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Vierundzwanzigstes Kapitel.

Noch ein Mal stürmt, noch ein Mal, lieben Freunde!

Heinrich V.

 

Alle Nachrichten, welche man am Abende dieses Tages einziehen konnte, ließen vermuthen, daß die Insurgenten mit Tagesanbruch gegen Tillietudlem rücken würden. Lord Evandale's Wunden waren von Pike untersucht und für gefahrlos gehalten worden. Sie waren zahlreich, aber keine von Bedeutung, und der Blutverlust hatte vielleicht eben so sehr als das gerühmte Specificum der Lady Margaretha den Eintritt des Fiebers verhindert, so daß der Kranke trotz einiger Schmerzen und großer Schwäche behauptete, er könne mit Hülfe seines Stockes umherschleichen. Unter diesen Umständen wollte er nicht das Zimmer hüten, theils um die Soldaten durch seine Gegenwart zu ermuthigen, theils um nothwendige Ergänzungen zu dem Vertheidigungsplan zu machen, den der Major nach einer veralteten Theorie entworfen haben mochte. Lord Evandale war wohl fähig in solchen Dingen Rath zu ertheilen, da er in früher Jugend in Frankreich und den Niederlanden gedient hatte.

Indessen fand sich nur wenig oder nichts an den getroffenen Anstalten zu ändern, und den Punkt der Lebensmittel ausgenommen, schien bei der Vertheidigung eines so festen Platzes gegen solche Angreifer fast nichts zu fürchten.

Mit Tagesanbruch waren Lord Evandale und Major Bellenden wieder auf den Mauern, untersuchten genau die getroffenen Anstalten und erwarteten höchst gespannt die Annäherung des Feindes. Es muß noch bemerkt werden, daß inzwischen die Berichte der Kundschafter regelmäßig erstattet worden. Aber der Major nahm den Bericht, daß Morton gegen die Regierung die Waffen ergriffen, mit wegwerfender Verachtung auf.

»Ich kenne den Jungen besser,« war die einzige Antwort, deren er die Nachricht würdigte. »Die Bursche haben sich nicht nahe genug gewagt, haben sich durch irgend eine Aehnlichkeit täuschen, oder sonst ein Märchen aufbinden lassen.«

»Da bin ich nicht Eurer Meinung, Major,« antwortete Lord Evandale; »ich glaube, Ihr werdet den jungen Mann an der Spitze der Insurgenten sehen, und obgleich es mir herzlich leid ist, werd' ich doch eben nicht darüber erstaunen.«

»Ihr seid just so schlimm wie Claverhouse,« sagte der Major; »der behauptete mir gestern früh in's Gesicht, der junge Mensch, der so hoch- und edelgesinnt ist, als ich je Einen gekannt, brauche nur eine Gelegenheit, um an die Spitze der Rebellen zu treten.«

»Erwägt man die Behandlung, die er erduldet und den Verdacht, der auf ihm lastet,« sagte Lord Evandale, »welcher Weg bleibt ihm noch offen? Was mich betrifft, so weiß ich nicht, ob er mehr Tadel oder Mitleid verdient.«

»Tadel, Mylord? – Mitleid?« wiederholte der Major erstaunt. Er verdiente den Galgen, das ist Alles; und wäre er mein eigener Sohn, ich würde ihn mit Vergnügen hangen sehen. – Tadel? Wahrhaftig! Aber das kann unmöglich Eure Meinung sein, Mylord.«

»Auf Ehre, Major Bellenden, es hat mir schon oft geschienen, daß unsere Staatsmänner und Prälaten die Sache in unserem Lande bis auf's Aeußerste getrieben und sich durch viele Gewaltthätigkeiten nicht bloß die niedern Klassen entfremdet haben, sondern auch Diejenigen in den höhern Ständen, welche weder Parteigeist noch das Streben um Hofgunst an ihre Fahnen fesselt.«

»Ich bin kein Politiker,« antwortete der Major, »und verstehe nichts von spitzfindigen Distinctionen. Mein Schwert gehört dem König, und wenn er befiehlt, so zieh' ich es für seine Sache.«

