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Auf der Bergfahrt ist er der Forelle begegnet. Zum erstenmal wirklich begegnet. Denn gesehen hat er den grauen Räuber oft. Ein paar Male ist er an der Seichte unterm Erlenast vorübergekommen. Er wußte lange, daß zwei aus seiner Vetternschaft dort hausen. Aber er muß Hochwasser abwarten, und er hat Zeit. Einmal haben ihn die Lachse mit dem Wasser talabwärts fließen gesehen und haben gehofft, daß er nicht wiederkehren würde. Das war am Tag, ehe die Gründlinge zur Hochzeit kamen. Die zwei Burschen waren damals tollkühn gewesen und waren dem Räuber bis zur nächsten Schnelle nachgeschlichen. Aber er hatte sie nicht beachtet, er schien in tiefen Gedanken; denn wie er hinabglitt, den wilden Kopf gegen die Strömung gerichtet und nur wenig mit der Schwanzflosse steuernd, merkten sie gut, daß er sie aus schwarzen Augen anfunkelte. Aber dann verschwand er in der Schnelle und hatte gar keine zornige Bewegung getan. Zum erstenmal hatte das Lachsbürschchen damals die schreckliche spitze Säge im Maul des Grauen gesehen. Denn es verhielt sich so, daß man diese Säge, wenn man sie je sah, auch schon fühlte; und dann: Gott befohlen!
Daß der Räuber damals den Hochzeitern entgegenfuhr, konnten die Lachse nicht wissen. Er aber wußte, daß die Gründlinge im Anzug waren; er hatte von vielen 35 Sommern her ein Vorgefühl ihrer Ankunft; und als er in diesem Gefühl einige Nächte bereits bachabwärts gejagt hatte, war ihm ein junges Weibchen, das hochzeitlich entzückt der Schar vorausgestürmt war, geradeswegs in die offene Säge gestürzt.
Der kleine Lachs ist immer gefaßt, dem grauen Räuber zu begegnen; besonders in der Dämmerung steigen solche Erinnerungen auf. Und heute, wie er einsam seines Weges zieht, ist diese Erinnerung besonders stark. Er hat die Forelle nicht gesehen, aber der Abend ist seltsamer, drohender als sonst. Der Bach liegt früher im Schatten, und uralte Erfahrung, die in seinem Sinn dunkel lebt, sagt dem Lachs, daß die Forelle an solchen Tagen besonders hungrig und kühn ist. Mückenschwärme tanzen auf und nieder, und die Luft ist nicht so leicht zu atmen wie am Morgen. Der Lachs zieht nahe der Oberfläche und schluckt Motten und Kerfe, die heut zahlreich daherschwimmen. Fast alle sind sie müde Hochzeiter und haben nicht mehr die Kraft, den Luftwirbeln über der Strömung standzuhalten. Auch haben sie ihre Lebensaufgabe erfüllt, und es ist in der Ordnung, daß sie durch ihren Tod noch dem großen Gesetz dienen.
Im Aufwärtssteigen erkennt er die Schnellen und Ufer wieder, über welche und zwischen denen er herabgeschwommen ist; er gewahrt die Seichte unter dem Erlenast und erinnert sich an die lärmenden Hochzeiter. Dann wundert er sich über die blaugrünen Eier und kostet sie. Es wird rascher und tiefer dunkel als sonst.
Am drehenden Tümpel kommt er vorbei und verhält vor dem Spalt. Er erinnert sich an den kleinen Bruder, 36 der dort zu ihm gekommen ist. Er wendet langsam und zieht ab.
Da zischt das Wasser hinter ihm, wie von einem Pfeil durchschnitten. Er tut einen erschreckten Sprung vorwärts; jetzt fühlt er einen stechenden Schmerz hinter der Schwanzflosse und weiß, daß die Forelle ihn gepackt hat. Dann kommt der entsetzliche Schwung, der ihn köpflings vor den Rachen des Räubers bringen wird. Er kennt das; er hat es oft gesehen und hat es bei den kleinsten Gründlingen ebenso gemacht. Aber als die Forelle ihn herumschleudert, fällt ein furchtbares schneidendes Licht ins Wasser, bis auf den weißen Kiesgrund. Das blendet beide so, daß die Forelle ein wenig zu früh losläßt; und da ihr Biß seine Schwanzflosse nicht gelähmt hat, schnellt der Lachs mit einem mächtigen Satz bachaufwärts.
Er weiß nicht, ist's das Herz, das so dröhnt, oder was es sonst sein mag; aber das Herz kann es nicht sein, denn das Dröhnen liegt die halbe Nacht über dem Wasser, und hundertmal fährt das schneidende Licht auf den Bachgrund; daß er jedesmal erschrickt; denn so besonders und anders hell, grün und blau, hat er seine Welt in der Sonne nie leuchten gesehen. Dann rasselt es auf der Oberfläche, daß er gleich an den Lärm über der Eisdecke, drohen in der Nestmulde, sich erinnert; und weil Atem und Herz noch immer schwer sind, geht er hoch. Aber er bekommt gleich heftige Schläge über den Kopf, wie er solche einmal nahe am bittern Wasser unten gespürt hat. Daß ihn dort Menschenkinder mit Sand und Steinen beworfen haben, weiß er nicht. Er schnellt vorwärts, wie er 37 damals vor den Menschenkindern floh; aber weil er durch kein Vorwärtsschnellen dem Hagel entgehen kann, geht er auf Grund. Und weil das Atmen jetzt auf einmal leichter ist, fühlt er den Schmerz in der Schwanzflosse stärker; er rudert unter ein hängendes Moospolster, wo er Vorbeireisenden fast unsichtbar ist, und beschließt, solange hier zu bleiben, bis er nicht mehr daran denken muß, daß er eine Schwanzflosse hat.