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Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Gebet. Lady, hin Euer Haus,
Uebergebt es mir.

Edom von Gordon.

 

Morton hatte die Durchsicht und die Abschrift der Erklärung beendigt, in welcher er gemeinschaftlich mit Pfundtext alle Beschwerden ihrer Partei und die Bedingungen aufgezählt hatte, unter denen der größere Theil der Insurgenten die Waffen niederlegen würde. Jetzt wollte er sich zur Ruhe begeben, als es an der Thüre pochte.

»Herein!« rief Morton, und Cuddie Headrigg steckte seinen feisten Kopf in's Zimmer. »Komm herein,« sprach Morton, »und sage, was du willst. Gibt's Lärm?«

»Nein, Herr; aber ich habe Jemand mitgebracht, der Euch sprechen will.«

»Wer ist's, Cuddie?« fragte Morton.

»Eine alte Bekannte,« sagte Cuddie, und die Thüre weiter öffnend, zog er ein Weib herein, dessen Gesicht in einen Plaid gehüllt war. – »Komm, komm! Brauchst nicht so geschämig zu thun vor alten Bekannten, Jenny,« sagte Cuddie, nahm ihr die Hülle ab und zeigte seinem Herrn das wohlbekannte Gesicht Jenny Dennisons. »Nun, sag' doch Seiner Edeln, was du dem Lord Evandale eigentlich sagen wolltest, du schmuckes Mädel!«

»Was ich Seiner Edeln sagen wollte den letzten Morgen, als ich ihn in der Gefangenschaft besuchte, dummer Mensch! – Wißt Ihr denn nicht, daß man die Leute gern im Unglück besucht, Einfaltspinsel?«

Diese Antwort gab Jenny mit der ihr eigenthümlichen Zungenfertigkeit; aber ihre Stimme bebte, ihre Wange war bleich und eingefallen, Thränen standen in ihrem Auge, ihre Hand zitterte und ihr ganzes Wesen zeigte die Spuren kürzlich erduldeter Leiden und Entbehrungen, und verrieth, daß ihre Nerven in krampfhaftem Zustande waren.

»Was gibt's, Jenny?« fragte Morton freundlich. »Ihr wißt, wie viel ich Euch in mancher Beziehung schuldig bin, und kaum könnt Ihr eine Bitte vorbringen, die ich nicht gewähren will, wenn es in meiner Macht steht.«

»Vielen Dank, Milnwood,« sagte das weinende Mädchen; »Ihr wäret immer ein guter Herr, obgleich die Leute sagen, Ihr hättet Euch sehr verändert.«

»Was sagt man von mir?« fragte Morton.

»Jedermann sagt,« erwiderte Jenny, »Ihr und die Whigs hättet ein Gelübde gethan, den König Karl vom Throne zu werfen, und weder er, noch seine Nachkommen von Geschlecht zu Geschlecht sollten je wieder darauf sitzen. Und John Gudyill sagt, Ihr wolltet die Orgeln den Pfeifern geben und das Gebetbuch unserer Kirche durch Henkershand verbrennen lassen, aus Rache, daß der König die Acte des Covenants hat verbrennen lassen, als er heimkam.«

»Meine Freunde zu Tillietudlem sind zu voreilig und schlimm in ihrem Urtheil,« antwortete Morton. »Ich wünsche nur die freie Ausübung meiner eigenen Religion, ohne einer andern zu nahe zu treten; und was eure Leute im Schlosse betrifft, so wünsche ich nur die Gelegenheit, ihnen zu zeigen, daß ich für sie noch immer dieselbe Freundschaft und Liebe hege.«

»Das lasse Euch Gott entgelten,« sagte Jenny, heftig weinend; »sie haben auch nie der Freundschaft und Liebe mehr bedurft, als jetzt; denn sie müssen bald umkommen vor Hunger.«

»Gerechter Gott!« rief Morton. »Ich habe wohl von Mangel gehört, aber nicht von Hunger. Ist's möglich? – Haben die Damen und der Major – –?«

»Sie haben gelitten, wie wir Andern,« sagte Jenny; »sie haben jeden Bissen mit den Leuten im Schlosse getheilt – wahrhaftig, mir flimmert's vor den Augen und es wird mir so schwindlich im Kopfe, daß ich mich kaum auf den Beinen halten kann.«

Die blassen, eingefallenen Wangen des armen Mädchens bezeugten die Wahrheit ihres Berichtes. Morton war heftig erschüttert.

