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4. Kapitel.

Wie Schwarzstabel nicht zu der Taufe der Prinzessin Angelika eingeladen wurde.

 

Als die Prinzessin Angelika geboren war, schickten ihre Eltern keine Einladung zum Tauffeste an die Fee Schwarzstabel, ja sie gaben sogar ihrem Türhüter den Befehl, sie unbedingt abzuweisen, wenn sie vorsprechen sollte. Der Name dieses Türhüters war Schnauzibautz, und er war von Ihren königlichen Hoheiten für diesen Posten ausgewählt worden, weil er ein sehr großer, grimmiger Mann war, der einem Lieferanten oder einem ungebetenen Gaste »Nicht zu Hause« sagen konnte mit einer Grobheit, welche solche Leute meistens in die Flucht jagte. Er war der Mann jener Gräfin, deren Bild wir eben gesehen haben, und solange sie zusammen lebten, zankten sie sich von früh bis spät. Einmal aber geriet dieser Kerl mit seiner Unverschämtheit an den Unrechten, wie ihr gleich hören sollt.

Denn als die Fee Schwarzstabel kam, um den Prinzen und die Prinzessin zu besuchen, die noch dazu gerade am offenen Salonfenster saßen, da verleugnete sie Schnauzibautz und machte überdies noch eine sehr häßliche, gemeine Gebärde, wie er eben der Fee die Türe vor der Nase zuschlagen wollte, »Mach daß d'weiter kommst, altes Schwarzstaberl,« sagte er. »Ich sag' dir ja, die gnä' Herrschaften sind für dich net z'Haus!« und er wollte, wie wir schon gesagt haben, eben die Türe zuschlagen.

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Aber die Türe ging nicht zu, denn die Fee hatte ihren Stab in den Spalt gesteckt. Da kam der Schnauzibautz wütend wieder heraus, fluchte ganz abscheulich und fragte die Fee, ob sie vielleicht meine, er solle den ganzen Tag an der Tür stehen bleiben?

»Du sollst an dieser Türe bleiben, den ganzen Tag und die ganze Nacht, und manch langes Jahr hindurch,« sagte die Fee mit majestätischer Gebärde, und Schnauzibautz, der aus der Türe trat und mit seinen dicken Waden sperrbeinig davor stand, brach in ein schallendes Gelächter aus und rief: »Ha, ha, ha! das ist nicht übel! He – eh – was ist das? Laß mich los! – o – o – hm!« und dann war er – stumm!

Als nämlich die Fee ihren Zauberstab über ihm schwang, merkte er, wie er sich vom Boden loslöste und an die Türe hinaufflatterte; er fühlte fürchterliche Schmerzen, als ob eine Schraube durch seinen Magen gebohrt würde, und dann war er richtig an der Türe festgeheftet; und seine Arme schossen über seinen Kopf hinauf, und seine Beine zogen sich nach krampfhaften Zuckungen unter seinem Leib zusammen, und er fühlte, wie es ihn kalt, kalt überlief, als ob er in Metall verwandelt würde, und dann sagte er: »O – o – hm!« und mehr konnte er nicht sagen, weil er stumm ward.

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Ja, er war in Metall verwandelt! Der Erzgrobian war nun wirklich aus Erz! Er war nicht mehr und nicht weniger als ein Türklopfer! Und da hing er nun, an der Türe festgenagelt, am sonnigen Sommertag, bis er vor Hitze beinahe rotglühend wurde; und da hing er, an der Türe festgenagelt, all die langen, bitter kalten Winternächte hindurch, bis seine Messingnase von Eiszapfen triefte. Und der Briefträger kam und pochte mit ihm an, und der erste beste Gassenjunge schlug ihn gegen die Türe, wenn er einen Brief abzugeben hatte. Und als der König und die Königin – damals waren sie aber noch Prinz und Prinzessin – eines Abends von ihrem Spaziergang heimkamen, sagte der König: »Ei seht da, meine Beste! Ihr habt einen neuen Klopfer an der Türe anbringen lassen! Der gleicht ja im Gesicht ein wenig unserm Türhüter: Was ist eigentlich aus dem beduselten Herumstreicher geworden?« Und die Magd kam und scheuerte seine Nase mit Sandpapier; und einmal, als Prinzessin Angelikas kleine Schwester geboren wurde, wickelte man ihn in einen alten Lederhandschuh ein; und in einer anderen Nacht versuchten ein paar angeheiterte Studenten ihn loszuwinden und versetzten ihn mit einem Schraubenzieher in die schrecklichste Marterpein. Und einmal fiel es der Königin ein, die Türe mit einer anderen Farbe streichen zu lassen, und die Maler schmierten ihm Mund und Augen voll und erstickten ihn beinahe, als sie ihn hellgrün anstrichen. Ich versichere euch, er hatte Muße vollauf, zu bereuen, daß er gegen die Fee Schwarzstabel unverschämt gewesen war.

Seine Frau aber vermißte ihn nicht; und da er immer im Wirtshause beim Bierglase gesessen, mit seiner Frau in offenem Unfrieden gelebt und bis über die Ohren in Schulden gesteckt hatte, so nahm man an, er habe vor allen diesen Übeln Reißaus genommen und sei nach Australien oder Amerika ausgewandert. Und als es dem Prinzen und der Prinzessin beliebte, König und Königin zu werden, verließen sie ihr altes Haus, und niemand dachte jemals mehr an den Türhüter.


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