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24. Steppenbrände.

Über weite Gebiete der ostafrikanischen Steppe hinweg rast alljährlich die alles vernichtende Glut der Steppenbrände. Baumleichen künden – auch zur Zeit der »Masika«, der Regenzeit, wo alles frisch und grün erscheint – schwarz verkohlt dem Wanderer, daß noch vor kurzem sengendes Feuer das Gebiet durchflutet hat.

Mit beginnender Trockenzeit schimmert aus weiter Ferne hier und da beim Eintritt nächtlicher Dunkelheit ein Feuerschein; oftmals erglüht nächtlicherweile stets wieder ein und derselbe, weit entfernte Punkt rötlich am Horizonte. – Das sind ferne Steppenbrände an Orten, wo das Gras schon dürr geworden; sind weit abgelegene Bergterrassen, deren Graswuchs der Feuersbrunst erliegt, viele Nächte hintereinander als gigantische Fackeln weit hinausleuchtend in die Lande. ... Überall, wo Savannen in Afrika sich finden, spielt sich wieder und wieder dieser Vorgang ab. Mein als Held 1918 gefallener Freund, der Geheime Regierungsrat Dr. Rich. Kandt, der Entdecker der Nilquellen, berichtet aus dem Herzen des schwarzen Erdteiles in seinem herrlichen Werke Richard Kandt, Caput Nili. Berlin 1904, Dietrich Reimer. von denselben Vorgängen, die ich im Osten beobachtet habe.

Ist die Dürre allgemein geworden, so wird nicht nur der Eingeborene allerorten, nein auch der Reisende Feuer anlegen, sei es, um sich leichter einen Weg durch die verschlungene Graswildnis bahnen zu können, sei es, um wie der Eingeborene durch diesen »Feuerzauber« in kurzer Frist, nach dem ersten plötzlichen Regen frische grüne Weide zu erhalten. –

Nicht etwa mit verheerender Schnelligkeit, so daß Mensch und Tier kaum zu entrinnen vermögen, rasen diese Steppenbrände einher – wie dies so oft in Reiseschilderungen erzählt und in erdachten Abbildungen gezeichnet worden, – aber, oft recht schnell vorrückend, stunden-, tage-, selbst wochenlang pflanzen die gewaltigen Feuer sich fort, die trockenen Gräser verzehrend, Sträucher vernichtend und selbst Baumriesen durch die jahrelang immer wiederkehrenden züngelnden Flammen zu Fall bringend.

Ist ein großer Baumstamm durch die Wirkung des Feuers gestürzt: der nächstjährige Steppenbrand findet ihn bereits dürr und ausgetrocknet auf dem Boden liegend vor. Dann sieht ihn der Reisende einige Tage später, wenn nicht heftige Winde wehten, eingeäschert mit allem Geäst und seinem ganzen Kronenwerk getreulich auf dem Erdboden hingezeichnet: ein memento mori seltsamster Art! –

Der nächste Wind verstreut dann die Aschenreste spurlos, und nichts verrät uns das Geschehene. – –

Wälzt die feurige Lohe sich durch die Steppe, oft viele Stunden in der Ausdehnung, so ist der große Festtag vieler Tiere erschienen: Marabus, Störche, die Kranichgeier, Raubvögel aller Krt, vor allem die Schmarotzermilane stürzen sich herab auf die ihnen nun leicht zur Beute fallenden Heuschrecken und andere niedere Tiere aller Art.

Aber auch die schön gefärbten Racken, verschiedene Schwalbenarten, die schwarzen Trauerdrongos sieht man mit größter Geschicklichkeit – anscheinend unmittelbar aus den züngelnden Flammen – ihre Beute herausholen. Alle diese Tiere bekunden durch ihr Verhalten, daß ihnen die Brände nichts Erschreckendes, sondern etwas Gewohntes sind: etwas, aus dem sie tunlichsten Nutzen zu ziehen wissen.

Die Säugetiere der Steppe fliehen entweder geschickt vor den Flammen, um nach kurzer Zeit zu den Brandstätten zurückkehrend dort frischsprießendes Gras zu finden, oder verkriechen sich in den Erdboden und lassen die Flammen ohne Schaden über sich hinwegziehen.