»Um Gotteswillen, setzt Euch nieder,« sagte er, und nöthigte sie auf den einzigen Stuhl, der in der Stube stand, während er selbst in der heftigsten Unruhe auf- und niederging. »Das hab' ich nicht gewußt! Das könnt' ich nicht wissen!« rief er in abgebrochenen Worten. »Grausamer, kaltblütiger Schwärmer! – Hinterlistiger Schurke! – Cuddie, hole Erfrischungen! – Essen! Wein Wo möglich – was du nur finden kannst.«

»Branntwein ist gut genug für sie,« murmelte Cuddie. »Wer hätte gedacht, daß es so knapp bei ihnen steht, da mir die Dirne so viel kräftige heiße Brühe auf den Kopf gegossen?«

So schwach und elend Jenny war, so konnte sie doch diese Anspielung auf ihre Heldenthat während des Sturmes nicht hören, ohne in ein lautes Gelächter auszubrechen, das aber bald durch ihre Schwäche sich in einen Nervenkrampf verwandelte. Bestürzt über ihren Zustand und entsetzt über das Elend, das im Schlosse herrschen mußte, wiederholte er den Befehl mit nachdrücklicherem Tone, und als sich Cuddie entfernt hatte, versuchte er es, seinen Gast zu besänftigen.

»Vermuthlich kommt Ihr auf Befehl Eurer Gebieterin, um Lord Evandale zu besuchen. – Sagt mir, was sie wünscht; ihr Befehl soll mir Gesetz sein.«

Jenny schien einen Augenblick nachzudenken und sagte dann: »Euer Edeln sind ein so alter Freund, daß ich Euch vertrauen und die Wahrheit sagen muß.«

Als Morton merkte, daß sie noch zögerte, sagte er: »Gewiß, Jenny, dient Ihr Eurer Gebieterin am besten, wenn Ihr ganz aufrichtig gegen mich seid.«

»Nun denn – Ihr müßt wissen, wir sterben bald Hungers und haben schon mehr als einen Tag nichts gegessen, und der Major hat geschworen, er erwarte täglich Entsatz und wolle das Schloß nicht eher seinen Feinden übergeben, bis wir seine alten Stiefeln aufgegessen hätten – und die haben, wie Ihr wißt, dicke Sohlen, und das Oberleder ist auch zähe genug. Die Dragoner aber meinen, am Ende müßten sie sich doch ergeben, und sie können den Hunger nicht wohl vertragen nach dem Leben, das sie so lange im freien Quartier geführt haben; und seit Lord Evandale gefangen ist, sind sie gar nicht mehr zu bändigen, und Inglis sagt, er wolle die Besatzung den Whigs übergeben, und den Major und die Damen in den Kauf, wenn sie nur den Soldaten freien Abzug ließen.«

»Schurken!« sagte Morton; »warum schließen sie nicht die Bedingungen für Alle?«

»Sie fürchten, man möchte ihnen selbst keinen Pardon geben, weil sie so viel Elend im Lande verbreitet haben, und Burley hat schon Einige davon hängen lassen; – so wollen sie nun den eigenen Hals aus der Schlinge ziehen und ehrliche Leute dafür preisgeben.«

»Und Ihr wurdet ausgeschickt,« fuhr Morton fort, »um Lord Evandale die unerfreuliche Nachricht von der Empörung seiner Leute zu bringen?«

»Freilich!« sagte Jenny; »dem Tom Halliday kam die Reue an, und er ließ mich aus dem Schlosse, es dem Lord Evandale zu sagen, wenn ich zu ihm gelangen könne.«

»Aber wie kann er denn helfen? Er ist ja gefangen!«

»Ja, leider!« antwortete das betrübte Mädchen; »aber vielleicht macht er gute Bedingungen für uns, – oder gibt uns vielleicht einen guten Rath, – oder vielleicht schickt er den Dragonern die Ordre, artig zu sein, – oder – –«

