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Im Gegensatz zu dem so bemerkenswert scheuen, schwer erklärlichen, versteckten auftreten der gestreiften Hyäne macht sich die gefleckte Hyäne ( Hyaena crocuta) überall in Ostafrika für jedermann bemerklich.
Ihre wie: »u-i, u-i, u-uu« lautende nächtliche Stimme ist allgemein bekannt. Sie übt im Verein mit den Geiern und den Kropfstörchen eine prompte Sanitätspolizei aus. Nur selten ereignet es sich, daß ein größeres Säugetier dem Verwesungsprozesse unterliegt; stets kommen ihm die Hyänen zuvor, auch bei aufgefundenen menschlichen Leichen.
Die Tierwelt Afrikas wandert über weite Gebiete. Je nach den Regenzeiten und den Zeiten der Trockenheit sind die Aufenthaltsorte der Tiere sehr verschiedene – genau wie auch die des nomadisierenden Menschen!
Auch die Hyänen streifen wandernd hin und her, und wo sich Hungersnöte infolge von Dürren oder kriegerischen Ereignissen einstellen, sammelt sich oft eine überraschend große Anzahl von Hyänen an. Die größeren Raubtiere, Löwen und Leopard, tragen ein gut Teil zur Ernährung dieses Tieres bei; mit ihrem unendlich feinen Geruchssinn ist die »Fiffi« schnell zur Stelle, wo die starken Katzen die Reste ihrer Leute zurückgelassen haben.
Hyänen räumen mit fabelhafter Schnelligkeit selbst mit einem großen Aase auf; sie vermögen ungeheure Mengen von Fleisch und Knochen zu verschlingen, und selbst Knochen von ganz erheblicher Dicke wissen sie mit ihren machtvollen Gebissen zu zertrümmern.
Ihre Lebensweise ist vornehmlich nächtlich. Heißen Sonnenschein lieben sie keineswegs; jung gefangene und gezähmte Exemplare sind, selbst ausgewachsen, nicht fähig, in sonnendurchglühter Steppe mit der Karawane Schritt zu halten. Bezeichnender und charakteristischer für die Beurteilung des Landes und seiner klimatischen Verhältnisse kann wohl kaum etwas sein!
Bei bedecktem Himmel gewahrt man zuweilen die Tiere bereits am späten Nachmittage nach Beute ausgehend; im allgemeinen aber verbringen die Hyänen die Tageszeit im Schatten von Büschen, in Höhlen und unter Felsen.
Junge fand ich mehrere Male in unseren Frühlingsmonaten; die Zahl, die ich in einer Höhle fand, schwankte zwischen drei und vier Stück.
Die Umgebung der in die Erde gegrabenen, fuchsbauähnlich angelegten Baue ist von den Jungen platt getreten. Zahlreiche Schädel und Knochen liegen umher, und Geier sitzen mitten unter den jungen Hyänen bereits zur frühsten Morgenstunde umher, ein Zeichen, daß sie auf Bäumen am Hyänenbau übernachteten. Mehrmals habe ich gefunden, daß mit dem Haushalte der Hyänen sich eine Anzahl von Mönchsgeiern, Gänsegeiern und Kappengeiern vergesellschaftet und unbekümmert um die jungen und alten Hyänen sich bei diesen zu Gast geladen hatten.
Es war ein eigenartiger Anblick, die großen Geier mitten unter den Hyänen auf dem Erdboden zu sehen.
Auch am Aase bemerkte ich häufig Hyänen zur Tageszeit, unbekümmert um die hunderte von Geiern, um Marabus und Schakale. Keine dieser drei Tierarten bezeigte Furcht vor den andern, sondern alle waren bestrebt, sich tunlichst schnell am Aase zu sättigen, wobei die Schakale, aber auch die Hyänen sich an dem Kadaver größter Säugetiere mit Vorliebe in der Bauchhöhle versteckten. So habe ich in der Hochsteppe zwischen den Gileï- und Donge l'eng-ai-Vulkanen einst fünf Hyänen aus dem Kadaver eines von gewerbsmäßigen Elefantenjägern getöteten Elefanten plötzlich bei meiner Annäherung entweichen sehen.
