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Skaramuz. Der Poet.
Skaramuz: Nein, Herr Poet, sagt, was Ihr wollt, redet, was Ihr mögt, denkt und wendet ein, soviel es Euch nur möglich ist, so bin ich doch fest entschlossen, auf nichts zu hören, nichts zu überlegen, sondern auf meinem Willen zu bestehn, und damit Punktum!
Poet: Lieber Skaramuz.
Skaramuz: Ich höre nichts. Da, mein Herr Poet, seht, wie ich mir die Ohren zuhalte.
Poet: Aber das Stück –
Skaramuz: Was Stück! ich bin auch ein Stück, und ich habe auch das Recht, mitzusprechen. Oder denkt Ihr, daß ich keinen Willen habe? Meint ihr Poeten, die Herren Schauspieler wären immer gezwungen, das zu tun, was ihr ihnen befehlt? O mein Herr, die Zeiten ändern sich manchmal plötzlich.
Poet: Aber die Zuschauer –
Skaramuz: Also, weil es Zuschauer in der Welt gibt, soll ich unglücklich sein? Ei, welcher schöne Schluß!
Poet. Freund, Ihr müßt mich notwendig anhören.
Skaramuz: Wenn ich muß: gut. Hier sitz ich; nun redet einmal wie ein verständiger Mensch, wenn Euch das möglich ist. Er setzt sich auf die Erde.
Poet: Wertgeschätzter Herr Skaramuz! Dieselben sind beim hiesigen Theater zu einem gewissen bestimmten Rollenfach engagiert, Sie sind mit einem Worte, um mich kurz auszudrücken, der Skaramuz. Es ist auch nimmermehr zu leugnen, daß Sie es in diesem Fache so ziemlich weit gebracht haben, und kein Mensch auf der Welt ist mehr geneigt als ich, Ihren Talenten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen; aber, mein Teuerster, deswegen sind Sie noch nimmermehr ein tragischer Schauspieler; Sie sind deswegen noch nicht imstande, einen edlen Charakter darzustellen.
Skaramuz: Sapperlot! das wär ich nicht imstande? Mein Seel, so edel, wie Sie ihn nimmermehr sollen schreiben können. Wenn es ausgemacht ist (wie es denn in unsern Tagen ausgemacht ist), daß eine edle Rolle einen ursprünglich edlen Menschen, Mann oder Herrn, zur Darstellung erfordert, so halte ich Ihre –Äußerung für eine persönliche Beleidigung, und ich fodre hiemit die ganze Welt auf, groß und klein, mich an Edelmut zu übertreffen.
Scävola, einer von den Zuschauern: Oh, Herr Skaramuz, mit Ihnen nimmt man es noch auf.
Skaramuz: Wieso? Ei, wie das? Ich muß gestehn, ich erstaune über diese Unverschämtheit.
Scävola: Nein, mein Herr, das haben Sie gar nicht Ursach. Ich bin für mein Geld hier, Herr Skaramuz, und da kann ich hier denken, was ich will.
Skaramuz: Die Gedankenfreiheit ist Ihnen unbenommen, aber das Sprechen ist Ihnen untersagt.
Scävola: Wenn Sie sprechen dürfen, wird es mir auch noch immer erlaubt sein.
Skaramuz: Und was haben Sie denn Edles getan?
Scävola: Ich habe vorgestern für meinen liederlichen Neffen Schulden bezahlt.
Skaramuz: Und ich habe gestern den Souffleur geschont, indem ich eine ganze Szene ausließ.
Scävola: Ich war vorige Woche bei Tisch bei guter Laune, und verschenkte einen ganzen Taler an Almosen.
Skaramuz: Ich zankte mich vorgestern mit dem Schneider, der mich mahnte, und behielt das letzte Wort.
Scävola: Vor acht Tagen habe ich einen besoffenen Menschen nach Hause gebracht.
Skaramuz: Dieser Besoffene war ich, mein Herr; aber ich hatte mich auf das Wohl unsres Landesherrn betrunken.
Scävola: Ich bekenne mich für überwunden.
Skaramuz: Und dafür sind Sie nun so undankbar, und kommen her, und wollen mir meinen Edelmut schmälern?
Scävola: Ich bitte um Verzeihung, Herr Skaramuz.
Pierrot stürzt herein.
Poet: Was willst du, Pierrot?
Pierrot: Was ich will? Ich will heute nicht spielen, durchaus nicht!
Poet: Aber warum nicht?
Pierrot: Warum? Weil ich auch endlich einmal einen Zuschauer abgeben will; ich bin lange genug Komödiant gewesen.
Wagemann, der Direktor, kommt herein.
Poet: Gut, daß Sie kommen, Herr Directeur, hier ist alles in der größten Verwirrung.
Wagemann: Wieso?
Poet: Pierrot will heute nicht spielen, sondern Zuschauer sein, und Herr Skaramuz will in meinem Stücke durchaus nichts anders, als den Apollo agieren.
Skaramuz: Und mit Recht, Herr Directeur; ich habe die Narren lange genug gespielt, so daß ich es nun wohl auch einmal mit den Klugen versuchen kann.
Wagemann: Sie sind zu strenge, Herr Poet, Sie müssen den armen Leuten etwas mehr Freiheit lassen; man muß ihnen ein bißchen durch die Finger sehn.
Poet: Doch das Schauspiel, die Kunst –
Wagemann: Je, das fügt sich ja doch. Sehn Sie, ich denke so: bezahlt haben die Zuschauer nun einmal, und damit ist das Wichtigste geschehn.
Pierrot: Adieu, Herr Poet, ich mische mich unter die verehrungswürdigen Zuschauer. Ich will einmal über die Lampen hinweg den berühmten Sprung vom Felsen Leukate in das Parterre hineintun, um zu sehen, ob ich entweder sterbe, oder von einem Narren zu einem Zuschauer kuriert werde.