»Hoffentlich werdet Ihr finden, daß ich nicht hinter Euch zurückstehe,« antwortete der junge Lord; »obgleich ich herzlich wünsche, daß die Feinde Ausländer wären. Indessen ist jetzt nicht Zeit, die Sache zu besprechen; denn dort kommen sie und wir müssen uns nach Kräften vertheidigen.«

Bei diesen Worten zeigte sich der Vortrab der Insurgenten auf dem Wege, der sich über den Hügel zog und dem Schlosse gegenüber herabsenkte. Sie kamen jedoch nicht herab, denn es entging ihnen nicht, daß sich ihre Reihen dadurch dem Geschütz der Veste aussetzen würden. Aber ihre Anzahl, die Anfangs nur gering schien, vergrößerte sich immer mehr, und wenn man die Masse, welche auf dem Wege hinter dem Hügel stand, nach der Dichtigkeit der Fronte schätzte, die sich auf der Spitze des Hügels zeigte, so mußte ihre Stärke beträchtlich sein. Auf beiden Seiten entstand eine ängstliche Pause, und während die unstäten Reihen der Covenanter in Bewegung geriethen, als würden sie von hinten gedrängt, oder als wüßten sie nicht, wohin sie sich zu wenden hätten, gewährten ihre in der Sonne blitzenden, mannigfaltigen Waffen einen malerischen Anblick. Die mit Piken, Hellebarden, Musketen und Streitäxten bewaffnete Masse verharrte einige Minuten in dieser schwankenden Stellung, bis endlich drei oder vier Reiter, welche Anführer schienen, sich von der Fronte weg auf eine Anhöhe begaben, die dem Schlosse etwas näher lag. John Gudyill, der kein ungeschickter Artillerist war, wollte eine Kanone auf die abgesonderte Gruppe richten.

»Ich will den Falken fliegen lassen, wenn's Eure Gnaden befehlen. Mein' Seel', er soll ihnen den Federbusch zerknicken!«

Der Major sah Lord Evandale an.

»Wartet einen Augenblick!« sagte der junge Edelmann; »sie senden uns eine Waffenstillstandsflagge.«

Wirklich stieg auch einer der Reiter ab, befestigte ein weißes Tuch an die Pike und näherte sich dem Schlosse, während der Major und Lord Evandale von dem Hauptfort herunterstiegen und ihm bis zur Beschanzung entgegen gingen; denn sie hielten es für unklug, ihn innerhalb des zu vertheidigenden Bezirkes kommen zu lassen. Zu derselben Zeit, als der Abgesandte sich näherte, zog sich die Reitergruppe zurück, als ahnte sie, welche Anstalten zu ihrem Verderben John Gudyill gemacht.

Nach Haltung und Benehmen zu urtheilen, schien der Abgesandte ganz von jenem Stolz erfüllt, der seine Secte auszeichnete. Seine Züge waren zu hochmüthiger Verachtung heraufgeschraubt und sein halbgeschlossenes Auge schien es zu verschmähen, auf die ihn umgebenden irdischen Gegenstände zu blicken, während er bei jedem Schritte die Fußspitzen feierlichst auswärts setzte, als verachtete er den Boden zu betreten. Lord Evandale konnte sich beim Anblick dieser absonderlichen Gestalt kaum des Lächelns erwehren.

»Habt Ihr je einen solchen abgeschmackten Gliedermann gesehen?« sagte er zu dem Major. »Man sollte schwören, er ginge auf Springfedern. Glaubt Ihr wohl, daß er sprechen kann?«

»O ja,« sagte der Major; »das scheint einer meiner alten Bekannten zu sein, ein Erz-Puritaner von ächt-pharisäischem Sauerteig. – Halt! – er hustet und räuspert sich. Er wird das Schloß mit einem Stück Predigt statt mit der Trompete auffordern wollen.«

Der Veteran, der seiner Zeit so manche Gelegenheit gehabt, mit den Sitten dieser Secte bekannt zu werden, hatte sich in seiner Vermuthung nicht getäuscht, nur daß der Laird von Langcale, denn es war keine geringere Person, statt einer Einleitung in Prosa mit seiner Stentorstimme einen Vers aus dem vierundzwanzigsten Psalm hersagte:

»Machet die Thore weit auf und die Thüren in der Welt hoch, daß der König der Ehren einziehe.« – –

»Sagt' ich's Euch nicht?« sprach der Major zu Evandale, ging dann zum Eingang der Verschanzung und verlangte zu wissen, warum er ein solch jämmerliches Geschrei erhebe unter den Thoren des Schlosses, wie ein Eber im Sturmwind?