»Oder vielleicht,« setzte Morton hinzu, »macht Ihr den Versuch, ihn in Freiheit zu setzen?«

»Wäre dem auch so,« erwiderte Jenny lebhaft, »so wär' es auch nicht das erste Mal, daß ich mein Bestes gethan, einem Freunde in der Gefangenschaft zu dienen.«

»Allerdings, Jenny; ich müßte sehr undankbar sein, wenn ich das vergäße. Aber da kommt Cuddie mit Erfrischungen – während Ihr Euch hier erquickt, will ich dem Lord Evandale Eure Botschaft ausrichten.«

»Es wird nicht übel sein, wenn Ihr erfahrt,« sagte Cuddie zu seinem Herrn, daß diese Jenny, diese Jungfer Dennison, dem Tom Rand, dem Müllerknecht, schön gethan hat, damit er sie unbemerkt zu Lord Evandale lasse. Die Hexe wußte nicht, daß ich ihr auf der Ferse war.«

»Und Ihr habt mich nicht wenig erschreckt, als Ihr mich so von hinten packtet,« sagte Jenny, und zwickte ihn ein wenig. – »wäret Ihr nicht ein alter Bekannter gewesen, Ihr Einfaltspinsel –«

Cuddie war ein wenig besänftigt und sah seinen schlauen Schatz kichernd an, während sich Morton in seinen Mantel hüllte, sein Schwert unter den Arm nahm und sich in das Gefängniß des jungen Edelmanns begab. Er fragte die Wache, ob nichts Besonderes vorgefallen.

»Nichts von Belang,« erwiderte diese; »außer daß Cuddie ein Mädchen aufgefangen und Hauptmann Balfour zwei Eilboten abgeschickt hat; einen an den ehrwürdigen Ephraim Macbriar, den andern an Pauker, welche Beide die geistliche Trommel schlagen in verschiedenen Städten zwischen der Stellung Burley's und dem Hauptquartier bei Hamilton.«

»Wahrscheinlich sie herbeizurufen?« sagte Morton mit scheinbarer Gleichgültigkeit.

»So hör' ich,« antwortete die Wache, die mit den Boten gesprochen hatte.

»Er will eine siegende Majorität im Rathe aufbieten,« dachte Morton, »um jede Grausamkeit, die er im Sinne hat, durch die rechtliche Gewalt bestätigen zu lassen, und so jeden Widerstand zu beseitigen. Wenn ich nicht eile, entschlüpft mir die Gelegenheit.«

Als er den Ort betrat, wo Lord Evandale gefangen saß, fand er diesen gefesselt auf einem Wollenbett in dem elenden Dachkämmerchen einer erbärmlichen Hütte. Als Morton eintrat, schien er in Schlummer oder tiefes Nachdenken versunken, und wie er sich ausrichtete, zeigte er Jenem ein Antlitz, das durch Blutverlust, Schlaflosigkeit und Mangel an Nahrung so entstellt war, daß Niemand den tapfern Krieger wieder erkannt hätte, der sich in dem Treffen bei Loudonhill so heldenhaft geschlagen. Er verrieth bei Mortons unerwartetem Eintritte einiges Erstaunen.

»Ich bedauere, Euch in diesem Zustande zu sehen, Mylord,« sagte der junge Offizier.

»Ich habe gehört, Ihr seid ein Bewunderer der Poesie, Herr Morton.« antwortete der Gefangene; »vielleicht erinnert Ihr Euch der Verse:

Glaub' nicht, daß ich gefangen sei,
Weil ich im Kerker hause.
Es steht mein Herz, so still und frei.
Im Kerker eine Klause.

Aber wäre meine Gefangenschaft auch weniger erträglich, ich darf ja morgen auf gänzliche Befreiung hoffen.«

»Durch den Tod?« fragte Morton.

