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Sie traten in die dunkle Höhle ein,
Am Boden saß der finstre Mann allein,
Dumpf brütend im verstörten Geist.
Spenser.
Als der junge Morgen auf den Bergen lag, ließ sich an der Thüre des kleinen Zimmers, worin Morton schlief, ein leises Pochen hören, und eine sanfte Mädchenstimme fragte von Außen: »ob es ihm gefällig wäre nach der Höhle zu gehen, ehe die Leute aufständen.«
Morton kleidete sich schnell an und trat heraus zu der kleinen Führerin. Das Bergmädchen hüpfte leicht vor ihm her durch den grauen Nebel über Berg und Moor. Der Pfad war rauh und ohne Gleise, und zog sich im Ganzen nach der Richtung des Baches, ohne dessen Krümmungen zu folgen. Die Landschaft wurde immer wüster und wilder, bis endlich nur Haide und Felsen das Thal umschlossen.
»Ist's noch weit?« fragte Morton.
»Eine halbe Stunde,« antwortete das Mädchen; »wir werden bald dort sein.«
»Gehst du oft diesen wilden Weg, liebes Mädchen?«
»So oft mich Großmutter mit Milch und Mehl nach der Höhle schickt.«
»Aber fürchtest du dich nicht, den wilden Weg allein zu gehen?«
»O nein, Herr,« sagte das Kind; »kein lebendiges Wesen würde einem so kleinen Ding, wie mir, Etwas anhaben, und Großmutter sagt, man brauche nichts zu fürchten, wenn man auf dem rechten Wege ist.«
»Stark in Unschuld, wie im dreifachen Panzer,« dachte Morton, als er ihren Schritten schweigend folgte.
Bald kamen sie in ein Dickicht, wo Brombeergesträuche und Dorngebüsche die Stellen der Eichen und Birken einnahmen, die einst hier gestanden hatten. Jetzt führte das Mädchen Morton von der offenen Haide auf einem von Schafen betretenen Pfade nach dem Bache hin. Ein wildes, dumpfes Tosen hatte ihn schon zum Theil auf die Scene vorbereitet, die sich ihm jetzt zeigte; doch konnte er sie nicht ohne Erstaunen, ja nicht ohne Schauder betrachten. Als er aus dem unwegsamen Pfade herauskam, der ihn durch das Dickicht führte, fand er sich am Rande eines flachen Felsens, der auf einer Seite über eine fast hundert Fuß tiefe Kluft hinausragte, wo der finstere Bergstrom wüthend über die Jähe stürzte, und ein schwarzer, gähnender Abgrund ihn aufnahm. Vergebens strebte das Auge, den Boden des Falles zu erreichen; es konnte nur die schäumenden Wogen in dem Hinabsturze auffassen, bis der Blick durch die emporragenden Felsenzacken gehemmt wurde, welche den dunkeln Pfuhl verhüllten, der die brausenden Fluthen verschlang; in einiger Entfernung aber fand der Blick die Windungen des Stromes wieder, wo er einen freien Lauf hatte.
Während Morton auf diese geräuschvolle Scene hinblickte, welche sich rings durch das Dickicht und die Klüfte, worin das Wasser sich verlor, jedem Auge verbergen zu wollen schien, zupfte ihn die kleine Begleiterin, welche auf der Abdachung des Felsens stand, der die schönste Aussicht auf den Wasserfall beherrschte, am Aermel, und sagte ihm so leise, daß er sein Ohr ihrem Munde nähern mußte: »Hört ihn doch! hört ihn doch!«
Morton horchte aufmerksamer, und aus dem finstern Abgrund, in welchen der Bach stürzte, und aus dem Brausen des Wasserfalles glaubte er Töne der Freude und des Schreckens, ja artikulirte Worte zu vernehmen, als ob der gefolterte Dämon des Stromes seine Wehklagen mit dem Geheule der Wogen vermischt hätte.
