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Dreizehntes Kapitel.
Getäuschte Erwartung.

Evans:
Jetzt bitte ich Euch, Ihr, des guten Mr. Slenders
Diener, und Euch, Freund Simple, auf welchem
Wege spähtet Ihr nach Mr. Cajus? –

Slender:
Ei, Sir, auf dem Wege zur Stadt, zum
Park, überallhin; auf dem alten Wege nach Windsor,
und jedem andern Wege.

Die lustigen Weiber zu Windsor.

Sir Bingo Binks empfing die Nachricht, welche der Hauptmann überbrachte, mit derselben mürrischen Verdrießlichkeit, mit welcher er die Ausforderung absandte. Ein sehr unzierliches Humph, das aus dem Innersten des Magens durch die Falten der Halsbinde sich drängte, sollte seine Zufriedenheit andeuten, fast auf eine eben so freundliche Weise, als der ermüdete Reisende dem schlarrenden Stallknecht zu antworten pflegt, der ihm zu melden kommt, daß es sogleich fünf Uhr ist und das Posthorn in einem Augenblicke ertönen wird. Der Hauptmann aber fand dieses Humph keinesweges als eine gebührende Anerkennung seiner Dienste und Mühwaltungen, und entgegnete:

» Humph! – Was soll das bedeuten, Sir Bingo? – Habe ich nicht Mühe genug gehabt, Sie endlich auf den rechten Weg zu bringen? Ja, würden Sie selbst wohl im Stande gewesen sein, überhaupt noch etwas Gutes aus der Geschichte zu machen, nachdem Sie so lange nichts dazu thaten, wenn ich mich nicht angestrengt hätte, den Herrn dazu zu stimmen, und ein so zierlich Gericht daraus zu Stande zu bringen, als ich einst einen Franzosen von einem abgestandenen Breitling bereiten sah.«

Sir Bingo fühlte die Nothwendigkeit, etwas von erkenntlicher Dankbarkeit zu murmeln, welches auch den Veteran sogleich zufrieden stellte, dem die Sache selbst als Lieblingsgeschäft am Herzen lag. Freundlich jetzt sich seiner Zusage an Tyrrel erinnernd, eilte er, als ob ihm das größeste Werk der Barmherzigkeit auf der Seele läge, dem Fremden den nothwendigen Zeugen zu verschaffen.

Mr. Winterblossom war es, den der Hauptmann am passendsten zu diesem freundlichen Beistande erkoren hatte; er versäumte deßhalb keine Zeit, diesem würdigen Herrn seine Wünsche mitzutheilen. Aber Mr. Winterblossom, obwohl ein Mann von Welt und vertraut mit ähnlichen Dingen, hing ihnen in keiner Art so leidenschaftlich an, als der Mann des Friedens, Hauptmann Hektor Mac Turk. Als ein eigentlicher Lebemann haßte er jede Art von Unruhe, und die selbstsüchtige Schlauheit, die ihm eigen war, ließ ihn leicht einsehen, daß aus dieser Geschichte gar manches Unangenehme entstehen konnte. Er erwiederte also kaltblütig, daß er von Herrn Tyrrel eigentlich nichts wisse, – ja nicht einmal, ob er ein Edelmann sei oder nicht; und bis er über diesen Punkt nicht genügende Aufklärung erhalten habe, fühle er sich durchaus nicht geneigt, als sein Sekundant aufzutreten. – Diese Weigerung brachte den Hauptmann zur Verzweiflung. – Er beschwor seinen Freund, mehr Gemeingeist zu zeigen, des Ruhms des Gesundbrunnens, der ihnen Allen gleichsam ein gemeinsames Vaterland war, der Ehre der Gesellschaft, zu welcher sie ja auch gehörten, eingedenk zu sein, um so mehr, da er ja eigentlich als perpetuirlicher Präsident derselben ihr Stellvertreter sei. Er erinnerte ihn, wie viel Zänkereien am Abend ausgebrochen und des Morgens beigelegt worden waren, ohne schickliche Folgen hervorzubringen, sagte, »man finge an ungünstig von diesem Orte zu reden, ja, daß er selbst seine eigene Ehre so im Spiele fände, daß er sich fast verbunden glaube, mit irgend Einem anzubinden, um den Ruf des Brunnens wieder herzustellen; deßhalb jetzt, wo Alles sich so herrlich fügte, die schönste Gelegenheit sich darböte, Alles in das beste Verhältniß zu stellen, sei es hart – grausam – gar nicht zu rechtfertigen – daß Mr. Winterblossom eine so einfache Forderung ablehnen wolle.«