Mit Einbruch der Dunkelheit pflegen die Hyänen heulend das Lager zu umkreisen; unter Umständen scheuen sie sich auch nicht, es nächtlicherweile zu betreten, um dort aufbewahrtes Fleisch, ja selbst ungenießbare Gegenstände, wie auch Häute, Lederstücke usw. davonzuschleppen.
Meine nächtlicherweile aufgenommenen Bilder zeigen, mit welcher Gier die Hyänen sich auf ausgelegtes Aas zu stürzen pflegen. Ihre dabei bekundete Kraft ist erstaunlich. So vermag eine gefleckte Hyäne einen Esel weit fortzuschleppen, wie der Leser aus der dies nachweisenden, von mir erzielten »Nachturkunde« ersehen wird. Auch menschliche Leichen sah der dem Klima erlegene Afrikaforscher Dr. R. Böhm sie in vollem Galopp fortschleifen!
Bemerkenswert ist die große Scheu und Vorsicht der Hyänen, wenn man es unternimmt, sie zur Nachtzeit beim Luder von einem Ansitze aus zu erlegen oder zu photographieren. Schon der Forschungsreisende und vortreffliche Beobachter Dr. Böhm mußte dies zu seinem Leidwesen erfahren. Er machte wie ich die Bemerkung, daß die während der Anwesenheit des Jägers sich fernhaltenden Hyänen sich sofort beim Aase einstellten, wenn er seinen Ansitz, auch nur für kurze Zeit, verlassen hatte. Diese Scheu und Vorsicht überrascht indes bei einem so feinnasigen, so außerordentlich auf seinen Geruchssinn angewiesenen Tier in keiner Weise.
Junge Hyänen sind dicht und markant gefleckt; im Alter verlieren sie ihre Tupfen mehr oder minder, und die Färbung wird einheitlicher. Räudige Exemplare sind nicht selten; wahrend der Zeit der Hungersnöte, wo die Hyänen reiche Nahrung an den Leichen verhungerter Menschen finden, habe ich ganz außerordentlich feiste Hyänen erlegt.
Die »Fissi« der Waswahili, »Iwiti« der Wannyamwesi, »ol ngojíne« der Masai und »arvijét« der wandorobbo, benimmt sich – ganz wie beispielsweise unser europäischer Fuchs – sehr verschieden in den verschiedenen Gegenden und unter unterschiedlichen Umständen. Manchmal sehr scheu, ist sie an anderen Orten außerordentlich frech, begnügt sich hier mit Aas und Abfällen, um dort Menschen und Vieh anzufallen. Eine Anzahl Esel habe ich durch sie verloren. In dunklen, regnerischen Nächten ist man von ihren Angriffen am meisten gefährdet.
Es dürfte den Leser überraschen, daß eine der bis zum Jahre 1899 meist umstrittenen Fragen in bezug auf die Fauna Deutsch- und Britisch-Ostafrikas das vorkommen oder Fehlen einer gestreiften Hyänenart gewesen ist.
Eine Autorität auf zoologischem Gebiete wie Professor Matschie vertrat mangels gegenteiligen Beweismaterials entschieden die Ansicht, daß entweder nur die Zibethhyäne ( Proteles cristatus Sparrm.) in diesen Ländern vorkomme, oder daß, wenn eine gestreifte Hyänenart dort nachgewiesen werde, dies eine für die Wissenschaft neue Art sein müsse.
Auf Grund seiner über die Verbreitung der über weite Länder hin vorkommenden Tierarten aufgestellten Thesen glaubte er diese, wie sich herausstellte, richtige Ansicht vertreten zu müssen.
Eine ganze Anzahl von Reisenden hatte ihre Aufmerksamkeit damals schon der Tierwelt gewidmet, einige auch das vorkommen einer zweiten gestreiften Hyänenart – außer der gewöhnlichen gefleckten Hyäne – vermutet. Der Nachweis aber war bis dahin niemanden gelungen, selbst so ausgezeichneten Beobachtern nicht, wie Dr. Richard Böhm, Hunter und anderen.
