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Ich habe ein kleines Briefchen bei mir, dessen Ueberreichung Sie gütigst entschuldigen werden. Es ist ein Freundschaftsdienst, der Sie in keiner Art beleidigen kann, da ich nichts wünsche, als daß beiden Theilen ihr Recht widerfahre.
König und nicht König.
Der aufmerksame Leser wird sich erinnern, daß Tyrrel von dem Hôtel zum Fuchse nicht in so freundschaftlicher Uebereinstimmung mit der dortigen Gesellschaft schied, als er es betreten hatte. Es war ihm auch wohl eingefallen, daß es leicht möglich sei, daß er noch etwas über diesen Gegenstand hören möchte, doch war unter ernsteren, ergreifendern Gedanken diese Idee nur leichthin erwacht, und da zwei Tage ohne Botschaft Sir Bingo Binks' verstrichen, war sie ganz seinem Gedächtnisse entfallen.
Allerdings waren zwei Tage entflohen, ohne daß der Hauptmann Mac Turk, obwohl er so eifrig die Glut schürte, wie nur irgend ein altes Weib die glimmenden Kohlen anzufachen strebt, es dahin bringen konnte, den sterbenden Muth Sir Bingo's zur Flamme anzublasen. In den zahllos deßhalb gepflogenen Unterhaltungen fand er Sir Bingo bereit, die Sache in jedem möglichen Lichte zu betrachten, nur nicht in dem, welches der Hauptmann das einzig wahre nannte. – Sir Bingo zeigte sich trunknen Muthes – mürrischen Muthes – gedankenlosen verächtlichen Muthes – kurz in jeder Art von Muth, nur den Kampfesmuth ausgenommen. Sprach nun der Hauptmann von dem Ruf und der Ehre der Brunnengesellschaft, so spielte Sir Bingo selbst den Beleidigten, erklärte, die Gesellschaft möge zum Teufel gehn, und gab zu verstehen, daß er »ihnen Ehre genug erzeige, indem er ihnen seine Gegenwart gönne, aber keineswegs gesonnen sei, sie zum Richter seiner Angelegenheiten zu machen. Der Kerl dort sei ein Lump, mit dem er nichts zu schaffen haben wolle.«
Gern hätte der Hauptmann Mac Turk gewaltsame Maaßregeln gegen den Baronet ergriffen, und ihn in contumaciam (als ungehorsam) verdammt, aber Winterblossom und andere Mitglieder des Ausschusses widersetzten sich seinem Eifer, weil sie Sir Bingo als ein zu wichtiges und bedeutendes Mitglied betrachteten, um ihn so rasch von einem Orte hinweg zu weisen, der von wenig vornehmen Personen besucht ward; so kam man endlich überein, daß ohne Mowbray's Rath, den die Vorbereitungen auf den herannahenden Donnerstag noch immer entfernt hielten, kein endlicher Beschluß festgestellt werden sollte.
Indessen schien der tapfere Hauptmann von eben so großem Mißmuthe befangen, als ob irgend ein Flecken auf seinem eignen so gänzlich tadellosen Rufe ruhte. Auf den Spitzen seiner Zehen schritt er auf und nieder, seine Füße mit einem halb ärgerlichen, halb herausfordernden Schritte hochtrabend auftreten lassend. – Die Nase richtete er stolz in die Lüfte, wie die Sau, wenn sie den herannahenden Sturm riecht. – Nur in einzelnen Sylben sprach er, wenn er überhaupt sprach – und was am allerstärksten die Tiefe seines Unmuths ausdrückte, er schlug Angesichts der ganzen Gesellschaft es aus, dem Sir Bingo in einem Glase von des Baronets eignem Cognac Bescheid zu thun.
Die ganze Brunnengesellschaft gerieth jetzt in Aufruhr durch die Nachricht, daß der junge Graf von Etherington, ein am Horizont der modischen Welt neu aufgehender Stern, wahrscheinlich von der ersten Größe, eine Stunde, vielleicht zwei, einen Tag oder eine Woche, wer vermochte es zu wissen – (denn man konnte Sr. Herrlichkeit nicht zumuthen, daß er selbst wisse, was er eigentlich wolle) am St. Ronans-Brunnen zuzubringen gedenke.