So trocken und schweigsam der Hauptmann sonst immer zu sein pflegte, zeigte er hier eine wahrhaft pathetische Beredtsamkeit; denn selbst Thränen traten in seine Augen, als er alle die beigelegten Streitigkeiten vorrechnete, bei welchen seine eifrigsten Bestrebungen es zu keiner ehrenvollen Ausforderung zu bringen vermochten, und jetzt, da eben eine Ehrensache vollkommen gereift an's Tageslicht treten sollte, war es wahrscheinlich, daß Winterblossoms Ungefälligkeit ihm dennoch wieder die längst ersehnte Freude zerstörte. – Kurz, Winterblossom sah sich endlich zum Nachgeben gezwungen. Er sagte, er glaube, es sei eigentlich ein recht thörichtes Unternehmen, aber um dem Sir Bingo Binks und dem Hauptmann Mac Turk gefällig zu sein, wolle er nichts dagegen einwenden, um Mittag mit ihnen nach dem Buckstein zu gehen, obwohl er allerdings ihnen zu bedenken gäbe, daß der Tag ziemlich warm sei, und er einige kleine Anzeichen spüre, daß sein alter Freund, das Podagra, ihn vielleicht mit einem Besuch bedrohe! –

»Daran denken Sie nicht, mein vortrefflichster Freund,« entgegnete der Hauptmann. »Ein Schlückchen aus Sir Bingo's Jagdflasche bringt das leicht in Ordnung; und bei meiner Seele, die Flasche ist's nicht, die er bei einer solchen Gelegenheit zu Hause lassen wird, oder ich müßte mich sehr in dem Mann irren.«

»Aber,« sagte Mr. Winterblossom, »wenn ich auch Ihren Wünschen in so fern nachgebe, Hauptmann Mac Turk, so verpflichte ich mich in keiner Art diesen Mr. Tyrrel in meinen Schutz zu nehmen, da er mir ganz unbekannt ist; ich willige nur ein, Sie zu begleiten, um wo möglich Unglück zu verhüten.«

»Darum brauchen Sie sich gar nicht weiter zu ängstigen, Mr. Winterblossom. So ein kleines Unglück, wie Sie es nennen, ist für den Ruhm dieses Ortes schlechterdings nothwendig geworden, und ich bin gewiß, was auch immer daraus entstehen möge, wirklichen Nachtheil kann Niemand davon haben. Denn sollte den jungen Menschen so etwas treffen, nun den würde eben Keiner vermissen, denn Niemand kennt ihn; und Sir Bingo – den kennt ein Jeder so gut, daß man ihn eben deßhalb um so leichter vermissen wird.«

»Und Lady Binks freilich wäre dann eine wohlhabende Wittwe!« sagte Winterblossom, mit der zierlichen Gewandtheit früherer Tage seinen Hut auf den Kopf werfend; aber tief seufzend bei einem Blick in den Spiegel, bemerkend, wie sehr die Zeit sein Haar gebleicht, seinen Bauch gerundet, Furchen auf die Stirn gezogen, und die jugendliche Haltung verändert hatte, fühlte er schmerzlich, daß dieß alles ihn unpassend machte, um solchen Preis zu ringen.

Als er Winterblossoms gewiß war, ließ der Hauptmann es sich angelegen sein, sich der Gegenwart Doctor Quacklebens zu versichern, der, wenn er sich auch M. D. unterschrieb, es keinesweges verschmähte, als Chirurgus aufzutreten, wenn sich ein Fall darbot, der ihm gute Bezahlung verhieß, was hier wahrscheinlich ward, da der wohlhabende Baronet besonders im Spiele war. Der Doctor, dem Adler gleich, der ein Gemetzel wittert, ergriff beim ersten Wort die ungeheure Mappe aus Maroquin, worin alle seine tragbaren Instrumente sich befanden, und breitete vor dem Hauptmann mit prahlsüchtigem Eifer ihren furchtbaren glänzenden Inhalt aus, worüber er, als über den umfassendsten und anziehendsten Text, sich in eine weitläufige Vorlesung einließ, bis der Kriegsmann es nothwendig erachtete, ihm einen Wink zur Vorsicht zu geben.

