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Als die Sonne den grünvioletten Dunst der flach am Horizont hinkriechenden Wolken mit einem glutroten Atemstoß zerstäubte, waren von den dreißig angeworbenen Baumwollpflückern nur dreiundzwanzig gekommen. Und auch die hätten schon drei Tage früher anfangen müssen. Denn aus einzelnen Stauden wuchs bereits ein vier Zentimeter hoher Wattebausch herauf. Wenn in den nächsten Tagen das Aufplatzen der Kapseln in dem Tempo der letzten vierundzwanzig Stunden geschieht, dann werden die Erde und der Wind die Hälfte der Ernte fressen müssen. Menschenhände könnten die plötzlich aus der Erde heraufquellende Fülle nicht bergen.
Weder Mayahua noch Cayrú hatten jemals in einem Baumwollfeld gearbeitet. Sie wurden von den zwei kreolischen Frauen Marcedes und Epifania in die Mitte genommen und bekamen die paar Handgriffe vorexerziert. »Eins … zwei! Eins … zwei! Nicht die Finger so spitz machen, Junge! Baumwollkapseln sind keine Läuse, verstehst du!«
Cayrú machte die Finger lockerer und zuckte auch nicht mehr zurück, wenn ein Stachel sich in das Fleisch bohrte.
»Eins … zwei! Eins … zwei! Geht schon mit den Fingern, du. Eins … zwei, ja so, geht jetzt besser! Aber der Weg von der Staude bis zum Erntesack, der dauert noch viel zu lange, du! Noch mehr mit eins und zwei. Verstanden?«
Und mit eins und zwei bluteten Cayrú die Finger noch mehr. Das Blut färbte die Baumwolle rosa. »Ach, das macht doch nichts. Macht nichts«, sagte Epifania und lachte.
Und mit eins und zwei biß sich der Schmerz wie ein Wurm in den Rücken Mayahuas hinein und drehte sich an den Kniekehlen wieder heraus. Immer mehr und mehr von diesen bohrenden Würmern fraßen sich in das Muskelfleisch hinein und zwackten und zwickten so heftig, daß die arme geplagte Frau die Baumwollstauden wie aufrecht laufende Yacarees ansah.
Dreißig Kilo war das Normalquantum für die geübten Pflücker in den zehn Stunden des Arbeitstages. An diesem ersten Erntetag aber brachte nur ein einziger Pflücker das Kunststück fertig, sechsunddreißig Kilo sich gutschreiben zu lassen. Dieser Rekordmann war der Indio Yamacinto. Die meisten lieferten zwischen zwanzig und achtundzwanzig Kilo ab. Mayahua hatte es auf ganze sechzehn gebracht, und Cayrú bekam für seine zwölf Kilo sogar noch ein Lob Pedros, der von Friedrich Coßmann zum Capataz ernannt worden war, während er selber an der Waage stand, mit Pablo die Säcke stampfte und ihm auch noch beim Aufladen half. Nicht mehr als dreißig Kilo ließen sich in einen Sack hineinstampfen. Aber man hätte hundert Kilo hineinwürgen mögen, denn die Säcke waren knapp, und der Weg zur Ankaufsstelle und Entkernungsanstalt bedeutete eine Reise von vierundzwanzig Stunden mit dem Ochsenkarren.
Das Auto war in der Stadt zur Reparatur, angeblich hatte man in der Werkstatt nicht die notwendigen Ersatzteile zur Hand, mußte sie erst kommen lassen, aus Asuncion oder gar aus Buenos Aires. Vier Wochen … sechs Wochen, wer weiß. Kann unter Umständen auch drei Monate dauern, bis in den Winter hinein, wenn die Ernte längst unter Dach und Fach ist, das heißt in diesem Fall: in der Stadt und gut verkauft.
Die Ochsen gaben sich alle Mühe, den Motor zu ersetzen. Zudem hatten sie eine Erfahrung von über zweihundert Jahren hinter sich, um aus den Löchern des Weges herauszukommen. Auch vor einem Geröllstück ging ihnen nicht gleich die Puste aus. Sie zogen ihres Weges dahin wie eine Raupe auf dem riesigen Bananenblatt.
Onkel Heinrich hatte sich auf einer Zwischenstation einquartiert. Pablo lieferte den beladenen Karren dort ab, nahm ein leeres Gespann in Empfang und fuhr wieder zurück, während Onkel Heinrich die kostbare Fracht nach der zweiten Etappe schaffte und verkaufte. In den ganzen vier Wochen der Ernte hatte er sich nicht eine Stunde auf dem Baumwollfeld sehen lassen, worüber Cayrú sich freute.
