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Wie Betsinda die Wärmflasche holte.
Die kleine Betsinda kam herein, um der Schnauzibautz das Haar zu wickeln, und die Gräfin war so gnädig gestimmt, daß sie, man sollt's nicht glauben, Betsinda lobte! »Betsinda,« sagte sie, »du hast heute mein Haar schön frisiert; ich habe dir ein kleines Geschenk versprochen. Hier sind fünf Gu– nein, hier hast du ein hübsches Ringelchen, das ich aufgel– das ich schon seit einiger Zeit habe.« Und sie gab Betsinda den Ring, den sie im Hofe aufgelesen hatte. Er paßte ihr wie angegossen.
»Er ist wie der Ring, den die Prinzessin sonst getragen hat,« sagte das Mädchen.
»Kein Gedanke,« sagte die Schnauzibautz, »ich besitze ihn schon wer weiß wie lange. Komm, deck' mich recht warm zu! Und jetzt, weil die Nacht gar so kalt ist (die Schneeflocken wirbelten gegen die Fenster), geh', sei brav und wärme dem lieben Prinzen Giglio das Bett, und dann könntest du mein Grünseidnes auftrennen, und dann kannst du mir noch schnell ein kleines Morgenhäubchen zurechtmachen, und dann kannst du das Loch in meinem seidnen Strumpf stopfen und dann kannst du zu Bett gehen, Betsinda. Vergiß nicht, daß ich um fünf Uhr morgens meine Tasse Tee bekommen muß!«
»Ich denke, es ist am besten, wenn ich beiden jungen Herren das Bett wärme, Frau Gräfin,« fragte Betsinda.
Statt aller Antwort sagte die Schnauzibautz: »Grau–au–cho! Grau – hau – chuh! – chong – chroh!« Denn sie schnarchte schon im tiefsten Schlaf.
Ihr Zimmer, mußt Ihr wissen, stieß an das des Königs und der Königin, und daneben schlief die Prinzessin. So ging denn die gute Betsinda hinaus in die Küche, um Kohlen zu holen, mit denen sie die königliche Wärmpfanne füllen wollte.
Sie war von jeher ein sehr liebes, fröhliches, höfliches, hübsches Mädchen gewesen; aber an diesem Abend war offenbar etwas ganz besonders Bestrickendes an ihr, denn alle Frauenzimmer in der Gesindestube begannen auf sie zu schmähen und zu sticheln. Die Wirtschafterin sagte, sie sei ein naseweises, hochmütiges Ding; die Obermagd fragte, wie sie sich unterstehen könne, solche Locken und Schleifen zu tragen, das schicke sich ganz und gar nicht! Die Köchin (denn es gab außer dem Koch auch noch eine Köchin) sagte zu dem Küchenmädchen, sie habe nie etwas an der Person da finden können. Die Männer jedoch, die da saßen: der Kutscher, der August, der kleine Hausdiener und Monsieur, der Kammerdiener des Prinzen von Krimtataria, – alle samt und sonders sprangen sie auf und sagten:
»Potztausend!«
»Meiner Seel!« »Donnerwetter!« »O ciel!« |
} | »Was ist doch Betsinda für ein hübsches Mädchen!« |
»Weg da! Laßt eure Unverschämtheiten bleiben, ihr groben, ungebildeten Leute, ihr!« sagte Betsinda und machte sich mit ihrer Kohlenpfanne davon. Sie hörte die jungen Herren Billard spielen, als sie die Treppe hinaufstieg. Zuerst wärmte sie Prinz Giglios Bett, dann ging sie in Prinz Bulbos Zimmer.
