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Wirtshaus.
Der Wirt. Anne.
Wirt. Von unserm Fremden haben wir doch gar nichts weiter gehört.
Anne: Er war ein sehr uninteressanter Mensch.
Wirt: Wußte dabei gar nichts einmal von den simpelsten dramatischen Regeln, verwunderte sich über alles. Es ist recht gut, daß er kein Fürst oder dergleichen war, denn da er die ars poetica nicht studiert hatte, wäre er gewiß aus seinem Charakter gefallen.
Anne: Habt Ihr denn Euern Charakter auch daher, Vater?
Wirt: Eigentlich wohl nicht, denn die Wirte sind dort nicht namentlich mit aufgeführt; aber ich habe mir aus allen meinen Erfahrungen eine Art von Theorie zusammengesetzt, so daß ich nicht leicht irren kann.
Anne: Wie fangt Ihr's nun an?
Wirt: Das Hauptsächlichste, worauf ich zu sehn habe, ist, daß ich nicht unnatürlich werde; alles andre gibt sich schon eher. Ich muß also allen Schwulst vermeiden, alle poetischen Ausdrücke, ich darf nicht zu verständig sprechen.
Anne: Also daran liegt's? Hab ich doch immer nicht gewußt –
Wirt: Ja, ja, wer kann gegen seine Bestimmung? Es ist nun einmal so angenommen; es hat mich Mühe genug gekostet, mich gehörig einzurichten, und es wurde doch wohl Klage geführt, daß der Dichter manchmal aus mir herausguckte. Es ging mir einigemal wie dem Midas, der seine langen Ohren durchaus nicht verbergen konnte. – Sieh, jetzt bin ich nun zum Beispiel recht eklatant aus meinem Charakter herausgefallen! – Wie kann ein Wirt eine gelehrte und witzige Anspielung auf den Midas machen! – außer, es müßte denn vorher sehr weitläuftig motiviert und präpariert sein; man müßte erfahren, der Wirt habe einer vorzüglich guten Erziehung genossen, er habe sogar die Alten gelesen, und sei nur durch wunderliche Zufälle dahin gekommen, ein Wirtshaus zu halten. – Das mit dem Midas war nun wieder der Dichter, der aus mir hervorguckte. Es ist doch ein verfluchter Fehler, den ich an mir habe!
Anne: Sollte der Dichter aber wohl darauf kommen, seine Weisheit oder seinen Witz mit Eselsohren zu vergleichen? Ich denke doch immer, daß Ihr das selber erfunden habt.
Wirt: Es ist doch wenigstens unwahrscheinlich, und das darf nicht sein.
Direktor Wagemann kömmt.
Wagemann: Ihr Diener, kennen Sie mich?
Wirt: Je, was soll ich denn meinen verehrungswürdigen Herrn Direktor nicht kennen? Ganz ergebenster Diener. Wie kommt denn mein schlechtes Haus zu der unverdienten Ehre ?
Wagemann: Es ist ein seltsamer Vorfall, der mich zu Ihnen bringt; aber ich muß wissen, ob ich mich auf Ihre Verschwiegenheit verlassen kann.
Wirt: Durchaus, wertgeschätzter Herr Direktor.
Wagemann: Sie werden wissen, daß sich unser Skaramuz der Rolle des Apollo angemaßt hat, und daß er unter diesem Namen das Land beherrscht.
Wirt: O ja.
Wagemann: Nun gut. Ich sah das Ding ruhig mit an, weil es mir im Grunde gleichgültig ist, wer Apollo genannt wird. Ich spiele meine Stücke, wie sie das Zeitalter mit sich bringt, und weiter hab ich mich nie darum gekümmert. Ich wollte also bei dieser Gelegenheit auch in diesen löblichen Gesinnungen fortfahren, allein Herr Skaramuz macht es mir unmöglich. Er ist so hochmütig geworden, daß er mir grob begegnet, daß er seine und meine Person ganz vergessen hat. Überdies fürcht ich noch, daß der Kerl den Gedanken im Kopfe hat, das Stück gar nicht zu beendigen, damit er nur immer an der Regierung bleiben und ich ihn nicht abstrafen könne. Aus allen diesen Ursachen ist nun etwas sehr Großes im Werke.
Wirt: Ich bin begierig.
Wagemann: Es sind sehr viele angesehene Personen, die der Schelm alle beleidigt hat, zusammengetreten, um eine Verschwörung gegen ihn anzuzetteln, und ihn dann mit gewaffneter Hand vom Thron zu stoßen. Ich bin einer von diesen, und wir haben Ihr Haus, Herr Wirt, weil ich immer ein Freund von Ihnen gewesen bin, zur Zusammenkunft der Verschwornen auserwählt.
