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Der Parnaß.
Skaramuz nachdenkend: Die Regierung ist nunmehr in der schönsten Verfassung. Man kann nicht mehr Verstand haben, als ich besitze, und ich denke gewiß noch zu niedrig von mir. Bescheidenheit ist mein vorzüglichster Fehler, den ich mir mit der Zeit noch ganz abgewöhnen muß. – Manchmal schwindelt mir vor mir selber, wenn ich meine Größe ermesse; dann möcht ich den Hofpoeten wohl ein Buch in Dialogen von mir schreiben lassen. Aber der Hofpoet schreibt nicht erhaben genug.
Grünhelm kommt.
Grünhelm: Mein König, mir fehlt es an Atem.
Skaramuz: Das ist schlimm.
Grünhelm: Grausame, furchtbare, schreckliche Neuigkeiten habe ich vorzutragen.
Skaramuz: Rede, Adjutant, ich fange an zu zittern.
Grünhelm: Zittern Sie nur, gnädiger Herr, Ihr Zittern ist gerade am rechten Orte angebracht.
Skaramuz: Nun so sprich nur endlich; ich vergeh in der Angst, und weiß noch gar nicht, was mir fehlt.
Grünhelm: Die vollkommenste Rebellion ist fertiggeworden.
Skaramuz: Rebellion? – Was willst du damit sagen?
Grünhelm: Ach, und daß ich nun Frau und Kinder habe, daß ich nicht nach Herzenslust davonlaufen kann!
Skaramuz: Bösewicht!
Grünhelm: Eine Rebellion ist unterwegs, wie ich sie noch nimmermehr gesehn habe; sie wurde schon als ein großes Stück beigesetzt, und ist nun am Feuer noch mehr aufgequollen, sie ist sehr gut aufgegangen, denn man hat vortreffliche Hefen hineingenommen.
Skaramuz: Was für Hefen? – Du wirst mich um die présence d'esprit bringen. – Was für Hefen?
Grünhelm: Je nun, die Kerls, die wir neulich haben scheren lassen – die Ungeheuer sind nun Rebellen geworden, und rebellieren, was das Zeug halten will.
Skaramuz: Nun, was will es denn halten?
Grünhelm: O Ihr müßt die sprichwörtlichen Redensarten nicht so genau nehmen. – Ach lieber Himmel! wo sollen wir bei der Belagerung nur Proviant hernehmen?
Skaramuz: Ich will aus dem Parnaß eine Festung machen – wenn ich nur erst wüßte, was es geben soll.
Grünhelm: Der Apoll will sein Reich wiederhaben, Admet steht ihm bei; sie haben eine große Schwadron von Menschen zusammengebracht, und da soll es nun über die armen Unschuldigen hergehen.
Skaramuz: Nennst du mich einen armen Unschuldigen?
Grünhelm: Ich meine leider mich.
Skaramuz: Wir müssen uns also zum Kriege rüsten. – Nur heran, Leute! Generale! Minister! es ist Krieg! Feuer! Feuer!
Generale und Minister versammeln sich. Soldaten mit Trommeln und Fahnen. Der Bäcker und Brauer kommen. Ein Nachtwächter.
Skaramuz: Nachtwächter, blast Feuerlärm. – Geh einer hin, und lasse die Sturmglocken läuten. – Dagegen müssen eiligst Anstalten getroffen werden. –Wißt ihr's schon, meine Herrn? Das Neuste vom Jahr ist eine saubre niedliche Rebellion. Sturmgeläute, Blasen der Nachtwächter, Trommeln. Nun hört nur den allerliebsten Lärmen. – Ja, ja, solche Freude hat man vom Königsein. – Ihr Leute, habt ihr denn auch Courage?
General: Ohne Zweifel, mein König.
Skaramuz: Nu, nu, ich fragte nur. – Wer wollte auch in so betrübten verzweiflungsvollen Zeitläuften nicht Courage haben? – Und, denkt nur, auf mich armen unschuldigen Menschen ist es abgesehn!
Brauer: Herr König, ist etwa Feuer?
Skaramuz: Ochsenkopf! eine Rebellion ist ausgebrochen!
Brauer: In welcher Gasse?
Bäcker: Kann sie nicht wieder eingesperrt werden?
Skaramuz: O liebste Untertanen, seid nicht wie das Rindvieh, darum bitte ich inständigst. Bewaffnet euch, denn der Feind ist schon in der Nähe. Die ganze Macht rückt nämlich heran. – Leute, was machen wir?
Grünhelm: Ist kein Davonlaufen möglich?
Minister: Durchaus nicht.
Skaramuz: Nein, durchaus nicht. – Läßt sich nicht noch geschwind eine Festung bauen?
General: Unmöglich, und es sind auch nicht einmal die Materialien da.
Skaramuz: Sagt einmal – sollten sich die Feinde nicht vor dem Teufelsspektakul fürchten?
General: Schwerlich.
Skaramuz: Fürchte ich mich doch; zum Henker! das müssen ja vermaledeite Feinde sein! Müssen mir nun gerade die schlimmsten Feinde auf den Hals kommen!
Harlekin kömmt.
Harlekin: Mein König, zur See haben wir einen großen Vorteil.
Skaramuz: Das ist ja schön.
Harlekin: Der Feind hat nämlich gar keine Flotte. Von der Seite wären wir also sicher.
Skaramuz: Ein schöner Trost! – O nur brav Mannschaften zusammengebracht! bewaffnet euch all, ihr Leute! – Das ist mir so plötzlich gekommen, daß ich mich kaum zu fassen weiß. – Brauer, alle deine Gäste müssen fechten. – Ach, welch ein Blutbad wird das geben! – Eine ruhige Regierung ist doch eine große Gabe. – Sollte der Maschinist wohl wieder schuld daran sein?