Er kam gerade herein, als sie fertig war, und kaum hatte er sie erblickt, so rief er:
»O! O! O! O! O! O! was bist du für ein wun–der–schö–öh–öhnes Geschöpf! Du Engel – du Peri – du süße Rosenknospe, laß mich dein Bulbul (persisch: Nachtigall) sein – und auch dein Bulbo! Flieh in die Wüste, komm, entflieh mit mir! O du Gazelle jung, wie mir noch keine das Herz erquickt mit Augen dunkelblau! Du Schönheitsgöttin, nimm dies junge Herz! O nimm es hin! Ein treures hat noch nie geschlagen unter eines Kriegers Weste! Sei mein! O sei die Meine! Sei, o sei Prinzessin mir von Krimtataria! Mein königlicher Vater willigt ein und segnet unsern Bund! Und was die kleine Angelika betrifft, die fuchsrothaar'ge – um die gebe ich keinen Pfifferling mehr!«
»Seht weg da, Königliche Hoheit, und geht zu Bett, bitte!« sagte Betsinda, mit der Wärmpfanne in der Hand.
Aber Bulbo sprach: »Nein, niemals, bis du mein zu sein hier schwörst, du Engel, der du Aug' und Herz betörst! Bis dahin wird, o Zofe sonder gleichen, von deinen Füßen nicht dein Sklave weichen!«
Auf diese Weise fuhr er fort und benahm sich so albern und lächerlich, daß Betsinda, welcher der Schalk im Nacken saß, ihm die Wärmflasche zum fühlen gab, was ihn, ich versichere Euch, ein ganz anderes »o–o–o–o–« anstimmen ließ.
Prinz Bulbo machte solchen Lärm, daß Prinz Giglio, der ihn im Nebenzimmer hörte, herbeigelaufen kam, um zu sehen, was los sei. Sobald er merkte, was da vorging, fiel er wütend über Bulbo her und traktierte ihn auf die gröbste Art mit Fußtritten, daß er bis an die Decke hinaufflog; und damit fuhr er fort, bis ihm seine Locken ganz ausgegangen waren.
Die arme Betsinda wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte; es mußte ja dem Prinzen gewiß weh tun, so an die Decke hinauf- und wieder an den Boden zurückgeschleudert zu werden; aber er sah auch gar zu drollig aus! Endlich war Giglio mit seinem Fußballspiel zu Ende, und während Bulbo in eine Ecke schlich und sich die Glieder rieb – was tut da Giglio, meint Ihr? Er wirft sich vor Betsinda auf die Knie, ergreift ihre Hand, bittet sie, sein Herz anzunehmen, und macht ihr den Vorschlag, sie auf der Stelle zu heiraten. Stellt Euch vor, wie es da Betsinda zumute ward, ihr, die dem Prinzen gut gewesen war, seit sie ihn zum erstenmal im Schloßgarten erblickt hatte, als sie noch ein ganz kleines Kind war!
»O göttliche Betsinda,« sagte der Prinz, »wie habe ich nur fünfzehn Jahre lang in deiner Nähe leben können, ohne deine vollkommene Tugend zu bemerken? Welches Mädchen in ganz Europa, Asien, Afrika und Amerika – ja sogar in Australien (nur muß das erst noch entdeckt werden), kann so anmaßend sein, sich mit dir messen zu wollen? Angelika? Pah! Die Schnauzibautz? Huh! Die Königin? Ha, ha! Du bist meine Königin! Du bist die wirkliche Angelika, weil du wirklich engelhaft bist.«
»O Prinz! Ich bin ja nur ein armes Dienstmädchen,« sagte Betsinda und sah dabei hocherfreut aus.
»Hast du mich nicht während meiner Krankheit gepflegt, als alle mich verließen?« fuhr Giglio fort. »Hat nicht deine sanfte Hand meine Kissen geglättet und mir Gelee und Hühnerbraten gebracht?«
»Jawohl, lieber Prinz,« sagte Betsinda, »und, bitt' schön, ich hab' auch Eurer Königlichen Hoheit die Hemdenknöpfe angenäht, mit Verlaub, Ihro Königliche Hoheit!« rief sie, das unschuldige Kind.