»Ich komme,« entgegnete der Abgesandte mit gellender Stimme, und ohne die übliche Begrüßung und Höflichkeit – »ich komme von dem gottseligen Heere des feierlichen Bundes und Covenants, um mit den beiden fleischlichen Uebelgesinnten, mit William Maxwell, genannt Lord Evandale, und Miles Bellenden von Charnwood zu sprechen.«

»Und was habt Ihr an Miles Bellenden und Lord Evandale auszurichten?« fragte der Major.

»Seid Ihr's?« sagte der Laird von Langcale in demselben scharfen, hochmütigen und unehrerbietigen Tone.

»Wir sind's!« entgegnete der Major.

»So ist hier eine öffentliche Aufforderung,« sagte der Abgesandte und stellte dem Lord Evandale ein Papier zu, »und hier ist auch ein Privatschreiben an Miles Bellenden von einem gottseligen Jüngling, der die Ehre hat eine Abtheilung unseres Heeres zu führen. Leset schnell, und Gott gewähre Euch die Gnade, daß der Inhalt Euch gute Früchte bringe, obgleich dieses sehr zu bezweifeln ist.«

Die Aufforderung lautete:

»Wir, die ernannten und bestallten Anführer der Edelleute, der Geistlichen und Anderer, gegenwärtig in Waffen für die Sache der Freiheit und des wahren Glaubens, warnen und fordern Euch auf, Euch William Lord Evandale und Miles Bellenden von Charnwood und Andere, die jetzt unter Waffen stehen und das Schloß Tillietudlem besetzt halten, besagtes Schloß zu übergeben unter annehmlichen Bedingungen des Pardons und freien Abzugs mit allem Gepäcke, oder jeglicher Verwüstung mit Feuer und Schwert gewärtig zu sein, wie es nach den Kriegsgesetzen denen gebührt, so einen unheilbaren Posten vertheidigen. Und so möge Gott seine gute Sache beschützen!«

Diese Aufforderung war von John Balfour von Burley als Generalquartiermeister der Covenanter, für sich und im Namen der andern Führer unterzeichnet.

Der Brief an Major Bellenden war von Heinrich Morton und lautete folgendermaßen:

»Ich habe einen Schritt gethan, mein verehrter Freund, der, unter manchen übeln Folgen, mir auch, fürcht' ich, Eure entschiedene Mißbilligung zuziehen wird. Aber ich habe meinen Entschluß ehrenhaft, redlich und mit völliger Zustimmung meines Gewissens gefaßt. Ich kann nicht länger dulden, daß meine eigenen Rechte und die meiner Mitunterthanen mit Füßen getreten werden, daß man unsere Freiheit verletzt, unsere Personen beschimpft und unser Blut verspritzt ohne gerechte Ursache und gesetzliches Verfahren. Die Vorsehung scheint durch die Gewaltthätigkeit der Unterdrücker selbst jetzt den Weg zur Befreiung von dieser unerträglichen Tyrannei geöffnet zu haben, und ich halte den nicht des Namens und der Rechte eines freien Mannes würdig, der, mit meinen Ansichten, seinen Arm der Sache des Vaterlandes entzieht. Aber Gott, der mein Herz kennt, sei mein Zeuge, daß ich die Wuth und die heftigen Leidenschaften der gequälten Dulder nicht theile, mit denen ich jetzt Gemeinschaft gemacht. Ich hege kein innigeres Verlangen, als diesen unnatürlichen Krieg bald beendigt zu sehen durch die Vereinigung der guten, weisen und mäßigen Männer aller Parteien, und daß ein Friede hergestellt werde, welcher, ohne des Königs verfassungsmäßige Rechte zu verletzen, das Ansehen strenger Gesetze, statt militärischer Gewaltthätigkeit herstellt und Jedermann gestattet, Gott zu verehren nach seinem eigenen Gewissen, damit die satanische Schwärmerei durch Vernunft und Milde besiegt und nicht durch Verfolgung und Unduldsamkeit zur Raserei entflammt werde.

