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Warum hat der afrikanische Elefant so große Ohren?

Im Berliner Zoologischen Garten stehen sich indisch und afrikanische Elefanten gegenüber. Man kann daher in aller Ruhe diese Kolosse miteinander vergleichen. Professor Heck, der Leiter des Gartens, hat wenig für den Afrikaner übrig. Er nennt ihn »ein langohriges, krummbuckliges und dünnbeiniges Riesenscheusal«, hingegen erscheint ihm der Inder als ein edles Geschöpf, denn der mächtige Körper mit gerade abfallendem Rücken ruht auf geraden, gleichmäßig dicken Säulenbeinen, und zu dem großen, mit doppelter Stirnwölbung hochgetürmten Kopf passen die mäßigen Ohren in der Größe und der kräftige Rüssel in Länge und Stärke.

Jedenfalls sind die Unterschiede zwischen afrikanischem und indischem Elefanten ganz auffallend. Äußerlich kommt am meisten zur Geltung, daß beim afrikanischen Elefanten auch die Weibchen Stoßzähne tragen, sodann aber die ungeheure Größe der Ohren. Sie bedecken den ganzen Hals und berühren sich im Genick. Heck bezeichnet sie als pappdeckelartig steif. Welchen Zweck haben diese ungemein großen Ohren, die wie Segel am Kopfe hängen?

Seit mehreren Jahren bin ich der Überzeugung, die Lösung dieses Problems gefunden zu haben. Der Sicherheit halber wollte ich jedoch zunächst mit mehreren »Afrikanern« darüber Rücksprache nehmen. Da diese meiner Erklärung durchaus zugestimmt haben, so übergebe ich sie hiermit weiteren Kreisen. Herr Dr. Berger, der Verfasser des Werks »In Afrikas Wildkammern als Forscher und Jäger«, erzählte mir sogar, daß er einen ähnlichen Gedanken schon irgendwo ausgesprochen hätte.

Zum besseren Verständnis möchte ich folgendes vorausschicken:

wie ich in meinen »Riesen der Tierwelt« auseinandersetzte, hat die Natur das Problem, die »Nase« des Elefanten auf die Erde gelangen zu lassen, in verblüffender Weise gelöst. Der größte Vorzug eines »Nasentieres« ist augenscheinlich die Gabe, die Fährte jedes andern Geschöpfes mit Leichtigkeit zu verfolgen. Beim Pferde gelangen die Nüstern durch den langen Hals an die Erde, ebenso beim Kamel. Bei dem letztgenannten Geschöpf ist aber schon das Maximum der Halslänge erreicht, um die Nase bequem auf den Boden zu bringen. Der beste Beweis ist hierfür die Giraffe. Weil ihr Hals noch länger ist, so kann sie ihren Kopf nur durch gewisse Kunststücke – Grätschen der Vorderläufe – zur Erde bringen. Schon aus diesem Bau der Giraffe ersieht man ohne weiteres, daß sie kein Nasentier ist, auch nicht vom Grase leben kann.

Welcher kolossale Hals wäre nun nötig gewesen, um den Riesenkopf des Elefanten zum Boden gelangen zu lassen? Wir können uns am leichtesten eine Vorstellung davon durch Betrachtung des Nashorns machen. Dessen Rückenhöhe beträgt nur etwa 1,70 m, und doch ist schon ein so plumper Hals erforderlich, daß man keinen Schritt weiter in dieser Richtung gehen konnte. Auch mußten die Waffen auf die Nase gesetzt werden.

Wir Menschen hätten bei der Lösung dieser Aufgabe verzagt. Die Natur aber löst das Problem spielend. Geht es nicht, wenn der Hals »hinter« dem Kopfe sitzt, so wird er eben »vor« den Kopf gesetzt, und zwar als Rüssel. Der Rüssel ist also genau genommen ein an die unrechte Stelle geratener Hals. Bei dieser Lösung findet sich zugleich der herrlichste Platz für mächtige Waffen. Hörner auf dem Schädel wären zwecklos gewesen, weil die dem Elefanten gefährlichen Gegner viel zu klein sind, um mit ihnen gefaßt werden zu können, hierzu sind die nach unten ragenden Zähne viel besser geeignet.