»Das ist der Weg,« sagte die Kleine; »folgt mir, Herr, wenn Ihr wollt. Aber nehmt Euch in Acht!«
Und mit kühner Behendigkeit schwand sie von der Felsenplatte und kletterte über die Zacken und Spitzen in die Kluft hinab. Der kühne und rüstige Morton folgte ihr ohne Säumen; aber die nöthige Vorsicht, Hand und Fuß zu gebrauchen, hinderte ihn, sich umzuschauen, bis seine Führerin, nachdem sie fast zwanzig Fuß hinabgestiegen und etwa sechzig oder siebenzig Fuß über dem Schlunde stand, der den Wasserfall aufnahm, still hielt, und er sich wieder an ihrer Seite in einer Stellung fand, die eben so romantisch als gefährlich war. Sie waren jetzt fast dem Wasserfalle gegenüber, ungefähr fünfundzwanzig Fuß unterhalb der Klippe, über die er herabdonnerte, und fünfundsiebenzig Fuß über dem dunkeln, tiefen, rastlosen Pfuhl, der das Gefluthe verschlang. Sie standen dem rasenden Gewässer so nahe, daß sie vom Schaume bespritzt und vom Getöse fast betäubt wurden. Aber gerade dem Sturze gegenüber und kaum drei Ellen davon entfernt, lag ein alter Eichbaum wie durch Zufall über dem Schlunde, und bildete eine schreckliche, enge und unsichere Brücke. Das obere Ende des Stammes ruhte auf der Platte, wo sie standen; mit der Wurzel aber streckte er sich auf die entgegengesetzte Seite, ohne daß Morton entdecken konnte, wo er festgehalten war. Hinter dem Vorsprunge schimmerte ein grelles röthliches Licht, das die stürzenden Wogen hochroth färbte, welches einen seltsamen, übernatürlichen Eindruck hervorbrachte, durch den Gegensatz mit den Strahlen der aufgehenden Sonne. Nachdem er sich einen Augenblick umgesehen, zupfte ihn das Mädchen abermals am Aermel, zeigte auf die Eiche und auf den Vorsprung jenseits, (denn an Sprechen und Hören konnte man hier nicht denken) und gab dadurch zu erkennen, daß sie hier hinüber müßten.
Erstaunt blickte Morton das Mädchen an, denn obgleich er wußte, daß die verfolgten Presbyterianer unter den frühern Regierungen in Höhlen und Wäldern, in Klüften und an Wasserfällen, an den ungewöhnlichsten Orten Zuflucht gesucht; obgleich er von den Kämpfern des Covenants gehört, die sich lange in der Dobbeshöhle auf den wilden Höhen von Polmoodie und von Andern, die sich in der noch schrecklichem Creehophöhle in dem Sprengel von Closeburn verborgen: dennoch hatte sich seine Einbildungskraft die Schrecknisse eines solchen Orts nicht ausgemalt, und er wunderte sich, wie eine solche seltsame und romantische Scene ihm hatte verborgen bleiben können, da er doch dergleichen Naturscenen mit großer Neugierde zu erforschen pflegte. Bald aber fand er, daß das Geheimniß selbst von den wenigen Hirten, denen es etwa bekannt sein mochte, sorgfältig bewahrt wurde, da der Punkt in einer entfernten, höchst wilden Gegend lag, und den verfolgten Predigern und Bekennern des nonconformistischen Glaubens zum Schlupfwinkel diente.
Er fing nun an zu überlegen, wie er über die unsichere, schreckliche Brücke gelangen könne, welche, durch den unabläßigen Staubregen naß und schlüpfrig, über eine Kluft von sechzig Fuß hinlief; indeß hüpfte, gleichsam um ihn zu ermuthigen, seine kleine Führerin ohne Bedenken hinüber und herüber. Einen Augenblick beneidete er den kleinen nackten Fuß, welcher einen viel sicherern Halt an der rauhen Oberfläche der Eiche hatte, als er mit seinen schweren Stiefeln erwarten konnte; dennoch aber entschloß er sich, den Uebergang zu wagen, heftete seinen Blick fest aus einen Gegenstand an der entgegengesetzten Seite, und ohne sich durch das Toben und Tosen um ihn oder unter ihm schwindlich machen zu lassen, schritt er fest und sicher über die unzuverläßige Brücke, und erreichte die Oeffnung einer kleinen Höhle auf der andern Seite. Hier hielt er an; denn ein Licht, das von einem Kohlenfeuer strahlte, erlaubte ihm, das Innere der Höhle zu sehen, und deren Bewohner zu betrachten, von dem er nicht so leicht bemerkt werden konnte, da ihn der Schatten des Felsens verbarg. Was er wahrnahm, hätte einen minder entschlossenen Mann nicht ermuthigt, im Beginn weiter zu schreiten.
