesmal verhinderte eine gutsitzende Kugel jeden weiteren Angriff.
Ich aber sagte mir, daß nur ein außerordentlich glücklicher Zufall, nicht aber meine Geschicklichkeit mich gerettet habe.
Solche Angriffe von Leoparden können höchst fatal verlaufen. Mr. Hall, mein Gastgeber im Fort Smith in Kikuyu, hat mir am Vorabende des Tages, an dem ich meine drei Löwen dort in der Nähe schoß, unter anderen interessanten Geschichten erzählt, daß er in der Nähe des Naivasha-Sees auf Antilopen jagend, durch unvorsichtiges Schießen auf einen »Chui« erheblich verunglückt sei.
Er war als Rekonvaleszent kaum vom Krankenbette aufgestanden, auf das ihn ein unglückliches Rencontre mit einem Nashornbullen geworfen hatte, als er in Begleitung eines Askaris, zum ersten Male wieder jagend, auf Impallahantilopen pürschte.
Ein Leopard hatte die gleiche Absicht, wurde aber von Mr. Hall in diesem Beginnen durch eine Kugel gestört. Blitzschnell warf sich das Raubtier auf den Schützen und krallte sich an ihm fest; zweifellos würde es ihn getötet haben, wenn nicht der begleitende Askari die Katze vom Leibe seines Herrn aus nächster Entfernung heruntergeschossen hätte. Wiederum hatte Mr. Hall ein längeres Siechtum zu überstehen und zerrissene Sehnen eines Beines ließen leider eine dauernde Lahmheit zurück.
Bei zwei anderen Gelegenheiten bin ich von krankgeschossenen Leoparden angegriffen worden, vermochte aber in beiden Fällen die erbosten Tiere noch glücklich zu erlegen. Ich kann nur zur größten Vorsicht bei der Jagd auf diese Tiere raten. Die Eingeborenen behaupten, daß Leoparden auch zu ausgesprochenen Menschenräubern würden, ähnlich den »man-eaters« (Menschenfressern) unter den Tigern in Indien. Zweifellose Beweise dafür sind mir jedoch nicht beigebracht worden, obwohl ich durchaus nicht bestreiten will, daß einzelne gewitzigte alte Leoparden sich in dieser Richtung hin spezialisieren. Gelegentlich raubt der Leopard jedenfalls mit großer Entschlossenheit auch Menschen.
Ein höchst drastischer Fall wurde mir von Herrn von Gordon erzählt, welcher in Begleitung seines Bruders und des verstorbenen Herrn von Tippelskirch in Deutsch-Ostafrika vor einigen Jahren folgendes erlebt hat.
Zur Abendzeit saßen die Herren rauchend in der Nähe ihrer Zelte am Lagerfeuer, als plötzlich der dicht neben ihnen ruhende Foxterrier einen schwachen Laut ausstieß und im selben Augenblicke verschwunden war! Wie ein Blitz hatte ihn ein Leopard so dicht vor den Füßen seiner Herren entführt! Allgemeines Schießen und Geschrei führte zu nichts. Der Hund war verschwunden.
Das Erstaunliche aber ist, daß am nächsten Abend, wohl von demselben Leoparden, im selben Lager ein junges Negerweib geraubt, diesmal allerdings jedoch etwa achtzig Schritte entfernt fallen gelassen wurde. Der Vorfall mit dem Hunde hatte die Lagernden veranlaßt, ihre Schußwaffen mehr zur Hand und bereit zu haben, und das Tier ließ daher, durch das schnelle Feuer erschreckt, die Unglückliche fallen – jedoch tot mit durchbissener Kehle.
Die Hauptnahrung des Leoparden besteht im allgemeinen aus Affen und kleineren Antilopen und Gazellen; in bergigen Wäldern stellen sie auch den Baumschliefern, in felsigen Gegenden dagegen den Klippschliefern mit Vorliebe nach.
Andauerndes Schmählen der Impallahantilopen zur Nachtzeit und das Lautgeben der Buschböcke, vor allem aber das wahnsinnig furchtsam erklingende Geschrei der auf Felsen oder hohen Bäumen nächtigenden Pavianherden wird meiner Ansicht nach stets durch die plötzlichen Angriffe von Leoparden verursacht. Zur Nachtzeit werden Angriffe auf die schlafenden Affen den schönen Räuber wohl stets zum Ziele führen, wenn auch ein ausgewachsener männlicher Pavian gewiß kein zu verachtender Gegner für ihn sein dürfte; übertreffen doch die Reißzähne eines solchen alten Affen an Länge die des Leoparden!
Bemerkenswert kontrastiert der Charakter des Leoparden mit dem des Löwen. Blutdürstige, schwer zu bändigende Wildheit ist jenem eigen. Schon ganz junge Tiere bekunden dies auf das deutlichste.
