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Kriege werden seit Urzeiten in der Tierwelt geführt, und man sollte meinen, daß, wo es Kriege gibt, auch der Friede nicht unbekannt sein könnte. Selbstverständlich ist ein Friede zwischen Raubtieren und Pflanzenfressern ausgeschlossen – das liegt in der Natur der Sache. Schon der alte Homer hat diese Wahrheit erkannt und läßt den grollenden Achilles sich ablehnend zu Hektors Friedensvorschlägen äußern:
Wie kein Bund die Löwen und Menschenkinder befreundet,
Auch nicht Wölf' und Lämmer in Eintracht je sich gesellen;
Sondern bitterer Haß sie ewig trennt voneinander:
So ist nimmer für uns Vereinigung oder ein Bündnis.
Nur satte Raubtiere sind friedfertig, was schon den Alten aufgefallen ist. Hat sich der Wolf voll und dick gefressen, schreiben sie, so ist er so zahm wie ein Lamm. Die Pflanzenfresser haben ein vortreffliches Verständnis dafür, ob ein Raubtier gesättigt ist, was man oft bewundern kann.
Doch das sind vorübergehende Ausnahmezustände, während deren ein Raubtier Frieden halten will, die hier nicht in Betracht kommen.
Kämpfe gibt es ferner bei derselben Tierart alljährlich um die Gunst der Weibchen. Vom Löwen bis zum Hasen kämpfen die Männchen erbittert untereinander. Diese Kampfzeit dauert gewöhnlich nur einige Wochen, und der Friede kehrt ganz formlos wieder ein, indem sich die bisherigen Gegner aus dem Wege gehen oder ihre Streitaxt begraben.
Auch hier finden wir also keine Ausbeute, die uns einen Nutzen gewähren könnte.
Dagegen tragen die meisten Pflanzenfresser seit Urzeiten eine Art Plakat bei sich, das ihre friedliche Gesinnung bezeugt und von der größten Wichtigkeit ist. Dieses Plakat entspricht etwa den Maßnahmen, wodurch gelehrte Expeditionen oder friedliche Reisende unbekannten Völkerstämmen ihre friedliche Gesinnung bekunden wollen; man kann es als Friedens- oder Freundschaftsplakat bezeichnen.
Den meisten Lesern wird von einem solchen Plakat der Pflanzenfresser nicht das mindeste bekannt sein. Das ist auch kein Wunder. Weder im neuesten Brehm noch in sonstigen naturgeschichtlichen Werken wird er etwas hierüber finden.
Mir selbst war das Vorhandensein eines solchen Plakats noch vor fünfzehn Jahren unbekannt, obwohl ich mich seit frühester Jugend aufs eifrigste mit der Tierwelt beschäftigt habe. Man wird darauf erst aufmerksam, wenn besonders günstige Umstände für die Beobachtung vorliegen. Dann aber kann an dem Vorhandensein eines solchen Plakats nicht der mindeste Zweifel obwalten.
Die Beobachtung der meisten Säugetiere wird dadurch erschwert, daß sie fast sämtlich Nachttiere sind. Nicht nur die Katzen sind nächtliche Tiere, sondern auch alle Hundearten, also Wölfe und Füchse, ferner Bären, Dachse, Marder, Wiesel, Iltisse usw. Von den Pflanzenfressern seien Hirsche, Rehe, Hasen, Kaninchen und Wildschweine genannt.
Glücklicherweise werden die Nachttiere bereits mit Einbruch der Dämmerung rege. Ja, an den langen Sommertagen, wo die Nächte sehr kurz sind, kann man sie schon am Nachmittag in Tätigkeit sehen. Viele Raubtiere, die in der Nacht nichts gefangen haben, werden durch den Hunger gezwungen, am hellen Vormittag auf Beute auszugehen. Ohne diese Umstände würden wir von der Tierwelt noch weniger wissen, als uns heute bekannt ist.
