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Siebentes Kapitel.
Der Theetisch.

– – – – wo jene Schale wartet,
Die uns erquicken, aber nicht berauschen kann.

Cowper.

Es war Gebrauch auf dem Gesundbrunnen unter dem schönen Geschlechte, daß eine der versammelten Damen zuweilen der Bade-Gesellschaft einen Thee gab, wenn nämlich ihr Rang und Benehmen in diesem kleinen Zirkel für wichtig genug erachtet ward, die Regentin eines Abends zu sein. Die Lady trug dann gemeinhin die Obergewalt, welche sie an diesem Abend behauptete, in das Ballzimmer über, wo zwei Violinen und ein Baß, für eine Guinee die Nacht, von der dazu gehörigen Anzahl Talglichtern erleuchtet (wider deren Gebrauch sich Lady Penelope oft auflehnte), die Gesellschaft fähig machten, wenn man sich so ausdrücken will, »den Abend auf leichter, lustiger Zeh' zu schließen.«

Im gegenwärtigen Falle hatte der Held des Tages, Mr. Francis Tyrrel, so wenig den hochgeschraubten Erwartungen der Lady Penelope entsprochen, daß sie es fast bedauerte, sich jemals um ihn bemüht, besonders aber sich den Vorsitz am Theetisch nebst der dazu gehörigen Ausgabe für Suchong und Congou-Thee für diesen Abend erlistet zu haben. Demzufolge hatte Ihro Herrlichkeit kaum ihrer Kammerfrau und Stubenmädchen den Befehl ertheilt, den Thee zu machen, und den Pagen nebst Lakeien und Postillon zum Herumreichen desselben angestellt (bei welchem Geschäft sie von zwei reich gekleideten und dick gepuderten Dienern der Lady Binks unterstützt wurden, deren Livreen die einfachern der Lady Penelope verdunkelten, und selbst den Glanz der kleinen Krone auf den Knöpfen ihrer Lakeien überstrahlten), als sie auch schon anfing, verächtlich und herabsetzend von dem Manne zu sprechen, der so lange ein Gegenstand ihrer Neugierde war.

»Dieser Mr. Tyrrel,« sagte sie in einem gebieterisch entscheidenden Tone, »scheine nach allem eine sehr gewöhnliche Art von Menschen, gleichsam aus der Klasse des Volks, welcher, sie erkühne es sich zu sagen, seinen Stand wohl beachtet habe, indem er nach dem alten Bierhause gegangen sei, ihrer Aller Rath verschmähend, welcher ihm das gemeinsame Wohnhaus anpries. Er habe seinen Platz besser gekannt,« sagte sie, »es sei gar nichts Ungewöhnliches, weder in seiner Erscheinung noch Unterhaltung – gar nichts Hervorstechendes! – Sie glaube kaum, daß er die Skizze entworfen habe. Mr. Winterblossom mache zwar viel Lärm davon, aber alle Welt wisse ja, daß jeder Schnitzel von Kupferstich oder Zeichnung, welche sich Mr. Winterblossom anzueignen vermöchte, sobald es in seine Sammlung käme, das Schönste würde, was man jemals gesehen hätte. Dieß wäre die Weise aller Kunstsammler, ihre Gänse wären immer Schwäne.«

»Und, meine theure Lady Penelope, Ew. Herrlichkeit Schwan ward zur Gans,« sagte Lady Binks.

»Mein Schwan, theuerste Lady Binks? in Wahrheit, ich weiß gar nicht, wie ich diese Zueignung verdient habe!«

»Erzürnen Sie sich nicht, theure Lady Penelope, ich meine bloß, daß Sie seit vierzehn und mehreren Tagen stets nur von diesem Mr. Tyrrel gesprochen haben, und während des Mittagessens nur zu ihm –«

Die schöne Welt umher begann sich zu sammeln; da sie das Wort: Theuerste so bedeutend und oft in dem kurzen Gespräche ertönen hörte, und sich dadurch einige Kurzweil versprach, so bildete sie bald, wie der gemeine Haufe zu thun pflegt, einen Kreis um die zum Kampfe Gerüsteten.

»Er saß zwischen uns, Lady Binks,« antwortete Lady Penelope mit Würde. »Sie hatten Ihre gewöhnliche Migräne, wie Sie wissen, und um der Gesellschaft Ehre zu machen, sprach ich für Sie.«

»Für zwei, wenn es Ew. Herrlichkeit gefällt,« entgegnete Lady Binks, – »ich meine« – fügte sie hinzu, den Ausdruck mildernd, »für sich und mich.«

»Ich wäre außer mir,« sagte Lady Penelope, »wenn ich für Jemand gesprochen hätte, der so entscheidend für sich zu reden vermag, als meine theure Lady Binks. In keiner Art wünschte ich, die Unterredung zu verlängern – ich wiederhole es, es waltet ein Irrthum über diesen Mann ob.«

»Ich denke, es ist so,« sagte Lady Binks mit einem Tone, welcher indessen mehr als eine bloße Billigung der Meinung der Lady Penelope enthielt.