Burley, den nur der grauere Bart in seinem früheren Aussehen verändert hatte, stand in der Mitte der Höhle, mit der zugeklappten Bibel in der einen, und seinem gezückten Schwert in der andern Hand. Von dem Lichte der feurigen Kohlen beleuchtet, glich er einem bösen Geiste in dem Schwefelqualm der Hölle, und seine Geberden und Worte, insofern sie vernehmbar waren, schienen verwirrt und heftig. Ganz allein, und an einem fast unnahbaren Orte, glich er einem Menschen, der mit einem Feinde auf Tod und Leben kämpft. – »Ha, ha! – Hier, hier!« – rief er, und begleitete jedes Wort mit einem Hieb in die hohle Luft. – »Hab' ich dir's nicht gesagt? – Ich habe widerstanden, und du fliehest vor mir! – O Feigling, der du bist! – Komm in allen deinen Schrecken! – Komm mit meinen eigenen Frevelthaten, die dich am furchtbarsten machen – in diesem Buch steht genug, um mich zu retten! – Was murmelst du von grauen Haaren? – Es war wohlgethan, ihn zu erschlagen, – je reifer das Korn, desto nothwendiger die Sichel. – Bist du gegangen? – Bist du gegangen? – Ich habe immer gewußt, daß du eine Memme bist, – ha! ha! ha!«
Nach diesen wilden Ausrufungen senkte er die Spitze seines Schwertes, und blieb in derselben Stellung, wie ein Wahnwitziger, den eben der Anfall verlassen.
»Die gefährliche Zeit ist nun vorüber,« sagte das kleine Mädchen, »es dauert selten länger, als bis die Sonne über den Bergen ist. Jetzt könnt Ihr hinein gehen und mit ihm sprechen. Ich will an der andern Seite auf Euch warten. Zwei auf ein Mal kann er nicht leiden.«
Langsam und höchst vorsichtig ging Morton auf seinen alten Mitbefehlshaber zu.
»Was, kommst du wieder, da deine Stunde vorüber ist?« war sein erster Ausruf; er schwang sein Schwert, und sein Gesicht bekam einen gespenstischen, rasenden Ausdruck.
»Ich komme, Herr Balfour,« sagte Morton fest und ruhig, »um eine Bekanntschaft zu erneuern, die seit dem Gefecht an der Bothwellbrücke abgebrochen war.«
Sobald Burley gewahrte, daß Morton vor ihm stand, – ein Gedanke, den er mit wunderbarer Schnelligkeit auffaßte – übte er plötzlich jene Meisterschaft über seine erhitzte, schwärmerische Einbildungskraft aus, die eine der hervorstechendsten Seiten seines außerordentlichen Charakters war. Er senkte sogleich die Spitze seines Schwertes, und indem er es ruhig in die Scheide steckte, murmelte er etwas von Feuchtigkeit und Kälte, die einen alten Krieger zwingen, Fechtübungen vorzunehmen, daß das Blut nicht erstarre. Dann fuhr er in seiner kalten, entschiedenen Weise fort, die seinem Gespräche eigen war:
»Du hast lange gesäumt, Heinrich Morton, und bist nicht gekommen in den Weinberg, als bis die zwölfte Stunde geschlagen hat. Bist du noch Willens, die rechte Hand der Brüderschaft zu ergreifen, und Einer von Denen zu sein, so nicht schauen nach Thronen und Fürstenfamilien, sondern die Schrift zu ihrer Richtschnur nehmen?