In den ersten Tagen der ihm fremden Pflückarbeit hatte Cayrú nicht den Zipfel eines Gedankens frei gehabt, um sich alle die Leute genauer anzusehen, die mit ihm in der Ernte waren. Seine Finger bluteten vier, fünf Tage lang, dann waren sie geschwollen, und als die Geschwulst wieder zurückging, nicht mehr wehe tat und eine Hornhaut hinterließ, machte er seine fünfundzwanzig Kilo den Tag. 10 Centavos (argentinische Centavos natürlich) Pflückerlohn erhielt er für das Kilo, zwei Pesos fünfzig war sein Tagelohn. Es war das erste bare Geld, das er verdiente. Es kam ihm aber keinen Augenblick der Gedanke, sich auszumalen, was er mit dem verdienten Geld anfangen würde, während die Criollos, wenn sie nicht ihre sentimentalen Räubermelodien sangen, sich die Zeit damit vertrieben, jedem Centavo, den sie gutgeschrieben bekamen, eine wundertätige Bedeutung beizumessen. In ihren Vorstellungen ergingen sie sich darüber, was alles man kaufen müsse, wenn der Patrón den ersten Vorschuß auf den Lohn auszahlte. In diesen Wunschträumen spielten die goldene Armbanduhr aus Messingblech, das silberbeschlagene Messer, die Coltpistole, eine hellgrüne oder himmelblaue Leibbinde aus Llamawolle und das weißseidene Halstuch die Hauptrolle.
Für Cayrú war Geld nur ein von ferne gehörter Begriff. Als er aber mit seinen Gedanken so weit von der Pflückarbeit abrücken konnte, daß er endlich die Menschen von den Stauden unterschied, sah er viele Leute, die ihm noch von der Hochzeit her bekannt waren. Er sah jetzt Yamacinto und Huacua. Er sah die Muchimoa, der er die Krüge mit dem Guarapa aus der Erde hatte graben helfen. Er sah Chanuchuca, die, als sie betrunken im Busch lag, ihm erklären wollte, wie man sich bei den Mädchen vergnügt, ohne daß man sie zu heiraten braucht. Und er fühlte, als er in der Feldfurche sich gerade nach dem Chichakrug bückte, das heiße Gesicht Llamichas in seinem Nacken. Auch sie wollte Chicha trinken. Aber der Krug war ihr viel zu schwer, um ihn so hoch zu heben, daß aus dem weit vorspringenden Schnabel ihr das vom Wind gekühlte Getränk mit einem dünnen Strahl in den Mund laufen konnte. Sie bat Cayrú, daß er ihr helfen möchte. Cayrú hob den schweren Krug aus rotem, unglasiertem Ton mit beiden Händen hoch und ließ die dünnalkoholische säuerlich-bittere Brühe laufen. Mit weit nach rückwärts gebogenem Kopf und geschlossenen Augen fing Llamicha den Strahl auf, als balancierte eine steinalte Mater italiana meterlange Makkaroni in den Schlund hinein. Und diese Prozedur hatte Llamicha so gut gefallen, daß sie sich in der Mittagspause nicht zu ihrem jungen Ehemann, der einer der faulsten auf dem Feld war, setzte, sondern Cayrú aufsuchte, der mit seiner Mutter und zwei anderen indianischen Frauen, die noch nicht christianisiert waren, sich ein ganzes Stück weit ab von dem allgemeinen Lager niedergelassen hatte.
Zwei Stunden machte man Mittag. Und während die Hofarbeiter und Friedrich Coßmann auf ihren Mulas im Zuckeltrab nach Hause schaukelten, suchten die Pflücker, deren Behausungen drei, vier Stunden vom Baumwollfeld entfernt lagen, die Schilfhütten auf, die sie sich provisorisch geflochten und an der Dornhecke aufgestellt hatten. Wo solch ein kegelförmiger Kral den Schatten hinwarf, legten sie die Feuerlöcher an und rösteten in der Glut aus vertrockneten Distelstauden und verholzten Kakteen Bataten, Mais und im Baumwollfeld gefangene Kröten, dazu Meerschweinchen, die großen kupferbraunen und unbehaarten Raupen eines Nachtfalters, junge und noch nicht flügge Feldhühner und die am Schachtelhalm klebenden, wie eine Kinderhand großen Blattwanzen.
Mayahua und die beiden anderen indianischen Frauen hatten sich nur eine aus Schilf geflochtene schräge Wand aufgestellt. Sie machten auch kein Feuer. Sie aßen kalt. Jede holte aus irgendeinem Erdloch die halbkugelförmige Kalebasse mit Hirsebrei heraus, griff mit der vollen Hand hinein und stopfte sich den Mund voll.
