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Elftes Kapitel.
Brüderliche Liebe.

Was die Natur verband, soll heil'ge Liebe einen!
Wenn Kinder ich gesehn im heitern Spiel verloren,
Der Schwester lockig Haar vom blüh'nden Kranz umwunden
Den ihr der Bruder flocht, dem sie die Angel knüpft,
Da glaubt' ich nie, daß in der Zukunft Zeiten
Der Zwietracht Schlangenhaupt, des Argwohns scheuer Blick,
Des Eigennutzes feindliche Gewalten,
So heil'ge Bande einst entweihend sollten schmähn.

Ein Ungenannter.

Als Mowbray seinen gefährlichen Rathgeber verließ, den Weg einzuschlagen, den ihm derselbe angedeutet, obwohl er den Schein zu retten suchte, als habe er nicht die Hand im Spiele, begab sich der Squire in das kleine Zimmer, welches Clara das ihrige zu nennen pflegte, wo sie einen großen Theil ihrer Zeit verlebte. Es war mit einer Art phantastischer Zierlichkeit aufgeputzt, und die Nettigkeit und hohe Ordnung desselben bildete einen sehr grellen Abstich gegen die andern Gemächer des alten vernachlässigten Rittersitzes. Eine Menge zierlicher Kleinigkeiten lagen auf dem Arbeitstischchen, zugleich die feine Kunstfertigkeit und die unruhige Gemüthsstimmung der Bewohnerin andeutend. Unvollendete Zeichnungen, zerknitterte Noten, Handarbeiten aller Art, die mit Eifer und Geschick begonnen, doch plötzlich unbeendet bei Seite geworfen waren, boten sich dem Auge dar.

Clara selbst saß am Fenster auf einem niedrigen Ruhebettchen und las, oder schien mindestens in das Buch, dessen Blätter sie mechanisch umwandte, vertieft. Doch augenblicklich aufschreckend, als ihr Bruder in das Gemach trat, eilte sie ihm mit der zärtlichsten Innigkeit entgegen.

»Willkommen, willkommen, mein theurer John; es ist recht freundlich, daß du deine arme einsame Schwester besuchst. Ich habe mich gemartert, meine Augen hier fest auf das Buch zu heften, weil sie immer sagen, daß zu vieles Nachdenken mir schädlich sei. Aber entweder ist der Autor so langweilig, oder ich bin jeder Aufmerksamkeit unfähig, meine Augen gleiten über die Blätter halb träumend hin, ohne daß mir ein Wort ihres Sinnes klar wird. Sprich du mit mir, das wird mir viel besser thun. Was kann ich dir anbieten, dir zu beweisen, wie sehr willkommen du hier bist? Ich fürchte, mir steht nichts als Thee zu Gebot, und der hat gar wenig Werth für dich.«

»Doch werde ich heut gern eine Tasse hier trinken, denn ich habe mit dir zu reden,« entgegnete Mowbray.

»So soll Jessy ihn sogleich bereiten,« rief Clara, läutend und ihrem Mädchen den Befehl dazu ertheilend. – »Aber John, du mußt nicht undankbar sein, und mich mit irgend einer Vorbereitung zu deinem Feste quälen. Ein jeder Tag hat an seiner Plage zur Genüge! Ich werde meine Rolle so gut und hübsch durchführen, als du nur wünschen kannst, aber Herz und Kopf würden gar unmuthig werden, sollte ich schon zuvor mich damit beschäftigen; – deßhalb hoffe ich, du wirst mich damit verschonen.«

»Ei, du wildes Vögelchen, du wirst mir alle Tage menschenscheuer,« – sagte Mowbray, »ich fürchte, du entschlüpfst uns einst unerwartet in die Wälder, und wirst mir ganz wild, wie die Prinzessin Carabu. Aber ich will dich mit nichts quälen, wenn ich es vermeiden kann. Wenn an dem großen Tage Alles nicht ganz nach Wunsch ausfällt, so mögen sie den Dummkopf tadeln, der keine schöne Gattin hat, ihm in seinen Nöthen beizustehn. Aber Clara, ich habe etwas Ernsteres dir vorzutragen – etwas, das wirklich von der höchsten Wichtigkeit ist.«