»Allerdings!« antwortete Evandale; »ich habe keine andere Aussicht. Euer Gefährte Burley hat bereits seine Hand in das Blut von Männern getaucht, die ihr niederer Stand und ihre unbekannte Herkunft hätten retten sollen. Ich kann mich eines solchen Schildes gegen seine Rache nicht rühmen und bin auf Alles gefaßt.«

»Aber vielleicht,« sagte Morton, »ergibt sich Major Bellenden, um Euer Leben zu retten.«

»Nimmermehr, so lange noch ein Mann da ist, die Mauer zu vertheidigen, und dieser Mann noch eine Brodkruste zu nagen hat. Ich kenne seinen muthigen Entschluß, und herzlich leid wär' es mir, wollt' er ihn meinetwegen ändern.«

Morton beeilte sich, ihn mit dem Aufstande unter den Dragonern und ihrem Vorsatze bekannt zu machen, das Schloß zu übergeben, und die Damen und den Major dem Feinde zu überantworten. Lord Evandale schien anfangs überrascht und etwas ungläubig, bald darauf aber tief ergriffen.

»Was ist zu thun?« fragte er. – »Wie ist dies Unglück abzuwenden?«

»Hört, Mylord!« sagte Morton. »Ich glaube, Ihr werdet nicht abgeneigt sein, den Oelzweig zu tragen zwischen unserem Herrn, dem König, und jenen Unterthanen, die nicht aus freier Wahl, sondern nothgedrungen jetzt unter Waffen stehen.«

»Ihr beurtheilt mich ganz richtig,« sagte Lord Evandale; »aber wozu soll das führen?«

»Erlaubt, Mylord!« fuhr Morton fort. »Ich setze Euch in Freiheit auf Ehrenwort; ja, Ihr sollt in's Schloß zurückkehren und freies Geleit haben für die Damen, den Major und Alle, die das Schloß verlassen, mit der Bedingung unverzüglicher Uebergabe. Ihr unterwerft Euch hierin nur der Nothwendigkeit; denn bei einer Meuterei unter der Besatzung und ohne Lebensmittel ist es unmöglich, einen Tag länger den Platz zu vertheidigen. Diejenigen aber, die Euch nicht folgen wollen, müssen ihr Loos erwarten. Ihr sollt nebst Euren Gefährten freies Geleit nach Edinburgh haben, oder wo sich sonst der Herzog von Monmouth aufhält. Für Eure Freiheit werdet Ihr, wie wir hoffen, Sr. Gnaden, als Generallieutenant des Königreichs, diese unterthänige Bittschrift und Vorstellung übergeben, welche die Beschwerden enthält, wodurch der Aufstand veranlaßt worden ist; wird Abhülfe zugestanden, so verbürge ich mein Haupt, daß der größte Theil der Insurgenten die Waffen niederlegt.«

Lord Evandale las die Schrift aufmerksam durch.

»Herr Morton,« sagte er, »nach meiner geringen Einsicht kann man gegen diese Maßregel wenig einwenden; ja, ich glaube sogar, daß sie in mancher Beziehung nur mit den Gesinnungen des Herzogs von Monmouth übereinstimmen: und doch – aufrichtig gestanden! – hege ich keine Hoffnung, daß sie gewährt werden, wenn Ihr nicht im Voraus die Waffen niederlegt.«

»Dadurch« – sagte Morton – »würden wir das Geständniß unserer unrechtmäßigen Bewaffnung machen, und das werde ich nie zugeben.«

»Das läßt sich auch kaum erwarten,« sagte Lord Evandale, »und doch scheitern gewiß die Unterhandlungen an diesem Punkte. Da ich meine Meinung ausrichtig gesagt habe, so will ich indessen mein Möglichstes thun, um eine Ausgleichung zu erwirken.«

»Das ist Alles, was wir hoffen und wünschen,« sagte Morton; »der Ausgang ist in Gottes Hand, der die Herzen der Fürsten lenkt. – Ihr nehmt also freies Geleit an?«

»Gewiß!« antwortete Lord Evandale, »und wenn ich mich jetzt nicht über die Verbindlichkeit auslasse, die Ihr mir durch die abermalige Rettung meines Lebens auflegt, so glaubt mir, daß ich sie darum nicht minder fühle.''

»Und die Besatzung von Tillietudlem?« fragte Morton.

