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Über die Stellung der Augen bei Menschen und Tieren kann man die wunderbarsten Anschauungen hören. So finde ich bei Karl Bauer folgende Äußerung: Hat eine Henne am Horizonte einen Habicht wahrgenommen und zittert sie für ihre Küchlein, so fixiert sie zwar den Räuber mit dem einen Auge und verfolgt sie dessen Flug; sie hat aber den Kopf verdreht und ihr Blick ist unnatürlich. Wie frei und leicht und stolz sieht dagegen der Mensch zum Himmel auf!
Bauer kann niemals beobachtet haben, wie eine Fasanenhenne einen Feind, einen Fuchs oder Hund, von ihren Jungen fortlockt. Sie stellt sich lahm und bleibt ihm immer dicht vor der Schnauze. Ich habe wiederholt Gelegenheit gehabt, schnellfüßige Jagdhunde hinter einer scheinbar gelähmten Fasanenhenne rennen zu sehen, und jedesmal über die riesige Geschicklichkeit der Mutter staunen müssen, wie sie das Zufassen zu verhindern wußte. Niemals könnte ein noch so schnellfüßiger Mensch ihr das nachmachen, und zwar lediglich der Stellung unserer Augen wegen. Die Henne behält ihren Feind bei der Flucht im Auge und kann deshalb die erforderliche Entfernung stets innehalten; der Mensch könnte das nicht, weil er sich jedesmal erst umdrehen müßte.
Jeder Vorzug ist mit einem Nachteil verknüpft. Das Huhn muß, um den Raubvogel deutlich zu sehen, den Kopf drehen, was wir nicht nötig haben. Dagegen müssen wir den Kopf drehen, um nach hinten zu sehen, was die Henne nicht braucht.
Von unnatürlichem Sehen kann weder bei der Henne noch bei uns die Rede sein.
Das Huhn hat ferner einen großen Vorteil von der Stellung seiner Augen, wenn es in ein Gebüsch, z.B. ein Dornengebüsch, flüchtet. Wir Menschen müßten äußerst vorsichtig dabei sein, um nicht ein Auge durch Dornen zu verlieren. Das ist bei allen Tieren mit seitlich gestellten Augen, z.B. Hasen, Kaninchen, Wildschweinen usw., ausgeschlossen. Deshalb flüchten auch solche Tiere so gern in ein Dornengebüsch.
v. Maday sieht sogar in dieser seitlichen Stellung der Augen eine Überlegenheit der Tiere vor dem Menschen, da die Tiere einen Gesichtskreis von 360 Grad besitzen. Soweit kann man wohl nicht gehen. Jedenfalls aber ist Bauer ganz im Irrtum, wenn er von den Augen des Menschen folgendes schreibt: Unsere Augen wirken von vornherein und stets derartig zusammen, daß sie beide von ihnen empfangene Einzeleindrücke dem Geiste als einfaches Bild darstellen. Damit ist wohl auch angedeutet, daß ihnen eine höhere Aufgabe zugedacht sei. Die alten Griechen und Römer fanden nun zwar, daß unter den Tieren namentlich die Eulen ernst und sinnend dreinschauen; allein auch die Zwergohreule, die der Athene und der Minerva geheiligt war, sieht bloß zu, daß sie Beute erhasche, oder achtet darauf, ob ihr nicht ein Feind nahe. Nur der Mensch läßt seine Augen, diese vollkommensten irdischen Sehorgane, auf den ihn umgebenden Objekten ruhen, um diese zu erkennen, um ihrer innerlich mächtig zu werden und sie zu beherrschen.
Bauer ist namentlich mit der Behauptung im Irrtum, daß unsere Augen die vollkommensten Sehorgane sind. Ich habe mich oft genug in der Krähenhütte davon überzeugen können, daß der bei Tagesanbruch angeblich blinde Uhu an Sehschärfe das beste Menschenauge übertrifft. Er wirft sich nämlich zu seiner Verteidigung auf den Rücken, wenn er einen großen Raubvogel wahrnimmt. Das geschieht nicht selten, während das schärfste Jägerauge allenfalls einen Punkt am Horizonte wahrnehmen kann. Hinterher stellt sich heraus, daß der Uhu seinen Feind bereits viel früher eräugt hat.