»Was ist's,« rief fast aufschreiend Clara. – »Um Gotteswillen, was kann es sein? Du weißt nicht, wie sehr du mich erschreckst!«

»Du bebst vor einem Schatten, Clara! Es ist gar nichts so Außerordentliches – im Gegentheil, so viel ich von der Welt weiß, gehört es zu den allergewöhnlichsten Dingen – ich bin in sehr großer Geldnoth.«

»Und weiter ist es nichts?« fragte Clara mit einem Tone, der ihrem Bruder jetzt eben so geringschätzend für die Sache, von der es sich handelte, erschien, als er ihr Entsetzen vorher übertrieben fand, ehe sie wußte, wovon die Rede war.

»Ob es weiter nichts ist? – Nein, weiter ist es nichts, und doch faßt die Kleinigkeit viel Aerger und Plackerei in sich. Ich werde in großer Verlegenheit sein, wenn ich nicht eine gewisse Summe Geldes auftreibe – ja ich muß dich selbst fragen, ob du mir nicht helfen kannst?« –

»Ich dir helfen? – Ja von ganzem Herzen – aber du weißt, meine Börse ist gar leichter Art – mehr als die Hälfte meiner Zinsen ist indessen noch darin enthalten, und gewiß, John, ich werde sehr glücklich sein, wenn es dir nützen kann, – besonders da dann deinem Mangel leicht abzuhelfen wäre.«

»Ach Clara, wenn es mir wirklich helfen soll, so mußt du dem Hühnchen selbst, welches die goldnen Eier legt, den Hals umdrehen – du mußt mir das Kapital selbst leihen.«

»Und weßhalb nicht, John, wenn dir ein Gefallen damit geschieht – Bist du nicht mein natürlicher Vormund? – Bist du nicht mein freundlicher Beschützer? – Steht mein kleines Vermögen nicht gänzlich dir zu Gebot? – Du wirst Alles zum Besten lenken, ich bin dessen gewiß!«

»Ich fürchte, dieß könnte hier nicht der Fall sein!« rief Mowbray, von ihr zurückbebend, da ihn ihre so willige argwohnlose Einwilligung tiefer erschütterte, als Vorstellungen oder Schwierigkeiten es vermocht hätten. Traten ihm diese entgegen, so würde er seine Gewissensbisse durch die List übertäubt haben, die er aufgeboten hätte, sie zur Einwilligung zu bewegen. Bei dieser Lage der Dinge aber fand derselbe Unterschied statt, der zwischen dem Morde eines zahmen, widerstandslosen Thieres und einer wilden Jagdlust vorhanden ist, wo die leidenschaftliche Aufregung des Jägers ihn für das Gefühl seiner Grausamkeit abstumpft. Aehnliche Gedanken erwachten in Mowbray. »Bei Gott,« sagte er, »das heißt gleichsam den Vogel in seinem Neste erschießen. – Clara,« fügte er hinzu, »ich fürchte fast, dieß Geld wird nicht so angewendet werden, als du es vielleicht wünschest.«

»Gebrauche es nur so, wie es dir gefällt, mein theurer Bruder, gern will ich es so für das Beste anerkennen.«

»Nein, ich bezwecke das Beste,« entgegnete er, »wenigstens thue ich nur, was ich muß, denn ich sehe keinen andern Ausweg. – Alles, was du nöthig hast, ist, dieß Papier abzuschreiben und den Zinsen zu entsagen – auf einige Zeit denke ich nur – sicher werde ich dir diese Kleinigkeit verdoppeln, ist mir das Glück nur ein wenig günstig.«

»Auf das Glück verlaß dich nicht,« sagte Clara lächelnd, obgleich mit dem Ausdruck einer tiefen Melancholie. »Ach nie war es eine Freundin unserer Familie, mindestens nicht seit langen Zeiten.«