»Ich bin erstaunt,« sagte Morton, einer bestimmten Antwort auf diese Frage ausweichend, »daß Ihr mich nach so vielen Jahren wiedererkannt habt.«
»Die Züge Derjenigen, welche mit mir handeln sollten, sind in mein Herz gegraben, und Wenige außer Silas Mortons Sohn hätten es wagen dürfen, mich in dieser Zuflucht aufzusuchen. Siehst du diese von der Natur selbst gebaute Zugbrücke?« fügte er hinzu, und deutete auf den querüberliegenden Eichstamm – »ein Fußtritt von mir, und er stürzt in den Abgrund, trotz dem jenseits stehenden Feinde, und überläßt die Feinde diesseits der Willkür eines Mannes, der im Zweikampf noch nicht seinesgleichen gefunden.«
»Solcher Vertheidigungsanstalten,« sagte Morton, »würdet Ihr doch jetzt vermuthlich nicht bedürfen?«
»Nicht bedürfen?« sagte Burley ungeduldig, »wenn eingefleischte Feinde sich auf Erden gegen mich verbunden haben, und Satan selbst, – doch was liegt daran,« setzte er sich selbst unterbrechend hinzu. – »Genug, daß ich meinen Zufluchtsort liebe – meine Höhle von Adullam, und ich würde ihre rauhen Kalksteinrippen nicht vertauschen mit den schönen Gemächern im Schlosse der Grafen von Torwood und der ganzen Baronie. Du magst anders denken, wenn dein Narrenfieber noch nicht aufgehört hat.«
»Gerade wegen dieser Besitzungen komm' ich mit Euch zu sprechen,« sagte Morton, »und ich zweifle nicht, in Herrn Balfour denselben vernünftigen Mann zu finden, als welchen ich ihn einst kannte, da der Religionseifer Brüder entzweite.«
»So?« sagte Burley, »wirklich? – das glaubst du? – Willst du dich nicht deutlicher erklären?«
»Also mit einem Worte!« sagte Morton. »Ihr habt durch Mittel, die ich errathe, einen geheimen aber höchst nachtheiligen Einfluß auf das Vermögen der Lady Margaretha Bellenden und ihrer Enkelin ausgeübt, und das zu Gunsten des niedrigen, hartherzigen Apostaten Basil Olifant, den das hintergangene Gesetz in den Besitz fremden Eigenthums gebracht hat.«
»Das behauptest du?« sagte Balfour.
»Ja, ich behaupte es,« erwiderte Morton; »und Ihr werdet mir nicht in's Angesicht läugnen, was Ihr durch Eure Handschrift eingestanden.«
»Und angenommen, ich läugnete es nicht,« sagte Balfour, »und angenommen, deine Beredtsamkeit könnte mich bewegen, einen Schritt zurückzunehmen, den ich nach reiflicher Ueberlegung gethan, was wäre dann dein Vortheil? Würdest du dann noch immer hoffen, das blondgelockte Mädchen mit der großen und reichen Erbschaft zu erhalten?«
»Nein!« antwortete Morton ruhig.
»Und für wen also hast du es gewagt, das große Werk zu thun, dem Starken die Beute zu entreißen, den Fraß aus der Löwengrube zu holen, und Süßigkeit zu nehmen aus dem Munde des Verschlingers? – Um wessen willen hast du es unternommen, das Räthsel zu lösen, das schwerer denn Simsons ist?«
»Um Lord Evandale's und seiner Braut willen,« entgegnete Morton fest. »Denkt besser von den Menschen, Herr Balfour, und glaubt, daß es noch Leute gibt, die ihr eigenes Glück dem Glücke Anderer aufopfern.«
»Nun, so wahr meine Seele lebt,« erwiderte Balfour, »obgleich du einen Bart trägst, ein Schwert ziehst, und ein Roß besteigst, bist du doch die zahmste und gallenloseste Puppe, die je eine Beleidigung ungerächt gelassen. Was! du wolltest jenem verfluchten Evandale in die Arme eines Weibes helfen, das du liebst? – Du wolltest sie mit reichem Erbe bedenken, und glaubst, es lebe noch ein Anderer, bitterer beleidigt als du, der eben so kaltblütig und gemein sei, um auf dem Boden zu kriechen, – und du hast es gewagt zu glauben, dieser Andere sei John Balfour?«
»Meine eigene Gesinnung habe ich nur vor Gott zu verantworten,« sagte Morton ruhig. – »Euch, Herr Balfour, glaube ich, ist es wohl gleich, ob Basil Olifant, oder Lord Evandale diese Güter besitzt.«