Ihr könnt Euch denken, mit welch schmerzlichen Gefühlen ich bei solchen Empfindungen vor dem Hause Eurer ehrwürdigen Verwandten erscheine, daß Ihr, wie wir hören, gegen uns vertheidigen wollet. Erlaubt mir, Euch auf's Bestimmteste zu versichern, daß Gegenwehr nur zu Blutvergießen führen wird, daß, wenn auch der Sturm mißlingt, wir doch noch stark genug sind, die Veste einzuschließen und sie durch Hunger zur Uebergabe zu zwingen, da uns Eure unzulänglichen Mittel, eine langwierige Belagerung auszuhalten, hinlänglich bekannt sind. Der Gedanke, welche Leiden dann bevorstehen und wer sie dulden muß, zerreißt mir das Herz.

Glaubt nicht, mein verehrter Freund, daß ich Euch Bedingungen vorschlagen könnte, die Euren würdevollen und ehrenhaften Namen, den Ihr so lange nach Verdienst behauptet, verletzen. Wenn die königlichen Soldaten, denen ich einen freien Abzug zusichern will, aus der Veste entlassen werden, so wird man gewiß nichts von Euch verlangen, als während dieses unglückseligen Streits neutral zu bleiben; auch will ich Sorge tragen, daß der Lady Margaretha Eigenthum und Euer eigenes gebührend geachtet und Euch keine Besatzung aufgedrungen werde. Ich könnte viel zu Gunsten dieses Vorschlages sagen, aber da ich in Euren Augen jetzt als Verbrecher erscheine, so fürchte ich, daß auch gute Gründe ihre Wirkung verlieren, wenn sie aus unwillkommener Quelle fließen. Ich breche also mit der Versicherung ab, daß, wie auch Eure Gesinnungen gegen mich in Zukunft sein mögen, nie mein Gefühl der Dankbarkeit gegen Euch sich vermindern wird, und es würde der glücklichste Augenblick meines Lebens sein, Euch dessen durch mehr als bloße Worte zu versichern. Wenn Ihr also auch in dem ersten Augenblicke der Erbitterung den Vorschlag verwerft, den ich Euch eben mache, so laßt Euch das nicht hindern, die Sache nochmals zu erwägen, wenn künftige Ereignisse dieselbe annehmbarer machen; denn wann und wie ich Euch dienen kann, mir wird es stets die größte Freude gewähren.

Heinrich Morton.«

Nachdem Major Bellenden diesen langen Brief mit allen Zeichen des Unwillens gelesen hatte, überreichte er ihn dem Lord Evandale.

»Das hätte ich von Heinrich Morton nicht geglaubt,« sagte er, »und wenn es die halbe Welt beschworen hätte. Der undankbare, rebellische Verräther! rebellisch mit kaltem Blute, und selbst ohne Vorwand einer Schwärmerei, die dem verrückten Herrn Gesandten, unserem Freunde, das Gehirn verbrannt. Aber ich hätte bedenken sollen, daß er ein Presbyterianer ist; – ich hätte bedenken sollen, daß ich einen jungen Wolf nährte, dessen teuflische Natur ihn antreiben würde, mich beim ersten Anlaß zu erwürgen. Wäre der heilige Paulus wieder auf Erden und würde ein Presbyterianer, er würde in drei Monaten ein Rebell, – es liegt ihnen einmal im Blute.«

»Ich,« sagte Lord Evandale, »werde der Letzte sein, der zur Uebergabe räth; aber wenn unser Vorrath ausgeht und wir keinen Entsatz von Edinburgh oder Glasgow erhalten, dann denk' ich, benutzen wir dies Anerbieten, um wenigstens die Damen sicher aus dem Schlosse zu bringen.«