»Ich zweifle überhaupt, daß er ein Künstler ist,« fuhr Lady Penelope fort. – »Oder er ist einer, doch nur ein solcher, der für Journale oder ähnliches Zeug arbeitet.«

»Ich zweifle auch, daß er ein Künstler von Profession ist,« sagte Lady Binks. »Wenigstens gehört er dann zu den höchsten Klassen, denn ich habe kaum jemals einen so fein gebildeten Mann gesehen.«

»Es gibt sehr wohl erzogene Künstler,« versetzte Lady Penelope, »denn selbst Edelleute weihen sich der Kunst.«

»Ganz gewiß,« – antwortete Lady Binks. – »Allein die ärmern dieser Klasse haben oft mit Armuth und Abhängigkeit zu kämpfen. In der Welt stehen sie da wie Handelsleute vor den Zollbeamten, und das ist immer ein schwer zu überstehender Punkt. Man findet sie von allen Arten – zurückgezogen und schüchtern, wenn sie sich ihres Verdienstes bewußt sind, – unruhig und grillenhaft, um ihre Unabhängigkeit zu zeigen, – aufdringlich, um ja recht frei sich darzustellen, zuweilen wieder schmeichelnd und unterwürfig, wenn sie Männer von geringem Werthe sind. – Fast niemals sieht man sie ohne Zwang, und darum halte ich Mr. Tyrrel entweder für einen Künstler der ersten Gattung, der weder Geld-Rücksichten nöthig hat, noch eines drückenden Schutzes bedarf, oder er ist überhaupt kein Künstler.«

Lady Penelope blickte Lady Binks ungefähr so an, wie Bileam vielleicht seinen Esel angestaunt hat, als er dessen Fähigkeit entdeckte, eine Gegenrede zu halten. Sie murmelte in sich hinein ( mon âne parle, et même il parle bien); allein den Wortwechsel vermeidend, den Lady Binks zu eröffnen bereit schien, entgegnete sie ganz munter: »Gut, theuerste Rachel, wir wollen nicht über ihn in Zwist gerathen; nein, vielmehr Ihre gute Meinung von ihm gibt ihm in meinen Augen neuen Werth. So geht es immer, meine theure Freundin, unter uns Frauen; wir können das immerhin gestehen, wenn nur keiner dieser gebrechlichen, betrügerischen Männer gegenwärtig ist. Man wird ja erfahren, wer er eigentlich ist, er soll nicht bloß von weitem geschaut werden, und unerkannt unter uns wandeln – nicht wahr, Maria?«

»In der That, Lady Penelope,« antwortete Miß Diggs, mit deren voreiligem Schnattern wir bereits den Leser bekannt machten, »er ist wirklich ein schöner Mann, obgleich seine Nase zu dick und sein Mund zu groß ist, aber Zähne wie Perlen, und was hat er für Augen, besonders wenn er mit Ew. Herrlichkeit spricht. Ich weiß nicht, haben Sie seine Augen wohl betrachtet, sie sind so schwarz und melancholisch, voll strahlenden Glanzes, gerade wie Sie es uns neulich vorlasen in dem Briefe einer Dame über Robert Burns.«

»Auf mein Wort, Miß, Sie sind sehr scharfsichtig,« rief Lady Penelope; »ich sehe, man muß sich in Acht nehmen mit dem, was man Ihnen vorliest, oder was man vor Ihnen unternimmt. Kommt, Jones, seid gnädig gegen uns mit Eurem Tassengeklimper! – Lassen Sie uns, wenn es gefällig ist, den ersten Akt des Theetisches eröffnen.«

»Meinen Euer Herrlichkeit das Gebet?« fragte die ehrliche Frau Blower, welche sich zum ersten Male dieser würdigen Gesellschaft anschloß, und eifrig beschäftigt war, ein indisches Schnupftuch, welches ein kleines Segel auf ihres Mannes Schmuggler-Boten hätte abgeben können, auf ihr Knie auszubreiten, um ihr seidnes Kleid vor allen Gefahren des Thees und des Kuchens zu decken, denen sie Willens schien, alle mögliche Ehre zu erzeigen. »Wenn Eure Herrlichkeit das Gebet meinen, da seh' ich eben den Prediger kommen; Ihro Herrlichkeit warten schon, Sir, daß Sie den Segen sprechen möchten, wenn es Ihnen gefällig ist, Sir!«

Diese Worte richteten sich an den Mr. Simon Chatterley, der so eben mit schleichendem, höfischem Schritt in das Zimmer trat. – Er sandte durch seine Brille einen erstaunten Blick auf die Frau, und glitt schweigend weiter nach dem Theetische. Mr. Winterblossom, der hinter dem Geistlichen hertrödelte, da seine Zehe ihm mahnend verständlich gemacht hatte, daß es Zeit sei, das Mittagsmahl zu verlassen, zog sich gleich auf die andere Seite des Tisches, obgleich er die Gesichtsmuskeln der guten Person vor Verlangen angeschwellt sah, die Gewohnheiten und Gebräuche des Orts zu erforschen; achtlos ließ er sie in ihrer angstvollen Neugierde sitzen.

Einen Augenblick darauf ward sie aber durch den Eintritt des Doctor Quackleben aufgerichtet, dem ein Gast eben so würdig seiner Aufmerksamkeit erschien, als der andere, und der aus Erfahrung wußte, daß das Honorar von solcher gottseligen Frau aus dem Bowhead eine eben so wichtige, wenn nicht noch einträglichere Einnahme sei, als die Lady Penelope ihm gewährte. Er setzte sich also bei Mistreß Blower ruhig nieder, indem er sich auf die höflichste Weise nach ihrer Gesundheit erkundigte, hoffend, sie würde nicht vergessen haben, vor Tische einen Eßlöffel voll Liqueur als ein Gegenmittel gegen die Unverdaulichkeit zu genießen.