Denn in der Nacht können unsere Augen im allgemeinen nicht viel wahrnehmen. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen. Im Winter gewährt die Schneedecke eine sehr schätzbare Beleuchtung, und die Sommernächte sind häufig sehr hell. Das meiste hängt dabei vom Mond ab, weshalb auf allen Jagdkalendern die Auf- und Untergangszeiten des Mondes angegeben sind.
Das nächtliche Treiben der Tiere zu belauschen, ist durchaus nicht einfach. Hat man wirklich leidliche Beleuchtung, so dauert es gewöhnlich nicht lange, bis das Tier die Anwesenheit des Menschen wahrgenommen hat. Unser Wild besteht aus Nasentieren, d. h. aus Tieren, die sich in erster Linie nach ihrem Geruch richten. Sie bevorzugen es daher, gegen den Wind zu laufen, weil sie dadurch jeden Feind rechtzeitig wittern können. Ist den Tieren irgend etwas verdächtig, und sie haben keinen Wind davon, weil sich der fragliche Gegenstand unter Wind befindet, so machen sie einen Bogen um ihn, wodurch er über Wind gelangt. Das Wild holt sich, wie man sagt, Wind. Auch die Augen der Nasentiere leisten in der Dunkelheit weit mehr als die des Menschen. Wir wissen von unsern Hunden und Pferden, daß sie sich in der größten Dunkelheit zurechtfinden. Ein Pferd springt in der Nacht manchmal über Gräben, während der Reiter nicht die Hand vor den Augen sehen kann. Das kommt daher, daß alle Nasentiere sehr große Pupillen haben, die jeden Lichtstrahl auffangen.
Weil mir alle diese Schwierigkeiten der nächtlichen Tierbeobachtung sehr wohl bekannt waren, so war es von jeher mein sehnlichster Wunsch, einmal von einem Hochsitz aus das Treiben der Tiere zur Nachtzeit belauschen zu können. Endlich ging dieser Wunsch durch einen liebenswürdigen Jagdbekannten in Erfüllung, der mir sein wildreiches Revier zur Verfügung stellte.
Der ungeheure Wert des Hochsitzes liegt klar vor Augen. Eigentlich müßte ihn der Jäger »Luchssitz« nennen. Denn unzweifelhaft hat der Mensch vom Luchs die Vorzüge des Hochsitzes kennengelernt. Ein Luchs entvölkert binnen kurzer Zeit das wildreichste Revier von Wild, namentlich von Rehen. An ihren Wechseln, d. h. den kleinen Steigen, die sie ständig benutzen, liegt er auf einem Baume auf der Lauer. Was soll das Wild dagegen machen? Wittern kann es den Feind nicht, weil seine Ausdünstung oben bleibt. Sehen kann es die an den Baum geschmiegte Katze weder am Tage noch in der Nacht.
Mir stand nicht nur ein wildreiches Revier mit Hochsitzen zur Verfügung, sondern diese Hochsitze waren in höchst durchdachter Weise angebracht. Ein Lieblingsplatz von mir wurde ein Hochsitz, der ganz weltentrückt lag. Mindestens eine Meile war das nächste Dorf entfernt. Hier war im Walde eine Lichtung, auf der allerlei Schmackhaftes für das Wild angebaut war. Ferner war der Boden vielfach hell, so daß sich die Umrisse der Tiere scharf abhoben.
Bevor die Sonne zur Neige ging, kletterte ich auf meinen Sitz. Wie nichts auf der Welt vollkommen ist, so gab es auch hier einiges, das man sich anders gewünscht hätte. Die Mücken meinten es manchmal gar zu gut. Verjagen kann man sie nicht, da man jede Bewegung vermeiden will. Aber wer gegen solche Kleinigkeiten nicht gefeit ist, der muß auf die Beobachtung der Tiere verzichten.