Alles gerieth nun in Bewegung. Man forschte in den Kalendern nach dem Alter Sr. Herrlichkeit, erkundigte sich nach dem Betrag seines Vermögens, wie er zu leben pflege, woran er Geschmack finde – und Alles, was der gesetzgebende Ausschuß vermochte, ward aufgeboten, um diesem Günstling des Glücks ihr Spaa zu empfehlen.
Ein Eilbote trug die wichtige Nachricht nach Shaw-Castle und erregte die Hoffnungen in Mowbray, welche ihn veranlaßt hatten, sich des Kapitals seiner Schwester zu bemächtigen. Er fand es indessen nicht für gut, den Aufforderungen der Brunnengäste nachzukommen; denn da er nicht mit Sicherheit voraus wissen konnte, mit welchem Auge der Graf die dort versammelten würdigen Leute betrachten würde, wünschte er nicht, vor Sr. Herrlichkeit in zu genauer Verbindung mit ihnen sich zu zeigen.
Sir Bingo Binks befand sich in einer sehr verschiedenen Lage. Der Trotz, mit welchem er den Tadel der beim Brunnen Anwesenden ertragen hatte, entwich bei dem Gedanken, daß ein Mann von so großem Ansehen, als das Publikum dem Lord Etherington einräumte, ihn zwar körperlich zu St. Ronans finden sollte, aber eigentlich, wenn der Ausspruch der Gesellschaft zur That ward, auf dem Wege nach der alten Stadt Coventry, dorthin verbannt, eine unverzeihliche Sünde gegen die modische Moral, einen Verstoß gegen die Gesetze der Ehre zu büßen, erblicken müßte. Obwohl nun der Baronet faul und träge war, wenn er sich zu einer Kraftäußerung entschließen sollte, so war er doch keine Memme, oder mindestens eine von denen, die sich in der höchsten Noth zum Fechten bequemen. Er ließ also, männlich entschlossen, den Hauptmann Mac Turk rufen, der zuerst mit feierlichem Ernst erschien, welcher sich aber augenblicklich in strahlende Freude umwandelte, als Sir Bingo mit wenig Worten ihm eine Botschaft für den verdammten wandernden Künstler auftrug, der ihn vor drei Tagen beleidigt habe.
»Bei Gott!« rief der Hauptmann, »mein außerordentlich guter und vortrefflicher Freund, ich bin entzückt, Ihnen diesen Gefallen erzeigen zu können; sehr schön, daß Sie selbst daran gedacht haben, denn wäre es nicht aus Rücksichten für einige unserer guten und vorzüglichen Freunde geschehen, die es lieben, ihre Nase in alle Angelegenheiten zu stecken und ihren Senf mit einzumischen, so würde ich Sie schon längst höflichst gefragt haben, wie Sie dazu kämen, mit uns zu speisen, während all der Unflath und Schmutz noch auf Ihrem Rockkragen saß, den Mr. Tyrrels Faust darauf zurückließ. – Sie verstehen mich wohl. – Doch so wie es jetzt ist, ist es sehr viel besser, und mit Blitzesschnelle will ich zu dem Mann hineilen. – Und wenn man freilich schon früher daran hätte denken sollen, überlassen Sie es nur mir, darüber eine geziemende Entschuldigung nach meiner eignen höflichen Weise zu erdenken. – Sie wissen, Sir Bingo, es heißt: besser, spät gedeihen, als niemals gut gerathen; und haben Sie ihn ein bischen lange auf seine Morgengabe warten lassen, müssen Sie ihm nun um so reichlicheres Maaß ertheilen, mein Lieber!«
Er eilte sich zu entfernen, ohne eine weitere Antwort zu erwarten, damit solche nicht etwa zufälliger Weise dem so erwünschten als unerwarteten Auftrage irgend eine seinen Ruhm schmälernde Klausel von Vergleich oder Sühne beifüge. Aber kein solcher Vorschlag erfolgte von dem muthigen Sir Bingo, der mit mürrisch trotzendem Blicke seinen Freund hastig seinen Degen umgürten sah und ihn begleitete, welches, um seinen eignen Ausdruck beizubehalten, seinen festen Entschluß ausdrücken sollte, seinem Gegner derb eins auszuwischen. Als er endlich die hinwegeilenden Schritte des Hauptmanns hörte, und die Thür sich hinter ihm schließen sah, pfiff er muthiger Weise einige Balladen, zum Beweise, daß er sich nicht einen Pfifferling aus der ganzen Sache mache.