Der fast dreijährige Aufenthalt des bekannten Zoologen Professor Oskar Neumann in Deutsch- und Britisch-Ostafrika schien nunmehr endgültig zu bestätigen, daß diese Teile Ostafrikas nur die gefleckte Hyäne beherbergten. Allerdings berichtete dieser Reisende nach Erzählungen von Eingeborenen vom vermutlichen Vorhandensein eines hyänenähnlichen Raubtieres, welches, paarweise vorkommend, an den Meeresküsten lebe und Fische fresse. Im Herbste 1896 an den Ufern des großen, zwischen Kilimandscharo und Viktoria-Nyanza gelegenen Natronsees weilend, beköderte ich eines Abends ein Tellereisen mit einem Kuhreiher. Am nächsten Morgen fand ich eine gestreifte Hyäne in diesem Eisen. Mein Freund Alfred Kaiser, durch seinen vieljährigen Aufenthalt am Sinai wohl vertraut mit dem Aussehen gestreifter Hyänen, bestätigte die Identität dieses Tieres mit dem ihm aus Arabien wohl bekannten.
Somit schien eine selbst für Laien bei genauer Besichtigung kaum denkbare Verwechselung mit der Zibethhyäne doppelt ausgeschlossen, die feineren Unterschiede hingegen dieses Exemplares von den schon bekannten Streifenhyänen waren freilich ohne Zuhilfenahme von Vergleichsmaterial nicht zu erkennen.
Meine damaligen sofortigen Mitteilungen erregten dennoch bei den Fachgelehrten Zweifel; leider waren meine Nachrichten nicht durch Einsendung des Tieres zu unterstützen.
Immer noch fehlte der absolute, wissenschaftliche Nachweis; höchst eigentümlicherweise konnte dieser bis dahin auch aus Britisch-Ostafrika nicht erbracht werden, selbst nicht von so guten Beobachtern, wie F. I. Jackson, A. H. Neumann, Prof. O. Neumann, Lord Delamere und anderen. Dies war vielmehr meiner im Frühjahre des Jahres 1899 unternommenen Sammelreise ins Masailand vorbehalten.
Systematisch mittels Fallen dieser Hyäne nachstellend, gelang es mir, sechsundsechzig Häute und Schädel, wie auch ganze Skelette der Untersuchung zugänglich zu machen. Nunmehr waren alle Zweifel endlich gehoben!
Ein hocherfreuter Brief Professor Matschies verkündete mir, daß die Hyaena schillingsi Mtsch. nunmehr endgültig in die Reihen der wissenschaftlich anerkannten Tierarten Ostafrikas aufgenommen sei. Meine Freude war außerordentlich groß! Was ich hier berichte, beweist deutlich die große Schwierigkeit der Erforschung einer unbekannten Fauna. Man sollte sagen, daß ein so gemeines Raubtier, wie die Hyäne, sich unzählige Male dem Jäger und selbst dem Nichtjäger unter den Reisenden bemerkbar gemacht haben sollte, namentlich durch nächtlichen Raub, und daß sie vor allen Dingen den Eingeborenen wohlbekannt gewesen wäre! Von alledem war nachweislich nichts der Fall. So wenig ein so vorzüglicher Beobachter, wie Stuhlmann während seines verweilens am Semliki jemals Kunde vom späterhin entdeckten, so berühmt gewordenen Okapi erhalten, so wenig einige sehr große Antilopen, wie beispielsweise Damaliscus hunteri (Hunters Kuhantilope), ferner die fast Rindergröße erreichende westafrikanische Bongoantilope Tragelaphus euryceros u. a., Europäern bis vor kurzer Zeit zu Gesicht gekommen, so wenig war die häufig vorkommende gestreifte Hyäne nachweislich bemerkt worden.
Die Erforschung der Fauna in Ländern, wie Ost- und Zentralafrika ist, wie aus diesen Tatsachen hervorgeht, eben höchst schwierig!
Freilich nach meinen Feststellungen und der Aufstellung dieser Art durch Professor Matschie wurde vielfach behauptet, daß dieser oder jener das Tier längst gekannt habe! Solche Behauptungen sind recht wohlfeil. Sogar im Jahre 1919 behauptete wiederum ein Schriftsteller und guter Tierdarsteller, die Hyaena schillingsi früher schon in Deutsch-Ostafrika beobachtet zu haben. Er verwechselt sie aber leider nachweislich mit – der allgegenwärtigen gefleckten Hyäne.