Maschinist: Nein, mein König, denn ich diene ja auf Eurer Seite. Verzagt überhaupt nur nicht, denn wir sind an Anzahl den Feinden sehr überlegen. Ich will Donner und Blitz einrichten, und wer auf die Falltüren tritt, soll plötzlich versinken.
Skaramuz: Das ist schön. Wir müssen alle Minen springen lassen. – Wenn der Krieg erst ganz vorbei ist, dann wollen wir uns recht lustig miteinander machen. Nun kommt, kommt, wir wollen alle Anstalten treffen.
Sie gehn ab.
Der Brauer und Bäcker bleiben.
Brauer: Wir müssen uns nun auch nur zum Kriege anziehn.
Bäcker: Es wird wohl nicht anders werden. Wer soll aber indes für die Semmeln sorgen?
Brauer: Wir wollen ein Dutzend mit ins Feld nehmen, dann ist es ja gut.
Bäcker: Wie du's verstehst nämlich. – Ich wollte, der Teufel holte den Krieg!
Brauer: Ich muß doch nach meinen Gästen sehn, und ihnen die schöne Neuigkeit melden. Ab.
Bäcker: Erstens, das Schießen ist mir zuwider; zweitens hat der Satan das Pulver erfunden; drittens geht es für den Skaramuz, für den ich keinen Patriotismus habe; viertens, ist Krieg nicht mein Handwerk; fünftens, kann der Beste bei solchem Spaße umkommen; sechstens, heiratet mein Geselle nach meinem Tode vielleicht meine Frau; siebentens, steht der Galgen aufs Desertieren – o man findet keinen Grund und Boden, gar kein Ende, wenn man alle Übel des Krieges herrechnen wollte.
Brauer treibt die Gäste hinaus.
Brauer: Keiner von den Hunden will auf seinen Beinen stehn, da liegen sie alle in den Winkeln und schlafen.
Vierter Gast: Aufzuwecken! vom Schlaf aufzuwecken! mitten aus dem Winkel einen Mann herauszuwecken, der alle Tage sein Geld hier verzehrt hat! Nein, das ist zu grob.
Erster Gast: Was gibt's denn?
Zweiter Gast: Er wird wieder wollen Kegel spielen.
Brauer: Leute, wir haben Krieg, wir haben Blutbad, die Empörung ist im Schwange gegangen.
Bäcker: Das nun nicht, es ist nichts als simple Rebellion.
Brauer: Ihr mögt wohl selbst simpel sein.
Bäcker: Wer ist simpel? – Wer hat das Herz, das zu sagen?
Brauer: Ich.
Bäcker: Das soll gestraft werden. Hier wart einen Augenblick.
Bäcker und Brauer ab.
Vierter Gast: Herauszuwecken! Es geht zu weit in unsern Tagen! Die Weltbegebenheit hat so was noch nicht erlebt, daß sie ist aus dem Schlummer herausgeweckt worden! Keinem verstorbenen Kaiser und Kurfürsten ist das noch nicht begegnet, und mir muß das arrivieren! Das kann ich nur nicht verdauen.
Dritter Gast: Gevatter, haben wir bald Fastnacht?
Vierter Gast: Religionskrieg haben wir vors erste! Habt Ihr's denn nicht gehört?
Dritter Gast: Also ist die Gewissensfreiheit wieder zum Teufel?
Vierter Gast: Die totale Mondfinsternis wird wieder Mode. – Hol der Satan alles, wenn ich nicht mehr frei denken darf.
Erster Gast: Wer will es uns aber wehren?
Vierter Gast: Das wird dir schon gewiesen werden, wenn die Religion aus der freien Ausübung wieder herauskommt.
Zweiter Gast: Aber ist denn der Antichrist schon unterwegs?
Vierter Gast: Freilich. Nun muß unser Gewissen wieder leiden. Das arme Tier ist kaum ein bißchen zu Atem gekommen. Um die unschuldige Bestie tut mir's nur am meisten leid.
Brauer und Bäcker kommen gerüstet herauf.
Bäcker: Nur heran, Brauer, wenn du Herz hast.
Brauer: O ich warte sehnlichst darauf, dich umzubringen.
Sie fechten.
Vierter Gast: Seht ihr, da fängt die Intoleranz schon an; das wird nun bald mehr um sich greifen.
Skaramuz kömmt.
Skaramuz: Ei! da ist ja schon ein Stückchen Rebellion!
Brauer: Halt! Ich bin überwunden.
Skaramuz: Worüber seid ihr denn uneins?
Brauer: Wir wissen's selber nicht, Herr König; wir brauchen auch, gottlob, keine Ursachen dazu.
Skaramuz: Vertragt euch. – Und ihr, Leute, rüstet euch ebenfalls, ihr seid ja meine leiblichen Untertanen.
Erster Gast: Was sollen wir denn verfechten?
Skaramuz: Narren, den Krieg.
Vierter Gast: Ob's gegen den Türken gedient sein soll?
Skaramuz: Gegen den Feind. – Macht euch fertig, ich habe mehr zu tun. Ab.
Vierter Gast: Kommt, Leute, und überleset die zehn Gebote, oder die sieben Bitten, was ihr am ersten habhaft werden könnt, und dann laßt uns sogleich in den Krieg ziehn. Ab.
Brauer: Wir beide können gleich in unsrer Rüstung bleiben. Ab mit dem Bäcker.