»In Wahrheit, Doctor,« sagte die ehrliche Frau, »ich haßte den Branntwein, so lange als ich den sah, dessen Gesundheit sich dadurch so aufrieb, und wenn ich mich doch gedrungen sah, gesundheitshalber ihn hervorzuholen, nahm ich wohl hin und wieder einen Fingerhut voll, obwohl ich das sonst nicht zu thun pflegte, Doctor Quackleben. Ich kann aber nicht anders sagen, als daß es mir gut that.«

»Unbezweifelt haben Sie Recht, Madame,« sagte der Doctor. »Im Allgemeinen bin ich kein Freund der starken Getränke – allein es gibt einzelne Fälle – mein werther Lehrer, einer unserer geschicktesten Aerzte, nahm jeden Nachmittag ein ganzes Glas voll Rum mit Zucker gemischt, zu sich.«

»O bester Herr, das muß ein herrlicher Doctor gewesen sein,« sagte Mistreß Blower »– der hätte meinen Zustand gewiß beurtheilen können. Lebt er noch?«

»Todt, seit vielen Jahren todt, Madame,« versetzte der Doctor. »Wenige seiner Schüler ersetzen seine Stelle; ja, wenn ich eine Ausnahme mache, so ist es nur, weil ich ein Liebling von ihm war. Ach, gesegnet sei sein altes, rothes Kleid – es bedeckte mehr Wissenschaft, als jetzt die Kleidung aller Professoren neuerer Universitäten.«

»Es gibt in Edinburgh einen Arzt, der sehr empfohlen wird,« meinte Mistreß Blower. »Macgregor, so nennt man ihn, von nah und fern fragt man ihn um Rath.«

»Ich weiß, wen Sie meinen, Madame, ein tüchtiger Mann – ich kann's nicht läugnen – sehr wacker – allein es gibt manchmal besondere Krankheiten – die Ihrige zum Beispiel – und ich denke, viele andere noch der hiesigen Brunnengäste, von denen man sagen kann, er versteht sie durchaus nicht. – Er ist sehr rasch – sehr, sehr eilig. – Ich lasse erst die Krankheit mir den Weg anzeigen – dann beobachte ich – Mistreß Blower – ich beobachte sorgsam den Wechsel, die Fluth und Ebbe derselben.«

»Ja, das ist wahr – das ist wahr,« – antwortete die Wittwe, »der arme John Blower beobachtete auch immer Fluth und Ebbe.«

»Auch ist er ein Hunger-Doctor, Mistreß Blower; er besiegt die Krankheiten, wie die Soldaten die Festungen, durch Hunger, ohne zu überlegen, daß die friedlichen Einwohner eben so viel dabei leiden, als die feindliche Garnison.«

Hier unterbrach er sich selbstzufrieden durch ein bedeutendes Husten und fuhr dann fort:

»Ich bin kein Freund von gewaltthätigen Mitteln, Mistreß Blower – die Natur muß nur unterstützt werden – gute Diät, die rechten Mittel freilich von einem guten Arzte empfohlen, das ist meine Meinung, Mistreß Blower, wenn ich als Freund sprechen soll; Andere mögen, wenn sie das Herz dazu haben, ihre Kranken ausdörren!«

»Der Himmel bewahre mich vor der Hungerkur, Doctor Keekerben,« sagte die aufgeregte Wittwe. »Was sollte aus mir werden, wenn ich das entbehren sollte, was mein armer Körper täglich nothdürftig bedarf. Niemand bekümmert sich um mich, seit mein John Blower dahingerafft wurde. – Danke, mein Freund« (zum Bedienten, der Thee umher reichte), »danke, mein gutes Kind« (zum Pagen, der den Kuchen trug), »finden Sie nicht, Doctor (mit halb leiser Stimme), daß der Thee Ihro Herrlichkeit sehr schwächlich, ja fast Wasser zu nennen ist, und Mr. Jones, könnte er hier sein! – würde den Streukuchen sehr dünn gefunden haben.«

»Es ist die Mode so, Mistreß Blower,« antwortete der Doctor, »ich finde den Thee der Lady vortrefflich. Aber Ihr Geschmack hat ein wenig gelitten, bei dem ersten Gebrauch des Brunnens nichts Ungewöhnliches, daher entgeht Ihnen der aromatische Duft. Wir müssen die Nerven unterstützen, die Verdauungswerkzeuge stärken – lassen Sie mich machen, Mistreß Blower, Sie sind eine Fremde, wir müssen Sorge für Sie tragen – ich habe ein Elixir, welches alles sogleich in die gehörige Ordnung bringt.«

So sprechend, zog er aus seiner Tasche einen kleinen, tragbaren Medizin-Kasten, indem er rief: »Sie finden mich nie ohne mein Handwerkzeug! dieß ist die Quintessenz der ganzen Apotheke, das Uebrige ist Alles dummes Zeug mit hochtrabenden Namen. Dieser kleine Kasten, – vierzehn Tage oder einen Monat den St. Ronans-Brunnen dabei genossen, – so stirbt keiner, bis der Tag erscheint, wo ihm sein Ziel gesteckt ist.«

So prahlend, nahm er eine kleine Phiole heraus mit einer Flüssigkeit von glänzender Farbe angefüllt, von welcher er drei Theelöffel voll in Mistreß Blowers Tasse mischte, welche unmittelbar darauf eingestand, daß der Wohlgeruch sich über allen Begriff vermehrt habe, und daß es wirklich sehr stärkend und erquickend sei.

»Sollte es nicht auch für mein Uebel gut sein, Doctor?« fragte Mr. Winterblossom, indem er zu ihm watschelte und ihm seine Tasse hinhielt.

»Behüte der Himmel, Mr. Winterblossom,« rief der Doctor, indem er sein Kästchen mit großer Kälte schloß, »Ihr Fall ist ödematisch, und Sie behandeln ihn auf Ihre Weise – Sie sind sich selbst Arzt genug, und ich behandle den Kranken nie mit einem andern zusammen.«

»Gut, Doctor, so muß ich warten, bis Sir Bingo kommt, der hat gewöhnlich eine Jagdflasche bei sich, die eine so gute Medizin, als die Ihrige enthält.«

»So werden Sie lange warten müssen, er ist ein Edelmann, der seinen Gewohnheiten treu bleibt. – Er hat neue Flaschen beordert.«

»Sir Bingo ist, dünkt mich, kein passender Name für einen Edelmann; meinen Sie nicht auch, Doctor Cockleben?« sagte Mistreß Blower. »Mein guter John Blower, wenn er ein bischen lustigen Wind im Kopfe hatte, wie er es nannte, der arme Schelm, da sang er ein Lied von einem Hunde, genannt Bingo, der einem Pächter gehörte!«

»Unser Bingo ist aber jetzt noch ein junges Ding, Madame, und wenn er ein Hund ist, wenigstens ein durstiger Hund,« sagte Mr. Winterblossom, seinem Witze mit eignem, unnachahmlichen Lächeln Beifall ertheilend.