Von größtem Interesse war es mir, beobachten zu können, wie diese afrikanische Tierwelt gleich Mephistopheles das Flammenmeer als ein »freundlich Element« betrachtete! Namentlich die Pavianherden kümmerten sich wenig um die Steppenbrände, und es scheint mir gar nicht unverständlich, daß in grauer Urzeit der Urmensch sich mit dem Feuer zu befreunden vermochte.

Dies geschah dann gewiß in der Nähe von Vulkanen und zu einer Zeit, als die geotektonischen Kräfte noch ungleich häufiger denn heute feurige Glut auf der Erdrinde – aus dem Innern des Erdballs – zerstreuten ...

Unzweifelhaft schädigen diese Brände die Baumbestände unter Umständen erheblich, vielleicht haben sie zur Entwaldung vieler Gebiete Ostafrikas, – seit der Mensch des Feuers Herr geworden – ein gut Teil beigetragen. Hatte die Regierung auch einige Jahre hindurch dies »Feuern« untersagt, so ist es neuerdings wieder erlaubt worden. Zweifellos werden nämlich durch diese Brände unendlich viel schädliche Tiere vernichtet und Krankheitskeime zerstört. Auch war das Verbot praktisch nicht durchführbar.

Doch unterfange ich mich nicht, die Wirkung dieser alljährlich ungeheure Gebiete Ostafrikas überziehenden Brände abzumessen. Professor Volkens legt ihnen aber, wie ich glaube, eine allzu geringe Bedeutung bei. Das immer wiederkehrende Feuer fällt selbst die hochstämmigsten Baumriesen langsam, aber sicher, und ich vermag nicht einzusehen, daß diese afrikanischen Brände in gewisser Beziehung nicht ebenso zerstörend auf die Waldbestände einwirken sollen, wie dies in Europa der Fall ist.

... An kleinen Steppenseen zwischen dem Kilimandscharo und Meruberg, die von Krebstierchen wimmelten, waren Flamingos im November zahlreich, in ungeheuren Mengen aber fand ich diese "herrlichen lebenden Seerosen" am Nguasso-Nyiro (Großen Natronsee) ...

Dem Reisenden können die Brände bei einiger Vorsicht kaum gefährlich werden. Naht sich bei heftigem Winde ein solches Feuer, so heißt es in der Nähe des Lagers »vorbrennen«. – So kann man den gefräßigen Flammen die Nahrung entziehen.

Einmal bin ich im Jahre 1897 am Victoria-Nyansa aus Unvorsichtigkeit, im Begriffe ein von zwei Seiten sich begegnendes Steppenfeuer zu durchschreiten, beinahe erstickt, als ich die Augen des Rauches wegen schließend, die Richtung verloren hatte. Mit dem Schrecken und verbrannten Schuhen und Kleidern kam ich noch glücklich davon!

Ein anderes Mal entstand in der Nähe meines in der Eile zur Abendstunde aufgeschlagenen Lagers mitten im trocknen Schilf ein so heftiges und schnelles Feuer, daß wir das Lager und uns selbst nur mit knappster Not zu retten vermochten; ich büßte aber dabei eine erhebliche Anzahl unersetzlicher Objekte ein. Dazu kam, daß ich, auf dem Rückmarsch an die Küste begriffen, mehrere hundert zur damaligen Aufstandszeit zu meiner Sicherung mitgeführte Patronen fortgeworfen hatte und diese nun, vom Feuer erreicht, anfingen zu explodieren.

Die kohlschwarz versengte Erde, ebensolche Hügel und Bergrücken, tage- und selbst wochenlang schwelende und langsam glimmende Baumstämme sind eine oftmals wiederkehrende Signatur ostafrikanischer Steppe.

Bei Windstille fand ich in Flußwäldern einzelne Baumstämme öfters mehr denn eine Woche lang, – am Tage rauchend und schwelend, – zur Nachtzeit aber hell ihre Umgebung erleuchtend, fortglimmen und -brennen.

Gleich Laternen mit rötlichem Lichte dienten mir diese Naturleuchten nicht selten als Wegweiser in der Dunkelheit.

An den Armen aber, Gesicht und Händen, wie auch an der Kleidung des Reisenden haftet oftmals die rußige schwarze Farbe der verkohlten Zweige, Stengel und Stauden und bildet schwer zu entfernende Merkmale seiner Wanderungen durch die verbrannte Steppe, wenn, was ja oft der Fall, das Wasser selten und kostbar ist und kaum zum Trinken ausreicht. ...