Mit schnellerm Schritte, als wozu seine Gemächlichkeit den auf halbem Solde stehenden Krieger sonst ermunterte, oder seine eigenthümliche Würde zu gestatten pflegte, durcheilte der Hauptmann das Thal des Brunnens und seine heitern Umgebungen, und gelangte zu den Ruinen des alten Ortes, wo unsere Freundin Meg Dods, die einzige Verfechterin seiner alten Würde, regierte. Der Hauptmann näherte sich sogleich der Thüre des Gasthofs zur Teufelsfalle, entschlossen wie ein Mann, den der Krieg an rauhen Empfang gewöhnt hatte; obwohl dennoch beim ersten Anblick Megs, die sich in dem Thorwege ihm entgegen stellte, seine Erfahrung ihn bald einsehen ließ, daß sein Einzug in diesen Ort höchst wahrscheinlich nicht ohne Widerstand gelingen möchte.
»Ist Mr. Tyrrel zu Hause?« war die Frage, auf welche statt der Antwort die Gegenfrage erfolgte: »Wer mögt Ihr denn sein, der hier so neugierig fragt?«
Als die höflichste Erwiederung dieser Erkundigung, und zugleich seiner eigenthümlichen Schweigsamkeit am besten zusagend, reichte der Hauptmann an Meg Dods etwa den fünften Theil einer gewöhnlichen Spielkarte, die sehr von Tabak beschmutzt war, und auf ihrer leeren Seite seinen Namen trug. Aber die ihr so dargebotene Benachrichtigung verwarf Luckie Dods mit verächtlichem Zorne.
»Ich habe nichts mit Euern teuflischen Spielkarten zu schaffen,« sagte sie, »gar böse ist die Welt geworden, seit die nett gemalten Dinger da Mode geworden sind. – Eine klägliche Zunge ist's, die nicht einmal den eignen Namen sagen kann, und von Euern pappnen Karten da will ich einmal keine haben.«
»Ich bin der Hauptmann Mac Turk von – vom Regiment;« entgegnete der Hauptmann, eine weitere Auseinandersetzung verschmähend.