»Oder lieber ein toller Hund,« sagte wohlgefällig Mr. Chatterley, »denn er trinkt nie Wasser!« Hier lächelte er lieblich bei dem Gedanken, das Wortspiel des Präsidenten noch übertroffen zu haben.

»Zwei recht lustige Männer,« sagte die Wittwe, »und so hat, denk' ich, Sir Bingo sein gehöriges Theil bekommen; allein Leid sollte es mir thun, wenn er so die Flasche liebt; das war auch des armen John Blower Fehler. Das abscheuliche Zechen! ja, wenn er darnach strebte, den Bodensatz einer Punschbowle zu ergründen, dann war keine Vernunft mehr in ihm. – Aber da haben sie schon Alles weggenommen. Ist es nicht Unrecht, Doctor, daß alle die menschlichen Genüsse so ohne Dank verzehrt worden sind? Mr. Chatterling, wenn er nämlich wirklich ein Prediger ist, hat viel zu verantworten, daß er so seines Herrn Gebote vernachlässigt.«

»Ei nun, Madame,« sagte der Doctor, – Mr. Chatterley ist so eben erst zu der Würde eines ordinirten Predigers erhoben worden.«

»Eines ordinirten Predigers? – ach, Doctor, das ist wohl nur ein Scherz von Ihnen,« sagte die Wittwe, »das ist ja wie der arme John gesprochen, wenn ich ihn ermahnte, die liebliche Peggy (das Schiff war nach mir benannt, Doctor Kittleben), Schiff und Ladung den Gebeten der heiligen Versammlungen zu vertrauen. Die mögen, antwortete er mir, immer beten, die, welche für die Gefahr Peggy Bryces mir einstehen müssen, denn ich habe es mir versichern lassen! Es war ein spaßhafter Mann, Doctor, aber er hatte es so in sich, wie er sich lustig auszudrücken pflegte, so tief in sich, wie nur jemals ein Schiff Anker faßte auf der Rhede von Leith. – Ich bin ein recht einsames Geschöpf seit seinem Tode; – ach die schrecklichen Tage und Nächte, die ich seitdem gehabt habe! – Ach, und die Schwere der Nerven – die Nerven – Doctor – obgleich ich sagen kann, ich befinde mich, seit ich hier bin, doch besser, als früher. – Allein was bin ich für Ihr Elixir schuldig? – Es hat mir schon ein frisches Herz gemacht, ich möchte Ihnen mein ganzes Gemüth aufschließen.«

»Pfui! pfui! Madame,« sagte der Doctor, als die Wittwe einen ledernen Schiffsbeutel herausnahm, solchen, worin die Seeleute ihren Tabak zu haben pflegen, der aber, wie es schien, wohl mit Banknoten versehen war. »Ei, ei, Madame – ich bin kein Apotheker, ich habe mein Diplom aus Leyden, bin ein wirklicher Doctor. – Das Elixir ist ganz zu Ihren Diensten, und wünschen Sie einigen Rath oder Beistand, so wird Niemand stolzer sein, Ihnen solchen zu ertheilen, als Ihr unterthänigster Diener.«

»Wahrhaftig, ich bin Ihnen sehr für Ihre Artigkeit verbunden, Doctor Kickalpin,« sagte die Wittwe, ihre Tasche entfaltend. »Dies war Mr. John Blowers Tabakstasche, wie er sie nannte, darum trag' ich sie zu seinem Andenken. Ach, es war ein lieber Mann, der mich ganz gemächlich versehen in dieser Welt zurückließ. Aber Glücksgüter haben ihre Lasten – eine einzelne Frau, das ist ein hartes Geschick.«

Doctor Quackleben rückte seinen Stuhl ein wenig näher zu der Wittwe hin, und leitete eine engere Unterhaltung mit ihr ein, ohne Zweifel mit zarten Tröstungen gemischt, welche die Ohren der übrigen Gesellschaft nicht vernehmen sollten. –

Eine der Hauptvergnügungen eines Badeortes ist, daß jedes Einzelnen Angelegenheiten unter der speziellen Bewachung der ganzen Gesellschaft stehen, so daß die verschiedenen Verständnisse, Verbindungen u. s. w., welche natürlich sich in einer solchen Gesellschaft anknüpfen, nicht allein zu der Unterhaltung der eigentlich handelnden Personen, sondern auch der Zuschauer beitragen, das heißt also, die ganze Gesellschaft, die sich dort befindet, beschäftigen. Lady Penelope, die herrschende Göttin des Tages, achtsam auf Alles, was vorging, verfehlte nicht, des Doctors emsige Unterredung mit der Wittwe zu bemerken, wie den muthigen Griff, mit welchem er sich ihrer schönen, dicken Hand bemächtigte, halb wie ein galanter Anbeter, halb wie ein rathgebender Doctor.