Wem der Anblick des Vesuvs zur Zeit lebhafter Tätigkeit nächtlicherweile zuteil ward, kann sich einen Begriff machen vom grandiosen Anblick eines jener gigantischen, allnächtlich wiederum sichtbar werdenden fernen Steppenbrände. Erblicken wir sie etwa von einem Berge herab nur einige Meilen weit, wie das Feuer langsam in Zickzacklinien hier und da heller aufflackernd, seinen Weg teilweise durch mächtige Dampfwolken verdeckt, verfolgt, so gehört nicht viel Phantasie dazu, sich nach Europa versetzt zu glauben und in dem Aufleuchten der Lichter da unten das Getriebe der Bahnhofsanlagen einer der großen Weltstädte oder der Industriezentren Europas vor sich zu sehen. Diesen Gedanken sprachen einst mein verewigter Freund Hauptmann Merker und ich zusammen in Moschi am Kilimandscharo aus, als uns ferne Steppenbrände leuchteten. ... Mächtig aber, grandios und imposant in seiner Gesamtwirkung steht mir das Bild eines brennenden Berges, das Bild einer gewaltigen Feuersbrunst vor der Seele, die tagelang wütend, durch die Felsenschlünde, Talmulden und Bergmatten des 2000 Meter hohen Longidoberges (Ngaputúk) raste und in dunklen Nächten mein am Fuße des Berges gelegenes Lager taghell erleuchtete.

Jetzt in der Trockenzeit trug das Gebirge ein völlig nordisches Gepräge in seiner durch die ruhende Pflanzenwelt kaum verhüllten nackten Dürftigkeit.

Gewährte der Berg in seinem kühnen, schroffen Aufbau der Westseite schon an und für sich ein Bild wilder Schönheit, so vereinigte sich diese Szenerie mit dem Anblick des rötlich züngelnden Flammenmeeres zur Nachtzeit, mit dem Knattern, Zischen und prasseln der windgepeitscht durch die Talhalden fortrasenden Feuersglut, der hier und da vernehmbar werdenden Stimmen der aufgescheuchten Tierwelt zu einem der mir unvergeßlichsten Schauspiele aus afrikanischer Wildnis.

Aus afrikanischer Wildnis – die ja hier, wie manchmal auch anderen Orts ein so nordisches Aussehen aufweist, daß der Wanderer sich in der Heimat glauben muß. ...

Es war, als ob der Berg, lebe und in wildem Aufruhr phantastische nächtliche Erscheinungen, aus Dampfwolken gebildet, dort oben in wildem Ringen sich bekämpften. Tobten eben noch prasselnd und sausend die Flammen, in schnellem Laufe die Bestände an trocknem Hochgrase vernichtend, so verhüllten nun wieder gewaltige Rauchmassen dampfend die Berggipfel, um dann wiederum verschwindend abermals einem über alle Beschreibung gewaltig zum Himmel auflohenden Flammenmeere Platz zu machen, in dessen weitleuchtendem Scheine sich die kühnragenden Felsgipfel des Berges majestätisch dräuend aus der schwarzen Nacht des Horizontes abzeichneten ... ...

Riesen aber der Tierwelt, die gewaltigsten Wildarten der Erde, kamen unbekümmert um das Flammenmeer zu den nahegelegenen Wassertümpeln – und nur wenig entfernt von meinem Lager hockten halbnackte dunkle Kriegergestalten, hockten meine befreundeten Masai-Moran, mit Schild, Speer und Schwert bewaffnet, wie in der Urzeit uralte Schlachtgesänge vor sich hinsummend. ...

Das war der »Feuerzauber«, wie er nur geträumt werden kann; das »Auf Dein Geheiß entbrenne ein Feuer!« trat mir allabendlich wieder und wieder vor die Seele, und stundenlang, während dort droben im Reiche der Berge die Flammenmeere tosten, zogen an meinem Geiste die Gestalten des fernen nordischen Sagenkreises vorüber, die jener gewaltige Geistesheld zu neuem Leben erweckt hat. Lebten doch die Masaikrieger in meinem Lager noch in derselben Zeit des Schwertes, des Kampfes und der Naturanschauung wie die Gestalten Richard Wagners im »Ring des Nibelungen«.

 


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