Als Llamicha sah, wie es Cayrú schmeckte, bekam sie auch Hunger auf Hirsebrei. Sie stieß Cayrú so lange in die Seite, bis er endlich merkte, was sie von ihm wollte. Ohne sich darüber Gedanken zu machen, daß es noch ein sehr weiter Weg bis zum Feierabend war, schob er ihr die Kalebasse, die er noch nicht einmal halb geleert hatte, hin und sah zu, mit welcher Gier sie den mit Honig gesüßten zähen Hirsebrei verschlang und wie ihr das Essen schmeckte. »Siehst du«, sagte Chanuchuca zu Llamicha, als sie sich den Mund wischte, auf den Brüsten aber die Kleckerei kleben ließ. »Es wäre doch besser gewesen, du hättest dich rechtzeitig zu Cayrú gelegt und das Kind in deinem Bauch wäre von ihm. Cayrú hat gestern 27 Kilo gepflückt. Wieviel hat dein Mann geschafft? Nicht einmal fünfzehn. Wenn das Kindchen da ist und der faule Pava sich nicht rüstiger macht, dann legst du ihm die Matte vor die Tür und rufst Cayrú. Wenn dann der Kazike brummt und dir kein Recht geben will, dann kommen wir und werden dir helfen, damit du recht bekommst und Cayrú dein Mann wird. Der Pava soll sich nach der Stadt trollen, die Taufe annehmen und von den Weißen sich einsperren lassen; schon längst gehörte er in ein steinernes Haus.«
»Laß der Llamicha nur ihren Mann!« sagte Anchabuña. »Was willst du überhaupt? Llamicha hätte gar keinen besseren Mann kriegen können als Pava. Nach der Zuckerrohrernte nimmt er einen Dienst als Peon auf der Estanzia an. Dort wohnen schon viel von unseren Leuten und bekommen jeden Tag Fleisch zu essen. Und am Sonntag gehen sie ins Bethaus und machen Musik.«
»Gewiß wird sich der Pava auf der Estanzia als Peon vermieten und taufen lassen«, antwortete Llamicha. »Ich will mich aber nicht mit vermieten. Du weißt doch, wer auf der Estanzia nur einen ganz kleinen Fehler macht, der wird an die Peitsche gebunden, und die Peitsche läßt ihn nicht eher los, bis sie dick und rot ist von Blut. Wozu soll ich mich auspeitschen lassen? Soll der Pava allein auf die Estanzia gehen; ich werde auch hier eine Arbeit finden. So hat es mein Vater gesagt. Und was mein Vater sagt, ist richtig und gut.«
»Ja … was wird aber mit Cayrú?« antwortete Chanuchuca.
»Cayrú wird auch bald heiraten. Das Pflücken wird uns so viel Pesos bringen, daß wir uns eine Kuh kaufen können. Und für eine Kuh wird man wohl noch ein schönes Mädchen für Cayrú bekommen«, sagte die Mutter Cayrús, die bislang geschwiegen und immer nur den Kopf geschüttelt hatte. Sie schob jetzt dem Sohn ein paar getrocknete Fische hin und ermahnte ihn, das Essen nicht zu vergessen.
Llamicha wollte jetzt auch von den Fischen probieren. Cayrú fütterte sie mit einem großen Fisch, wie man eine Gans mit Nudeln füttert, um sie schnell fett zu machen. Es machte ihm Spaß, die junge Frau so gierig kauen und schlucken zu sehen. Sie saß mit einem Schenkel auf seinem Schienbein und schnürte ihm das Blut ab. Nachher, als die Frauen die Augendeckel zuklappten und einen Nicker machten, biß sie ihm ins Ohr und lachte.
Jeden Tag in der Mittagsstunde setzte Llamicha sich zu Cayrú, und es schmeckte ihr sein Essen. Dafür brachte sie ihm einmal Tortillas, ein anderes Mal geräucherte Meerschweinchen mit, zuweilen auch geröstete Ameiseneier. Die waren anzusehen wie längliche Korinthen und von einem süßpfeffrigen Geschmack, eigentlich eine für die kleinen Kinder bestimmte Leckerei.
Die meisten Frauen hatten den ganzen Stall Kinder mit aufs Feld gebracht, vom halbjährigen Wickelbalg bis zum Zehnjährigen. Die Kinder lagen, während die Mütter sich an den Baumwollstauden mühten und die Pflücksäcke mit sich herumschleppten, unter einem riesigen Kakteenbusch und vertrieben sich die Zeit mit stumpfsinnigen Spielen. Nie kam es vor, daß einer der Väter nach den Kindern sah oder auf dem Nachhauseweg eins auf die Schulter genommen hätte.
Auf dem Heimweg sagte Mayahua zu Cayrú: »Ich sehe, mein Sohn, wie du dich um Llamicha bemühst. Sie gefällt dir, aber sie ist nicht deine Frau. Sie hätte es jedoch sein können, würdest du auf mich gehört haben. Nun ist aber doch Mañabái auf dem Feld. Gefällt sie dir nicht? Sie ist die Tochter Babjubús, der mit deinem Vater im gleichen Dorf geboren wurde und aufwuchs. Daran muß man auch denken, mein Sohn; wer seinen Vater vergißt, wird es nicht gut haben in diesem Leben. Laß diese Worte nicht wieder heraus aus den Ohren!«
»Llamicha wird bald Mutter sein, so sagte sie mir; ich kann jetzt doch nicht gut zu ihr sagen, wenn sie sich zu mir setzt: Mach, daß du fortkommst! Llamicha hat immer Hunger und nur wenig mitgebracht von Zuhause. Wir aber haben viel mitgebracht. Soll ich jetzt zu Llamicha sagen: Nichts gebe ich dir von meinem ab, mach, daß du fortkommst, und laß mich ruhig essen?