»Sie würden lieber Alles erdulden, ehe sie den Schutz eines so glattzüngigen Heuchlers annehmen,« erwiderte der Major unwillig; »ich würde sie nicht mehr für meine Verwandten anerkennen, wenn sie anders dächten. Aber laßt uns den würdigen Abgesandten entlassen! – »Mein Freund,« sagte er zu Langcale, »sagt Euren Anführern und dem Gesindel, daß, wenn sie nicht eine besondere Meinung von der Härte ihrer Schädel haben, ich ihnen rathen möchte, sie nicht an diesen alten Mauern einzustoßen. Auch sollen sie keine Waffenstillstandsflaggen mehr senden, oder wir knüpfen den Boten auf zur Wiedervergeltung für die Ermordung des Cornets Grahame.«

Mit dieser Antwort kehrte der Abgesandte zu den Seinigen zurück. Kaum hatte er das Hauptcorps erreicht, als sich ein Gemurmel unter der Menge hören ließ und vor ihrer Fronte eine große rothe, blau eingefaßte Fahne aufgerichtet wurde. Als dieses Zeichen zu Kampf und Angriff im Morgenwinde sich entfaltete, wurde auch das alte Familien-Banner der Bellenden nebst der königlichen Fahne auf den Mauern des Schlosses aufgepflanzt und zu gleicher Zeit eine Artillerie-Salve gegen die vordersten Reihen der Insurgenten abgefeuert, wodurch sie einigen Verlust erlitten. Ihre Anführer zogen sich sogleich hinter den schützenden Hügel zurück.

»Ich denke,« sagte John Gudyill, während er seine Kanonen wieder lud, »sie haben den Schnabel des Falken ein bischen zu hart gefunden – ja der pfeift auch nicht umsonst.« Kaum aber daß er diese Worte gesprochen, als auch die Anhöhe noch ein Mal mit den Reihen der Feinde bedeckt war. Alle feuerten nun ihre Gewehre gegen die Vertheidiger des Schlosses ab, und unter der Hülle des Dampfes eilte ein Haufen Pikenträger entschlossenen Muthes den Weg hinab und drang trotz allen Widerstandes, unter dem heftigen Feuer der Besatzung, bis zur ersten Verschanzung, durch welche der Eingang gedeckt war. Er ward von Balfour selbst angeführt, der einen seiner Schwärmerei entsprechenden Muth zeigte. Trotz allen Widerstandes erstürmte er die Verschanzung, verwundete und tödtete viele der Vertheidiger und drängte die übrigen hinter die zweite Schutzwehr zurück. Die Vorsichtsmaßregeln des Majors indessen machten dieses Vordringen unnütz; denn kaum befanden sich die Covenanter im Besitze dieses Postens, als sie ein mörderisches Feuer vom Schlosse und von den hintern Posten begrüßte. Da sie sich weder vor diesem Feuer schützen, noch es nachdrücklich gegen die durch Verschanzungen und Palissaden Gedeckten erwidern konnten: so waren sie genöthigt, sich zurückzuziehen, doch nicht, ohne vorher mit ihren Aexten das Pfahlwerk niederzuschlagen, damit die Vertheidiger es nicht wieder besetzen könnten.

Balfour war der Letzte, der sich zurückzog. Er blieb sogar noch eine Weile allein zurück und arbeitete mit der Axt in der Hand, wie ein Pionier, mitten unter einem Regen von Kugeln, von denen viele eigens gegen ihn gerichtet waren. Nicht ohne beträchtlichen Verlust erstrebte er den Rückzug seiner Schaar, und die localen Vortheile der Belagerten dienten ihm so zur strengen Belehrung. Der nächste Angriff der Covenanter wurde mit mehr Vorsicht gemacht. Eine starke Abtheilung Schützen (von denen sich viele beim Vogelschießen um den Preis beworben) schlich sich unter Heinrich Mortons Befehl durch das Gehölz, wo sie den besten Schutz fand, vermied die offene Straße, bahnte sich durch Busch und Bäume und über Felsen hin den Weg nach einer Stellung, von der sie, ohne allzusehr dem feindlichen Feuer ausgesetzt zu sein, die zweite Verschanzung von der Seite bestreichen konnte, während Burley sie mit einem zweiten Angriff in der Fronte bedrohte. Die Belagerten sahen die Gefahr dieser Bewegung und suchten die Annäherung der Schützen zu verhindern, indem sie auf jeden Punkt, wo sie sich zeigten, heftig feuerten. Die Angreifenden dagegen verriethen große Kaltblütigkeit, Muth und Einsicht in der Art, wie sie sich den Verschanzungen näherten. Dies war hauptsächlich der Standhaftigkeit und umsichtigen Leitung ihres jungen Anführers zuzuschreiben, der eben so viel Geschicklichkeit zeigte, die Seinigen zu decken, als dem Feinde zu schaden.