»Um des Himmelswillen!« sagte Ihro Herrlichkeit, »wer kann die angenehme Dame sein, die unser gelehrter, weiser Doctor mit so ungewöhnlicher Achtung behandelt!«

»Fett! schön! und vierzigjährig!« sagte Mr. Winterblossom, »das ist Alles, was ich von ihr weiß – eine Kaufmannsfrau.«

»Eine Karrake, Herr Präsident,« sagte der Kaplan, »reich mit Colonialwaaren beladen, die den Namen liebliche Peggy Bryce führt, und ohne Piloten ist. Der verstorbene John Blower von North-Leith, der sie für das Boot des stygischen Charon vertauschen mußte, ließ dieses Schiff ohne Steuermann zurück.«

»Der Doctor,« rief Lady Penelope, indem sie ihr Glas nach ihm hinwandte, »scheint die Rolle des Steuermannes spielen zu wollen.«

»Ich glaube beinahe, er will ihren Namen und Stand verändern,« sagte Mr. Chatterley.

»Er kann zur Erwiederung nicht weniger thun,« entgegnete Winterblossom. »Sie hat seinen Namen, wie ich selbst gehört habe, sechsmal in fünf Minuten verändert!«

»Was denken Sie davon, meine theure Lady Binks?« – fragte Lady Penelope.

»Madame?« – fragte Lady Dinks, von einer Träumerei erwachend, und antwortend wie Jemand, der entweder die Frage gar nicht gehört, oder doch nicht verstanden hat.

»Ich meine, was denken Sie von dem, was dort unten sich anknüpft?«

Lady Binks drehte ihr Glas dahin, wo Lady Penelope hindeutete, blickte den Doctor und die Wittwe mit einem dreisten, modischen Starren an, und dann ihre Hand wieder langsam fallen lassend, sagte sie gleichgiltig: »Wahrhaftig, ich sehe gar nichts Bemerkenswerthes dort!«

»Ich sage, es ist eine herrliche Sache, verheirathet zu sein,« rief Lady Penelope. »Solcher Leute Gedanken sind so mit der eignen Glückseligkeit beschäftigt, daß sie weder Neigung noch Zeit haben, wie andere Leute zu lachen. Miß Rachel Bonyriggs würde über das, was Lady Binks kaum bemerkt, so gelacht haben, daß ihr die Augen übergegangen wären. Darum sage ich, das Glück, verheirathet zu sein, muß jedes andere übersteigen.«

»Glücklich würde ich den Mann schätzen, der Euer Herrlichkeit davon in allem Ernst überzeugen könnte,« sagte Mr. Winterblossom.

»Wer weiß, die Grille kann mich ergreifen,« entgegnete die Lady. – »Aber – nein – nein – nein, da hören Sie es dreimal.«

»Sagen Sie es noch sechszehnmal mehr,« versetzte der galante Präsident, »und lassen Sie nur das neunzehnte Nein eine Bejahung werden.«

»Und sagte ich tausend Neins, so sollte es keinem noch so kundigen Alchymisten gelingen, ein Ja – daraus zu zaubern,« rief die Lady! »Gesegnet sei das Angedenken der Königin Beß! Sie steht uns allen als ein Beispiel da, unsere Macht zu bewahren, wenn wir welche besitzen. – Aber welch' ein Lärmen ist das?«

»Nur der gewöhnliche Zank nach Tische,« antwortete der Befragte. »Ich höre des Kapitäns Stimme ihnen Friede gebieten, in des Teufels und der Damen Namen.«

»Auf mein Wort, theuerste Lady Binks, es ist sehr übel von Ihrem Eheherrn und von Mowbray, welche mehr Vernunft haben sollten, wie auch von den übrigen Claret-Trinkern, daß sie unsere Nerven jeden Abend so angreifen. Sich stets gegenseitig mit Pistolen zu bedrohen, gleich wilden Jägern, die den zwölften August des Regens wegen in's Haus gebannt sind. Ich bin des Friedenmachens müde – besser, es bräche einmal aus, was es auch sei. – Was meinen Sie, Liebe, wenn wir Ordre ertheilten, daß der nächste Streit ordentlich ausgefochten würde? – Wir könnten Zuschauerinnen sein, die Farben der Ritter tragen, und ereignet sich etwas Blutiges, so erleben wir es doch in Gemeinschaft. – Wittwentrauer stehet sehr gut, schauen Sie nur die Dame Blower in ihren schwarzen Gewändern an, meine theure Lady Binks – nicht, Sie beneiden dieselbe, meine Liebe?«

Lady Binks schien bereit, eine scharfe und heftige Antwort zu geben, hielt sich aber zurück, weil sie vernünftiger Weise nicht öffentlich mit Lady Penelope brechen konnte. In demselben Augenblick öffnete sich das Zimmer, und es erschien eine Dame im Reitkleide, einen schwarzen Schleier auf dem Hut, am Eingange desselben.

»Ihr Engel und all' ihr Mächte des Himmels,« rief Lady Penelope mit dem tragischsten Anstande. »Warum so spät, meine theure Clara! und warum so? – wollen Sie nach meinem Ankleidezimmer gehen? – Jones soll Ihnen eines meiner Kleider geben, wir sind von einer Taille, – bitte – thun Sie es – ich werde eitel auf mein eigenes Kleid sein, wenn Sie es getragen haben.«

Dieses alles ward mit dem Tone der schwärmerischsten Freundschaft gesprochen, und zu gleicher Zeit reichte die schöne Wirthin der Miß Mowbray eine jener Liebkosungen, die das weibliche Geschlecht oft an einander verschwendet, zum großen Mißvergnügen und Neid der männlichen Zuschauer.