»Ich bitte Sie, Doctor,« sagte er, »dieß Packet unter Ihrem Kleide oder in Ihrer Tasche zu verbergen, kurz es der Aufmerksamkeit zu entziehen, besonders aber unter keiner Bedingung es vor den Duellanten zu eröffnen. Denn wenn auch Messer, Zangen, Bohrer, und ihres Gleichen gar sehr schlau ersonnene Instrumente sind, sowohl zierlich zu beschauen, als auch sehr nützlich, wo Zeit und Veranlassung sie erfordern, so habe ich es doch schon erlebt, daß ihr Anblick einem Menschen die Lust zum Fechten rauben kann, und so ihren Gebieter um einen schönen Lohn brachte.«

»Meiner Treu, Hauptmann, Sie sprechen als hätten Sie promovirt! – Ich weiß selbst, wie diese verrätherischen Gegenstände ihrem Besitzer mehr als einen widerwärtigen Streich spielten. Der bloße Anblick dieser Zangen hier heilte auf einmal einen wüthenden dreitägigen Zahnschmerz, und verhinderte das Ausreißen einer vom Knochenfraß angefallenen Zahnwurzel, zu deren Aushebung sie doch eigentlich bestimmt sind, und ich mußte ohne die Guinee, welche ich schon mein nannte, nach Hause kehren. – Aber reichen Sie mir jenen großen Ueberrock, Hauptmann, da wollen wir die Instrumente in Hinterhalt legen, bis es Zeit ist sie in Thätigkeit zu setzen. Ich denke, etwas muß sich ereignen. – Sir Bingo ist ein sichrer Schütze, der den Vogel im Fluge faßt.«

»Ich kann dafür dennoch nicht gut sagen,« entgegnete Mac Turk. »Ich habe die Pistole in mancher Hand beben sehen, welche die Vogelflinte fest genug hielt. Der Tyrrel da sieht mir verteufelt kaltblütig aus; – ich beobachtete ihn die ganze Zeit über, als ich ihm meinen Auftrag bestellte, und ich gebe Ihnen mein Wort, Muth und Kraft sitzt in ihm!«

»Gut, ich will meine Bandagen bereit halten, secundum artem. Wir müssen uns vor Verblutungen hüten – Sir Bingo ist sehr vollblütig. – Also um ein Uhr, sagten Sie? – Ich werde pünktlich sein.«

»Wollen Sie uns nicht begleiten?« fragte der Hauptmann, der Lust zu haben schien sein ganzes Gefolge um sich versammelt zu behalten, damit nicht Einer etwa zufällig ihm entwische.

»Nein,« entgegnete der Arzt, »ich muß mich erst bei der würdigen Mistreß Blower entschuldigen, denn ich hatte versprochen, sie zu dem Strom herabzuführen, wo sie Alle einen Kessel Fische speisen wollen.«

»Bei Gott, ich hoffe, wir wollen indessen einen schönern Kessel von Fischen zusammen sieden, als man noch jemals zu St. Ronans sah;« rief jubelnd, die Hände reibend, der Hauptmann.

»Sagen Sie nicht wir, Hauptmann!« entgegnete der vorsichtige Doctor: »Ich mindestens habe nichts zu dem Duell beigetragen und wasche meine Hände in Unschuld. – Nein, nein! ich kann mich nicht darauf einlassen, vielleicht als Theilnehmer eingezogen zu werden. – Sie fordern mich auf, Sie beim Bucksteine zu treffen – keine Ursache dazu wird mir mitgetheilt – ich bin bereit meinem würdigen Freunde, dem Hauptmann Mac Turk, gefällig zu sein – ich mache den Weg ohne an etwas Besonderes zu denken – höre Pistolenschüsse – eile hinzu – glücklicherweise noch zur rechten Zeit den bösesten Folgen zuvorzukommen – zufällig habe ich auch gerade mein chirurgisches Besteck bei mir – in der That selten gehe ich ohne dasselbe aus – nunquam non paratus – und so statte ich denn mein ärztliches Gutachten über die Wunde und den Zustand des Patienten ab. Auf die Art, Hauptmann, muß man vor den Landrichtern, Mordbeschauern und ähnlichen Menschen sein Zeugniß ablegen. Man muß sich nie der Verantwortung bloßstellen – das ist eine Regel unsrer Kunst.«