Ein wundersames Gefühl beschleicht einen, wenn man so weltentrückt die Geheimnisse der Natur belauschen kann. Wie falsch ist doch der Satz, daß in der Nacht die ganze Welt schläft. Umgekehrt möchte man behaupten, daß die meisten Wälder erst in der Nacht belebt werden. Gewiß, die meisten Tagvögel gehen mit der Sonne zu Bett. Den wunderbaren Gesang der Heidelerche hört man allerdings noch später. Mit Einbruch der Dunkelheit macht sich besonders der flötende Ruf des großen Brachvogels oder der sog. Doppelschnepfe bemerkbar, ferner der an das Quietschen einer Karre erinnernde Ruf des Triels, der wie eine große Lerche mit Eulenaugen aussieht. Von einem Sumpfe aus ertönt im Frühjahr der an Ochsengebrüll erinnernde Ruf der Rohrdommel. Ferner sieht und hört man allerlei Eulenarten, Nachtschwalben u. dgl.
Von den Säugetieren erschienen zuerst gewöhnlich die Kaninchen auf dem Platze, die es damals noch in unglaublichen Mengen gab. Später fanden sich Hasen und Rehe ein. Diese Wildarten hatte man ständig vor Augen und konnte sie in ihrem nächtlichen Treiben dauernd belauschen.
Hirschfährten gab es in schwerer Menge. Aber die Hirsche selbst waren so vorsichtig, daß man sie nur ausnahmsweise auf kurze Zeit zu Gesicht bekam.
Dagegen gaben andere Tiere häufig Gastrollen, so Wildschweine. Einmal hatte ich auch das große Glück, Freund Grimbart, den Dachs, zu belauschen. Wohl eine Stunde lang konnte ich seinem Treiben zuschauen, ehe er in der Dunkelheit verschwand.
Bei meinen nächtlichen Beobachtungen auf dem Hochsitz ist mir die ungeheure Wichtigkeit des vorhin erwähnten Friedens- oder Freundschaftsplakats der Pflanzenfresser klar geworden. Gemeint ist damit natürlich die große weiße Stelle am Hinterteil unserer Pflanzenfresser, z.B. der Hirsche und Rehe. Hier nennt sie der Jäger »Spiegel«. Fällt dieser Spiegel schon am Tage auf, so wird man über seine wahre Bedeutung erst in der Dunkelheit aufgeklärt.
Die Rehe spreizen ordentlich den Spiegel in der Nacht, namentlich dann, wenn sie davoneilen und eines dem andern folgt.
Daß die Rehe sich in der Dunkelheit nach der Blendlaterne ihres Vordermanns richten, ist ganz augenscheinlich. Der Kopf des Hintermannes ist stets ganz in der Nähe des Rückens des Vordermannes.
Man stelle sich einmal vor, mit wie einfachen Mitteln die Natur erreicht hat, daß ein Sprung Rehe oder ein Rudel Hirsche in der Nacht zusammenbleiben kann. Sowohl beim Hirsch wie beim Reh ist das ganze Tier so dunkel, daß es in der Nacht fast unsichtbar ist. Nur die weiße Stelle hinten macht sich weithin bemerkbar.
Man hat mit Recht hier von Leitfarben gesprochen; man könnte sie auch als Führerfarben bezeichnen.
Diese weißen Stellen dienen aber nicht nur zur Leitung und Führung, sondern auch zur Beteurung der friedlichen Gesinnung.
Man stelle sich einmal die Lage der friedlichen Tiere zur Nachtzeit vor. Hasen und Kaninchen sind gerade bei der Äsung, da nähert sich ein Sprung Rehe.
Das Kaninchen verschwindet in seinem sicheren Bau, der Hase läuft so weit fort, wie es ihm ratsam erscheint.
Unterdessen stehen die Rehe vom Mondlicht umflossen einsam auf der Lichtung. Es war gar nicht ihre Absicht, den kleinen Nagern einen solchen Schrecken einzujagen.