Das im Jahre 1899 erschienene, in meinem Buche mehrfach erwähnte englische Werk »Great and Small Game of Africa«, an welchem die vorzüglichsten englischen Kenner afrikanischer Tierwelt mit gearbeitet haben, erwähnt die gestreifte Hyäne als nur im Somallande vorkommend.
Wie ist es nun möglich, daß ein so häufiges Tier sich so der Beobachtung zu entziehen wußte? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht leicht, berührt sich aber mit der Tatsache, daß man ja auch Löwen und andere Raubtiere so selten zu Gesicht bekommt.
Gehörte doch auch der so berühmt gewordene Schuhschnabel ( Balaeniceps rex), ein riesiger Sumpfvogel, auf dessen Erlegung im englischen Gebiete der oberen Nilsümpfe heute eine Strafe von 500 Mark steht, nach seiner Entdeckung in den Nilsümpfen jahrelang zu den gänzlich unerreichbaren Wünschen ornithologischer Sammler!
Wie selten erspäht der Europäer auf seinen Gängen durch Wald und Feld einen Fuchs; wie stolz bin ich, in meiner Jugend sechsmal die wilde Katze ( Catus ferus L.) in meinen heimischen Eifelbergen, in denen sie leider heute auch schon beinahe ausgerottet ist, beobachtet und sie dreimal erlegt zu haben!
Bei meinem viermaligen Aufenthalte in Ostafrika habe ich ein einziges Mal die gestreifte Hyäne am Tage erblicken können! Nächtlicherweile beim Ansitze habe ich sie dann noch zweimal bemerkt; hundertunddreiundzwanzig dagegen habe ich für unsere Museen in Fallen erbeutet! Könnte ein drastischerer Beweis gegeben werden für die Schwierigkeit des Auffindens und der Beobachtung scheuer Tierarten mit nächtlicher Lebensweise!? Dabei ist allen Eingeborenen, die der Tierwelt einigermaßen kundig sind, die »Kingúgua« wohl bekannt. Zeigt man ihnen eine erbeutete, so wissen sie häufig mit dem Tiere Bescheid; Erkundigungen und Fragen aber nach diesem doch verhältnismäßig leicht und bestimmt durch Worte zu kennzeichnenden Tiere begegnen meistens erstaunlicher Unkenntnis, dann aber auch der Indolenz und dem Mangel an Neigung der Eingeborenen zu Mitteilungen Europäern gegenüber.
Die »Kingúgua« ist dabei sehr viel mehr gefürchtet, wie die gefleckte Hyäne; sie steht allgemein in dem Rufe, gefährlicher und angriffslustiger zu sein. Ich lasse es dahingestellt, inwieweit dies begründet ist. Vielleicht führte die große Scheu des Tieres zu ungerechtfertigten Vermutungen über seine Wildheit, und ich habe die Beobachtung machen können, daß die Eingeborenen »meine Hyäne« im Verdachte von Viehräubereien und selbst Überfällen von Menschen hatten, wenn vielleicht Leoparden die Übeltäter waren.
In Gefangenschaft sind gestreifte wie gefleckte Hyänen sehr zutraulich. Kann ich doch ein im Berliner Zoologischen Garten befindliches Exemplar selbst bei der Fütterung vom soeben gereichten Fleischstück fortrufen! Das Tier zieht dann eine Liebkosung der Stillung seines Hungers vor.
Im Jahre 1902 brachte ich mit größter Mühe eine Hyaena schillingsi, die ich im Lafittigebirge fing, von dort in einem eisernen Käfig an die Küste und nach Europa. Der schwierige Transport auf den Schultern von gegen vierzig Trägern war jedoch nur durch die Energie meines ausgezeichneten »Ombascha« Ramadan durchzuführen, da ich selbst schwer erkrankt war.