Wirt: O welches Glück! welch unendliches Glück! Herr Directeur, mein ganzes Leben reicht nicht hin, um Ihnen meine Dankbarkeit zu bezeigen. Das ist mir mehr wert, als wenn Sie mir wöchentlich drei Taler Zulage gegeben hätten. O Anne, meine Tochter! so freue dich doch mit deinem Vater! Mein Haus, diese Stube hier der Sammelplatz der Verschworenen! Aber kommen sie denn bald? – Nein, so etwas ist noch in keinem einzigen Stücke erhört! – Und der Herr Direktor sind darunter, folglich sind es gewiß lauter Männer von Gewicht und Ansehn, keine ordinäre Lumpenverschwornen. – In einem Wirtshause! Das kömmt selbst im Abällino nicht vor, so gemein es auch darin zugeht. – O Herr Directeur, lassen Sie sich umarmen!
Wagemann: Mäßigen Sie Ihre Entzückungen, lieber Freund, damit unsre Sache nicht vor der Zeit ruchtbar werde.
Poet kömmt.
Poet: Ist noch niemand weiter hier?
Wagemann: Nein, Herr Poet.
Poet: So muß der König Admet mit seiner Königin sogleich kommen.
Wirt: Welche hohe Personen nehmen heut unter meinem Dache vorlieb!
Poet: Es wird ein furchtbarer Aufruhr werden. Skaramuz mag auf seinem Throne nur fest sitzen.
Admet und Alceste.
Admet: Da sind wir, meine Herren; ich hoffe, ich will wieder zu meiner Krone gelangen, die mir der Usurpator entrissen hat.
Alceste: Ist der Schäfer noch nicht hier?
Poet: Noch niemand weiter.
Aulicus und Myrtill.
Aulicus: Da sind wir auch; ich denke, wir sollen ziemlich gute Soldaten abgeben.
Myrtill: Ich will ihm den Possen gedenken, und gewiß tapfer dreinschlagen.
Aulicus: Ja, ja, er soll auch einmal die Pflichten eines Untertanen empfinden.
Myrtill: Sieh, da draußen zieht eine große Armee auf. Nun krieg ich erst rechte Courage.
Wirt: Meine Herren allerseits, das wird aber ein furchtbarer blutiger Krieg werden.
Poet: Allerdings, und ich hoffe, daß unsre gerechte Sache siegen wird.
Der Schriftsteller und Apollo.
Schriftsteller: Da bring ich den Schäfer, der uns alle aufgehetzt hat.
Apoll: Hier treff ich ja unsre ganze Gesellschaft. Nun, meine Freunde, habt ihr alle Mut zur Unternehmung?
Alle: Ja!
Wirt: O nun wird geschworen werden! Nun wird geschworen werden! Was sich das feierlich machen wird!
Apoll: Nein, keinen Schwur. O meine Freunde! Welchen andern Sporn als unsre Sache braucht es, uns zu stacheln zur Herstellung? Und welchen andern Eid als Redlichkeit mit Redlichkeit im Bund, daß dies gescheh, wo nicht, dafür zu sterben? Entehrt nicht so den Gleichmut unsrer Handlung und unsern unbezwinglich festen Sinn, zu denken, unsre Sache, unsre Tat brauch einen Eid! – Wer so nicht denkt, der ziehe sich zurück. Aber es ist kein solcher unter uns, und darum will ich mich euch jetzt entdecken. – Er wirft die Verkleidung ab. Ich bin Apollo!
Alle: Apollo?
Apoll: Niemand anders. Erschreckt nicht, meine Freunde, vor meiner Gottheit, denn im Grunde bin ich doch nur ein armer Narr, wie ihr alle.
Wirt: Einen Gott in meinem Hause zu haben! Welche Wollust!
Apoll: Hört auf zu erstaunen, geliebten Freunde; ja, ich bin der echte, weltberühmte Apollo.
Aulicus zu Myrtill: Bauertölpel! willst du wohl den Hut abnehmen?
Myrtill: Man kann ja nicht gleich an alles denken.
Apoll: Nein, bedeckt euch, lieben Freunde. Es ist wahr, ich bin etwas Großes; indessen ihr seid jetzt meine Freunde, deren Beistand ich brauche. Ich bin ein Mann, vor dem sogar die Rezensenten einige Achtung hegen, ich habe alle Magister zu beschützen, ich bin oft in Stein gehauen und in dem belvederischen Apoll am besten getroffen; mir sind Operntheater und Komödienhäuser gewidmet, daß ich sie nicht alle zählen kann; ich bin oft vor den Musenalmanachen in Kupfer gestochen; ich bin, um mich kurz zu fassen, gewiß etwas recht Besondres. Indes hat das alles nichts zu sagen, ich weiß, daß wir nicht alle Götter sein können, es muß auch andre Kreaturen geben, und darum wollen wir nur ohne alle Zeremonien frisch ans Werk gehn.
Alle: Es lebe der majestätische Apollo! Alle ab.
Der Vorhang fällt.