Steht der Wind günstig für Kaninchen und Hasen, so daß er von den Rehen zu ihnen weht, dann werden beide bald wieder erscheinen. Denn die Witterung der Rehe verkündet ihnen, daß sie sich grundlos geängstigt haben. Wie ist es aber bei ungünstigem Winde?
Der Hase müßte einen Bogen machen, um sich Wind zu holen. Das ist zwar umständlich, aber es ginge doch. Das arme Kaninchen aber wäre in seinem Bau ganz übel daran, denn aufs freie Feld kann sich wohl ein Hase mit seiner Schnellfüßigkeit wagen, nimmermehr aber ein armer Laputz, der nur auf kurze Strecken schnell ist.
Hier ist es nun wieder die weithin leuchtende weiße Farbe der Rehe und Hirsche, die dem Kaninchen und dem Hasen die Zweifel bannt. Weiß ist eben die Friedensfarbe in der Tierwelt oder wenigstens die Beteurung, daß man friedfertige Absichten hegte.
Merkwürdigerweise hat man diese weißen Stellen als Schutzfärbung aufgefaßt, obwohl sie doch das Gegenteil davon sind. Denn ohne die weißen Stellen würde man die Träger in der Dunkelheit schwerlich wahrnehmen. Die indische Hirschziegen-Antilope und der afrikanische Springbock fallen besonders dadurch auf, daß sie sehr ausgedehnte weiße Stellen haben. Es ist schwer verständlich, daß z. B. Thayer auch in solchen Fällen eine Schutzfärbung erblicken will. Er behauptet, der weiße Wedel und der weiße Spiegel machten die Träger undeutlich, wenn sie flüchten.
Hierauf hat ein erfahrener und kenntnisreicher Jäger mit Recht entgegnet, daß diese Behauptung die Tatsachen vollkommen auf den Kopf stellt. Denn in der Nacht würde man die Tiere gar nicht sehen, wenn sie nicht durch die weißen Spiegel auffielen.
Der alte Jäger ist vollständig im Rechte. Daß die weiße Farbe als Schutzfärbung dienen soll, ist reine Phantasie. Sie macht das Tier bemerkbar, und bewirkt nicht, was eine Schutzfärbung tun müßte, ein Verschwimmen des Trägers.
Warum sind aber gerade Hirschziegen-Antilope und Springbock so ausgedehnt weiß?
Höchst einfach, weil bei ihnen das Weiß in erster Linie Blendlaterne ist. Sie sind riesige Springer, die spielend bis zu 10 m zurücklegen. Wenn ein Geschöpf in der Dunkelheit solche Sätze macht, so muß es eine besonders helle Laterne tragen, damit der Nachfolger weiß, wohin es gesprungen ist.
Das Weiß ist aber nicht nur Friedensfarbe und Leitfarbe, sondern es hat wahrscheinlich noch einen dritten Zweck. Es ist schon oft bemerkt worden, daß die meisten Säugetiere einen hellen Bauch haben. Ich nehme an, daß das kein Zufall ist. Ich vermute, daß hierdurch die Jungen den großen Vorteil haben, in der Dunkelheit das Euter der Mutter zu finden.
Ein Weiß als Friedensfarbe können natürlich nur Nachttiere tragen, d.h. Tiere, die hauptsächlich in der Dunkelheit tätig sind. Es scheiden also aus:
Habe ich mit meiner Behauptung recht, so kann es keine weißen Raubtiere oder Raubtiere mit weißen Stellen geben. Das ist auch im allgemeinen der Fall. Ausnahmen können nur die Regel bestätigen
Wir wissen, daß im Winter die Raubtiere günstiger gestellt sind als im Sommer. Der Überschuß von Jungen, der im Sommer von den Pflanzenfressern erzeugt worden ist, soll im Winter ausgeglichen werden. Gemsen und Wildschafe brauchen im Sommer den Wolf nicht zu fürchten, aber bei tiefem Schnee werden sie von ihm eingeholt. Ebenso erbeutet der Fuchs den Hasen bei tiefem Schnee, wobei dem Räuber seine langen Beine von Nutzen sind.