»Fortuna begünstigt den Kühnen! stand schon in meinem alten Lexicon,« entgegnete der Bruder. »Ich muß ihr schon vertrauen, und wäre sie so veränderlich als ein Wetterhahn – und – doch – sollte sie mich foppen! – Was willst du dann thun – was wirst du sagen, Clara, wenn ich wider mein Hoffen und Erwarten unfähig wäre, dir das Geld in kurzer Zeit wieder zu geben?« – –

»Thun?« – antwortete Clara, »du weißt ja, ich kann auch so fertig werden – und sagen – nicht ein Wort will ich sagen.«

»Wohl wahr,« entgegnete Mowbray. »Aber deine kleinen Ausgaben – deine Wohlthaten – deine Blinden und Lahmen – kurz der ganze Kreis der Hülfsbedürftigen.«

»Gut, gut! das kann ich dennoch besorgen. Sieh nur, John, alle diese halb vollendeten Arbeiten an. – Du weißt, die Nadel und der Pinsel sind die Zuflucht aller verlassenen Romanheldinnen, und ich verspreche dir, obgleich ich wohl ein wenig müßig und unstät die letzte Zeit gewesen bin, sitze ich nur erst dabei, keine Ethelinde oder Emmeline, kurz keine von Allen soll solche Last Flitterstaat auf den Markt senden und so viel Reichthum dafür empfangen, als ich. O ich sage, Lady Penelope – all' die feinen Leute auf dem Gesundbrunnen werden kaufen, wegraffen, ja alles Mögliche thun, die melancholische Verfertigerin aller dieser Sachen aufzumuntern. – Ich will Ihnen Loose auf Landschaften senden, mit saftgrünen Bäumen und dunkelblauen Flüssen, und Portraits, wovor sich die Originale selbst entsetzen sollen, und Schnupftücher und Turbans, so rund umher mit Stickereien verbrämt, zierlich wie der Weg zum Belvedere hinauf. – Nicht wahr, ich kann mir in der nächsten Badezeit ein hübsches Vermögen sammeln?« –

»Nein Clara,« sagte John ernsthaft, denn ein tugendhafter Entschluß hatte, während seine Schwester in's Blaue hineinschwärmte, bei ihm die Oberhand gewonnen. »Wir wollen etwas Besseres als alles Dieses unternehmen. Reißt mich dein freundlicher Beistand nicht ganz heraus, bin ich fest entschlossen, der Sache mit einem Male ein Ende zu machen. Man darf nur ein oder zwei Lachern Rede stehn, oder einen elenden Spaßvogel sagen hören: ›Wahrhaftig Jack, Ihr seid zum Bauer geworden,‹ das ist am Ende das Schlimmste. Hunde, Pferde, Alles soll versteigert werden, wir wollen nichts als deinen Klepper behalten, und ich will mich auf ein Paar tüchtige Beine verlassen. Es bleibt uns noch genug Acker, um uns den Weg zu führen, den du den besten nennst, und den ich auch lieben lernen will. Ich will im Garten, im Forste arbeiten, meine eignen Bäume zeichnen und fällen, meine Rechnungen selbst führen, und Saunders Micklewham zum Teufel jagen.«

»Der letzte Entschluß ist der beste von allen, John,« sagte Clara – »und käme einst ein solcher Tag, ich wäre das glücklichste aller lebenden Geschöpfe. Kein Seufzer sollte in dieser Welt mehr meinen Kummer verrathen – ja hätte ich welchen, nie solltest du davon etwas hören oder sehn – hier sollte er ruhn,« sagte sie, ihre Hand auf ihr Herz pressend. »So tief begraben wie die Urnen der Todten in ihren kalten Grabgewölben. – Könnten wir nicht morgen schon dieß Leben beginnen? – Ist es durchaus nothwendig, daß diese kleine Summe Geldes erst vertilgt werde, so wirf sie in den Fluß, und denke, du hättest sie unter Spielern und beim Pferderennen verloren.«

Clara's Augen, welche sie zärtlich auf ihren Bruder geheftet hatte, während sie dieses sprach, glänzten durch die Thränen, womit ihre Begeisterung sie füllte. Mowbray hingegen hielt die seinigen auf die Erde geheftet, während seine Wangen zugleich von falschem Stolze und Scham geröthet wurden.