Und auch, wenn Llamicha nicht bald Mutter sein würde und ihr Mann nicht hier auf den Feldern … sie kann nicht meine Frau werden.«
»Aber Mañabái würde dir gefallen, wenn du sie so anrührtest, wie man ein Mädchen anrühren muß, wenn man bald heiraten will.«
»Mañabái soll mir nicht gefallen. Und ich will ja auch nicht bald heiraten. Vielleicht ist es nicht mehr lange, daß ich wieder bei den weißen Leuten auf dem Hof bin und auch einen Lohn bekomme. Was ich mit dem Lohn machen werde, das darf ich dir noch nicht erzählen, Mutter. Aber ich werde lernen, Zeichen zu malen, damit ich die Zeichen der Weißen verstehe. Ich werde das alles lernen, was unsere Leute nicht lernen wollen, weshalb sie auch den Weißen nicht gleich werden können.«
»Möchte es sein, mein Sohn, daß deine Gedanken die richtigen sind und meine voller Würmer. Aber es ist doch eine Angst in mir, daß deine richtigen Gedanken für uns doch nicht die richtigen sind. Es ist eine Angst in mir, du könntest den Wald vergessen. Der Wald ist unser Atem, mein Sohn. Und der Wald ist unser Brot, mein Sohn. Im Wald sind unsere Götter tätig. Im Wald geht der Geist unserer Verstorbenen um. Geh nicht aus dem Wald, mein Sohn! Geh nicht dorthin, wo die Wege aus Stein sind, die Häuser aus Stein und die Menschen aus Stein. Geh nicht dorthin, mein Sohn!«
»Immer wird der Wald sein, wo ich bin und wohin ich mich bewege! Es könnte nicht sein, daß der Wald aufhört und ich nicht mehr in ihm bin. Er wird sein, auch wenn die Steine um mich sind.«
Trotz der bleischweren Müdigkeit, die den Körper fast unbeweglich machte, ließ der Schlaf lange auf sich warten, ehe er Cayrú fand und so lange über sein Gesicht hinfuhr mit einem leichten und kühlen Wind, bis das Blut wieder ruhig wurde und die Gedanken ablenkte von den Wegen, die in der Irre herumliefen.
Cayrú fand am nächsten Morgen und Vormittag, daß ihm die Arbeit sehr schwerfiel. Er schaffte nicht mehr als am ersten Tage, als er noch ein Anfänger war. Dabei lag er mit seiner Mutter und den vielen Bekannten schon den elften Tag in der Baumwolle; und noch achtzehn oder zwanzig Tage würde das Pflücken dauern, hatte der Patrón gesagt. Auf dem zweiten Feld war es noch nicht soweit zum Pflücken. Fünf Wochen später als auf diesem Feldstück hier hatte man den Samen in die Erde gebracht, und das war gut so, die Berechnung hatte gestimmt.
Von diesen Dingen verstand Cayrú freilich noch nichts. Aber Pedro hatte so mit Yamacinto gesprochen. Und Pedro hatte das, was er Yamacinto erzählte, vorher von dem Patrón gehört.
Der Patrón hatte auch für Cayrú wieder gute Worte. Als er einmal den vollen Pflücksack zur Waage brachte und Pedro etwas anderes zu tun hatte, als den Pflückern Säcke abzunehmen, sagte der Patrón zu Cayrú: »Du bist der fleißigste Bursche von allen. Wenn die Baumwolle vorüber ist und auch der Zucker eingebracht, wird man dich nicht vergessen. Sage das auch deiner Mutter! Es ist niemand, der sich über euch beklagt.«
Es war auch bald Mittag, und als man den Hirsebrei aß, kam Llamicha wieder und brachte ihren Mann mit. Er war zwei Jahre älter als Cayrú, aber dick und ungelenkig. Er hatte Tabakblätter in einem Beutel auf der Brust und gab Cayrú davon ab. Cayrú aber nahm die Blätter nicht an. Darauf wurde Pava böse und beschimpfte Cayrú.
Cayrú wußte nicht, daß es für den anderen eine Beleidigung war, wenn man eine dargebotene Gabe zurückwies. Mayahua sagte darauf zu Pava: »Mein Sohn hat den Tabak noch nie geschmeckt. Es war kein Vater da, der es ihn hätte lehren können. Ich werde ihm jetzt zeigen, wie man eine Zigarre macht. Und dann wird er mit dir rauchen, und es wird kein Grund mehr sein, daß du böse bist.«
Sie nahm die Blätter, feuchtete sie mit dem Wasser ihres Mundes an und rollte sie auf dem vorgestreckten nackten Oberschenkel zusammen, bis sie die Form einer Zigarre hatten. Darauf schlug sie Feuer, brannte den Stengel an und steckte sie Cayrú in den Mund.
Cayrú gab sich alle Mühe, die Zigarre qualmen zu machen, so wie der Stengel von Pava qualmte. Er hatte den Mund dick voll von dem fetten Rauch, er kaute ihn und verschluckte sich dabei. Er fing an zu husten und bekam die Augen voller Tränen. Nach einer Weile gab er den Glimmstengel seiner Mutter zurück. Man sah, wie es ihn schüttelte.