»Gut, gut, Doctor, Sie wissen am besten den Weg zu finden, der Ihnen geziemt, und wenn Sie nur zur Stelle sind, um, wenn sich etwas ereignet, hülfreiche Hand zu leisten, so wird allen Gesetzen der Ehre vollkommene Genüge geleistet. Aber es würde mir schlechten Nachruhm gewähren, wenn ich als Mann von Ehre nicht Sorge trüge, daß Jemand gegenwärtig wäre, der vermittelnd zwischen den Tod und meinen Freund eintreten könnte.«

Als die furchtbare Stunde Eins schlug, erschien an dem bestimmten Ort Hauptmann Mac Turk, den tapfern Sir Bingo zum Schlachtfeld führend, nicht durchaus wie man den Jagdhund am Strick heranzieht, aber ungefähr wie einen Bullenbeißer, der sich zum Anpacken mürrisch entschließt, weil sein Herr es ihm befiehlt. Doch zeigte der Baronet äußerlich kein Zagen oder gesunkenen Muth, ausgenommen, daß die Melodie der Ballade von Jenny Sutton, die er unaufhörlich seit ihrer Entfernung vom Hôtel pfiff, auf der letzten halben Meile ihres Weges leiser ward und endlich ganz verklang, obwohl, wenn man den noch gespitzten Mund, die zuckenden Muskeln um denselben, und die gedankenleeren Augen betrachtete, es schien, daß die Töne noch immer in seinem Sinne wiederhallten, und daß er Jenny Suttons Ballade noch in Gedanken pfiff. Zwei Augenblicke nach dem glücklichen Paare langte Mr. Winterblossom an, und der Doctor war eben so pünktlich.

»Bei meiner Seele,« sagte Ersterer, »dieß ist eine recht einfältige Geschichte, Sir Bingo, und könnte, wie ich dächte, sehr leicht viel gefahrloser für Alle beseitigt werden, als durch eine solche Zusammenkunft. Sie sollten sich erinnern, Sir Bingo, daß Sie noch andere Pflichten haben. – Sie sind ein verheiratheter Mann!«

Sir Bingo zog den Speichel in seinem Munde zusammen, und spie ihn ächt kutschermäßig aus.

»Mr. Winterblossom,« sagte der Hauptmann, »Sir Bingo hat sich bei dieser Angelegenheit meiner Leitung überlassen, und wenn Sie sich etwa nicht selbst fähiger glauben als ich es bin, seine Handlungsweise hierbei zu bestimmen, so muß ich offen gestehen, daß mir Ihre Einmischung nicht ansteht. Sie können zu Ihrem Freunde sagen, was Ihnen gefällt; und erhalten Sie den Auftrag, irgend einen Vergleich vorzuschlagen, will ich sehr gern in meines würdigen Freundes Sir Bingo's Namen Ihnen mein Ohr gönnen. Aber ich will Ihnen offen gestehen, daß ich solche Beilegungen auf dem Felde der Ehre selbst nicht sehr billige, obwohl ich, wie ich hoffe, ein ruhiger, friedliebender Mann bin; aber hier gilt es zuerst, die Ehre im Auge zu behalten; deßhalb muß ich darauf bestehen, daß jeder Vorschlag eines Vergleichs von Ihnen oder Ihrer Partei ausgehen muß.«

» Meiner Partei?« entgegnete Winterblossom. »In der That, auch wenn ich auf Ihre Bitte hier erschien, Hauptmann, mir muß dieß alles erst klarer sein, ehe ich mich zum Sekundanten eines Mannes hergebe, den ich nur einmal sah.«

»Und den Sie vielleicht nie wieder sehen werden,« sagte der Doctor nach seiner Uhr sehend, »denn es ist zehn Minuten über die bestimmte Zeit, und kein Herr Tyrrel zeigt sich.«

»Er spricht verdammten Unsinn!« rief der Hauptmann, seine ungeheure, altmodische, in länglicher Form gearbeitete Uhr mit schwarzangelaufenem silbernen Zifferblatte hervorziehend. »Es ist nicht mehr als drei Minuten über die rechte Zeit, und ich will gut dafür sagen, daß Herr Tyrrel ein Mann von Wort ist – denn nie sah ich einen Mann kaltblütiger in eine solche Sache eingehen.«

»Wahrscheinlich war er damals eben so gelassen als die Art, wie er sich hieher verfügt, beweiset,« sagte der Doctor; »denn es ist so spät an der Zeit, als wie ich es Ihnen sagte. – Vergessen Sie nicht, ich bin Arzt, – muß den Puls zählen nach den Sekunden – meine Uhr muß so richtig gehen wie die Sonne.«