»Du irrst,« sagte Burley. »Freilich sind Beide in tiefster Finsterniß, und dem Licht so fremd, wie der, deß Auge sich nie dem Tag erschlossen. Zwar ist dieser Basil Olifant ein Nabal, – ein Demas, ein niederer Wicht, dessen Macht und Reichthum in den Händen Desjenigen ist, der ihn mit dem Verlust derselben bedrohen kann. Er ward ein Bekenner, weil er der Güter von Tillietudlem beraubt wurde, – er ward wieder Papist, um sie zu erhalten – er nannte sich einen Erastinianer, daß er sie nicht wieder verliere, und er wird Alles was ich will, so lange ich das Dokument besitze, das ihn derselben berauben kann. Diese Besitzungen sind ein Zaum in seinem Munde und ein Haken in seinen Nüstern, und die Zügel sind in meiner Hand, ihn nach Gefallen zulenken, und ihm sollen sie bleiben, bis ich sie einem aufrichtigen, zuverläßigen Freunde geben kann. Aber Lord Evandale ist ein Bösgesinnter, dessen Herz ein Kiesel, dessen Stirne von Demant; die Güter der Welt fallen ihm zu, wie die Blätter dem herbstlichen Boden, und ungerührt wird er sie wieder vom ersten Winde fortgewirbelt sehen. Die heidnischen Tugenden von Leuten seinesgleichen sind uns gefährlicher, als die schmutzige Habgier Derjenigen, welche, von Selbstsucht geleitet, ihr folgen müssen, und die also als Sklaven des Geizes gezwungen werden können, im Weinberge zu arbeiten, und wenn sie auch nur den Sündenlohn ernten.«
»Das mag wohl vor einigen Jahren gut gewesen sein,« erwiderte Morton, »und ich hätte Eure Gründe begreifen, wenn auch nicht billigen können. In der jetzigen Krisis aber ist es Euch doch von keinem Nutzen, auf einem Einflusse zu beharren, den Ihr nicht mehr mit Vortheil ausüben könnt. Das Land hat Frieden, bürgerliche und Gewissensfreiheit – und was wollt Ihr mehr?«
»Mehr?« rief Burley, und entblößte wieder sein Schwert mit einer Lebhaftigkeit, vor der Morton fast erschrak; »sieh' die Scharten dieses Schwertes – sind ihrer nicht drei?«
»Ja; aber was soll das?«
»Das Stück Stahl, das beim ersten Hiebe absprang, blieb in dem Schädel des meineidigen Verräthers, der zuerst das Episcopat in Schottland einführte; – diese zweite Scharte entstand an der Rippe eines gottlosen Schurken, des besten und kühnsten Soldaten, der den Prälatismus zu Drumclog aufrecht hielt; – diese dritte entstand auf der Stahlhaube des Hauptmanns, der die Kapelle von Holyrood vertheidigte, als das Volk aufstand. Trotz Stahl und Knochen spaltete ich ihm den Schädel bis auf die Zähne. Sie hat große Dinge vollbracht, diese kleine Waffe, und jeder dieser Streiche diente zur Befreiung der Kirche. Dieses Schwert,« sagte er, und steckte es wieder ein, »hat noch mehr zu thun, – die pestilenzialische Ketzerei des Erastinianismus auszurotten, – die wahre Kirchenfreiheit in ihrer Reinheit wieder zu erringen, – den Covenant in seinem Glanze wieder herzustellen; – dann aber mag es ruhen und rosten neben den Gebeinen seines Herrn.«
»Die gegenwärtige Regierung zu beunruhigen fehlen Euch alle Mittel, Herr Balfour. Die jakobitischen Edelleute ausgenommen ist das Volk im Allgemeinen zufrieden, und Ihr werdet Euch doch wohl nicht Denen anschließen, die Euch nur für ihre eigenen Vortheile benutzen wollen?«
»Sie sollen den unserigen dienen,« sagte Burley. »Ich ging in's Lager des übelgesinnten Claverhouse, wie der zukünftige König Israels das Land der Philister besuchte; ich verabredete mit ihm einen Aufstand und, ohne den schändlichen Evandale wären jetzt die Erastinianer aus dem Westen vertrieben. – Ich könnte ihn tödten, und wenn er auch die Hörner des Altars erfaßte. Wenn du, der Sohn meines alten Gefährten, selbst um diese Editha Bellenden freitest und deine Hand an's Werk legen wolltest mit einem Eifer, der deinem Muthe gleicht, so denke nicht, daß ich Basil Olifants Freundschaft der deinigen vorziehen will; du würdest dann die Mittel haben, welche dies Dokument bietet (hier zog er ein Pergament hervor), um sie in den Besitz der Güter ihrer Väter zu bringen. Dies hab' ich dir schon lange sagen wollen, seit ich dich auf jener unseligen Brücke den guten Kampf so gewaltig kämpfen sah. Das Mädchen liebte dich und ward wieder geliebt.«
Morton erwiderte fest: »Ich will mich vor Euch nicht verstellen, Herr Balfour, selbst wegen eines guten Zweckes nicht. Ich kam, um Euch zu bewegen, nur gerecht gegen Andere zu verfahren, nicht um für mich Etwas zu gewinnen. Es ist mißlungen, – und das bedaure ich mehr um Euretwillen, als wegen des Verlustes, den Andere durch Eure Ungerechtigkeit erleiden.«
»Ihr nehmt also mein Anerbieten nicht an?« sagte Burley mit wildem Blick.