Pava sagte darauf verächtlich: »Er ist noch lange kein Mann, dabei wollte er Llamicha heiraten. Ich möchte dabei sein, wenn sich jetzt eine andere zu ihm legt und darauf wartet, daß er den Anfang macht. Nie wird er anfangen, weil er nicht einmal ein Weib ist.«
»Er ist ein Mann und wird auch bald heiraten«, sagte die Mutter Cayrús zu Pava. »Und du bist im Unrecht, wenn du Cayrú so beschimpfst, wie du es jetzt tust. Ich werde mit deiner Verwandtschaft sprechen, damit du nicht mehr solche Reden hier führst.«
»Soll der Cayrú heiraten, soviel er will, vielleicht wird es das Warzenschwein sein oder eine Weiße«, höhnte Pava und entfernte sich.
Cayrú hatte schon einen Stein in der Hand, um ihn nach Pava zu schleudern. Llamicha aber hielt ihm den Arm fest: »Tu es nicht, Cayrú! Tu es nicht! Denn es könnte sein, daß du triffst, und dann ist kein Vater da für das Kind.« Sie steckte ihm ein Stück Rapadura in den Mund. Und als er sich darauf ins Kraut legte, um zu ruhen, legte sich Llamicha zu ihm und sagte kein Wort mehr. Sie ließ auch ihre Hand von seinem Gesicht. Zuletzt aber legte sie den Kopf auf seine Schulter und schlief ein.
Mayahua, die nicht weit davon dahockte, dachte bei sich: Mein Sohn wird nicht vergessen, daß man ihn beschimpft hat. In seinen Augen ist das gleiche Feuer hell, das sein Vater immer brennen ließ, wenn sein Blut voller Zorn war. Als der Capataz zur Arbeit pfiff, war Cayrú der erste, der sich erhob. Die Muskeln seines geschmeidigen Körpers spannten sich. In seinem Hirn hämmerte das Blut, und die Adern in den Schläfen schwollen an. Es war ein Entschluß, der ihn so erregte. Dieser Entschluß verlangte von ihm, mit Anne-Marie zu sprechen und sie zu fragen: Hat der Pava recht, wenn er sagt, ich sei kein Mann? Nur Anne-Marie kann mir sagen, was ich eigentlich bin.
Nach einer Weile mußte er sich jedoch sagen, daß ihm der Entschluß nichts nützte. Solange die Ernte noch nicht eingebracht war, gab es keine Gelegenheit, im Gebüsch am Ufer des Flusses zu liegen und darauf zu warten, daß das Mädchen vorüberkam. Vielleicht wird überhaupt keine Gelegenheit mehr sein. Dann aber wäre es besser, man ginge in den Wald, dorthin, woher die Mutter gekommen war. Sie gefielen ihm alle nicht mehr, die Leute auf dem Feld. Am wenigsten gefiel ihm der Pava, der sich eines Tages bei der Mittagsruhe wieder sehen ließ und zu ihm sagte: »Neulich, das war doch nur ein Spaß, den du nicht verstanden hast. Du bist natürlich ein Mann. Ich sah dich gestern über den Bach springen wie ein Guanako. Als ich versuchen wollte, es dem Guanako und dir gleichzutun, fiel ich ins Wasser. Vielleicht war es inzwischen breiter geworden. Wer aber so weit springen kann wie du, ist ein Mann. Das hat Yamacinto zu mir gesagt.«
»Ich springe noch ein Stück weiter«, antwortete Cayrú. »Wir werden jetzt Steine nehmen und sie dort nach dem Baum werfen. Wer den Baum trifft, ist ein Mann. Willst du?«
»Natürlich werde ich den Baum treffen«, sagte Pava, »und du wirst ihn wahrscheinlich auch treffen. Ich finde, es ist eine unnütze Anstrengung. Aber wenn du durchaus willst?«
Sie sammelten auf dem Grenzweg handliche und kugelrunde Steine. Darauf zog Cayrú mit der großen Zehe einen Strich in den Sand. »Hier stellen wir uns hin und werfen nach dem Baum, jeder drei Steine.«
Pava machte den Anfang. Der erste Stein, den er warf, erreichte knapp die Nähe des Baumes. Der zweite blieb auf der Hälfte der Strecke liegen. Und der dritte fiel dem Werfer aus der Hand. Er verspürte heftige Schmerzen in der Schulter, versuchte aber, sie zu verbeißen.
»So, nun werde ich werfen«, sagte Cayrú. Der erste Stein traf den Baum knapp am Wurzelansatz. Er prellte ab und flog ein Stück zurück. »Getroffen!« sagte Cayrú.
Der zweite Wurf fegte ein leeres Vogelnest aus der Astgabel, dazu eine Menge Blätter. »Getroffen!« sagte Cayrú.