Im Winter gibt es daher auch weiße Räuber, wie das Hermelin, den Polarfuchs, den Eisbären usw.
Sonst aber sind die Räuber dunkel, wie Bären, Wölfe, Marder usw. Das heißt also, sie besitzen keinen weißen Schwanz und keinen Spiegel. Weiße Bäuche kommen häufig vor, weil sie für die säugenden Jungen sehr vorteilhaft sind. Auch haben Kragen- und Lippenbär weiße Stellen am Halse, die aber sicherlich in der Nacht zu keiner Verwechslung Anlaß geben können.
Den Spiegel und den weißen Schwanz sucht man bei Raubtieren im großen ganzen vergeblich. Dabei hätte doch ein großer Spiegel auf dem Rücken des Bären einen wunderbaren Platz. Daß er nicht vorhanden ist, kann ich nicht als Zufall ansehen.
Eine Sonderstellung nimmt der Dachs ein. Was ist nicht alles schon darüber geschrieben worden, weshalb Grimbart oben hell ist.
Bei meinen Beobachtungen vom Hochsitz aus war mir seine Färbung ganz einleuchtend. Zwar gehört er nach der Systematik zu den Raubtieren, aber er ist doch im allgemeinen ein friedfertiger Bursche, der auf Regenwürmer Jagd macht und nicht auf Hasen, Kaninchen und Rehe.
Bliebe ein junges Tier allerdings in seiner Nähe sitzen oder wäre es krank, so würde natürlich Grimbart es zu erbeuten suchen.
Schwarz paßt für ihn nicht, denn er ist kein Raubtier, rein weiß ebenfalls nicht, denn ganz zu trauen ist ihm nicht. Deshalb ist Grau für ihn die richtige Farbe.
Das von Mistkäfern lebende Stinktier kann man nicht gut als Raubtier bezeichnen. Seine weiße Färbung wird allgemein als Warnungsfarbe aufgefaßt. Mindestens ebenso richtig dürfte es sein, sie als Friedensfarbe zu bezeichnen.
Die Hyänenhunde können weiße Stellen haben, denn ein rasendes, heulendes Rudel dieser Räuber wird keinen Pflanzenfresser täuschen.
Obwohl das Wildschwein zu den Pflanzenfressern gehört, hat es fast genau den gleichen Speisezettel wie der Dachs. Wegen seiner größeren Beweglichkeit ist es aber viel gefährlicher.
Im Tiergarten zu Moritzburg bei Dresden werden Wildschafe, sog. Mufflons, gehalten. Wie mir ein Wildfütterer erzählte, hat man die Mufflons in eine andere Abteilung bringen müssen, da sie von den Wildschweinen zu viel zu leiden hatten. Nicht nur kranke, schwache und junge Tiere wurden von ihnen getötet, sondern auch erwachsene, die gesund waren. Andere Angestellte bestritten das zwar, gaben aber zu, daß es in Tiergärten, wo Wildschweine gehalten werden, niemals kranke und schwache Tiere gibt, da sie von den Schwarzkitteln gefressen werden.
Das Wildschwein ist also, obwohl wir Menschen es zu den Pflanzenfressern zählen, eine Räuberseele. Als solche muß es dunkel sein.
Noch auf folgenden Umstand möchte ich aufmerksam machen. Jeder Jäger weiß, daß wildernde Hunde und Katzen jedem Revier sehr schaden. Vielleicht haben diese Räuber, die mit Vorliebe zur Nachtzeit jagen, dadurch einen Vorteil, daß sie häufig weiße Stellen haben. Ein Hase, der in der Nacht ein dunkles Geschöpf sieht, weiß, daß er einen Feind vor sich hat. Ein gescheckter Hund oder eine gescheckte Katze können ihn also leicht zu einer unbegründeten Vertrauensseligkeit veranlassen.