»Nein!« sagte Morton. »Wäret Ihr wirklich ein Mann von Ehre und Gewissen, wofür Ihr doch gelten wollet, so würdet Ihr alle Rücksichten bei Seite setzen und das Pergament dem Lord Evandale geben, zum Nutzen der rechtmäßigen Erben.«
»Eher soll es vernichtet werden!« sagte Balfour, warf die Urkunde in's Kohlenfeuer und drückte sie mit dem Absatz in die Gluth.
Während sie rauchte, zusammenschrumpfte und knisterte, sprang Morton vorwärts, um sie herauszuziehen; Burley aber hielt ihn zurück und ein Kampf entstand. Beide Männer waren stark; aber obgleich Morton jünger und gelenker war, so war doch Balfour der stärkere und verhinderte jenen das Pergament zu retten, bis dieses in Asche verwandelt war. Jetzt ließen sie sich einander los, und der durch den Kampf gereizte Schwärmer starrte auf Morton mit wildester Rachgier.
»Du hast mein Geheimniß; mein mußt du sein, oder sterben.«
»Ich verachte Eure Drohungen,« sagte Morton; »ich bemitleide und verlasse Euch.«
Als er sich aber entfernen wollte, vertrat ihm Burley den Weg, stieß den Eichstamm von seiner Stelle, und als dieser donnernd und malmend in den Abgrund stürzte, zog er sein Schwert und schrie mit einer Stimme, die fast das Donnern des Katarakts übertönte: – »Nun mußt du stehen! – ficht, – ergib dich, oder stirb!« stellte sich an den Eingang der Höhle und schwang die nackte Klinge.
»Ich will nicht mit dem Manne fechten, der meinem Vater das Leben gerettet,« sagte Morton; – »bis jetzt hab' ich noch nicht aussprechen lernen das Wort: ich ergebe mich! nun will ich mein Leben retten, so gut ich kann.«
Mit diesen Worten und ehe Balfour seine Absicht bemerken konnte, sprang er mit jugendlicher Gewandtheit, die ihm so sehr zu Gebote stand, an ihm vorbei, setzte über den furchtbaren Schlund, welcher den Eingang der Höhle von dem vorspringenden Felsen jenseits trennte, und stand dort sicher und befreit von seinem schnaubenden Feinde. Er bestieg sogleich die Platte, und als er sich umwendete, sah er Burley noch einen Augenblick außer sich vor Erstaunen dastehen und dann mit aller Raserei getäuschter Rache in das Innere seiner Höhle stürzen.
Es ward ihm nun klar, daß das Gemüth dieses unglücklichen Mannes so lange durch verzweifelte Pläne und plötzliche Täuschung aufgeregt worden, bis er gänzlich das Gleichgewicht verloren, und daß sich in seinem Betragen eine Art Wahnsinn offenbare, um so überraschender durch die Kraft und Schlauheit, womit er seine wilden Pläne verfolgte. Bald fand Morton seine Führerin wieder, welche durch den Sturz der Eiche erschreckt worden war, den er aber als Zufall darstellte. Sie versicherte ihm dagegen, daß dadurch dem Bewohner der Höhle nicht sonderlich viel Nachtheil entspringen werde, da er stets mit Materialien zum Bau einer andern Brücke versehen sei.