Nur nebenbei sei bemerkt, daß die Hörner der Giraffe zu einer Verteidigung untauglich sind. Sie können allenfalls bei Kämpfen mit Nebenbuhlern gebraucht werden.

Infolge der Elastizität des Rüssels kann die Nase des Elefanten bald am Erdboden sein, bald hoch über dem Kopf stehen. Von dieser Fähigkeit macht der Besitzer fleißig Gebrauch, wie allgemein bekannt sein dürfte.

Ebenso sind sich alle Jäger darüber einig, daß das Gesicht des Elefanten sehr schwach ist. Bereits bei Brehm lesen wir: »Das Gesicht scheint nicht besonders entwickelt zu sein; wenigstens hegen alle Jäger die Meinung, daß das Gesichtsfeld des Tieres ein sehr beschränktes ist.« – Wie alle Tiere mit beweglicher Nase – man denke an Wildschweine, Tapire, Maulwürfe usw. – ist der Elefant ein ausgesprochenes Nasentier.

Bekanntlich ergänzen sich Jäger und Hund, indem der Mensch mit seinen guten Äugen die »Nase« des Hundes benutzt, um Dinge wahrzunehmen, die ihm sonst entgehen. In gleicher Weise stehen Strauße mit Zebras zusammen, indem die Vögel dadurch das ihnen fehlende Wittern ersetzen, die Einhufer das ihnen fehlende scharfe Gesicht. Wie Schillings in seinem Buche »Mit Blitzlicht und Büchse« uns auf einer prächtigen Photographie zeigt, stehen manchmal auch Elefanten mit einer Giraffe zusammen. Auch hier zieht die eine Tierart von der anderen Nutzen: der Elefant von dem scharfen Sehvermögen der Giraffe, diese wiederum von dem feinen Witterungsvermögen des Dickhäuters.

Für ein Nasentier spielt, wie wir von der Jagd wissen, der Wind die größte Rolle. Alle feinnasigen Tiere werden sich daher nach Möglichkeit unter Wind vorwärtsbewegen, um vorher durch ihre Nase von jeder Gefahr unterrichtet zu werden.

Der indische und der afrikanische Elefant sind also beide Nasentiere. – Warum sind trotzdem bei jenem die Ohren klein, bei diesem groß?

Man hätte das schon längst ergründet, wenn man in den Beschreibungen die Lebensweise beider Tiere nicht durcheinanderwürfe. Sie ist aber weit verschiedener, als man gewöhnlich annimmt.

Tennent schildert den indischen Elefanten folgendermaßen: Der gewöhnlichen Meinung entgegen, meidet der Elefant das Sonnenlicht soviel als möglich und bringt deshalb den Tag in den dichtesten Gehegen des Waldes zu, während er die kühle, dunkle Nacht zu seinen Ausflügen erwählt. Er ist, wie fast alle Dickhäuter, mehr Nacht- als Tagtier; denn obgleich er bei Tage ab und zu »weidet«, bildet doch die stille, ruhige Nacht die eigentliche Zeit, in der er des Lebens sich freut. Wenn der Wanderer zufällig oder der Jäger auf vorsichtigem Schleichgange bei Tage einer Herde nahe kommt, sieht er sie in der größten Ruhe und Gemütlichkeit beieinanderstehen. Ihre ganze Erscheinung ist geeignet, alle die Erzählungen von ihrer Bosheit, Wildheit und Rachsucht zu widerlegen. Im Schatten des Waldes hat die Herde in den verschiedenartigsten Stellungen sich gelagert und aufgestellt. Einige brechen mit dem Rüssel Blätter und Zweige von den Bäumen, andere fächeln sich mit Blättern, welche sie abbrechen, und einige liegen und schlafen, während die Jungen spiellustig unter der Herde umherlaufen: das anmutigste Bild der Unschuld, wie die Alten das der Friedfertigkeit und des Ernstes sind. Dabei bemerkt man, daß jeder Elefant, wie die zahmen auch tun, in einer sonderbaren Bewegung sich befindet. Sobald eine Herde von Menschen überrascht wird, oder sie auch nur wittert, entflieht die ganze Gesellschaft furchtsam in die Tiefe des Waldes, und zwar gewöhnlich auf einem der von ihr gebahnten Pfade.

