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Der April hieß den Schnee der hohen Sierra zur Meeresmutter zurückkehren. Der kalifornische Grünspecht oder Lachvogel lärmte laut vor Lust; die Menschen dachten wohl, es geschehe wegen ein paar Eicheln, die er noch in der Borke verwahrt gefunden habe, es war aber nichts als Freude am Leben. Sein Geschrei war für ihn, was ihr Lied für die Drossel und Freudengeläut für uns ist: ein lautes Lärmen als Ausdruck der Freude. Die Hirsche sprangen, Waldhühner stiegen auf, Rinnsale plätscherten – alles war voll lauter Freude.
Kellyan und Bonamy hatten sich wieder zur Grislyjagd eingestellt. »Zeit, daß er wieder draußen is' und gute Spur zum Folgen und viel Schnee in den Löchern.« Sie hatten sich für eine lange Jagd ausgerüstet; es fehlte nicht an Honig als Lockmittel, großen Stahlfallen mit Krokodilfängen und Gewehren. Die Blockfalle, die je älter um so besser ist, war ausgebessert und mit frischem Köder versehen, und mehrere schwarze Bären wurden gefangen. Aber der »Riesenbär«, wenn er überhaupt da war, hatte sie meiden gelernt.
Er war da, wie die Männer bald erfuhren, sein Winterschlaf war vorüber. Seine unverkennbare Spur fanden sie im Schnee, aber nicht allein, daneben oder gerade davor war eine andere Bärenfährte, die eines kleineren Tieres.
»Sieh mal«, sagte Kellyan, indem er auf die kleinere Spur wies, »jetzt ist Paarungszeit, unser Bär hat seinen Honigmonat«, und er folgte der Spur eine Weile, nicht in der Erwartung, sie zu finden, sondern nur, um sich über ihre Bewegungen zu unterrichten. Mehrmals folgte er meilenweit, und die Spur erzählte ihm vieles. Hier schloß sich die Fährte eines dritten Bären an. Hier hatte ein Kampf stattgefunden, und dort war zu lesen, daß ein Nebenbuhler abgewiesen worden war. Einmal führte sie den Berg hinunter zu einer Stelle, wo der größere Bär ein Liebesfest gefeiert hatte; denn die Überreste eines halbverzehrten Stiers und die Spuren auf dem Boden sprachen deutlich von dem Kampf, der dem Fest vorangegangen war. Wie um seine Kraft zu zeigen, hatte der Bär den Stier an der Schnauze gepackt und eine Weile geduckt gehalten – so erzählte die eine Strecke breit zertrampelte Erde – trotz alles Sträubens, Schnaubens und Brüllens, sicher Musik für die Ohren der Genossin, bis der Grisly es für Zeit hielt, ihn mit seinen stählernen Tatzen zu Boden zu strecken.
Nur einmal bekamen die Jäger das Paar einen Augenblick zu Gesicht, einen Bären von solchem Ausmaß, daß ihnen Tampicos Erzählung halb glaubhaft schien, und einen kleineren Bären mit einem Fell, aus dem im Sonnenschein braune und silberne Schimmer durcheinander wirbelten und rieselten.
»Oh, ist das nicht das Schönste, was je im Wald zu sehen war!« und beide Jäger gafften, als sie aus dem freien Felde ins Dornendickicht schritt. Es war nur ein Kranz von Dornen, beide mußten in einer Minute auf der andern Seite wieder zum Vorschein kommen, und die Männer machten sich schußbereit. Aber aus irgendeinem unbegreiflichen Grunde erschien das Paar nicht wieder. Es blieb in Deckung und war weit weggewandert, ehe es die Jäger merkten, und ward nicht mehr gesehen.
Aber Faco Tampico sah es. Er suchte seinen Bruder auf, und als er in den östlichen Vorbergen jagte, in der Hoffnung einen Hirsch zu erlegen, fielen seine schwarzen Äuglein auf ein Bärenpaar, das miteinander weit unterhalb durch den Wald trottete. Er fühlte sich in sicherer Stellung und ließ eine Kugel fliegen, welche die Bärin mit gebrochenem Rückgrat zu Boden streckte. Sie brach mit schmerzlichem Stöhnen zusammen und vermochte nicht wieder aufzustehen. Da fuhr Jack herum, schnüffelte im Wind nach dem Feind, und Faco feuerte wieder. Knall und Rauchwölkchen verrieten dem Bären, wo der Mann versteckt lag. Er raste bergauf, aber Faco kletterte auf einen Baum, und Jack kehrte zu seinem Weibchen zurück. Faco feuerte noch einmal; Jack versuchte von neuem, zu ihm zu gelangen, konnte ihn aber diesmal nicht finden und ging wieder zu seiner Silberbraunen.