Wir sahen bei der fliehenden Fasanenhenne, daß man bei der Seitenstellung der Augen besser nach hinten sehen und schneller in ein Gebüsch flüchten kann, hieraus geht hervor, daß diese Stellung für friedliche Tiere – also Pflanzenfresser – die vorteilhafteste ist.
In der Tat treffen wir eine solche bei ihnen an – man denke an Pferd, Esel, Rind, Ziege, Schaf, Gans, Taube, Huhn usw.
Bei den Raubtieren, die nach Beute suchen, stehen die Augen zweckmäßiger nach vorn. Deshalb haben Löwe, Tiger, überhaupt alle Katzen, ebenso alle Hundearten, allerdings nicht in so ausgesprochener Weise, ihre Augen nach vorn gerichtet.
Hiernach müßten Menschen und Affen wegen der Stellung ihrer Augen zu den Raubtieren gerechnet werden. Das stände ganz in Übereinstimmung mit dem Ausspruche, wonach der Mensch als das größte Raubtier der Welt bezeichnet werden müßte.
Aber das wäre doch zu weit gegangen. Der Satz ist wohl richtig: ein Raubgeschöpf wird die Augen vorn haben. Wir werden gleich sehen, daß es davon noch Ausnahmen gibt. Diesen Satz darf man aber nicht umdrehen und sagen: Ein Geschöpf, das die Augen vorn hat, muß ein Raubtier sein.
Der beste Gegenbeweis ist das Faultier. Es ist eines der harmlosesten und friedfertigsten Geschöpfe und hat doch die Augen nach vorn gerichtet.
Der Grund dieser Augenstellung ist einleuchtend, wenn man seine Lebensweise betrachtet. Erstens flüchtet es nicht, und zweitens lebt es nicht in dornigen Gebüschen.
Ein friedfertiges Baumgeschöpf ist nach hinten durch den Baum geschützt. Das ist wohl der Hauptgrund, weshalb das Faultier ebenso wie Menschen und Affen die Augen nach vorn gerichtet hat.
Bei den Raubvögeln fallen uns die Eulen auf, die, wie der Mensch, die Augen vorn haben, während sie bei den Tagraubvögeln auch nach vorn gerichtet sind, aber mehr seitlich stehen.
Woher rührt diese Verschiedenheit?
Vergeblich sucht man in den neuesten zoologischen Werken nach einer Aufklärung. Diese kann natürlich auch hier nur durch die Lebensweise gegeben werden.
Mit Recht hat man die Eulen als geflügelte Katzen bezeichnet. Ihre Beute haschen sie durch ihre Lautlosigkeit, nicht durch ihre Schnelligkeit. Zu andauerndem schnellem Fluge sind überhaupt die eigentlichen Eulen wohl gar nicht fähig.
Würden sie wie die Adler oder gar erst die Falken mit Windeseile die Luft durchschneiden, dann dürften sie keinen breiten Kopf haben.
Als Schnellflieger müssen die Tagraubvögel einen schmalen Kopf besitzen. Diese Schmalheit des Kopfes bringt es mit sich, daß die Augen vorn nicht so viel Platz haben wie bei den Eulen mit ihrem breiten Kopfe.
Daß die Geier, z. B. die Kondore, ihre Augen fast so seitlich wie die Friedvögel haben, beruht wohl ebenfalls auf ihrer Lebensweise. Sie stecken ihren Kopf tief in den Leib eines gefallenen Tieres. Hierbei wären vorn stehende Augen sehr gefährdet, auch der Beschmutzung mit Blut ausgesetzt.
Bei dieser Gelegenheit sei noch auseinandergesetzt, weshalb die Schnepfe die Augen ganz oben auf dem Kopfe trägt. Auch hier spielt natürlich wieder die Lebensweise die ausschlaggebende Rolle.
Ihre Feinde können sie am besten überraschen, wenn sie den Schnabel in die Erde gesteckt hat, um Regenwürmer zu fangen. In erster Linie werden ihr die Raubvogel gefährlich, namentlich die Eulen, da auch die Schnepfe ein nächtliches Tier ist.
Um nun beim Wurmen den Himmel nach Feinden abzuschauen, besitzt die Schnepfe Augen, die fast oben auf dem Kopfe stehen.