Er schärfte unablässig seinen Schützen ein, hauptsächlich auf die Rothröcke zu schießen, die übrigen Vertheidiger aber und besonders das Leben des alten Majors zu schonen, der in seinem Eifer sich mehr als ein Mal so der Gefahr aussetzte, daß er ohne diese Großmuth des Feindes gewiß den Tod gefunden hätte. Ein Feuerregen blitzte nun von allen Seiten des steilen Berges, auf dem das Schloß stand. Von Busch zu Busch, von Fels zu Fels, von Baum zu Baum rückten die Schützen vor, klimmten sie an Wurzeln und Zweigen hinan, und hatten zugleich mit ungünstigem Boden und feindlichem Feuer zu kämpfen. Endlich waren sie so hoch gekommen, daß mehrere von ihnen im Stande waren, in die Verschanzung gegen die Belagerten zu feuern, die von dieser Seite nicht gedeckt waren, und Burley benutzte die Verwirrung des Augenblicks und drang von vorn auf sie ein. Sein Angriff geschah mit derselben Wuth, wie das erste Mal, und fand nur wenig Widerstand, da die Vertheidiger über das Vordringen der Scharfschützen bestürzt waren, welches diese in ihrer Flanke bewirkten. Entschlossen, seinen Vortheil zu benutzen, verfolgte Burley, mit der Axt in der Hand, den Trupp bis zur dritten und letzten Verschanzung und drang zugleich mit ihm ein.

»Nieder! Nieder mit den Feinden Gottes und seines Volkes! – Kein Pardon! – Das Schloß ist unser!« rief er, seine Freunde zu ermuthigen. Die Unerschrockenen unter diesen folgten ihm auf dem Fuße, während die Andern mit Aexten, Spaten und anderen Werkzeugen die Erde aufwarfen, Bäume fällten und so in aller Eile bemüht waren, hinter der zweiten Verschanzung eine Schutzwehr zu errichten, um sich den Besitz derselben sichern zu können, im Fall das Schloß nicht durch diesen raschen Angriff genommen würde.

Lord Evandale konnte seine Ungeduld nicht länger zügeln. Er griff mit einigen Kriegern an, die man im Schloßhofe zurückgehalten hatte, und obgleich er noch den Arm in der Schlinge trug, ermuthigte er sie auf jede Weise, ihren Gefährten beizustehen, die im Kampfe mit Burley begriffen waren. Das Gefecht ward jetzt verzweifelt. Der enge Weg war mit Burley's Leuten gefüllt, die zur Unterstützung ihrer Gefährten vordrangen. Durch Lord Evandale's Zuruf und Gegenwart ermuntert, fochten die Soldaten wie rasend. Ihre geringe Anzahl ward einigermaßen durch ihre größere Geschicklichkeit und höhere Stellung ersetzt, die sie theils mit Piken und Hellebarden, theils mit Flintenkolben und Schwertern vertheidigten. Die innerhalb des Schlosses suchten ihren Kameraden zu helfen, so oft sie nämlich ihre Kanonen so richten konnten, daß ihre Freunde nicht gefährdet wurden. Die rings zerstreuten Scharfschützen feuerten unablässig auf Alles, was sich auf den Zinnen zeigte. Das Schloß war in Dampf gehüllt und die Felsen widerhallten vom Geschrei der Kämpfenden. Mitten in dieser Verwirrung hätte ein sonderbarer Zufall die Veste beinahe in die Hände der Belagerer gebracht.