Junge Leoparden wurden mir im Monat Februar gebracht. Auch in Sansibar erhielt ich um dieselbe Zeit zwei Junge, welche ich mit nach Europa nahm.
Die Stimme des Leoparden, ein eigentümlich knurrender, fauchender, charakteristisch katzenartiger Schrei, ist namentlich gegen Abend und zur Nachtzeit häufig hörbar; auch nachmittags habe ich sie indessen einige Male vernommen.
Eine große Anzahl von Autoren behaupten, daß Leoparden nicht oder nur höchst selten Aas anzugehen pflegen, daß sie vielmehr fast ausschließlich lebende Leute rauben, um deren Blut zu trinken.
Ich kenne wohl keinen drastischeren Beweis für eine immer wieder aus einem naturgeschichtlichen Buche ins andere übernommene fälschliche Behauptung in Bezug auf die Lebensweise eines Tieres. Mit mehr oder minder großem Nachdruck, beim Leser den Anschein erweckend, als ob diesen Behauptungen eigene Beobachtungen zugrunde lägen, finde ich den Lehrsatz aufgestellt: Der Leopard reißt nur lebende Tiere und verschmäht Aas. –
Ich habe gegen vierzig Leoparden gefangen; diese alle wurden von mir fast ausschließlich in Tellereisen erbeutet, welche ich mit Gescheide oder irgend welchen verendeten Tieren geködert hatte. Mehr als das! Die in der Nähe derartiger Köder mit lebenden Ziegen aufgestellten Fallen reizten den Leoparden weniger als jene andern.
Wie mir übrigens berichtet wurde, hat meine Fangmethode in Ostafrika Schule gemacht, nachdem ich vor Jahren schon so außerordentliche Fangresultate erzielte. Meine Fangart wurde natürlich durch die Hunderte meiner Träger überall im Lande geschildert.
Mir ist mein Fangresultat aus zweierlei Gründen vollkommen erklärlich. Einesteils pflegen Leoparden nach meinen vielfach erfolgten Beobachtungen die Reste der von ihnen geschlagenen Tiere, nachdem sie die Eingeweide verscharrt, Herz und Leber aber zuerst verzehrt haben, im Astwerk der Bäume und Sträucher aufzuhängen, nicht selten in bedeutender Höhe. Diese Eigentümlichkeit des Leoparden verhilft fraglos öfters einem anderen seines Geschlechtes zu einer Mahlzeit, die dieser nicht selbst erbeutet hat. Infolge dieser Gewohnheit wird also die Aufmerksamkeit des Leoparden durch irgend welche Fleischreste, die er auffindet, stets erregt.
Andererseits aber ist diese schöne Katze mit einem guten Teil von Schlauheit und Klugheit begabt, Eigenschaften, welche sie häufig längere Zeit die für sie bestimmten Fallen vermeiden lassen. Ein gut gestelltes und verblendetes Fangeisen, mit Aas geködert, wird nun seinen Argwohn weniger erregen, als eine mit einer lebendigen Ziege versehene Holzfalle.
Hatte ich einen Leoparden im Eisen gefangen, so durfte ich fast mit Sicherheit auf den Gatten des Paares in den nächsten Nächten rechnen.
Ich habe männliche Leoparden gefangen und geschossen, die 145 Pfund Gewicht erreichten; die Weibchen bleiben erheblich geringer.
Im Fangeisen ist der Leopard ein außerordentlich gefährliches Tier. Kennzeichnend für seine Wildheit ist es, daß er sich beim Nahen des Menschen diesem so weit als irgend möglich zu nähern versucht und dabei wütend faucht und knurrt. Falls er sich unter solchen Umständen, schlecht gefangen, aus dem Eisen befreien könnte, so würde er sich zweifellos mit größter Wut auf den Nahenden stürzen. Vor kurzem erlebte dies u. a. Hauptmann Fromm in Ostafrika. Nur besonders glücklichen Umständen verdankte er sein Leben.
Soweit es die Kette der Falle erlaubt, klettert der Gefangene gern an Bäumen in die Höhe.
An einem Morgen wurde mir berichtet, daß ein Leopard sich in einem kleinen Eisen gefangen habe, welches mein Präparator Orgeich am Abend vorher aufgestellt hatte.
»Et is jut jestellt!« meinte er lakonisch; »er wird fest sitze!«
Diese im gemütlichen rheinischen Plattdeutsch abgegebene Versicherung versetzte mich in den Glauben, daß das Eisen wie gewöhnlich mittels einer Kette an einem Baumstamm befestigt worden sei.
Meine Annahme erwies sich jedoch als ein Irrtum. Als ich mich der Fangstelle genähert hatte, einer wenig bebuschten Örtlichkeit im Pori, sauste plötzlich in des Wortes wahrster Bedeutung auf 150 Schritte von mir entfernt ein Leopard auf mich zu, Eisen, Kette und einen daran befestigten schweren Holzknüppel mit größter Leichtigkeit nach sich schleppend!