»Und tausend Mal bin ich nach der meinigen auf die Wache gezogen, und ich biete dem Teufel Trotz mir zu beweisen, daß Hektor Mac Turk seiner Pflicht nicht immer pünktlich auf das zwanzigste Theilchen einer Sekunde nachkam. – Die Uhr gehörte meiner Großmutter Lady Killbracklins, und ich will ihren Ruf gegen alle andere Uhren in der Welt aufrecht halten.«

»Gut, so sehen Sie nach Ihrer Uhr, Hauptmann,« sagte Winterblossom, »denn die Zeit bleibt bei keinem Menschen stehen, und während wir reden, rückt die Stunde vor. Auf mein Wort, ich glaube, dieser Mr. Tyrrel denkt uns zu foppen.«

»He, was sagen Sie da?« fragte Sir Bingo einmal wieder aus seinem mürrischen Sinnen auffahrend.

»Ich werde um solcher Ursache nicht nach meiner Uhr sehen!« entgegnete der Hauptmann; »auch bin ich in keiner Art geneigt, die Ehre Ihres Freundes zu bezweifeln, Mr. Winterblossom!«

» Mein Freund?« entgegnete der Angeredete. »Ich muß Ihnen noch einmal wiederholen, daß dieser Herr Tyrrel kein Freund von mir ist, – ganz und gar nicht. Er ist Ihr Freund, Hauptmann, und ich bekenne, daß wenn er uns bei dieser Gelegenheit noch länger warten läßt, so bin ich gelaunt, seiner Freundschaft wenig Werth beizulegen.«

»Und wie wagen Sie es denn, diesen Mann meinen Freund zu nennen?« fragte der Hauptmann wild, die Augenbraunen zusammenziehend.

»Pah, pah, Hauptmann,« sagte Winterblossom kalt, wenn nicht gar verächtlich, »spart das Alles für Schulknaben auf. Ich habe zu lange in der Welt gelebt, sowohl um Händel aufzusuchen, als sie zu fürchten. – Schonen Sie also Ihr Feuer. Bei einem so alten erfahrenen Manne, wie ich, ist es verschleuderte Mühe. Aber ich wünschte wirklich zu wissen, wann der Bursch zu kommen gedenkt – zwanzig Minuten über die Zeit. – Ich meine, es ist doch ärgerlich, Sir Bingo, daß Ihre Erwartung so getäuscht wird.«

»Getäuscht? He!« rief Sir Bingo. »Beim Teufel, ich glaubte es immer. – Ich wettete mit Mowbray, der Kerl wäre nur ein Lump – ich hatte es getroffen, beim Teufel! Ich warte nicht länger als die halbe Stunde, beim Teufel, und wäre er ein Feldmarschall.«

»Sie werden in diesem Punkte dem Rath ihres Freundes folgen, wenn es Ihnen gefällig ist,« sagte der Hauptmann.

»Hol mich dieser und jener, wenn es mir gefällig ist!« entgegnete der Baronet. – »Freund? – ein schöner Freund, mich hieher zu bringen um zum Narren gemacht zu werden. Ich wußte, daß der Kerl ein Lump sei, aber niemals hätte ich Sie, mit all Ihrem Geträtsch von Ehre, für so verdammt unbesonnen gehalten, eine Bestellung von einem Kerl anzunehmen, der den Kampfplatz mit dem Rücken ansieht.«

»Wenn Sie es so sehr bereuen, zwecklos hier gewesen zu sein,« sagte der Hauptmann mit sehr stolzem Tone, »und wenn Sie glauben, ich habe Sie unbesonnen hieher bemüht, wie Sie sich ausdrücken, so mache ich durchaus keine Einwendung, sogleich Herrn Tyrrels Platz einzunehmen, und Ihnen, mein Jungchen, zu Dienste zu stehen!«

»Beim Teufel, wenn Sie Lust haben, schießen Sie zu, mir recht!« – rief Sir Bingo. »Wir werfen ein Goldstück in die Luft, wer den ersten Schuß hat, denn ich bin nicht der Meinung um nichts und wieder nichts hier zu sein. – Hol mich –«

»Und niemals gab es einen lebendigen Menschen, der bereitwilliger ist, als ich, Ihnen vollkommene Genüge zu leisten,« entgegnete der reizbare Hochländer.