»Soll nach Eurem Vorschläge zurückgezogen werden. – Ich bin fest überzeugt, der Major bringt diese Meuterer nicht zur Ruhe, und ich zittere, wenn ich an die Folgen denke, im Fall die Damen und der tapfere Greis diesem blutdürstigen Schurken Burley überliefert würden.«

»So seid Ihr frei!« sagte Morton. »Macht Euch bereit, ein Pferd zu besteigen; einige zuversichtliche Leute sollen Euch geleiten, bis Ihr vor unsern Truppen sicher seid.«

Morton verließ Lord Evandale höchst erstaunt und erfreut über diese unerwartete Befreiung, und eilte, einige berittene und wohlbewaffnete Leute auszulesen, von denen jeder noch ein Handpferd hatte. Jenny, die während ihres Mahles mit Cuddie Frieden zu schließen gesucht hatte, ritt zur Linken dieses tapfern Cavaliers. Bald hörte Lord Evandale den Hufschlag der Pferde unter dem Fenster seines Gefängnisses. Zwei ihm unbekannte Männer traten in sein Gemach, entledigten ihn seiner Fesseln, führten ihn die Treppe hinunter und ließen ihn in der Mitte ihrer Abtheilung zu Pferde steigen. Nun gings in raschem Trabe aus Tillietudlem zu.

Der Mond wich der Morgendämmerung, als sie sich der alten Veste näherten, deren düsteres Gemäuer in der schwachen Beleuchtung des Morgenrothes stand. Die Reiter hielten an der Verschanzung und wagten sich, aus Furcht vor dem Geschütz, nicht weiter. Lord Evandale allein ritt auf das Thor zu, und in einiger Entfernung folgte ihm Jenny Dennison. Als sie sich dem Thore näherten, vernahmen sie in dem Schloßhofe einen Lärm, der mit der heitern Ruhe eines Sommermorgens schlecht übereinstimmte. Geschrei und Flüche ließen sich hören, einige Pistolenschüsse fielen, und Alles verkündete, daß die Meuterei ausgebrochen war. In diesem Augenblicke kam Lord Evandale an's Thor, wo Halliday Wache stand. Dieser hatte nur widerstrebend in die Verschwörung eingewilligt, und er war es auch, der Jenny's Entkommen aus dem Schlosse und den Anschlag seinem Offiziere mitzutheilen möglich gemacht hatte. Als er Lord Evandale's Stimme hörte, ließ er ihn sogleich mit Freuden ein, und Jener trat nun, wie aus den Wolken gefallen, unter die Aufwiegler. Gerade wollten sie ihren Plan, sich des Platzes zu bemächtigen, ausführen, und waren im Begriff, den Major Bellenden, Harrison und die Andern, welche sich nach Kräften wehrten, zu entwaffnen.

Lord Evandale's Erscheinung änderte die Scene. Er packte Inglis beim Kragen, warf ihm seine Niederträchtigkeit vor und befahl zweien seiner Kameraden, ihn zu binden, indem er ihnen versicherte, daß sie nur durch augenblickliche Unterwerfung Gnade zu hoffen hätten. Sodann befahl er ihnen, in Reih' und Glied zu treten. Sie gehorchten. Er befahl ihnen, die Waffen zu strecken. Sie zögerten. Aber der instinktmäßige Gehorsam und die Ueberzeugung, daß die so dreist ausgeübte Gewalt ihres Offiziers durch Mannschaft außerhalb des Thores unterstützt sein müsse, brachte sie zur Unterwerfung.

»Fort mit diesen Waffen!« rief Lord Evandale den Leuten des Schlosses zu; »sie sollen ihnen nicht eher zurückgegeben werden, bis sie bessern Gebrauch davon zu machen wissen. – Und jetzt,« fuhr er an die Empörer gewendet fort, – »geht – benutzt eure Zeit auf's Beste, und den dreistündigen Waffenstillstand, den euch der Feind gewährt. – Nehmt euren Weg nach Edinburgh; am Moorhause sollt ihr mich wiederfinden. Ich brauche euch wohl nicht zu ermahnen, daß ihr euch auf dem Wage jeder Gewaltthätigkeit enthaltet. Um eurer selbst willen werdet ihr in eurer jetzigen Lage den Zorn der Leute nicht reizen wollen. Zeigt mir durch pünktlichen Gehorsam, daß ihr euer Benehmen von diesem Morgen wieder gut machen wollet.«