Der dritte Wurf traf einen Ast und riß ihn vom Stamm herunter. »Getroffen!« sagte Cayrú. »Bist du nun zufrieden mit mir?«
»Wahrscheinlich hast du viel geübt«, antwortete Pava. »Aber wer stärker von uns beiden ist, das ist noch nicht heraus. Wir wollen uns deshalb aber nicht streiten. Das macht nur das Blut schlecht, hat Llamicha zu mir gesagt. Wenn du aber einmal Lust hättest, am Sonntag ins Dorf zu kommen … es wird ein Mann aus der Stadt da sein und uns den Gott der Weißen bringen. Ich will mich jetzt an den Gott der Weißen halten. Wenn uns dieser Gott aufgenommen hat, dann werden wir noch viel stärker sein als die Weißen und nicht mehr zu arbeiten brauchen. So hat uns Dabuyo gesagt, der mit dem Mann aus der Stadt in Verbindung steht. Versprich mir, daß du auch kommst.«
»Ich weiß noch nichts von dem Gott der Weißen«, antwortete Cayrú.
»Ich aber werde es bald wissen«, sagte Pava.
»Ich werde es auch bald wissen«, entgegnete Cayrú. »Und wenn es mir gefällt, dann komme ich auch ins Dorf.«
Er hob den Krug mit der Chicha von der Erde hoch und trank. Jetzt kam Llamicha dazu und wollte auch trinken. Cayrú reichte Pava den Krug hin und sagte: »Deine Frau will trinken.«
Llamicha bog den Kopf weit zurück, und anstatt ihr in den Mund hinein, goß Pava seiner Frau das Gesicht und den Oberkörper voll mit der Chicha. »Du kannst nur den Bauch finden, nichts anderes, verstehst du!« schimpfte Llamicha und ließ sich von Mayahua trockenreiben.
Cayrú hatte ein rumpelndes Lachen in der Kehle. Er drehte sich um und unterdrückte es. Er ging ein Stück den Feldweg hinauf, um auf andere Gedanken zu kommen. Unter einer Nesselstaude sah er ein Meerschweinchen liegen und wollte es fassen. Es war aber schon tot und roch. Die weißen Augen, blind wie die Beeren einer Stachelpflanze, waren schrecklich anzusehen. Ein sonderbares Gefühl packte den Jungen. Er wollte sich abwenden. Dann nahm er aber ein paar große Steine und bedeckte damit den Kadaver. Bei der Arbeit sagte er lange Zeit kein Wort.
Am Nachmittag des letzten Tages im Baumwollfeld kam Anne-Marie auf der weißen Mula den schmalen Feldweg heraufgeritten, um ihrem Vater eine Nachricht von Onkel Heinrich zu überbringen. Es stand etwas Angenehmes in dem Brief, denn Friedrich Coßmann sagte zu seiner Tochter: »Es ist nett von dir, daß du mir den Brief herausgebracht hast. Du bist ein Glücksbringer. Don Emilio will wegen des Waldverkaufs mit uns verhandeln. Wir haben eine über Erwarten gute Ernte gehabt. Wir können den Kaufpreis für den Wald in bar erlegen. Jetzt darfst du dir auch etwas wünschen. Allerdings mußt du mit dem Wunsch auf der Erde bleiben. Vielleicht möchtest du ein Reitpferd?«
»Den Goldfuchs, Vater, hast du mir ja schon vor einigen Wochen versprochen. Und was man versprochen hat, muß man wohl auch halten.«
»Wenn ich dir den Goldfuchs schon versprochen habe, Mädchen, gut, dann wird er eines schönen Tages auch da sein. Aber erst muß der Zucker herein, nicht wahr? Dann haben wir Zeit, nach der Stadt zu fahren und Umschau nach einem für dich passenden Pferd zu halten. Also: was soll es nun noch sein?«
»Ja …«, sagte Anne-Marie nach einer langen Weile, »wenn man ein Reitpferd hat, gehört auch ein Diener dazu, der es pflegt und füttert. Und wenn man einmal dorthin reiten will, wo es nicht gut ist, allein zu reiten, dann muß der Diener mitreiten.«
»Das Pferd füttern und pflegen gehört zu der Arbeit Pedros, den wir ja auf dem Hof behalten werden. Und er wird dich auch, wenn es notwendig ist, begleiten.«
»Pedro ist kein Diener, sondern ein Knecht. Ich wünsche mir einen Diener.«
»Das ist eine sonderbare Idee, Mädchen! Woher sollen wir solch einen Diener nehmen, wie du ihn dir vorstellst?«
»Der Diener ist nicht weit von hier, er heißt Cayrú.«
»Cayrú allein als Diener für dein Pferd? No, Kind, solch einen Luxus können wir uns noch nicht leisten. Da müssen schon vier, fünf Pferde auf dem Hof sein, damit es sich bezahlt macht.«
»Cayrú als Diener für meinen Goldfuchs und meinetwegen auch noch für andere Arbeiten auf dem Hof. Ist doch genug Arbeit da, zum Beispiel wenn wir den Garten vergrößern werden und die Bäume pflanzen und ein Becken anlegen. Muttchen hat sich schon einen Plan gemacht, wie der neue Garten aussehen soll.«