»O Pfui, meine Herren! Pfui, nicht doch!« rief der friedlich gesinnte Mr. Winterblossom. »Schämen Sie sich, Hauptmann! – Hinweg da, Sir Bingo, sind Sie rasend? – Wie, der Sekundant tritt gegen seinen Freund in die Schranken? – Niemals hat man so etwas erlebt!« –

Diese Ausrufungen brachten zwar die beiden Gegner zu kaltblütigern Ueberlegungen, doch fuhren Sie fort auf eine kurze Strecke, fast wie auf einem Hinterverdeck, bei einander vorbei in gleicher Richtung auf und nieder zu schreiten, sich mürrisch beim Vorbeistreifen anblickend, wie zwei Hunde, welche Lust zum Streit haben, doch sich scheuen die Feindseligkeiten zu beginnen. Bei diesem Spaziergang bildete die gerade hochaufgerichtete Haltung des Veteranen, der sich bei jedem Schritt auf die Zehenspitzen erhob, einen wunderlich seltsamen Abstich gegen den schwerfälligen, plumpen, wackelnden Gang des massiven Baronets, der vielleicht kraft der Uebung den schlarrenden, wiegenden Schritt eines Yorkshireschen Fuhrknechts, diese beneidenswertheste aller Haltungen, sich angeeignet hatte. Sein schwerfälliger Verstand war jetzt einigermaßen regsam geworden, und gleich dem Eisen oder anderem Metalle, welches durch Hitze biegsam wird, bewahrte er noch den gährenden mürrischen Rachegeist, der ihn eigentlich hieher geführt hatte und ihn jetzt aufreizte, seinen Mißmuth an dem ersten besten Gegenstand auszulassen, da er in seiner eigentlichen Absicht sich getäuscht sah. Wie er selbst sagte, er hatte den Kamm erhoben, und da er einmal im Kampfesmuth sich fühlte, so fand er es, wie einst Bob Acres, einen wahrhaften Jammer, daß so viel tapferer Muth unnütz verglühen sollte. Da aber dieser Muth hauptsächlich nur aus böser Laune entstand, und er in dem Benehmen des Hauptmanns nicht die kleinste Neigung zur Rücksicht gegen ihn, oder zu irgend einer Entschuldigung fand, so begann er aufmerksamer die Vorstellungen Mr. Winterblossoms zu beachten, der sie bat, nicht durch eine Zwistigkeit unter sich die Ehre zu entweihen, welche sie an diesem Tage so glücklich ohne Gefahr und Blutvergießen errungen hätten. Er setzte hinzu:

»Es seien nun dreiviertel Stunden über die Zeit verstrichen, welche dem Menschen, der sich selbst Tyrrel nenne, zu einer Zusammenkunft mit Sir Bingo Binks bestimmt gewesen wäre. Jetzt nun, statt hier noch weiter unnütz zu streiten, welches zu nichts führen könne, schlüge er vor, man solle die Umstände dieser Verhandlung, zum Nutzen der Brunnengesellschaft, zu Papier bringen, und diesen Aufsatz durch ihre Namens-Unterschrift beglaubigen, worauf er denn ergebenst vorschlagen wolle, ihn der prüfenden Beurtheilung des Ausschusses gefälligst zu übergeben.«

»Ich erkläre mich gegen jede prüfende Beurtheilung eines Aufsatzes, unter welchem mein Name steht!« sagte der Hauptmann.

»Recht, sehr recht, Hauptmann!« entgegnete der nachgebende Mr. Winterblossom. »Sie werden das ohne Zweifel am besten verstehen, und ihre Unterschrift ist vollkommen hinreichend, diese Verhandlung rechtskräftig zu machen. – Indessen da es die wichtigste ist, welche sich ereignete seit Einrichtung des Gesundbrunnens, so schlage ich vor, daß wir Alle den procès verbal, wie ich es nennen möchte, unterzeichnen.«

»Lassen Sie nur mich davon weg, wenn Sie so gut sein wollen;« sagte der Doctor, der eben nicht sehr zufrieden war, daß er sowohl den eigentlichen Zweikampf selbst, als den Nebenstreit vorüber gegangen sah, ohne daß man seiner chirurgischen Dienste nöthig hatte. »Lassen Sie mich weg, ich bitte darum; denn es geziemt mir nicht bei feindseligen Dingen, die irgend einen Friedensbruch bezwecken, die Hand im Spiele zu haben. Und die große Wichtigkeit anbetreffend, daß ich hier an einem schönen Nachmittage eine Stunde zubrachte, so war es nach meiner Meinung ein wichtigerer Dienst für den St. Ronans-Brunnen, als ich, Quentin Quackleben, Lady Penelope Penfeather von ihrem siebenten Nervenanfall, den fieberische Symptome begleiteten, vollkommen heilte.«