Cuddie Headrigg, der mit den Scharfschützen vorgedrungen war, kannte jeden Fels und Busch in der Nähe des Schlosses, wo er so oft mit Jenny Dennison Nüsse gesammelt, und war durch diese Ortskenntniß im Stande, viel weiter vorzudringen, als die meisten seiner Gefährten, drei oder vier ausgenommen, die ihm auf der Ferse folgten. Nun war Cuddie, obgleich im Ganzen ein wackerer Bursche, durchaus kein Freund der Gefahr, weder um ihrer selbst willen, noch wegen des mit ihr verbundenen Ruhmes. Er hatte daher bei seinem Vordringen, wie man zu sagen pflegt, den Stier keineswegs bei den Hörnern gepackt, oder sich dem feindlichen Feuer allzusehr ausgesetzt. Im Gegentheil hatte er sich allmälig von dem Schauplatze des Kampfes zurückgezogen und sich dann links gewandt, bis er an eine Seite des Schlosses kam, wo kein Gefecht war und welche die Vertheidiger, im Vertrauen auf die Unzugänglichkeit des steilen Felsens unbesetzt gelassen. Auf dieser Seite war aber ein gewisses Fenster, das zu einer gewissen Speisekammer gehörte und in Verbindung mit einem gewissen Eibenbaum stand, der aus einer Felsenspalte empor wuchs. Das war eben der Paß, durch den der Gänse-Gibbie aus dem Schloß geschmuggelt wurde, um Editha's Botschaft nach Charnwood zu befördern, und der seiner Zeit wahrscheinlich auch zu andern Conterbandgeschäften gedient hatte. Cuddie stützte sich auf sein Gewehr, guckte zum Fenster hinauf und bemerkte gegen einen seiner Gefährten: – »Den Ort da kenn' ich recht gut; oft hab ich der Jenny Dennison aus diesem Fenster geholfen, bin auch manchmal selbst hineingekrochen, um mit ihr anzubinden, Abends, wenn der Pflug ruhte.«

»Und was hält uns ab, jetzt hineinzukriechen?« sagte der Andere, ein kecker, unternehmender Bursche.

»Freilich hält uns nichts ab,« antwortete Cuddie, »wenn's damit gethan wäre. Aber was fangen wir denn hernach an?«

»Wir wollen das Schloß nehmen,« schrie der Andere; »wir sind unserer Fünf oder Sechs und die Soldaten sind alle am Thore beschäftigt.«

»So kommt denn,« sagte Cuddie; »aber – nicht anrühren dürft Ihr mir die Lady Margaretha, oder Fräulein Editha, oder den alten Major, oder Jenny Dennison, oder sonst Einen; aber den Soldaten könnt Ihr den Garaus machen, oder auch Quartier geben, das geht mich nichts an.«

»Ja, ja,« sagte der Andere, »erst laß uns drinnen sein, dann wollen wir schon mit ihnen Allen fertig werden.«