»Mac Turk?« wiederholte Meg mit so großem Nachdruck, daß der Eigner dieses Namens sich verleiten ließ, weiter hinzuzusetzen:
»Ja, meine werthe Frau – Mac Turk – Hector Mac Turk. – Haben Sie irgend etwas gegen den Namen einzuwenden?«
»Nichts habe ich dagegen einzuwenden! Es ist ein vortrefflicher Name für einen Heiden. – Aber Hauptmann Mac Turk, wenn dem so ist, daß Ihr ein Hauptmann seid, Ihr möget Euch nur eben umwenden und wieder nach Hause marschiren nach dem Takt der Trommeln von Dumbarton; denn Ihr werdet weder Mr. Tyrrel, noch irgend einen meiner Miethsleute zu sprechen bekommen.«
»Und weßhalb nicht?« fragte der Veteran. »Kömmt dieß aus Euerm eigenen thörichten Kopfe, ehrliche Frau, oder hat Euer Miether solchen Befehl zurückgelassen?«
»Kann sein, er hat es gethan, kann sein, er that es nicht,« erwiederte Meg keck; »auch glaube ich, Ihr habt nicht mehr Recht, mich ehrliche Frau zu nennen, als wenn ich zu Euch ehrlicher Mann sagen wollte, welches aber meinen Gedanken eben so fern liegt, als es fern von der göttlichen Wahrheit sein mag.«
»Das Weib spricht im Wahnsinn!« sagte der Hauptmann. »Doch kommt, kommt – ein Edelmann wird sich in seinem Wege nicht aufhalten lassen, wenn er in Geschäften seines Standes ist; macht mir also da auf der Schwelle etwas Platz, daß ich vorbei kann, oder ich werde mir selbst Bahn brechen, bei Gott! und das möchte Euch wenig gefallen.«
Damit setzte er sich in die Stellung eines Menschen, der sich Raum zu schaffen Willens ist. Doch Meg, ohne ihn einer weitern Antwort zu würdigen, schwang den Küchenbesen, den sie so eben in der Hand hielt, als des Hauptmanns Annäherung sie in ihrem häuslichen Wirken störte, rüstig und drohend um das Haupt, und rief:
»Ich kenne Euern Auftrag gut genug, Hauptmann! Ihr seid einer von Denen, die da umher gehen, den Leuten so lange Böses in die Ohren zu blasen, bis Ihr sie, wie Gelbschnäbel einen Volks-Auflauf machen, zum Fechten reizt. Aber Ihr sollt keinem meiner Miether, sei es Mr. Tyrrel oder wer es sonst wolle, mit solcher gottlosen Absicht nahen; denn ich bin eine Person, die den Gottesfrieden in ihrer Wohnung aufrecht gehalten wissen will.«
Um ihre Meinung noch nachdrücklicher zu erklären, schwang sie wieder rüstig den Besen.
Instinktmäßig empfahl sich der Veteran dem Schutze des heiligen Georgs, und trat einige Schritte zurück, ausrufend: »Das Weib ist entweder rasend, oder so betrunken, als der Whisky nur machen kann!« Eine Behauptung, an welcher Meg so wenig Gefallen fand, daß sie muthig auf ihren sich zurückziehenden Gegner anstürmte, und ihrer Waffe sich kräftig zu bedienen begann.
»Ich betrunken? Ihr elender Straßenräuber!« (Ein Schlag des Besens trat als Zwischensatz ein) »ich, die ich nichts herunter schlucke, als Bosheit und Thee!« (Ein neuer Hieb.)
Fluchend, tobend und ausweichend fing der Hauptmann die herabströmenden Schläge auf, viel Gewandtheit in dieser Stockschlägerei zeigend. Die Dorfbewohner begannen sich zu versammeln, und es ist sehr schwer zu bestimmen, wie lange sein Edelmuth der Selbstvertheidigung und Rache noch Schranken zu setzen vermocht hätte, als die Ankunft Tyrrels, der von einem kurzen Spaziergang zurückkehrte, dem Streite Einhalt that.
Meg, die große Achtung für ihren Gast hegte, schämte sich ihrer Heftigkeit, und schlüpfte in das Haus, doch nicht ohne noch auszurufen: »sie hoffe, ihr Besen und des alten Heiden Kopf wären gut mit einander bekannt geworden.« – Die Ruhe, welche ihr Abzug gewährte, gestattete Tyrrel, den Hauptmann zu fragen, den er endlich erkannte, woher dieser sonderbare Strauß entstanden sei, und ob ihm etwa sein Besuch gelten möchte. Der Veteran, ziemlich außer Fassung, erwiederte: »er würde das schon lange erfahren haben, wenn anständige Leute da wären, die Thür zu öffnen und eine höfliche Frage zu beantworten, statt eines zänkisch tollen Weibes, die ärger als ein Adler, oder ein Kettenhund, eine Bärin oder irgend eine andere Bestie auf Erden wäre.«
Den Auftrag des Hauptmanns halb voraussehend, und alles unnöthige Gespräch zu vermeiden wünschend, bat Tyrrel den Hauptmann, indem er ihn nach seinem Zimmer führte, die rohe Weise seiner Wirthin zu entschuldigen, und von diesem Gegenstande auf den überzugehen, der ihm die Ehre seines Besuches verschaffe.