Lebe wohl du alte Liebe,
Jetzt beginnt ein neues Leben,
Und mit sehr vernünftgem Streben
Fühl ich andre Herzenstriebe.
Keine Lampe soll mich schrecken,
Kein Souffleur hält mich zurück,
Nein, ich will das ruhge Glück
Eines Auditoris schmecken.
Nun empfangt mich, wilde Wogen,
Du, Theater, fahre hin,
Zu dem herrlichsten Gewinn
Fühl ich mich hinabgezogen.
Er springt ins Parterre.
Wo bin ich? o Himmel!
Ich atme noch immer?
O Wunder! ich stehe
Hier unten? die Schimmer
Der Lichter sind dort? –
Ihr seht mich, ihr Götter!
Von Leuten umgeben;
Stolz rag ich hervor!
Wem dank ich dies Leben?
Dies bessere Leben?
Die Zuschauer:
Herr Pierrot ist zum
Zuschauer aufgenommen!
Zuschauer Pierrot sei willkommen!
Sei gegrüßt, du großer Mann!
Pierrot:
Meint ihr mich, ihr Wohlgebornen?
Nehmt ihr mich zum Bruder an?
O mein Dank soll nicht ermüden,
Weil mein Busen atmen kann.
Grünhelm, ein Zuschauer: Herrlich! herrlich! bei meiner Seele herrlich! Aber, um nicht eins ins andre zu reden, so möchte ich zur Abwechselung gern einmal mitspielen, das würde mir in der Seele wohltun.
Ich zittre nur, ich stottre nur,
Und kann es doch nicht lassen,
Ich fühl's, ich geh auf falscher Spur
Und dennoch muß ich spaßen.
Er steigt zum Theater hinauf.
Und somit, Herr Skaramuz, überlaßt mir nur gutwillig Eure komische Rolle, und Ihr mögt dann, wie gesagt, den Apollo übernehmen.
Skaramuz: Ich stehe zu Befehl; wenn ich Ihnen mit meiner ganzen Eigentümlichkeit aufwarten kann, so haben Sie zu gebieten.
Grünhelm: Allzu gütig, allzu gütig, nur ganz gehorsamst zu bitten.
Poet: Aber was soll denn aus meinem vortrefflichen Schauspiele werden?
Pierrot zu den Zuschauern um ihn: Meine Herren, unterstützen Sie des Skaramuz' Gesuch; ich versichre Sie, ich schwöre es Ihnen zu, er wird den Apollo herrlich machen.
Zuschauer: Skaramuz soll den Apollo spielen, und zwar auf lautes Begehren.
Poet: Nun gut, ich wasche meine Hände, ob sie mir gleich gebunden sind; das Publikum mag alles zu verantworten haben.
Publikum: Wir getrauen es uns zu verantworten.
Poet: Ich bin im größten Elende – ach freilich, ist es die Bestimmung unserer Kunst, gänzlich mißverstanden und travestiert zu werden, und leider gefallen wir dann am meisten. Das Urteil, das an dem Marsyas vollzogen wurde, wird zur Vergeltung jetzt nur zu oft an der Poesie ausgeübt. Ich weiß mich vor Schmerzen nicht zu lassen. Herr Grünhelm, Sie übernehmen also das Lustigmachen?
Grünhelm: Allerdings, mein Herr Poet, und ich will ganz gewiß meinen Mann stehn.
Poet: Wie wollen Sie's denn anfangen?
Grünhelm: Herr, ich habe selber lange als ein Mann gedient, der sich damit abgibt, sich amüsieren zu lassen, ich meine als Zuschauer, darum weiß ich auch genau, was gefällt. Die Leute da unten wollen nämlich unterhalten sein; das ist im Grunde der einzige Grund, warum sie so still und ruhig dastehn.
Poet: Gut! aber wie wollen Sie es denn machen?
Grünhelm: Sehn Sie, auf den guten Willen der Zuschauer kömmt freilich das meiste an, das weiß ich so gut, wie Sie; die wahre Kunst ist daher die, diesen guten Willen so recht emporzubringen, ich meine nämlich, daß die Gutherzigkeit oben bleibt.
Poet: Nun freilich, aber eben die Mittel –
Grünhelm: Nun, das ist ja meine Sorge, Herr Poet, darum haben Sie sich ja gar nicht zu kümmern. Singt:
Der Vogelfänger bin ich ja, u. s. w.
Zuschauer: Bravo! Bravo!
Grünhelm: Nun? Sehn Sie mein Herr, das ist nur eins von meinen Mitteln. – Sind Sie nicht ziemlich gut amüsiert, meine Herren?
Zuschauer: Exzellent! o ganz überaus vortrefflich
Grünhelm: Haben Sie eine Sehnsucht nach etwas Verständigem?
Zuschauer: Nein, nein; aber nachher wollen wir ein wenig gerührt sein.
Grünhelm: Nur Geduld, es kann ja nicht alles in einem Haufen kommen. Vermissen Sie also wohl den ordentlichen Apollo?
Zuschauer: Nicht im mindesten.
Grünhelm: Nun Herr Poet, was haben Sie also gegen den liebwertesten Skaramuz?
Poet: Nicht das mindeste mehr, ich bin überführt. Geht ab.
Zuschauer: Wir wollen aber auch nicht lauter Possen haben.
Skaramuz: Je behüt uns Gott vor solcher Sünde! Was wäre ich für ein Apollo, wenn ich das litte oder zugäbe? Nein, meine Herren, ernsthafte Sachen die Fülle, Sachen zum Nachdenken, damit doch auch der Verstand in einige Übung kömmt.