»Das läßt sich nun im Handumdrehen nicht so einfach sagen, Kind, ob das so gemacht wird, wie Muttchen sich das ausgedacht hat und auch du dir vorstellst. Ich werde aber mit Muttchen darüber sprechen, natürlich, und auch mit Onkel Heinrich.«
»Wenn du erst Onkel Heinrich fragen willst, dann wird aus der Sache auch nichts werden, Vater.«
»Warum denn nicht? Jetzt nach der Ernte ist Onkel Heinrich guter Dinge, und er macht auch allerhand Pläne. Aber ihn fragen … das muß ich, Kind. Und ich bin auch sicher, daß er deinen sonderbaren Wunsch nicht so einfach beiseite schieben wird.«
»Wenn du das so genau weißt und Muttchen doch auch nicht nein sagt, dann ist mein Wunsch eigentlich schon erfüllt.«
»Laß mich erst mit Muttchen sprechen, Kind. Daß ich den Cayrú versuchsweise auf dem Hof beschäftigen werde, nach der Ernte, das hatte ich mir schon sowieso vorgenommen. Er hat mir hier auf dem Feld keine Dummheiten gemacht. Er hat sich immer still für sich gehalten. Man wird ihm und seiner Mutter eine Extravergütung zukommen lassen, vorausgesetzt, daß sich beide auch im Zucker gut bewähren.«
»Na schön, Vati! Wenn es nicht anders geht, dann warte ich mit der Erfüllung meines Wunsches bis nach der Zuckerrohrernte. Weiß Cayrú denn schon, daß es morgen noch nicht vorbei ist mit der Arbeit bei uns und daß ihn niemand mehr schlagen wird?«
»Ich habe es ihm vor einigen Tagen bereits gesagt, daß man ihn bei Gelegenheit auch wieder auf dem Hof beschäftigen wird. Und was nun das Schlagen betrifft, mein Kind … niemand wird ihm etwas zuleide tun, wenn er sich anständig aufführt.«
»Bei Gelegenheit wird man ihn wieder beschäftigen, meinst du? Dann wird sich gewiß auch die Sache mit dem Diener regeln. Darf auch ich noch einmal mit Cayrú darüber sprechen, daß man ihn wieder auf dem Hof beschäftigen wird?«
»Ich verstehe wahrhaftig nicht, was du davon hast, mit dem Jungen so umzugehen, als sei es der Sohn unserer Nachbarn, in Freundschaft mit dir aufgewachsen?! Aber wenn es dir Spaß macht … meinetwegen mach ihm den Mund wäßrig nach einer Sache, die noch nicht reif ist.«
Anne-Marie, in ihren sandgrauen Bombaches, den Reitstiefeln aus schwarzem Lackleder und den bis tief in den Nacken herunterfallenden rotblonden Haarlocken, erregte einige Sensation bei den Baumwollpflückern. »Tochter der Sonne!« rief eine alte Frau aus und bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen. Die meisten Leute hatten die Tochter des Patróns noch nie gesehen. Alle hielten einige Augenblicke mit dem Pflücken inne und sahen das Mädchen an. Anne-Marie suchte nach Cayrú. Er ging in der Außenreihe der Pflücker und bildete mit seiner Mutter und Llamicha die Spitze.
Als Anne-Marie ihn fast erreicht hatte, drehte er sich um und ließ den Pflückbeutel fallen, so erschrak er.
»Ich muß doch auch einmal sehen, was du hier treibst auf dem Feld!« begrüßte ihn unbefangen Anne-Marie und streckte ihm die behandschuhte Rechte hin. Cayrú wußte zuerst nicht, ob es ihm auch erlaubt war, die ihm hingereichte Hand anzunehmen. Bei den Indios war es nicht Sitte, sich in einer solchen Weise zu begrüßen. Und auch die Criollos pflegten diese Sitte nicht bei Begegnungen auf dem Feld oder Arbeitsplatz anzuwenden. Höchstens an den Sonntagen, vor der Kirche, nach dem Gottesdienst, in festlicher Kleidung auf der Feria oder bei einer Hochzeit begrüßte die Verwandtschaft sich mit Handschlag und darauffolgendem Schulterklopfen.
Daß man bei einem Wiedersehen sich die Hand gibt, hatte Cayrú von Anne-Marie erfahren. Und was sie von ihm verlangte, das mußte er doch tun. Hier auf dem Feld aber, im Beisein seiner Mutter und der Llamicha, zögerte er. Oder war es der Anzug, den Anne-Marie trug und der sie fremd und anders in seinen Augen machte? Er war sich selber nicht klar darüber und stand völlig ratlos da. Anne-Marie lachte: »Das ist meine Hand, brauchst keine Angst davor zu haben.«
Sie zog ihn ein Stück von der Reihe fort, damit die anderen Pflücker vorüberkommen konnten.
»Dein Vater, der Patrón, wird böse sein, wenn ich hier stehe und nicht pflücke«, sagte Cayrú.