»Sie haben ganz Recht, mein guter Mr. Tyrrel,« sagte der Hauptmann, der seine Binde und Halskrause ordnete, die Aermel herunterzog, und alle Mühe aufbot, die anständige Fassung wieder zu erringen, welche seinem Auftrage ziemte, doch immer empört der Behandlung gedachte, die ihm widerfahren war. »Bei Gott! – wäre sie ein Mann gewesen, und war es der König selbst – Indessen, Mr. Tyrrel, ich komme mit einem höflichen Ersuchen – ja sehr höflich bin ich hier wahrhaftig behandelt worden – die alte Bullenbeißerin sollte im Stockhause sitzen, in's Teufels Namen. – Mein Freund, Sir Bingo Binks – Niemals werde ich des Weibes Unverschämtheit vergessen – gäbe es einen Gerichtsdiener oder Häscher in der Gegend –«
»Ich bemerke, Hauptmann,« sagte Tyrrel, »daß Sie jetzt noch zu sehr aufgeregt sind, des Geschäfts zu erwähnen, welches mir die Ehre Ihres Besuchs verschaffte. – Wollten Sie in mein Schlafzimmer treten und sich des kalten Wassers und des Handtuchs dort bedienen, so wird Ihnen das Zeit geben, sich wieder zu sammeln.«
»Ich werde alles dieß nicht thun,« entgegnete kurz der Hauptmann. »Ich brauche mich gar nicht zu sammeln, und begehre nicht einen Augenblick länger in diesem Hause zu verweilen, als mein Auftrag, der meinen Freund und Sie selbst betrifft, es erfordert. – Und dieß verdammte Weib, diese Dods –«
»Sie werden mir meine Unterbrechung verzeihen, Hauptman Mac Turk, da ich voraussetze, Ihr Auftrag hat keinen Zusammenhang mit diesem befremdenden Streit mit meiner Wirthin, mit welcher ich nichts zu –«
»Und glaubte ich, er hätte einen Zusammenhang damit, Sir,« rief der Hauptmann, jetzt seinerseits Tyrrel unterbrechend, »so sollten Sie mir Genugthuung geben, ehe Sie eine Viertelstunde älter wären. – O ich wollte fünf Pfund dem allerliebsten Burschen geben, der sagen möchte, das Weib hätte recht gehandelt.«
»Ich werde gewiß nicht derjenige sein, den sie sich da herbeiwünschen, Hauptmann, da ich in der That nicht weiß, wer Recht oder Unrecht hat. Aber ich bin wirklich sehr unmuthig, daß Ihnen so Böses widerfuhr, da Sie mich besuchen wollten.«
»Gut, Sir, wenn Sie darüber bekümmert sind, ich auch, und damit ist es zu Ende. – Was meinen Auftrag betrifft – Sie können nicht vergessen haben, daß Sie meinen Freund Sir Bingo Binks mit ausgezeichneter Unhöflichkeit behandelten.«
»Ich erinnere mich keinesweges, etwas dem Aehnliches gethan zu haben, Hauptmann,« entgegnete Tyrrel. »Ich entsinne mich nur, daß der Herr, welcher jenen Namen führt, sich einige unhöfliche Freiheiten herausnahm, thörichte Wetten, mich betreffend, aufstellte, und daß ich ihn aus Achtung für die ganze Gesellschaft, und der Damen insbesondere, mit großer Mäßigung und Schonung behandelte.«
»Sie mußten einen wundersamen Begriff von Schonung und Mäßigung haben, da Sie meinen Freund beim Kragen ergriffen und ihn aus Ihrem Wege schleuderten, als ob er ein kleines kläffendes Hündchen wäre! Mein guter Mr. Tyrrel, ich kann Ihnen versichern, daß er nicht findet, daß Sie ihn schonten, und keineswegs den Vorsatz hat, Sie zu schonen; auch muß ich entweder eine vollkommen gültige Entschuldigung zurückbringen, oder Sie müssen einträchtiglich, jeder einen guten Freund zum Begleiter, irgendwo zusammen treffen. – Dieß war der Auftrag, der mich hergeführt, als jenes verdammte Weib mit ihrem Besen, die jedem friedlichen stillen Plane feind sind –«