Dagegen sagt Brehm sehr richtig vom Fihl, dem afrikanischen Elefanten: So begegnet man dem Fihl in einem großen, vielleicht im größten Teile Afrikas monatelang nur in der freien Steppe, vorausgesetzt, daß hier Bäume wenigstens nicht gänzlich fehlen, oder trifft ihn in Sümpfen an, deren Röhricht die höchste Pflanze der Umgebung ist. Eine Bedingung muß der von ihm gewählte Aufenthalt stets erfüllen: an Wasser darf es nicht fehlen.

Kurz ausgedrückt kann man also sagen: Der indische Elefant ist fast ausschließlich Waldtier, der afrikanische lebt mindestens ebensoviel in der Ebene wie im Walde.

Bekanntlich geschieht das Wittern, wie ich in meinem Buche über den Polizeihund näher dargetan habe, durch künstliche Bewegung der Luft, damit die Duftmoleküle mit der Riechschleimhaut in Berührung kommen. Alle witternden Tiere müssen deshalb »schnüffeln«.

Bei einem Tiere, das in der Ebene lebt, wo die Luft häufig regungslos ist, wird es naturgemäß von großem Vorteil sein, wenn die künstliche Bewegung der Luft in irgendeiner Weise vergrößert wird. Was kann da für den afrikanischen Elefanten näher liegen, als zu diesem Zwecke seine Ohren zu benutzen? Sind sie nicht geborene Fächer? Die Ohren wurden bei dieser Benutzung immer größer, so daß sie heute als richtige Segel erscheinen. Für ein Waldtier haben so große Ohren keinen Zweck, denn einmal ist der Wind im Walde niemals so regelmäßig wie in der Ebene, da er sich vielfach bricht. Sodann aber fehlt für die Tätigkeit solcher Ohren im Walde der dazu erforderliche Raum.

Zur Bestätigung der hier aufgestellten Ansicht führe ich folgende Schilderung des afrikanischen Elefanten an: Graf zu Erbach-Fürstenau hat eine Menge afrikanischer Elefanten in der Wildnis photographiert und darüber in »Wild und Hund« (Jahrgang 1912, Nr. 43 und 44) berichtet. An einer Stelle heißt es: Beim Baume blieb er stehen und machte Front gegen mich, die Entfernung mochte achtzig Schritt betragen. Es war 1 Uhr, und erst um ¾3 Uhr veränderte er seine Stellung, um langsam dem Fluß zuzuziehen. In der Zwischenzeit fächelte er sich unausgesetzt mit dem großen Lauscher Luft zu, und zwar ganz regelmäßig in der Minute fünfzig mal. Nachdem ich mein Gabelfrühstück verzehrt hatte und er noch immer keine Miene machte, weiterzuziehen, holte ich meine zwei schwarzen Begleiter herbei und ließ sie beim Elefanten, mit dem Auftrage, mich sofort zu verständigen, sobald er sich vom Baume entfernen würde. Unterdessen suchte ich die drei andern Elefanten, die inzwischen zum Fluß gezogen waren; wohl hörte ich sie bald im Wasser plätschern, doch konnte ich keine Stelle finden, von der ich sie hätte photographieren können, weil dichtes Schilf und Buschwerk hinderlich war. Ich kehrte also wieder zum alten Herrn zurück, der noch ruhig mit seinen Lauschern klappte, und in dem ich übrigens denselben wiederzuerkennen glaubte, dem ich vor zwei Tagen so lange gefolgt war.

Graf zu Erbach meint, daß das fortwährende Bewegen der Ohren zu dem Zwecke geschehe, um sich frische Luft zuzufächeln. Das kann sehr wohl ein Nebenzweck sein, der Hauptzweck aber ist die Unterstützung des Witterns.