Leise und ob er auf Eiern ginge, klimmte Cuddie den wohlbekannten Pfad hinan, jedoch mit einigem Widerstreben; denn außerdem, daß er den Empfang scheute, der ihm etwa drinnen zu Theil würde, beunruhigte ihn noch sein Gewissen, daß er der Lady Margaretha früheres Wohlwollen gar erbärmlich erwidere. Dennoch stieg er auf den Eibenbaum, und seine Gefährten folgten ihm Einer nach dem Andern. Das Fenster war klein und früher mit eisernen Stäben gesichert gewesen, aber diese waren längst von der Zeit zerstört, oder von der Dienerschaft herausgebrochen, um zum gelegentlichen Gebrauch einen freien Ausgang zu haben. Es war daher leicht hineinzukommen, wenn sich gerade Niemand in der Speisekammer befand, was Cuddie erst genau untersuchen wollte, ehe er den letzten und gefahrvollen Schritt wagte. Während ihn seine Gefährten von hinten drängten und bedrohten, und er zögernd seinen Hals ausstreckte, um in die Kammer zu sehen, wurde sein Kopf der Jenny Dennison sichtbar, die sich selbst darin versteckt hatte, um von diesem sichern Ort aus den Ausgang des Kampfes abzuwarten. Bei diesem Schreckensanblick erhob sie ein gellendes Geschrei, floh in die anstoßende Küche und ergriff in der Verzweiflung einen Topf mit Kohlsuppe, den sie selbst vor Anfang des Kampfes aufgesetzt hatte, um dem Tom Halliday das versprochene Frühstück zu bereiten. Mit dieser Bürde kehrte sie zum Fenster zurück, und mit dem Geschrei: »Mörder! Mörder! – Wir werden geplündert und beraubt – das Schloß ist genommen! – Theilt's unter Euch!« schüttelte sie den ganzen siedenden Inhalt des Topfes über den unglückseligen Cuddie aus. So willkommen ihm auch diese Gabe gewesen wäre, wenn er sie auf eine ordentliche Weise erhalten hätte, so würde sie ihn in der Art, wie sie ihm Jenny darbot, für immer vom Soldatendienst befreit haben, hätte er gerade aufrecht gesehen, als die Bescherung über ihn kam. Zum Glück aber war unser Krieger schon bei Jenny's erstem Geschrei erschreckt worden; er blickte abwärts und stritt mit seinen Kameraden, die seinen ängstlichen Rückzug verhindern wollten, so daß die Stahlhaube und das Büffelwams, welche früher dem Sergeanten Bothwell gehört hatten und sehr dauerhaft waren, ihn gegen den größten Theil der kochenden Suppe schützten. Indessen hatte er doch genug bekommen, um verletzt zu werden, so daß er voll Schmerz und Schreck schnell vom Baume über seine Gefährten wegsprang, mit augenscheinlichster Gefahr für deren Glieder, und ohne ferner auf Gründe, Bitten und Befehle zu achten, eilte er auf dem sichersten Wege zum Hauptcorps zurück, zu dem er gehörte, und weder Drohung noch Ueberredung vermochten ihn wieder zum Angriff zurückzubringen.

Als Jenny so auf den Leib des einen Anbeters die Speise geschüttet, welche ihre schönen Hände für den Magen des andern bereitet, setzte sie ihr Allarmgeschrei fort, und nannte alle Verbrechen, die je in einem Strafgesetzbuch erwähnt worden. Diese gräßlichen Töne verbreiteten so viel Unruhe im Schlosse, daß Major Bellenden und Lord Evandale es für's Beste hielten, den Kampf außerhalb der Thore einzustellen, dem Feinde alle Außenwerke zu überlassen und sich nach dem Schlosse zu begeben, aus Furcht, dieses möchte an einer unbeschützten Stelle überrumpelt werden. Ihrem Rückzug stand nichts entgegen; denn der panische Schrecken Cuddie's und seiner Gefährten hatte unter den Belagerern fast eben so viel Verwirrung hervorgebracht, als Jenny's Geschrei unter der Besatzung.

Auf beiden Seiten wurde an diesem Tage kein fernerer Versuch gemacht, den Kampf zu erneuern. Die Insurgenten hatten einen beträchtlichen Verlust erlitten, und bei der Schwierigkeit, die sie in der Einnahme der Verschanzungen außerhalb des Schlosses gefunden, hatten sie wenig Hoffnung, die Veste selbst zu erstürmen. Indessen war auch die Lage der Vertheidiger übel genug. Im Gefecht hatten sie zwei oder drei Mann verloren, mehrere waren verwundet, und obgleich ihr Verlust verhältnißmäßig geringer war, als der des Feindes, welcher zwanzig Mann todt auf dem Platze gelassen, so empfanden sie ihn bei ihrer geringen Anzahl doch mehr, und die verzweifelten Angriffe der Gegner verriethen deutlich, wie ernstlich es den Anführern darum zu thun war, sich des Platzes zu bemächtigen, und wie sehr sie hierin von dem Eifer ihrer Leute unterstützt wurden. Besonders aber hatte die Besatzung Hunger zu fürchten, im Falle der Feind die Zuflucht zur Blokade nahm, um so eine Uebergabe zu erzwingen. Des Majors Befehle in Bezug auf Verproviantirung waren nur unvollkommen befolgt worden, und die Dragoner gingen doch aller Warnungen ungeachtet verschwenderisch damit um. Mit schwerem Herzen also ertheilte der Major Befehl, das Fenster, wodurch das Schloß beinahe überrumpelt worden wäre, so wie alle andern zu bewachen, die nur im Entferntesten die Erneuerung solcher Angriffe zuließen.


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