Die Abenteuer dieses Morgens waren noch nicht zu Ende. Als sie sich der Hütte näherten, schrie die Kleine vor Erstaunen auf, da sie ihre Großmutter auf sich zutappen sah, und zwar in einer größeren Entfernung vom Hause, als man sie zu gehen fähig gehalten hätte.
»O Herr, Herr!« rief die Alte, als sie Beide nahen hörte, »wenn Ihr je den Lord Evandale geliebt, so helft ihm jetzt, oder nimmer! – Gott sei gelobt, daß er mir wenigstens noch mein Gehör gelassen hat. – Kommt hieher! – hieher! – leise! – Paggy, geh', sattle dem Herrn das Pferd; führe es vorsichtig hinter die Dornhecke und warte dort auf ihn.«
Sie führte ihn an ein enges Fenster, durch welches er unbemerkt zwei Dragoner sehen konnte, die bei ihrem Morgentrunke saßen und in einem ernsten Gespräche begriffen waren.
»Je mehr ich daran denke, desto weniger gefällt mir's, Inglis,« sagte der Eine. »Evandale war ein guter Offizier und ein Soldatenfreund, und obgleich wir wegen der Empörung auf Tillietudlem bestraft wurden, dennoch – Frank, du mußt gestehen, wir verdienten es.«
»Ich will verdammt sein, wenn ich's ihm vergesse,« sagte der Andere; »und ich glaube, jetzt kann ich ihm an's Fell.«
»Ei, du mußt vergessen und vergeben. – Besser, wir machen uns mit ihm und den Uebrigen auf und vereinigen uns mit den eifernden Hochländern. Wir haben Alle König Jakobs Brod gegessen.«
»Du bist ein Esel. Die Andern werden sich nicht aufmachen. Es ist vorbei. Halliday hat einen Geist gesehen, oder Fräulein Bellenden hat den Pips, oder es ist sonst ein Unsinn geschehen; das Ding hält keine zwei Tage mehr, und der erste Vogel, der's auszwitschert, wird seinen Lohn kriegen.«
»Das ist auch wahr,« sagte sein Kamerad; »wird denn aber dieser Bursche, dieser Basil Olifant, hübsch bezahlen?«
»Wie ein Fürst, Bruder,« sagte Inglis. »Evandale ist der Mann, den er auf Erden am meisten haßt; er fürchtet ihn auch wegen eines Prozesses und denkt, wenn der einmal aus dem Wege geräumt ist, gehört ihm Alles.«
»Aber werden wir Verhaftsbefehle und genug Leute kriegen? Wenige werden gegen Mylord auftreten, und vielleicht finden wir einige von unseren Kameraden auf seiner Seite.«
»Du bist eine einfältige Memme, Dick,« entgegnete Inglis; »er lebt zurückgezogen zu Fairy-Knowe, um keinen Verdacht zu erregen. Olifant ist Friedensrichter und wird schon zuverlässige Leute bei sich haben. Wir sind unserer zwei, und der Laird sagt, er könne einen verteufelten Whig bekommen, Namens Quintin Mackel, der einen alten Groll aus Evandale hat.«
»Nun gut, Ihr seid mein Offizier, und wenn's nicht so ganz richtig –«
»So will ich's ausbaden,« sagte Inglis. »Nun noch einen Krug Bier und dann nach Tillietudlem! – Hier, blinde Beß; – aber wo zum Henker ist die alte Hexe hingekrochen?«
»Haltet sie so lange als möglich auf,« flüsterte Morton, als er der Wirthin seine Börse gab; »Alles hängt davon ab, daß wir Zeit gewinnen.«
Er eilte dann hin, wo das Mädchen mit seinem Pferde stand. »Nach Fairy-Knowe? – Nein,« sprach er bei sich selbst, »ich allein kann sie nicht schützen. – Ich muß augenblicklich nach Glasgow. Wittenbold, der dortige Kommandant, wird mir gern Soldaten geben und die Unterstützung der Civilbehörde verschaffen. – Im Vorbeireiten muß ich eine Warnung fallen lassen. – Komm, Mohrkopf,« sagte er beim Aufsitzen zu seinem Pferde, »heute mußt du dein Möglichstes thun.«