»Wir wollen für jetzt Mistreß Dods bei Seite lassen, wenn es Ihnen gefällig ist, Hauptmann Mac Turk,« sagte Tyrrel, »und was den andern Gegenstand anbetrifft, da werden Sie mir erlauben, offen zu bekennen, daß ich finde, diese Aufforderung kommt ziemlich spät. – Sie als Militär werden am besten wissen, daß solche Zwistigkeiten gewöhnlich unmittelbar nach ihrer Entstehung ausgeglichen werden – dennoch sei die Absicht fern von mir, des kleinen Aufschubs wegen Sir Bingo's Wünsche zu täuschen.«
»Ich wage es zu behaupten, Sie werden es nicht – Sie werden es gewiß nicht, Mr. Tyrrel,« antwortete der Hauptmann. – »Ich bin so frei zu glauben, daß Sie zu gut wissen, welch' Benehmen einem Edelmanne gebührt. – Nun, was die Verzögerung anbetrifft – sehen Sie, mein guter Sir, in dieser Welt sind eben so verschiedene Gattungen von Menschen, als zum Beispiel von Feuergewehren; da sind jene Pistolen mit dem Stecher versehen, die, wenn nur ein Haar sie berührt, gerade in dem rechten Augenblick blitzschnell losgehen – das, Mr. Tyrrel, ist der ächte Mann von Ehre. – Dann gibt es eine Art Leute, die zu vorwitzig bei der Hand sind, und zuweilen eben so schnell umkehren – nun die sind dem elenden Zeuge, den Birminghamer Dingern gleich, die bald einmal zur Unzeit, wenn der Hahn kaum halb gespannt ist, losgehen, bald wieder nutzlos von der Pfanne brennen. – Dann wieder gibt es welche, die den Luntenschlössern gleichen, deren sich die schwarzen Bursche in Ostindien bedienen – man muß den Zunder anblasen, allmählich, so rasch wie es gehen will, das verzögert freilich die Sache, doch am Ende trifft solch' Gewehr noch gut genug.«
»Und Ihres Freundes Tapferkeit gehört in diese letzte Classe – das, vermuthe ich, wollen Sie andeuten. Ich würde geglaubt haben, sie gliche mehr dem Feuergewehr eines Knaben, welches zwar durch eine Zündlinie abgefeuert wird, aber doch nur eine Klatschbüchse bleibt.«
»Ich kann solche Vergleichungen nicht gestatten, Sir,« sagte der Hauptmann. »Sie werden sich erinnern, daß ich hier als Sir Bingo's Freund erschienen bin, und solche Bemerkungen über ihn sind Beleidigungen für mich.«
»Jede denkbare Absicht, Sie zu beleidigen, Hauptmann, muß ich von mir ablehnen. – Ich wünsche nicht, die Zahl meiner Gegner zu vermehren, noch den Namen eines so tapfern Offiziers darunter zählen zu müssen.«
»Sie sind zu gütig, Sir,« entgegnete der Hauptmann, sich würdevoll aufrichtend, – »bei Gott! das war sehr schön gesagt! – Gut, Sir, soll ich nicht das Vergnügen haben, dem Sir Bingo irgend eine genugthuende Erklärung zurückzubringen? – Ich versichere Ihnen, daß ich mich sehr glücklich schätzen würde, Alles freundlich beilegen zu können.«
»Für Sir Bingo habe ich keine Entschuldigung. – Ich denke, ich behandelte ihn artiger, als seine Unverschämtheit verdiente.«