Die entwaffneten Soldaten zogen sich schweigend von ihrem Offizier zurück, verließen das Schloß und eilten nach dem bezeichnten Orte, um nicht auf eine Abtheilung Insurgenten zu stoßen, denen ihre jetzige wehrlose Lage und ihre früheren Gewaltthätigkeiten leicht die Lust zur Rache hätten einflößen können. Inglis, den Evandale zur Strafe ausersehen, blieb in Gewahrsam. Halliday ward wegen seines Benehmens gelobt, und erhielt das Versprechen, in den Grad des Schuldigen einzurücken. Nach diesen in aller Eile getroffenen Anordnungen näherte sich Lord Evandale dem Major, vor dessen Augen der ganze Auftritt wie ein Traum vorübergegangen war.

»Mein lieber Major, wir müssen den Platz übergeben.«

»So?« sagte Major Bellenden. »Ich hoffte, Ihr hättet Vorrath und Verstärkung mitgebracht.«

»Nicht einen Mann – nicht ein Pfund Mehl,« antwortete Lord Evandale.

»Dennoch freut es mich. Euch zu sehen,« erwiderte der wackere Major. »Wir hörten gestern, diese psalmsingenden Schurken hätten einen Anschlag gegen Euer Leben; da musterte ich vor zehn Minuten die schuftigen Dragoner, um Burby's Hauptquartier zu überfallen und Euch aus der Klemme zu ziehen, als der Hund Inglis, statt mir zu gehorchen, in offene Meuterei ausbrach. – Aber was ist jetzt zu thun?«

»Ich selbst habe keine Wahl,« sagte Lord Evandale; »ich bin ein Gefangener, auf mein Ehrenwort freigegeben, und muß nach Edinburgh. Ihr und die Damen müßt ebenfalls dahin. Durch die Gefälligkeit eines Freundes hab' ich sicheres Geleit, und Pferde für Euch und Euer Gefolge. – Um Gotteswillen eilt! Ihr könnt doch nicht daran denken, mit sieben oder acht Mann und ohne Lebensmittel Euch zu halten. – Genug ist für die Ehre geschehen, genug, um die Verteidigung für die Regierung höchst wichtig zu machen. Noch mehr zu thun wäre unnütz und tollkühn. Die englischen Truppen sind zu Edinburgh angekommen und werden bald auf Hamilton losrücken. Nur kurze Zeit wird Tillietudlem in den Händen der Rebellen sein.«

»Wenn Ihr so meint, Mylord,« sagte der Veteran mit einem schweren Seufzer, – »ich weiß, Ihr könnt mir nichts rathen, was nicht ehrenvoll ist – so muß ich mich wohl fügen. Denn die Empörung dieser Wichte macht es unmöglich, die Mauern zu besetzen. – Gudyill, die Frauen sollen ihre Herrschaft zusammenrufen und Alle zum Abzug bereit sein. – Könnt ich aber denken, daß es der Sache des Königs nur im Geringsten nütze, wenn ich in diesen Mauern bis zur Mumie eintrocknete, so würde der alte Miles Bellenden nicht weichen, so lange noch ein Lebensfünkchen in ihm glüht. »

Die Damen, schon durch die Meuterei aufgeschreckt, vernahmen jetzt den Entschluß des Majors und stimmten ihm willig bei. Man beeilte sich nun, das Schloß zu verlassen, und lange, ehe das Tageslicht hell genug war, die Gegenstände genau zu unterscheiden, saßen sie zu Pferde und ritten nordwärts, von vier presbyterianischen Reitern begleitet. Der übrige Trupp, welcher Lord Evandale aus dem Dorfe geführt, nahm Besitz von dem verlassenen Schlosse, und vermied jede Gewaltthätigkeit und Plünderung. Als die Sonne aufging, flatterte die roth-blaue Fahne des schottischen Covenants aus den Zinnen von Tillietudlem.


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