Endlich sah er empor. »Mein theures Mädchen,« sagte er – »wie thöricht schwatzest du, wie albern bin ich nicht, daß ich, der ich tausend Dinge zu thun habe, hier stehe, dir zuzuhören. – Alles wird gut nach meinem Plan gehen; wenn nicht – so haben wir den deinen im Hintergrunde, und ich schwöre dir es, ich will ihn annehmen. Die Kleinigkeit, welche diese Schrift in meine Gewalt gibt, kann zum Glück führen, und wir müssen die Karten nicht sogleich wegwerfen, wenn wir das Spiel gewinnen können. Wollte ich jetzt gleich Alles gewaltsam abbrechen, diese fünfhundert Pfund würden uns weder schaden, noch helfen, so siehst du, haben wir zwei Sehnen auf unserm Bogen. Das Glück ist zwar zuweilen gegen mich – das ist wahr – aber nach richtigen Grundsätzen, wenn ich das Spiel nur durchführen kann, nehme ich es mit dem Besten von ihnen auf, oder mein Name ist nicht Mowbray. Adieu, meine theure Clara.« So sagend, küßte er ihre Wangen mit mehr als gewöhnlicher Zärtlichkeit.

Ehe er sich noch von seiner gebeugten Stellung erheben konnte, schlang sie ihre Arme zärtlich um seinen Nacken, und sagte mit einem Tone der tiefsten Rührung: »Mein theuerster Bruder, dein leisester Wunsch war und wird immer mir Gesetz sein – Ach, wenn du eine einzige Bitte mir dagegen gewähren wolltest!«

»Was ist es denn, du närrisches Mädchen?« fragte Mowbray, sich freundlich von ihrer Umschlingung losmachend. – »Was kannst du denn verlangen, was eines solchen feierlichen Vorworts bedürfte? Du weißt, ich hasse Vorreden, ja, öffne ich zufällig ein Buch, gleich wird diese überschlagen.«

»Ohne Vorrede denn, mein theuerster Bruder, willst du mir zur Liebe die Zänkereien vermeiden, in welche die Leute da unten ewig verwickelt sind? Niemals gehe ich hinunter, ohne von neuen Zwistigkeiten zu hören, und nie lege ich mein Haupt zum Schlafe nieder, ohne zu träumen, daß du ein Opfer derselben wirst. Nur die letzte Nacht – – –«

»Nein, Clara, wenn du anfängst deine Träume zu erzählen, so enden wir nie. Wahrhaftig, zu schlafen ist das Element deines Lebens; denn was das Essen betrifft, so macht dir ein Sperling Schande. Aber ich rathe dir, zu schlafen ohne zu träumen, oder deine Visionen für dich zu behalten. Woher hast du solche thörichte Meinung von mir? Was auf Erden kann dich nur beunruhigen! – Sicher denkst du doch nicht, daß der Dummkopf Binks oder irgend einer der guten Leute da unten sich mit mir zu messen wagen werden. – Ich wollte nur, sie würden etwas hitziger, damit ich eine Entschuldigung hätte, mit ihnen anzubinden. Wahrhaftig, ich wollte sie bald zur Ordnung bringen!«

»Nein, John,« entgegnete seine Schwester, »nicht diese Menschen sind es, die mich ängstigen, und doch, auch Feiglinge können zuweilen zur Wuth gereizt werden, und dann sind sie gefährlicher als Andere. – Doch nein, diese sind es nicht, die ich fürchte. – Aber es gibt Personen in der Welt, deren Eigenschaften weit ihre äußere Erscheinung übertreffen, deren Verstand und Muth sich so unscheinbar verbergen unter einer glanzlosen, bescheidenen Hülle, wie das Metall in den Bergwerken. – Mit solchen kannst du zusammentreffen, du bist rasch und unbesonnen, und stets bereit, deinen Witz zu üben, ohne die Folgen zu erwägen, und – –«