Als der arme Prinz Bulbo, der nun in wahnsinniger Liebe zu Betsinda entbrannt war, diese Erklärung hörte, als er die unverkennbaren Blicke sah, die sie Giglio zuwarf, da fing er an bitterlich zu weinen und raufte sich eine Handvoll Haare nach der andern aus seinem Schopf, bis der Stubenboden davon ganz bedeckt war, wie von lauter Werg.
Betsinda hatte die Wärmpfanne auf dem Boden stehen lassen, während die Prinzen in ihrer Unterhaltung fortfuhren, und da sie jetzt in Streit gerieten und einander grimmig anfuhren, hielt sie es für das beste, davonzulaufen.
»Du großer, dicker, plärrender Simpel, raufst dir das Haar dort in der Ecke; natürlich wirst du mir Satisfaktion dafür geben, daß du Betsinda beleidigt hast! Du wagst es, der Prinzessin Giglio zu Füßen zu fallen und ihr die Hand zu küssen?«
»Sie ist nicht Prinzessin Giglio!« heulte Bulbo. »Sie soll Prinzessin Bulbo sein, sie und keine andere!«
»Du bist mit meiner Kusine verlobt!« brüllte Giglio.
»Ich kann deine Kusine nicht ausstehen!« sagte Bulbo.
»Du sollst mir Satisfaktion geben für diese Beschimpfung!« schrie Giglio wütend.
»Es kostet dir dein Leben!«
»Ich durchbohre dich!«
»Ich schneide dir den Hals ab!«
»Ich schieße dir eine Kugel durchs Gehirn!«
»Ich haue dir den Kopf ab!«
»Morgen früh schicke ich dir meinen Sekundanten auf den Hals!«
»Morgen nachmittag jage ich dir eine Kugel durch den Leib!«
»Wir sehen uns wieder!« sagte Giglio und hielt Bulbo seine Faust unter die Nase; dann hob er die Wärmpfanne vom Boden auf und küßte sie. weil – nein, so was! – weil Betsinda sie in Händen gehabt hatte, und eilte damit hinunter. Aber was mußte er auf dem Treppenabsatz sehen? Seine Majestät im Gespräch mit Betsinda, die er mit allen möglichen zärtlichen Namen anredete! Seine Majestät hatte Lärm im Hause gehört, so erklärte er, und da er einen brenzlichen Geruch verspürt habe, so sei er herausgekommen, um zu sehen, was es gebe.
»Die jungen Herren rauchen vielleicht, Ihro Majestät,« sagte Betsinda.
»Reizende Kammerjungfer,« sagte der König (wie alle die anderen!), »laß die jungen Herren junge Herren sein! Richte deine Blicke auf einen unumschränkten Herrscher mittleren Alters, der in seinen jungen Tagen nicht für häßlich galt.«
»O gnädiger Herr! was wird Ihre Majestät sagen!« rief Betsinda aus.
»Ihre Majestät?« lachte der Monarch. »Hol' der Henker Ihre Majestät! Bin ich nicht Autokrat von Paphlagonia? Hab' ich nicht Stricke, Beile, Henker – ha! Rauscht nicht am Schlosse eines Stromes Flut? Sind leere Säcke nicht für Weiber gut? Sprich nur ein Wort, du wollst mein eigen sein – flugs mit der Kön'gin in den Sack hinein – und Herz und Thron teilst du mit mir allein!«
Als Giglio diese greulichen Gesinnungen vernahm, vergaß er den Respekt, den man gewöhnlich gekrönten Häuptern bezeigt: hoch schwang er die Wärmpfanne in seinen Händen und schmetterte den König nieder, so daß er platt wie ein Pfannkuchen am Boden lag. Darauf ergriff unser Freund Giglio das Hasenpanier und rannte davon, und auch Betsinda machte sich mit Gekreisch aus dem Staube, und die Königin, die Schnauzibautz und die Prinzessin kamen alle aus ihren Zimmern heraus. Stellt Euch vor, wie ihnen zumute ward, als sie ihren Gatten, Vater und Landesherrn in dieser Lage erblickten!