Jedenfalls aber habe ich unwiderleglich und mit Sicherheit festgestellt, daß die gestreifte Hyäne an manchen Orten mindestens ebenso häufig wie die gefleckte Hyäne vorkommt. In den Fallen benahmen sich die Tiere weniger angriffslustig und wütend, wie ihr gefleckter Vetter. Stets bemühten sie sich, wenn im Eisen gefangen, sich zu verstecken, in höchst charakteristischer Weise den Kopf auf die Erde drückend – gewissermaßen den »Vogel Strauß« zu spielen –, ganz im Gegensatz zu der knurrenden und sich zur Wehr setzenden gefleckten Hyäne.
Eine allgegenwärtige Erscheinung in der Steppe sind die Schakale, deren Leben und Treiben sich hauptsächlich, aber keineswegs ausschließlich, zur Nachtzeit bemerklich macht.
Der schön gefärbte Schabracken-Schakal ( Thos schmidti Noack) ist überall im Masailand sehr häufig; außer diesem treuen Genossen und Kameraden der Hyänen fand ich in gebirgigen Gegenden noch eine zweite größere Art ( Canis holubi Lorenz).
Zur Nachtzeit, wenn sich tiefe Stille über die Steppe herabgesenkt hat, vernimmt unser Ohr außer dem Geheul der Hyänen die klagend-bellende Stimme der Schakale, die das Lager umkreisen und oft zur frühen Morgenstunde noch rührig sind, wenn die scheuen Hyänen bereits längst ihre Schlupfwinkel aufgesucht haben.
Mit Hyänen vertragen sich die Schakale gut; unter Umständen auch scheuen sie nicht die Gesellschaft des Löwen. Freilich macht dieser, wie auch der Leopard, zuweilen von seinem Herrenrecht Gebrauch, und in knappen Zeiten fand ich zweimal Überreste von Schakalen in der Nähe der Löwenmahlzeiten. Sie kündeten mir, daß einer der allzu frechen Gesellen der königlichen Ungnade des Löwen zum Opfer gefallen war!
Wie ich schon erzählte, nahm mir ein solcher auch bei einer Gelegenheit einen Serval-Luchs aus der Falle und verschmähte nicht, ihn zu verzehren.
Im allgemeinen jedoch streifen die Schakale vereinzelt in der Steppe umher, und auf die weitesten Entfernungen tragen ihnen die regelmäßigen Luftströmungen des äquatorialen Afrika die Witterung zu, die ihnen verkündet, wo ein Aas ihrer harrt.
Hatte ich an geeigneter Örtlichkeit einen Köder ausgelegt, so dauerte es oft nicht lange, bis einer oder mehrere Schakale, wie schnell dahinhuschende Phantome in äußerster Scheu aus dem Dunkel der Nacht (aber auch am Tage!) auftauchten, um gespensterhaft und windesschnell wieder zu verschwinden, oder auch, vertraut geworden, mit den Hyänen zusammen ihre Mahlzeiten zu halten.
Wo Hyänen mit ihrem furchtbaren Gebiß den ersten Angriff auf den Kadaver eines der Tsetsefliege erlegenen Maultieres machten, wurden sie von den oft zahlreich erschienenen Schakalen unterstützt. Hyänen und Schakale sind die eigentlichen Totengräber der Steppe, und auch mit den größten Kadavern wissen sie in kürzester Zeit fertig zu werden. Meine Nachtbilder geben hierüber den besten Aufschluß!
Nichts drückt der schnellen Vergänglichkeit in einsamer äquatorialer Steppe einen deutlicheren Stempel auf, als die schnelle Verwesung der Riesenleiche eines Elephanten oder andern Dickhäuters.
Lag das gewaltige Tier unmittelbar nach Eintritt seines Todes in eindrucksvoller Größe vor uns: am nächsten Tage hatten die entstandenen Verwesungsgase den Körper unter dem Einflusse der tropischen Hitze bereits ins Verzerrte aufgetrieben und entstellt!
Aber auch die Hyänen und Schakale hatten bereits in der Nacht ihre Angriffe versucht; hunderte von Geiern bedeckten die umherstehenden Bäume, hatten sich auf dem Aase niedergelassen, und ringsumher war das Gras der Steppe niedergetreten und durch ihr Geschmeiß weiß bekälkt.