Sei es nun Zufall oder Geschicklichkeit, aber als Faco noch einen Schuß auf Jack abgab, traf ihn die Kugel. Es war Facos letzte, und als der Grisly wieder heraufstürmte, fand er keine Spur vom Feinde. Der war fort, über eine Stelle hinweg, die kein Bär überschreiten konnte, und bald eine Meile entfernt. Der große Bär hinkte zu seiner Gefährtin zurück, aber sie regte sich nicht mehr bei seiner Berührung. Eine Zeitlang schnüffelte er herum, aber es kam niemand. Das Silberfell hat kein Mensch angerührt, und als der Körper seines Weibchens alle Ähnlichkeit mit ihrer früheren Gestalt verloren hatte, ging Jack davon.
Die Welt war voller Jäger, Fallen und Flinten. Er wandte sich hinkend, denn er hatte eine neue Fleischwunde, den unteren Hügeln zu, wo die Schafe grasten und er einst Pedros Herde angefallen hatte. Dabei stieß er auf den Geruch des Feindes, der seine Silberbraune getötet hatte, und wäre ihm gefolgt, aber er hörte an einer Stelle auf, wo Pferdespuren einsetzten. Doch fand er ihn vermischt mit der ihm so vertrauten Schafwitterung in der nächsten Nacht wieder und folgte ihm, wund und wild, bis zu der gebrechlichen Hütte eines Ansiedlers, der Wohnung von Tampicos Eltern. Und als der große Bär dort auftauchte, hasteten zwei menschliche Wesen zur Hintertür hinaus.
»Mein Gatte«, schrie die Frau, »bete! Laß uns zu den Heiligen um Hilfe flehen!«
»Wo ist meine Pistole?« schrie der Mann.
»Verlaß dich auf die Heiligen«, rief die Frau erschreckt.
»Ja, wenn ich ein gutes Gewehr hätte, oder wenn's 'ne Katze wäre! Aber mit dem alten Eisen von Pistole einen Bären wie 'n Berg gegenüber verlass' ich mich lieber auf einen Baum«, und der alte Tampico kletterte eiligst auf eine Fichte.
Der Grislybär schaute in die Hütte, dann wandte er sich zum Schweinekofen, schlug das größte Tier – es war eine neue Sorte Fleisch für hin – schleppte es weg und hielt seine Abendmahlzeit. Immer wieder kehrte er zum Schweinestall zurück und fand dort seine Nahrung, bis seine Wunde geheilt war. Einmal stieß er auf einen Selbstschuß, aber er war zu hoch angebracht. Eine Höhe von sechs Fuß, hatten die Tampicos gedacht, würde für solchen Bären gerade recht sein. Die Ladung ging über seinen Kopf weg, und er kam unverletzt davon – ein sicherer Beweis, daß er ein Teufel war. Jack wurde das eine klar: Der Menschengeruch ist immer und überall ein gefährlicher Geruch. Er verließ das kleine Tal mit der Hütte und wanderte hinab der Ebene zu.
Eines Nachts kam er bei einem Hause vorbei, und als er darauf losging, fand er ein hohles Ding, das köstlich roch. Es war ein kleines Fäßchen, das Zucker enthalten hatte, wovon noch etwas auf dem Boden lag, und als er seinen gewaltigen Kopf hineinstieß, haftete der mit Nägeln gespickte Faßrand fest. Er raste umher, kratzte wild mit den Klauen daran und heulte, bis ein Schuß aus den oberen Fenstern ihn zu solcher Anstrengung anspornte, daß das Fäßchen in Stücke zersplitterte und er die Blenden los war.
So erstarkte der Gedanke in ihm: Näherst du dich einer menschlichen Behausung, so kommst du sicher in Ungelegenheiten, und er suchte hinfort seine Beute im Walde oder auf der Prärie. Eines Tages fand er die Menschenwitterung, die ihn so in Wut versetzt hatte, als er seine Silberbraune verlor. Er nahm die Spur auf und folgte ihr mit fast unglaublicher Lautlosigkeit durch Dornengebüsche auf und ab und an Binsengesträuch vorbei bis zur Ebene. Die Witterung führte weiter und war nun frischer. In der Ferne erschienen weiße Punkte, die sich bewegten. Sie bedeuteten nichts für ihn; er hatte Wildgänse nie gewittert, kaum gesehen; aber die Fährte seines Wildes führte weiter, bis die Binsen ein wenig raschelten und die Witterung Körperwitterung wurde. Ein machtvolles Hindrängen, ein einziger Schlag – und die Gänsejagd war zu Ende, ehe sie recht begonnen hatte, und Facos Schafe erbte sein Bruder.