»Auf mein Wort, Clara,« unterbrach sie Mowbray, »du bist diesen Morgen in einer sehr belehrenden Stimmung, der Pfarrer selbst könnte nicht mehr Logik oder Tiefe haben. Du mußt nur deine Rede systematisch eintheilen, sie mit nutzbaren Anwendungen und belehrenden Schlußfolgen verzieren, und du kannst sie vor einer ganzen presbyterianischen Versammlung halten, und wirst sie ohne Zweifel eben so sehr belehren als erbauen. Allein ich bin ein Weltkind, meine kleine Clara, und obgleich ich wünsche, den letzten Weg so spät als möglich zu gehen, werde ich weder einen blutigen Kopf, noch verwundete Glieder scheuen. Aber wer zum Henker ist denn der, den ich vermeiden soll? – Das muß ich wissen, Clara, denn du hattest Jemand besonders im Sinn, als du mich batest, Streit zu vermeiden.«

Clara konnte nicht mehr erbleichen, als sie es gewöhnlich war, allein ihre Stimme bebte, als sie ihren Bruder eifrig versicherte, Niemand in Gedanken gehabt zu haben.

»Clara,« sagte ihr Bruder, »entsinnst du dich noch, als wir Beide Kinder waren, und von einem Kobold im obern Obstgarten erzählt ward? – Erinnerst du dich noch, wie du mich unaufhörlich batest, den Kobold und die Orte, wo er sich zu zeigen pflegte, zu vermeiden – und weißt du, wie ich nun gerade auf die Entdeckung des Gespenstes ausging, und den Kuhjungen fand, der ein Hemd übergezogen, einen Birnbaum plünderte, wofür ich ihn tüchtig ausprügelte? – Derselbe Mowbray bin ich immer noch, furchtlos bei Erblickung der Gefahr, und bereit, den Betrug zu entlarven. Deine Besorgniß, Clara, wird mich nur wachsamer machen, den Gegenstand derselben aufzufinden. Wenn du mich vor dem Streit mit irgend Jemand warnest, so mußt du Jemand wissen, mit welchem eine Zwistigkeit nicht unwahrscheinlich ist. Du bist eine sonderbare und närrische Dirne – aber du bist vernünftig genug, weder dich noch mich über einen Punkt, der die Ehre betrifft, zu beunruhigen, es sei denn wirklich Ursache dazu.«

Clara betheuerte noch einmal, und zwar mit dem innigsten Bestreben, sich Glauben zu verschaffen, daß, was sie gesagt, nur aus allgemeinen Folgerungen entstanden sei, und nur Befürchtungen betreffe, welche ihres Bruders Art und Weise zu leben in ihr hervorgerufen hätten, da sie ihrer Meinung nach ihn so leicht in die Streitigkeiten hinein ziehen könnten, welche die edle Gesellschaft am Gesundbrunnen so oft entzweiten. Mowbray horchte ihren Versicherungen zweifelnd, oder vielmehr ungläubig zu. Endlich entgegnete er:

»Gut, Clara, ob ich Recht oder Unrecht mit meinen Vermuthungen haben mag, es wäre grausam, dich länger zu quälen, besonders wenn ich denke, was du eben für mich gethan hast. Allein sei gerecht gegen deinen Bruder, und glaube, daß, wenn du irgend etwas von ihm zu fordern hast, eine einfache Erklärung deiner Wünsche besser sein wird, als wenn du auf heimlichem Wege ihn nach deinem Willen zu lenken versuchst. Gib solche Gedanken ja auf, meine theure Clara, du bist der List nicht gewachsen, und wärest du der wahre Machiavell deines Geschlechts, so solltest du doch John Mowbray nicht irre führen.«

Indem er so sprach, verließ er das Zimmer, und kehrte nicht zurück, obgleich seine Schwester zweimal nach ihm rief. Wahr ist es, daß sie das Wort Bruder so schwach aussprach, daß vielleicht der Ton sein Ohr nicht erreichen konnte. »Er ist fort,« sagte sie, »und ich hatte nicht Kraft, es auszusprechen. – Ich bin den unglückseligen Wesen gleich, die mächtiger Zauber bindet, daß sie weder Thränen vergießen, noch ihre Verbrechen gestehen können; ja, auf diesem unglücklichen Herzen ruht ein Bann, der gelöst werden muß, wenn es nicht endlich brechen soll.«



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