»Ohne Ihre Kunst herabsetzen zu wollen, Doctor,« entgegnete Mr. Winterblossom, »bin ich doch der Meinung, daß die Lehre, welche dem Burschen geworden ist, künftighin unpassende Personen abhalten wird, sich am Gesundbrunnen einzudrängen, und ich werde darauf antragen, daß hinfort Niemand eingeladen wird, dort zu speisen, bevor sein Name als wirkliches Mitglied der Gesellschaft in der Badeliste steht. – Ich hoffe, Sir Bingo und der Hauptmann werden allgemeinen Dank für ihr geistvolles männliches Betragen einernten, welches den Ueberlästigen verscheuchte. – Sir Bingo wollen Sie mir gestatten, Ihrer Jagdflasche zuzusprechen? Ich fühle ein kleines Zwicken, das mir die Feuchtigkeit des Grases zuzog.«

Bereitwillig reichte der besänftigte Sir Bingo seine Herzstärkung, die, wie wir glauben, von kundiger Hand in den Wildnissen von Glenlivat bereitet ward, dem Invaliden. Dann bot er den wieder gefüllten Becher als ein unwiderlegliches Zeichen der Versöhnung dem Veteran dar, und der wahrhaft berauschende Geruch drang nicht sobald in des Hauptmanns Nase, als er auch mit großer Zufriedenheit den Becher leerte. –

»Ich habe doch einige Hoffnungen für die jetzigen jungen Leute,« rief er, »seitdem sie anfangen die französischen und holländischen gebrannten Wasser aufzugeben, und sich an reine hochländische Waare halten. – Bei Gott – es ist der einzige Liqueur, werth der Morgentrunk eines Edelmanns zu sein, wenn ihm das Glück so wohl will, ihm dazu zu verhelfen.«

»Oder auch nach Tische, Hauptmann;« sagte der Doctor, den jetzt das herumgegebene Glas erreicht hatte. »Der Geruch allein ist mehr werth als alle französischen Weine, und außerdem ist er der körperlichen Constitution heilsamer.«

»Und nun,« rief der Hauptmann, »damit wir diesen Ort nicht verlassen, den Magen schwerer als durch den Whisky belastet, kann ich frei gestehen (denn der Ruf des Hauptmanns Mac Turk ist hinlänglich gegründet), daß mir die kleine Zwistigkeit leid ist, welche zwischen mir und meinem würdigen Freunde, Sir Bingo Binks, entstanden war.«

»Da Sie so höflich sind,« entgegnete Sir Bingo, »– erkläre ich, daß sie mir ebenfalls leid ist. – Allein es möchte den Teufel selbst außer Fassung bringen, solchen schönen Tag zur Fischerei zu verlieren – Süd-Wind – die sanfte Seeluft – die Fluth vorüber – alles wie es sein sollte – und ich bin überzeugt, dreimal hätte ich schon in dieser Zeit die Angel hineinwerfen können.«

Er schloß seine Klagen mir einer Libation derselben Herzstärkung, welche er bereits seiner Gesellschaft mitgetheilt hatte, und Alle kehrten nun zusammen nach dem Gasthofe zurück, wo die Begebenheiten des Morgens bald den andern Gästen durch folgendes Programm bekannt gemacht wurden.

 

Bekanntmachung.

»Sir Bingo Binks, Baronet, durch das unhöfliche Betragen eines Menschen, der sich selbst Francis Tyrrel nennt, beleidigt, welcher in der Schenke zur Teufelsfalle, im alten Ort St. Ronans gewohnt hat, oder sich noch dort befindet, hat dem Hauptmann Mac Turk aufgetragen, besagten Tyrrel zur Abbitte aufzufordern, im Weigerungsfalle aber, persönliche Genugthuung zu verlangen, wie es die Ehre unter Edelleuten erfordert. Besagter Tyrrel hat sogleich eingewilligt, sich mit Sir Bingo Binks zu treffen, an dem Bucksteine, nahe dem St. Ronans-Born, an dem heutigen Tage – Mittwoch den – des Augusts. – In Folge dieser Verabredung, hatten sich die Unterzeichneten am besagten Orte von eins bis zwei Uhr eingefunden, ohne etwas von dem sogenannten Francis Tyrrel zu hören oder zu sehen, oder irgend einen von ihm Beauftragten zu erblicken. Diese Thatsache machen wir hiemit öffentlich bekannt, damit alle Leute, und vorzüglich die ausgezeichnete Gesellschaft, welche sich im Gasthofe zum Fuchse befindet, genau von dem Betragen dieses Tyrrel unterrichtet werden, wenn er es wieder wagen sollte, sich in die Cirkel von Leuten von Ehre mischen zu wollen.«