»Mein Vater weiß, daß ich mit dir spreche. Aber ich müßte böse mit dir sein, weil du mit einem Male solche Angst vor mir hast. Oder glaubst du, ich bin es nicht?«
»Du bist es … deine Augen … dein Haar … alles bist du!« antwortete Cayrú mit einem sonderbaren Licht in den Augen.
»Na also, du Dummer! Und jetzt freust du dich doch auch, nicht wahr? Oder nicht?« sagte Anne-Marie.
»Man hat so lange gewartet … sich zu freuen.«
»Ich weiß … es war lange. Aber auf dem Feld ist viel Arbeit, die geht vor, nicht wahr? Ich habe dir für das lange Warten aber auch etwas Schönes mitgebracht. Was glaubst du wohl, was es sein kann?«
»Vielleicht kleine Kuchen …«
»No, Cayrú! Einen großen Kuchen, mit viel Rosinen drin.«
»Ich weiß nicht, was Rosinen sind.«
»Rosinen hast du schon bei uns gegessen, im Kuchen. Ich meine jetzt aber andere Rosinen. Du kannst nicht raten, wie?« fragte Anne-Marie, ein wenig ungeduldig schon.
»Nein … ich kann nicht und ich auch nicht weiß, warum.«
»Ja … du bist heute ganz anders als früher, Cayrú. Gefällt dir hier auf dem Feld die Arbeit nicht?«
»Ich hier gern arbeite auf dem Feld«, antwortete Cayrú und wollte sich wieder zu den Pflückern begeben.
»Hiergeblieben, du Dummer! Und nun werde ich dir auch verraten, was das mit den Rosinen ist. Nach der Ernte bekomme ich von meinem Vater ein Reitpferd. Ein rotes Pferd. Und dieses Pferd, das ich reiten werde, wirst du pflegen und auf der weißen Mula neben mir herreiten. Wir bauen einen neuen Stall, und in diesem Stall wirst nur du allein zu befehlen haben, nicht die anderen Leute auf dem Hof. Gefällt dir das?« fragte Anne-Marie und sah ihm dabei scharf in die Augen hinein.
»Wenn ich wieder bei dem Patrón auf dem Hof darf arbeiten, das wird mir sehr gefallen.«
»Na siehst du? Du freust dich, und ich freue mich auch. Wir werden nach der Insel rudern und durch die Felder reiten.«
»Man wird aber noch manches tun müssen, um auf dem Hof des Patróns sein zu können«, sagte Cayrú und sah nach seinen Leuten, die in der Nebenfurche wieder zurückkamen.
»Was wirst du noch tun müssen? Bloß die Arbeit im Zuckerrohr, hat mein Vater gesagt. Dann fängt man auf dem Hof mit der Arbeit an.«
»Ich weiß nicht …«, antwortete nach einigem Zögern Cayrú.
»Was, mit einem Male weißt du wieder nicht?«
»Es wird noch nicht reif sein …«
»Das versteh' ich nicht, Cayrú. Aber vorläufig ist es ja auch gleich. Du wirst es mir später sagen.«
»Ich werde alles sagen … du!«
Die Pflücker waren den Weg wieder zurückgekommen, und als Anne-Marie jetzt auch die Mutter Cayrús erblickte, ging sie auf die alte Frau zu und gab ihr die Hand. Und darauf sagte sie: »Mein Vater ist sehr zufrieden mit euch.«
»Ja … es sein viel Arbeit auf dem Feld …«, antwortete Mayahua und sah Anne-Marie mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund an. Die ganze Reihe kam ins Stocken. Cayrú setzte sich wieder an die Spitze und begann mit dem Pflücken. Bis zur Kehre schritt Anne-Marie neben ihm her und sah, mit welcher Geschicklichkeit er die Kapseln abknipste und in den Sack steckte.
Sie fragte ihn: »Du bist mit dieser Arbeit zufrieden?«
»Man muß tun, was dem Patrón gefällt. Und was dem Patrón gefällt, ist auch gut für uns.«
»Vielleicht ist es auch gut für euch!« sagte Anne-Marie. Und wahrscheinlich war ihr gar nicht einmal bewußt, was sie mit diesem Satz ausdrückte. Nach einer kleinen Pause sagte sie: »Jetzt muß ich aber wieder nach Hause reiten, Cayrú. Und wenn du im Zuckerrohr bist, komme ich vielleicht öfter herüber, dich zu besuchen.«
Sie gab ihm einen kleinen Schlag auf die Schulter und ging die Furche schnurgerade hinunter zu ihrem Vater.
»Nun …?« fragte der, »hat die Neuigkeit dem Jungen geschmeckt? Und du bist nun zufrieden, daß du ihm die Nachricht überbringen konntest?«
»Ja, Vater!« antwortete Anne-Marie. »Ich bin mit dem heutigen Tag sehr zufrieden.«
Friedrich Coßmann lachte laut auf: »Wie eine Dame drüben von der Estanzia, so hast du jetzt gesprochen, Kind … Kind … laß nur ja nicht die Bäume in den Himmel wachsen!«