»Aber Sie zittern, meine theuerste Clara – Sie haben Fieber – ich bin davon überzeugt,« fuhr die zart besorgte Lady Penelope wieder fort. »O lassen Sie sich überreden sich niederzulegen.«

»Sie irren, Lady Penelope,« sagte Miß Mowbray, welche die Freundschaftsversicherungen der Lady mehr als eine Sache der Gewohnheit zu beachten schien. »Ich bin erhitzt, mein Klepper trabte etwas hart – das ist das ganze Geheimniß, ich bitte um eine Tasse Thee, Mistreß Jones, damit ist alles gut.«

»Frischen Thee, Jones – augenblicklich!« rief Lady Penelope, und führte ihre gleichmüthige Freundin nach dem Hintergrunde des Zimmers, welches sie den kleinen Winkel nannte, wo sich ihr Hof versammelte. Die Herren und Damen verneigten sich indem sie vorüber gingen, doch der neue Gast erwiederte diese Höflichkeit nur so viel, als die notwendigste Lebensart es erforderte. Lady Binks stand nicht auf, sie zu empfangen, sondern rückte sich bloß gerade, indem sie den Kopf etwas vorwärts beugte, eine Verneigung, welche Miß Mowbray eben so steif erwiederte, ohne von beiden Seiten weiter auf einander zu achten.

»Nun Doctor, wer kann das sein?« fragte die Wittwe. »Sie haben mir ja versprochen all' die Leute zu nennen – wer kann die Dame sein, mit welcher Lady Penelope solch' Wesen treibt? – und wie kann sie mit solchem Kleide und Filzhut erscheinen, wenn wir alle (einen wohlgefälligen Blick auf ihr Kleid werfend) in Seide und Atlas sind?«

»Leicht ist es mir, Ihre Frage zu beantworten,« entgegnete der dienstfertige Doctor. »Es ist Miß Clara Mowbray, die Schwester des Gutsherrn des Ortes, des Edelmannes im grünen Rock. – Weßhalb sie dieß Kleid trägt, oder sonst irgend etwas thut, möchte wohl leicht über eines Doctors Wissen gehen. Wahr ist es, ich habe immer gedacht, sie sei ein wenig – ein klein wenig verwirrt – nennen Sie es Nervenreiz – Hypochondrie – wie Sie sonst wollen.«

»Der Himmel steh' uns bei! das arme Ding!« rief die mitleidige Wittwe. – »Und wahrhaftig, sie sieht so aus. Aber es ist unrecht sie so allein umherschweifen zu lassen, Doctor, sie kann ja sich selbst oder Andern ein Leides zufügen! – Sehen Sie doch – Sie hat das Messer ergriffen! – Ach, sie will nur ein Schnittchen von dem gerösteten Brode abschneiden. Sie will nicht zugeben, daß der Junge, die gepuderte Meerkatze, ihr hilft. – Ei das ist nicht dumm gehandelt, Doctor, denn nun kann sie es sich nach ihrem Belieben dick oder dünn schneiden. – Mein Herr des Himmels, sie hat nicht mehr genommen als ein Krümchen, das man allenfalls einem Kanarienvogel zwischen die Stäbe seines Bauers stecken könnte. – Ich wollte sie würfe den langen Schleier zurück, oder zöge das Reitkleid aus, Doctor. Man sollte ihr wahrhaftig die Badegesetze zeigen, Doctor Kickelskin.«

»Sie kümmert sich um kein Gesetz, das wir machen können,« erwiederte der Doctor; »und ihres Bruders Wille und Vergnügen, wie Lady Penelopens wunderliche Grille, ihr alles nachzusehen, halten ihr überall die Stange. – Jene sollten Rath über ihren Zustand einziehen.«

»Ja, wahrhaftig, da ist's wohl noch Zeit Rath einzuziehen, wenn solch' ein junges Geschöpf wie ein Seeräuber gekleidet unter geputzten Damen erscheint, gerade als ob sie eben von der Rhede von Leith ausgerissen wäre! – Nein, sehen Sie nur, was Mylady für ein Leben mit ihr treibt! Man sollte glauben, es wären zwei Närrinnen aus einem Nest!«

»Sie mögen allerdings einen gleichen Flug genommen haben, so viel ich weiß,« entgegnete Doctor Quackleben; »aber frühzeitig ward Lady Penelopens Gesundheit einer guten Leitung übergeben. Mein Freund, der verstorbene Graf von Penfeather, hatte ein sehr richtiges Urtheil – ohne ärztlichen Rath ward wenig in seiner Familie unternommen, – so also, theils durch den Gebrauch des Brunnens, theils durch meinen Rath, ist Lady Penelope jetzt nur phantastisch-wunderlich – und dabei bleibt es. – Ihre übrigen Eigenschaften gleichen das aus – unter einer andern Behandlung möchte der bösartige Stoff leicht zur Krankheit ausgebrochen sein.«

»Ja, ihre Freunde haben gut für sie gesorgt,« rief die Wittwe, »aber dieses arme Mowbray'sche Kind, armes Ding, wie kömmt es, daß man sie so ganz sich selbst überließ?«

»Ihre Mutter war todt; der Vater nur mit seiner Jagd beschäftigt; der Bruder ward in England erzogen, und würde sich um Niemand gekümmert haben, selbst wenn er hier gewesen wäre. Ihr selbst blieb es überlassen, welche Erziehung sie sich gab. Eine Bibliothek alter Romane war ihre Lektüre; – Gesellschaft und Freunde – wie sie der Zufall ihr gab – es gab dort keinen Familienarzt, nicht einmal einen Chirurgus damals, zehn Meilen in der Runde! Da ist es denn eben kein Wunder, wenn das arme Ding ganz wirrig ward.«

»Armes Ding! – Kein Doctor – nicht einmal ein Chirurgus! – Aber Doctor,« sagte die Wittwe, »gesetzt den Fall, das arme Ding wäre ganz ordentlich gesund gewesen, nun dann« –