Wird der afrikanische Elefant angeschossen, so bewegt er gewöhnlich sehr schnell die Ohren. Das geschieht nicht, wie die Jäger behaupten, aus Wut, sondern weil er den Gegner, den seine schwachen Augen nicht erkennen können, genau wittern will. Der afrikanische Elefant ist also ein Tier der Ebene, das sich aber gern auf jeden Baum stürzt. Heuglin schreibt darüber folgendes: Niedrige Zweige, die in Mundhöhe stehen, schieben sie mit dem Rüssel bündelweise ins Maul und beißen oder richtiger quetschen sie dann mit den Zähnen ab. – In jeder Gegend gibt es Lieblingsbäume der Elefanten, welche vor allen anderen heimgesucht werden; in Mittelafrika heißt ein Baum geradezu »Elefantenbaum«, weil er vor allen übrigen besucht und verwüstet wird. Er ist dornig, aber die Dornen sind weich und deshalb kein Hindernis für den Gaumen des Elefanten, der den härteren Stacheln der Mimosenzweige nicht gewachsen zu sein scheint. Nächst diesem Elefantenbaum brandschatzt der Fihl übrigens noch viele andere, einzelne fast nur wegen der Früchte, die er durch Schütteln gewinnt und mit dem Rüssel zusammenliest, andere der Zweige und Schale halber. Baumzweige werden von beiden Elefanten unter allen Umständen Gräsern vorgezogen, diese jedoch auch nicht verschmäht. Kommt eine Elefantenherde auf einen mit saftigem Grase bewachsenen Platz, so äst sie davon, packt mit dem Rüssel einen Busch, reißt ihn samt den Wurzeln aus dem Boden, klopft diese Wurzeln gegen einen Baum, um sie von der ihnen anhängenden Erde zu befreien, und steckt sie dann einen nach dem anderen in den Schlund.

Weil der afrikanische Elefant den Baum dem Grase vorzieht, muß er zur Bearbeitung des Baumes Zähne haben. Aus diesem Grunde hat auch das Weibchen des afrikanischen Elefanten Zähne.

Der indische Elefant ist dagegen mehr Gras- als Baumfresser. Wenigstens scheint er nur solche Baumteile zu äsen, zu deren Erlangung er keine Zähne braucht. Deshalb fehlen dem Weibchen die Zähne, manchmal sogar dem Männchen. Ferner erzählte mir Dr. Berger, daß der afrikanische Elefant seine Zähne häufig zum Graben benützt. Der indische Elefant scheint unterirdische Nahrung nicht zu genießen, denn sonst könnten dem Weibchen die Zähne nicht fehlen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einen Bericht der Alten erklären, der sich sehr albern anhört, aber einen berechtigten Kern enthält.

Wie wir bei den alten Schriftstellern lesen, hätte ihnen Juba, der König von Mauretanien, d. h. des jetzigen Marokkos, der Elefanten sehr genau kannte, erzählt, daß sie mit aufgehobenem Rüssel die aufgehende Sonne anbeten. Selbstverständlich ist es ein haarsträubender Unsinn, daß ein Tier sein Morgengebet verrichtet. Aber die Tatsache ist vollkommen richtig, daß die Elefanten morgens beim Aufgang der Sonne die Rüssel in die Höhe strecken. Warum tun sie das? Weil beim Aufgang der Sonne sich die Luft erwärmt und emporsteigt, jedenfalls sich aber verändert. Der Elefant empfindet diese Veränderung, und deshalb hebt er den Rüssel, um sich zu vergewissern, daß nirgendwo Gefahr droht. Stellt man sich eine Elefantenherde vor, bei der sämtliche Mitglieder beim Aufgang der Sonne die Rüssel hochheben, so kann man sehr wohl verstehen, daß ein religiöser Mensch zu der Annahme gelangt, daß auch die riesigen Tiere ein Gebet verrichten.

 

Nachtrag: Meine vor fünf Jahren veröffentlichte Ansicht findet eine Bestätigung darin, daß ein jetzt im Berliner Zoologischen Garten befindlicher Elefant aus dem waldreichen Westafrika kleine Ohren besitzt.


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