Das alles geschah so unbeschreiblich schnell, daß ich nur mit knapper Not hinter einen kleinen Dornenbusch springen konnte, von wo ich das wütende Tier auf nicht mehr als zehn Schritte mittels eines glücklichen Schusses tötete.
Bei einer anderen Gelegenheit, im Anfange meiner schweren Erkrankung 1902 an den Ufern des Panganiflusses, war ein alter, sehr starker Leopard mit dem Eisen und einem daran befestigten Anker ziemlich weit von der Fangstelle in ein Schilfdickicht flüchtig geworden, wo ich ihn erst nach längerer Verfolgung der Fährte ausmachen konnte.
Der Schilfsumpf, nunmehr ausgetrocknet, war fast undurchdringlich, rätselhaft schien es mir, wie das Tier mit Eisen, Kette und Anker so weit hatte vorwärts gelangen können.
Auf Schritt und Tritt war der Leopard zu erwarten.
Wir, – Hauptmann Merker und ich – folgten mit einigen Schwarzen der Schleifspur des Eisens. Unseren Begleitern wurde die Situation bald unheimlich und nur unsere zuverlässigsten Leute harrten bei uns aus.
In das mit erstickender Hitze erfüllte Dickicht drangen wir so mit gespanntester Aufmerksamkeit Schritt für Schritt ein, mit langen Stangen dabei von Zeit zu Zeit uns einen Weg bahnend. Plötzlich ein Knurren und ein deutlich vernehmbares Klirren der Kette!! Jetzt war guter Rat teuer! Indessen, wir zwei »Wasungu« (Europäer) drangen vorsichtig in die Schilfwildnis ein. Stabsarzt Dr. Künster stellte sich auf der andern Seite des Sumpfes schußbereit auf. Zuweilen vernahmen wir wieder und wieder das drohende Knurren und das Klirren der Kette.
Bei der absoluten Trockenheit des Bodens war eine Fährte nicht auszumachen; wir glaubten daher eine Zeitlang es mit einem nicht völlig ausgewachsenen Löwen zu tun zu haben. Weiter und weiter dringen wir vorwärts. Da plötzlich ein stärkeres Knurren, und drei Schwarze entfliehen in angstvoller Hast, dabei rufend und versichernd, sie hätten deutlich den Kopf eines gemähnten Löwen gesehen!!
Steif und fest bleiben sie bei ihrer Behauptung. Langsam suchen wir nun Zoll für Zoll durch Niederschlagen des Schilfes mit den Stangen freiere Aussicht zu gewinnen, Hauptmann Merker und ich mit hocherhobenen Büchsen, in der fast jede Bewegung hemmenden Örtlichkeit stets auf das Erscheinen des Raubtieres gefaßt!
Aber merkwürdig – trotz des immer wiederholten Knurrens ist es uns nicht möglich, genau die Aufenthaltsstelle des Raubtieres auszumachen; ein weiteres Vordringen ist aber wegen der steigenden Undurchdringlichkeit des Schilfes jetzt nicht mehr möglich.
Wir beschließen nunmehr durch Abgabe von Schüssen in der ungefähren Richtung den vermuteten Löwen zu töten. Jedoch vermochten weder der Hauptmann noch ich, so auf das Geratewohl einen erfolgreichen Schuß anzubringen. Wie es sich später herausstellte, lag der Leopard in einer durch Flußpferde ausgetretenen Morastpfütze gut verdeckt. Ich weiß nicht mehr, wie viel Munition wir – mit schwerem Herzen – vergeuden mußten! Endlich mußte es einem von uns gelungen sein, den Leoparden tödlich zu treffen, wie aus dem Schweigen des Tieres nunmehr hervorging. Jetzt dauerte es noch eine ganze Weile, bis wir, Zoll um Zoll vordringend, endlich das getötete Tier erblickten, einen kapitalen, alten, männlichen Leoparden!
Dieses Ereignis beweist wiederum deutlich, wie wenig man sich auf die immer und immer wieder phantastisch ausgeschmückten Angaben der Schwarzen verlassen kann. Hatten sie doch deutlich einen gemähnten Löwen vor sich erblickt!
Den ebenfalls im Masaigebiet, wenn auch sehr selten, vorkommenden afrikanischen Geparden ( Cynaelurus guttatus Herm.), bekannt auch unter der Bezeichnung Jagdleopard, weil er in Indien in der dort vorkommenden Art zum Fang von Gazellen abgerichtet wird, habe ich nur zweimal zu Gesicht bekommen und kann daher wenig über ihn berichten. Der Leopard aber, der »Chúi« der Waswahili »ol úgaru géri« (das gefleckte Raubtier), der Masai und »Mellilta« der Wandorobbo, streift noch in unzähligen Tausenden von Exemplaren allnächtlich durch die Nyika. Er wird den letzten Löwen noch lange überleben.