In den nächsten Nächten war dann häufig der ganze Kadaver des riesigen Tieres von den vereinten Hyänen und Schakalen verzehrt. In früher Morgenstunde setzten die Geier das Werk der Bestattung fort, so daß in kürzester Frist nur noch das von der borkigen Haut des Elefanten bedeckte riesige Skelett übrig blieb.
Die nächste Regenzeit weicht die Hautreste auf und macht sie so geeignet, nun auch bis auf den letzten Rest von den Hyänen und Schakalen verzehrt zu werden. Jetzt sind nur noch die auf dem Erdboden zerstreuten Knochen übrig geblieben.
Steppenbrände, dazu vorher schon der Einfluß der tropischen Glutsonne, machen die Knochen mürbe und zerfallend; nur der gewaltige Schädel widersteht eine Reihe von Jahren den Einflüssen der Witterung. Wie aber neues Leben stets aus den Ruinen emporblüht, so fand ich auch hier in den weiß gebleichten Schädeln der riesigen Rüsselträger zuweilen Vogelnester oder sorglich errichtete Nester von Mäusen, die in der Stirnhöhle des Elefanten Schutz und Zuflucht vor ihren Feinden gefunden hatten. Doch im Laufe der Jahre zerfällt auch der Schädel, und nichts mehr kündet von dem Drama, das sich zur Todesstunde seines gigantischen Trägers hier abgespielt.
Auch zur Tageszeit trifft man nicht selten die Schakale an. Ihre Allgegenwart läßt es leicht begreiflich erscheinen, daß diese klugen und unendlich feinnasigen Tiere eine große Rolle in den Sagen und Märchen der Steppenvoller spielen.
In unserem Vaterlande ist Reineke Fuchs die im Volksmunde poetisch ausgestaltete Personifikation von List, Klugheit und praktischer Gewandtheit im Kampfe ums Dasein. Dieselbe Rolle spielt in Ostafrika der »úmbua witu« der Waswahili, der »endéré« der Masai oder »l'eloandé« der Wandoróbbo.
Hatte ich am Tage ein Wild erlegt und zog mich von den Überresten zurück, um die einfallenden Geier zu beobachten, so ereignete es sich nicht selten, daß einer oder mehrere Schakale von weitem aus der Steppe in schnurgerader Richtung herbeieilten, um sich unter die Masse der Geier zu mischen, einen Teil der Beute heischend.
Dies bewies mir zur Genüge, wie unendlich fein das Geruchsorgan der Schakale ausgebildet ist. In Klappfallen unverletzt gefangene, die ich häufig im Lager längere Zeit angefesselt beobachtete, zeigten sich individuell höchst verschieden, wie dies bei einem so klugen Tiere kaum anders zu erwarten ist.
Die Stunden aber, in denen ich wohlversteckt und mit günstigem Winde Gelegenheit hatte, an einem größeren Aase die Ansammlungen Hunderter von Geiern, zahlreicher Kropfstörche, einiger gefleckter Hyänen und einer Anzahl von Schakalen in ihrem Streit um die Beute beobachten zu können, gehören mit zu den genußreichsten meiner afrikanischen Tierbeobachtungen.
Leider verhinderte meist die Abwesenheit jeglicher Sonnenstrahlen gerade zu diesen Stunden gelungene photographische Aufnahmen, wie denn überhaupt der Camera-Jäger allzusehr auf günstiges Licht angewiesen ist. Es war wie ein Verhängnis, daß lange begehrtes Wild mir so selten bei günstiger Beleuchtung vor mein im Gegensatz zu dem heute angewandten sehr lichtschwaches Objektiv kam. Daß andere in dieser Beziehung glücklicher sein werden, möchte ich hoffen. Ich wünsche jedem, der Ähnliches unternimmt, daß er ebenfalls und noch bessere Natururkunden erlange, wie ich sie schaffen durfte!
Aber leider liegt zwischen noch so sachgemäßer Ausrüstung und noch so heißem Wünschen und Begehren wie immer im Leben noch vieles andere, vor allem ein wenig Weidmannsheil, und jeder Jäger weiß, wie oft dieses uns im Stiche läßt! Dies ist in erhöhtem Maße der Fall, wenn es sich darum handelt, mehr oder weniger unbekannte Tiergeheimnisse in ferner jungfräulicher steppe Afrikas photographisch zu belauschen.