Elefanten, Büffel, Nashörner, Flußpferde tragen deshalb keine Friedensfarben, weil sie ohne böse Absicht durch das Gewicht ihres Leibes die in ihrer Nähe befindlichen kleineren Geschöpfe gefährden. Eine Blendlaterne brauchen sie nicht, weil sie auch in der Dunkelheit durch ihre Größe auffallen und sich langsam fortbewegen.
Zierliche Wildrinder, wie der Banteng, haben dagegen einen Spiegel und weiße Beine. Ebenso hat das Okapi weiße Beine, ferner die Zebraarten usw. Daß die Zebras, wie die Einhufer, Nachttiere sind, habe ich an einer andern Stelle ausführlich nachgewiesen. Sie brauchen nur wenige Stunden Schlaf am Tage und sind daher bei Licht viel auf den Beinen, weshalb man sie für Tagtiere hielt.
Damit die so auffallende weiße Farbe am Tage nicht den Träger verrät, befindet sie sich an Stellen, die beim Liegen bedeckt sind. Daher sind die Körperteile, die mit dem Boden in Berührung kommen, vornehmlich weiß gefärbt.
Darwin wußte nicht, was er zu dem weißen Schwanze des Kaninchens sagen sollte. Er wurde an der Schutzfärbung irre, zumal, da Hase und Kaninchen den Schwanz bei der Flucht auffällig bewegen. Und doch liegt die Sache so einfach. Hasen und Kaninchen haben natürlich eine Schutzfärbung. Diese hat nur einen Zweck am Tage, wenn die Tiere ruhig liegen. Dann bemerkt man den weißen Schwanz nicht. Bewegen sie sich, so ist jede Schutzfärbung wertlos. Dann kommt die weiße Farbe als Leit- und Friedensfarbe zur Geltung.
Da der Hase allein lebt, so kann bei ihm nur von der Friedensfarbe gesprochen werden. Die andern Hasen brauchen keine Furcht zu haben, wenn er mit seiner weißen Standarte, die er eifrig hin und her schwenkt, angelaufen kommt. Das ist der äußerst wichtige Zweck seines »Grußes mit der Blume«, wie der Jäger sagt.
Ich fasse daher mein Ergebnis nochmals kurz zusammen.
Die weißen Stellen bei zahlreichen Tieren kann man als bloße Laune der Natur auffassen. Dann ist es unerklärlich, daß sie, von wohlbegründeten Ausnahmen abgesehen, bei Raubtieren nicht anzutreffen sind.
Man muß also vermuten, daß sie einen Zweck haben, da wir sie vornehmlich bei friedlichen Nachttieren antreffen. Dort sind sie auch sehr am Platze, nämlich
Friede und Freundschaft wird also in der Tierwelt durch weiße Farben ausgedrückt. Vielleicht ist das nicht ohne Einfluß darauf gewesen, daß der Mensch bei den Parlamentären die weiße Fahne als Abzeichen gebraucht.
Man wäre wohl schon längst auf die hier geschilderte Erklärung verfallen, wenn nicht die nächtliche Beobachtung der Tiere mit großen Schwierigkeiten verknüpft wäre.
Nachträglich finde ich im neuesten Brehm eine glänzende Bestätigung meiner Ansicht. Der im Tibet von Bambusschößlingen lebende Pranken- oder Bambusbär ( Ailuropus melanoleucus) ist mit Ausnahme eines schwarzen Streifens vom Kopfe bis zum Schwanze gelblichweiß. In Übereinstimmung mit seinem Gebiß ist er ausgeprägter Vegetarier, weshalb sein Riesenspiegel ganz naturgemäß ist.