»Ah, ha ha, Madame, was dann? – Gerade dann, Madame, hätte sie eines Arztes noch mehr bedurft, als wenn sie schwächlich war. Ein unterrichteter Arzt, Mistreß Blower, versteht es, solche kernige Gesundheit, die ein sehr beunruhigender Zustand ist, wenn man sie secundum artem (von dem Standpunkte der Kunst) betrachtet, gehörig herunter zu bringen. Viel plötzliche Todesfälle entstehen aus solchem kräftigen Gesundheitszustande. – Ach – solch' eine unerschütterliche Gesundheit, das ist's, was die Aerzte am meisten bei ihren Kranken befürchten.«

»Ei wirklich, Doctor? Ja ich sehe es ein,« sagte die Wittwe, »was für einen großen Vortheil man davon erhält, wenn man einen solchen klugen Mann in seiner Nähe hat.«

Und des Doctors Stimme, in dem Eifer, den er aufbot, Mistreß Blower zu überzeugen, wie gefährlich es für sie sei, ohne ärztlichen Rath und Beistand zu leben, sank zu so leisem bittenden Laut herab, daß unser Berichterstatter nichts deutlich mehr vernehmen konnte. Er ward, wie es großen Rednern zuweilen geht, der Gallerie unverständlich.

Unterdessen überschüttete Lady Penelope Clara Mowbray mit ihren Liebkosungen. Welche Liebe eigentlich wirklich Lady Penelope in ihrem Herzen für Clara empfand, möchte schwer zu bestimmen sein – wahrscheinlich hegte sie für sie die Zärtlichkeit, die ein Kind einem Lieblingsspielwerke weiht. Aber Clara war ein Spielwerk, das nicht immer leicht zu behandeln war. Eben so wunderlich in ihrer Art, als Ihro Herrlichkeit in der ihrigen, waren der armen Clara Sonderbarkeiten ernsterer Gattung, als die nur angenommenen und übertriebenen der Lady. Ohne dem harten Ausspruch des Doctors über Clara beizutreten, war sie doch von sehr ungleicher Gemüthsstimmung, und ihre vorübergehenden Ausbrüche fröhlicher Ausgelassenheit wechselten mit langen schwermüthigen Zwischenräumen ab. So schien ihr Leichtsinn in den Augen der Welt bei weitem größer, als er wirklich war, denn sie hatte niemals die Rücksichten kennen gelernt, welche die wahrhaft gute Gesellschaft ehrt, und hegte eine unverdiente Verachtung gegen die, welche der Kreis, mit dem sie zuweilen zusammen traf, forderte, da sich unglücklicherweise in ihrer Umgebung Niemand befand, der ihr die wichtige Wahrheit gelehrt hätte, daß fast mehr aus Achtung für uns selbst als gegen andere wir stets einige Formen und Beschränkungen zu ehren haben. Deßhalb war ihre Kleidung, ihr Benehmen und ihre Art zu denken sehr eigenthümlich; und so reizend sie ihr auch standen, doch waren sie, gleich Opheliens Kränzen und abgebrochenen Gesängen, nur zu sehr fähig, selbst indem sie den Beobachter unterhielten, zugleich Mitleiden und Trauer zu erwecken.

»Und weßhalb kamen Sie nicht zum Mittagessen? – Wir erwarteten Sie – Ihr Thron war bereitet.«

»Kaum wäre ich zum Thee gekommen,« sagte Miß Mowbray, »wenn es meinem freien Willen überlassen blieb. Aber mein Bruder sagte, Ew. Herrlichkeit hätten sich vorgesetzt, nach Shaw-Castle zu kommen, und er bestand darauf, daß es durchaus nothwendig sei, Sie in einem so schmeichelhaften Vornehmen zu bestärken, daß ich hier erscheinen und sagen müßte, bitte, kommen Sie, Lady Penelope; und so bin ich denn hier, und sage, bitte, kommen Sie.«

»Ist eine so schmeichelhafte Einladung mir allein bestimmt, meine theure Clara? – Lady Binks wird eifersüchtig werden.«

»Bringen Sie Lady Binks, wenn Sie die Herablassung haben will, uns zu beehren – (und steif verneigten sich die Damen gegen einander) – bringen Sie Mr. Springblossom – Winterblossom – und alle hier versammelten Löwen und Löwinnen – wir haben Raum für die ganze Sammlung. – Mein Bruder wird, vermuthe ich, sein eigenes besonderes Regiment von Bären mitbringen, welches mit der dazu gehörigen, bei allen solchen Carawanen vorhandenen Auswahl von Affen die Menagerie vollzählig machen wird. Wie Sie sich übrigens in Shaw Castle unterhalten werden, das ist, dem Himmel sei Dank, Johns, nicht meine Sorge!«

»Wir werden keiner bedeutenden Unterhaltung bedürfen, meine Geliebte,« sagte Lady Penelope; »ein dejeuner à la fourchette; – wir wissen schon, Clara, Sie würden sterben, müßten Sie bei einem förmlichen Diner die Wirthin machen.«

»O nicht doch! Ich würde immer noch lange genug leben, um mein Testament zu entwerfen, und alles Bedeutende dem alten Nick zu übertragen, welcher diesen Dingen immer vorsteht.«

Lady Binks, die oft durch die sehr freisinnigen Aeußerungen Clara's in ihrem früheren Charakter der Koketterie und Unweiblichkeit sowohl, als in ihrer jetzigen steifen Zurückhaltung gekränkt worden war, sagte:

»Miß Mowbray entscheidet sich für Champagner und ein kleines Hühnchen nur!«

»Das Hühnchen ohne den Champagner, mit Ihrer Erlaubniß,« entgegnete Miß Mowbray. »Ich habe Damen gekannt, die den Champagner auf ihrer Tafel theuer erkauften. – Apropos, Lady Penelope, Ihre Menagerie ist nicht so gut in Zucht und Ordnung gehalten, als die des Pidcock und Polito. – Es war gewaltig viel Lärmen und Geheule in der untern Höhle, als ich vorbei ging.«