Der Gasthof zum Fuchse, am St. Ronans-Gesundbrunnen – 18 –

Unterzeichnet
Bingo Binks.
Hektor Mac Turk.
Philipp Winterblossom.

 

Ein wenig niedriger stand folgendes einzelne Attest:

 

»Ich, Quentin Quackleben – M. D., F. R. S., D. E., B. L., X. Z., etc. etc., aufgerufen zu bezeugen, was ich über diesen Gegenstand weiß, kann als Wahrheit bestätigen, daß ich bei dem Bucksteine dicht am St. Ronans-Born zufällig diesen Tag mich befand, um ein Uhr Nachmittags, und dort fast eine Stunde lang im Gespräch mit Sir Bingo Binks, Hauptmann Mac Turk und Mr. Winterblossom zugebracht habe. Während dieser ganzen Zeit sahen und hörten wir nichts von der Person, die sich selbst Francis Tyrrel nennt, deren Gegenwart, wie es mir schien, von besagten Edelleuten erwartet ward.«

 

Diese Anzeige ward gleich der andern datirt und unterzeichnet mit der erhabnen Handschrift

 

Quentin Quacklebens,
M. D. etc. etc.

 

Nachher erschien, mit einer Einleitung versehen, daß eine unwürdige Person sich kürzlich in den Gesellschaftskreis des Gesundbrunnens zu St. Ronans eingeschlichen habe, eine gesetzliche Verfügung von Seiten des Ausschusses, welche bestimmte, »daß in Zukunft Niemand, weder zu Mittage, noch zum Balle, noch zu irgend einer Festlichkeit auf dem Gesundbrunnen eingeladen werden sollte, bevor die Namen der Einzuladenden in einem Buche verzeichnet gewesen wären, welches man zu diesem Endzwecke halten würde.« Schließlich war noch eine Danksagung an Sir Bingo und Hauptmann Mac Turk hinzu gefügt, für ihr geistvolles Betragen und für die Mühe, die sie sich gegeben hätten, eine unwürdige Person aus der Gesellschaft des Gesundbrunnens zu St. Ronans zu verweisen.

Diese Anzeigen wurden schnell die Tages-Neuigkeiten. Alle Müssiggänger drängten sich, sie zu durchlesen, und man würde nicht enden, wenn man alle die Ausrufungen anführen wollte – als – »Gott bewahre uns« – »Der Himmel behüte uns!« – oder – »Sahen Sie jemals etwas Aehnliches« – der ältern Plauderschwestern; und noch weit mehr das – »Ist's möglich!« – »Ach« – und »Weh –« der ängstlich trippelnden Mädchen – und die Flüche der ächt patentmäßigen Stutzer.

Der Ruf Sir Bingo's stieg gleich den Stocks nach Ankunft eines Eilboten des Herzogs von Wellington, und was noch auffallender war, er errang sogar einige Achtung in den Augen seiner Gemahlin. Alle schüttelten ihr Haupt bei der Erwähnung des unglücklichen Tyrrel, und fanden nun genug in seinem Aeußern so wie in seinem Betragen, das ihn zu einem Schwindler und Abenteurer stempelte. Einige Wenige indessen, nicht so ganz mit den Maßregeln des Ausschusses zufrieden, (denn welche Administration hätte nicht gleich ihre Gegner) lispelten sich unter einander zu: »Um dem Burschen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, so wäre er ja doch, er möge nun sein, wer er wolle, unter ihnen erst erschienen, wie der Teufel, weil man ihn herbei gerufen hätte.« Die würdige Dame Blower kreuzte sich, als sie von den blutdürstigen Dingen hörte, welche man vorgehabt hatte, und dankte Gott, daß der würdige Doctor Kickherben keinen Schaden von dem Unsinn der Andern davon getragen hätte.



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