»Ach, ach!« seufzte der Hauptmann mit dem scharfen Accent der Hochländer; »dann läßt sich weiter nichts sagen, und uns bleibt nur noch Zeit und Ort zu bestimmen. Pistolen, denke ich, sind die passendsten Waffen?«
»Das ist mir Alles ganz gleich, nur würde mir in Hinsicht der Zeit die nächste die erwünschteste sein. – Wäre es Ihnen recht, so träfen wir uns schon eben diesen Nachmittag um ein Uhr. – Den Ort mögen Sie bestimmen.«
Nachdenkend entgegnete der Hauptmann: »Um ein Uhr wird Sie Sir Bingo erwarten. – Der Ort sei der Buckstein, die ganze Gesellschaft begibt sich heute nach dem Ufer des Stromes, dort Fische zu essen, so ist keine Störung zu befürchten. – Und wen, mein guter Freund, soll ich zu Ihrem Sekundanten anwerben?«
»In der That, Hauptmann, das ist eine schwierige Frage; – ich habe hier keinen Freund, – und ich vermuthe, Sie können schwerlich uns Beiden zugleich beistehen?«
»Das wäre durchaus und gänzlich ungeziemend, mein guter Freund. Aber wenn Sie es mir überlassen wollen, will ich Ihnen vom Gesundbrunnen einen Sekundanten mitbringen, der, wenn Sie ihn auch nie vorher sahen, Alles so gut einrichten wird, als ob Sie seit zwanzig Jahren genaue Freunde zusammen wären; auch den alten Doctor will ich hinbescheiden, wenn ich ihn von der Schürze der wohlgenährten Wittwe Blower losmachen kann, an welche er sich fest anhängt.«
»Ich zweifle nicht, daß Sie Alles mit größter Pünktlichkeit anordnen werden. Es bleibt also dabei, um ein Uhr am Buckstein. – Doch halt, erlauben Sie mir, Sie bis zur Thür zu begleiten.«
»Bei Gott – es möchte vielleicht wohl nicht ganz unnöthig sein; denn das verdammte Weib mit ihrem Besen könnte in dem dunkeln Gange leicht einigen Vortheil über mich erringen, da sie das Terrain besser kennt als ich – hol' sie der Henker! – Aber ich will mich an ihr rächen, und sie ausgepeitscht, untergetaucht oder in's Gefängniß geworfen sehen!«
Mit diesen Worten entfernte sich der Hauptmann, noch immer zuweilen ärgerlich empört des unverschuldeten Angriffs Meg Dods gedenkend, doch zugleich bald wieder durch die Erwartung des ihm so angenehmen Zusammentreffens Tyrrels und Sir Bingo's vollkommen erheitert.
Wir hörten zuweilen von Menschen von unzubezweifelnder Güte des Charakters erzählen, daß sie ein vorzügliches Vergnügen daran fänden, einen elenden Verbrecher, den seine Vergehungen eben sowohl, wie das gegen ihn ausgesprochene Urtheil herabwürdigten, sein lasterhaftes, elendes Leben durch einen schmähenden, martervollen Tod beenden zu sehen. Eine ähnliche Inconsequenz des Charakters war es, welche den Hauptmann Mac Turk, der in der That ein verdienstvoller Offizier gewesen war und ein achtungswerther, gutmeinender Mann blieb, verleitete, seine größte Lust darin zu finden, seine Freunde zu Händeln aufzureizen, und dann die Rolle des Schiedsrichters bei ihrem gefahrvollen Zusammentreffen zu übernehmen, das aber nach seinen Gesetzen der Ehre durchaus nothwendig war, Frieden und Eintracht wieder herzustellen. Wir überlassen die Aufklärung solcher wunderlichen Widersprüche den Untersuchungen der Gelehrten, welche die Organe des Gehirns zu ihrem Studium machen, da sie dem feinsten Scharfsinn der moralischen Philosophen unbegreiflich bleiben.