»Es ist die Futterstunde, meine Geliebte,« sagte Lady Penelope, »und die niedrigern Thiere jeder Gattung werden, wenn diese Zeit herannaht, immer wild – Sie sehen, alle unsere sanfteren, zahmeren Thiere sind frei gelassen und in vollkommen guter Ordnung.«

»Ja, ja; in Gegenwart des Hüters, das kennt man. – Ich muß es doch versuchen, trotz alle dem Gebrüll und Lärmen, durch die Halle zu gehen. – Ich wollte, ich hätte die Lammsviertel des Prinzen im Feenmährchen, sie ihnen vorzuwerfen, wenn sie ausbrechen sollten – den meine ich, der das Wasser aus dem Löwenbrunnen holen sollte. – Aber alles besser überlegt, will ich die Hinterthür hinausgehen und sie vermeiden. – Sagt nicht der würdige Bottom:

Denn wenn im Kampf sie mit den Löwen ringen
An solchem Ort, wird's Tod den Schwachen bringen.«

»Soll ich mit Ihnen gehen, meine Liebe?« fragte Lady Penelope.

»Nein – dazu habe ich eine zu starke Seele. – Ich denke auch überdem, bei einigen derselben macht bloß die Haut den Löwen.«

»Aber weßhalb wollen Sie so früh hinweg, Clara?«

»Weil mein Auftrag vollzogen ist. – Habe ich Sie und die Ihrigen nicht eingeladen? und würde Lord Chesterfield selbst mir nicht einräumen müssen, daß ich Höflichkeit ausübte?«

»Aber Sie sprachen mit gar Niemand in der Gesellschaft – wie können Sie so unfreundlich sein, meine Geliebte?«

»Ei, ich habe mit ihnen Allen gesprochen, wenn ich mit Ihnen und Lady Binks sprach. – Aber ich bin ein gutes Mädchen, ich thue, was man mir sagt.«

Damit in dem Zirkel umhersehend, wandte sie sich an einen Jeden mit dem Schein des Antheils und der Höflichkeit.

»Mr. Winterblossom, ich hoffe, Ihr Podagra ist jetzt besser. – Mr. Robert Rymar – (ich bin glücklich umhin gekommen, daß ich ihn nicht wieder Thomas nannte) ich hoffe doch, das Publikum muntert theilnehmend die Musen auf? – Mr. Keelavire, nicht wahr, Ihr Pinsel ist immer thätig? – Ah, Mr. Chatterley, gewiß, ich bezweifle es nicht, Ihre Heerde vergrößert sich täglich? – Doctor Quackleben, Ihre Patienten erholen sich gewiß alle. – Das sind Alle, die ich in der werthen Gesellschaft kenne – was die Uebrigen anbetrifft – Gesundheit den Kranken – Vergnügen den Gesunden!«

»Sie werden uns doch nicht wirklich verlassen, meine Geliebte?« fragte Lady Penelope. »Dieses stürmische Reiten erschüttert Ihre Nerven – gewiß, das ist der Fall – Sie sollten vorsichtig sein! – Soll ich mit dem Doctor Quackleben sprechen?«

»Weder Quick noch Quack soll sich um mich bekümmern, theuerste Lady. – Nein, nein, so ist's nicht, wie es da wohl Ihre Zeichen an Lady Binks sagen sollen – es ist wirklich nicht so, in der That. – Ich werde keine Lady Clementina werden, um das Mitleiden und das Erstaunen der Brunnengäste zu St. Ronans zu erregen. – Auch eine Ophelia nicht – obwohl ich mit ihr sage – gute Nacht, Ladies – gute Nacht, süße Damen! – Und nun, nicht meinen Wagen, meinen Wagen! – Aber mein Pferd, mein Pferd!« – Und hinweg eilte sie durch eine Seitenthür, während die zurückbleibenden Damen sich bedeutend anblickten.

»Etwas hat das arme unglückliche Mädchen verstört,« sagte Lady Penelope, »ich sah sie nie zuvor so sehr seltsam.«

»Soll ich meine Meinung sagen,« äußerte Lady Binks, »so denke ich, wie in der Posse Mistreß Highmore sagt, ihr Wahnsinn ist nur eine schlechte Entschuldigung für ihre Ungezogenheit.«

»Nicht doch, Lady Binks,« rief Lady Penelope, »schonen Sie meinen armen Liebling! Sie gewiß, Sie vor allen Andern sollten das Uebermaaß einer liebenswürdigen Ueberspannung eines lebhaften Gemüthes entschuldigen. – Verzeihen Sie mir, meine Geliebte, aber ich muß meine abwesende Freundin vertheidigen – Mylady Binks, davon bin ich überzeugt, ist zu großmüthig und aufrichtig, um

Die Kunst zu hassen, die sie selbst erhoben.«

»Keiner hohen Erhebung mir bewußt, Mylady,« entgegnete Lady Binks, »kenne ich eben so wenig irgend eine Kunst, welche ich mich genöthigt gesehen hätte anzuwenden. Ich denke, ein Fräulein aus einer alten schottischen Familie kann die Gemahlin eines englischen Baronets werden, ohne daß es eine so außerordentliche Verwunderung erregen sollte!« –

»Gewißlich – aber Sie wissen wohl, die Menschen wundern sich hienieden oft über gar nichts!« entgegnete Lady Penelope.

»Wenn Sie mir den armen Sir Bingo beneiden, Lady Penelope, ich will Ihnen einen bessern einfangen!«

»Ich bezweifle Ihre Talente keinesweges, aber wenn ich einen Mann bedarf, will ich mich schon selbst versorgen. Aber da kommt die ganze Trinker-Gesellschaft. – Joliffe, bietet den Herren Thee an – dann macht den Raum für die Tanzenden zurecht, und stellt die Spieltische im nächsten Zimmer auf.«



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