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2. Rapp und Rab der braune.

Diese großartige Dichtung ist in allen Landen des Nordens zu Hause. Sie trägt ein so altertümliches Gepräge, daß die Annahme gerechtfertigt erscheint, man habe die Umdichtung einer altnordischen Heldensage vor sich, deren frühere Fassung verloren gegangen.

Hildebrand gab sein Schwesterlein her,
       – An der Halde –
Er vermählte sie über das breite Meer.
Ich weiß wohl, wo die Jungfrau weilt, die mein darf harren.

Er gab sie fort so weit von Landen,
Torkild, dem jungen Grafen, zu Handen.

Sie ward vergeben übers breite Meer,
Das machte so manchen Tag ihr schwer.

Sie ward vergeben und übel vermählt
Und so ihr alle Freude vergällt.

Am Sonntag saß sie als prunkende Braut,
Am Montag war sie im finstern Haus.

Am Sonntag gekommen zu Lande,
Umschlossen am Montag sie Bande.

Sonntags im Brautstaat gleißend,
Lag sie am Montag in Eisen.

»Des mögt Ihr mich bescheiden,
Weshalb muß ich so leiden?«

– »Wohlan, ich thu es zu wissen dir:
Nicht Goldes genug du brachtest mir.«

– »Acht volle Truhen ich habe
Gebracht als Morgengabe.

Zobel und Marder in zweien,
Zwei waren voll von Geweihen.

Zwei waren von weißem Silber voll,
Zwei andere voll von rotem Gold.

Dann gab ich eurem Vater
Grauroß und vergüld'ten Sattel.

Und ich gab eurer Mutter
Roten Scharlach zum Futter.

Auch gab ich eurem Bruder
Ein Schiff mit Segel und Ruder.

Und ich gab eurer Schwester
Einen Schmuck, es war mein bester.

Ich gab euren Hofleuten allen
Hemdlein, die konnten gefallen.

Von euren Zofen keine war,
Der ich nicht gab Seidenbänder fürs Haar.

Was mögt Ihr noch weiter erfinden?
Und weshalb ließt Ihr mich binden?«

– »Das geb' ich denn zu wissen dir:
Deine Brüder erschlugen den Pflegevater mir.«

»Sollt' ich denn Strafe für das verdienen,
Was meine Brüder gethan, die kühnen?

Was mögt Ihr wohl weiter erfinden,
Weshalb Ihr mich ließet binden?«

– »Das geb' ich denn zu wissen dir:
Du kamst mit nichten als Jungfrau zu mir.«

– »So wahr meiner Not Gott erbarme sich:
Ins Brautbett legt' ich jungfräulich mich!

So wahr Gott helf' und der heilige Geist:
Daß ich jungfräulich – den Schwur ich leist'.

Ich schwör' es auf Buch und auf Heiligenschrein:
Jungfräulich kam ich in dein Kämmerlein!«

– »Sprich, wie du willst, nur tausendmal,
Doch sollst du morgen brennen am Pfahl.

Heut' sollst du sitzen drinnen,
Doch morgen sollst du brennen!« –

Hildeborg ist in des Eisens Gewalt
Da, wo es beides finster und kalt.

Und blickt sie hin und blickt sie her,
Einen Retter findet sie nimmermehr.

Da saß sie lang' in Sinnen,
Bis sie hörte des Raben Schwingen.

Sie blickt hinauf zu der Lucke,
Da hört sie des Raben Geglucke.

»Höre du, Rab der braune!
Weißt du den Weg zum Zaune?«

– »Bei den Heiligen, ja! und gut genug!
Als ich noch so klein, hatt' ich da meinen Flug.«

– »Ich gebe dir ein rotgoldnes Band,
Trägst Kunde du zu Hildebrand!«

– »Was soll ich mit dem Golde, dem roten?
Hätt'st du Futter für Raben statt des doch geboten!

Die Leber und die Lungen
Versprich mir Torkild des jungen!«

– »Ich gebe dir, was ich nur geben kann,
Sagst du mein Sehnen nur Hildebrand an.

Ich gebe dir Torkild lebendig und tot,
Thust du Hildebrand kund all meine Not!« –

Der Rabe flog in die Weiten
So schnell wie Schiffe schreiten.

Flog weit, weit über die Wogenflut,
Es gab da kein Land, da einer ruht.

Der Rabe fliegt ins Gemach hinein,
Wo Hildebrand sich erlabt am Wein.

Den Raben auf goldenen Stuhl man setzt,
Der schüttelt die Schwingen, den Schnabel er wetzt.

»Hildebrand, hier mit Horn in Handen:
Dein Schwesterlein liegt in harten Banden.

Sie ward geschlagen und blutet sehr,
Als hätte sie keinen Bruder mehr.

Hier sitzt du beim Wein, dem hellen und heitern,
Und sie muß morgen schon brennen auf Scheitern!«

Hildebrand, grimmig, sprang über den Tisch,
Der Wein, der rann auf die Diele risch.

Hildebrand eilte zum Stalle,
Beschaute die Rosse alle.

Da war das graue, da war das braune,
Doch den Rapp belegt er mit Sattel und Zaume.

»Sprich, Rapp, und willst du tragen mich,
Gedroschenen Weizen dann hab' ich für dich!«

– »Tragen will ich ohn' Erlahmen dich,
Nenne nur nicht mit Namen mich!«

Hildebrand schwang über Rapp sich her
Und ritt dann auf das salzige Meer.

Und als er mitten war auf dem Sunde,
Da nannt' er Rapp in banger Stunde.

Der Rapp schwamm wohl zu Lande frank,
Doch Hildebrand tiefer und tiefer sank.

Der Rapp, er schwamm und watete gut,
Doch Hildebrand lag in salziger Flut. – – –

Hildeborg steht auf dem Ting verstört,
Des Rappen Wiehern da sie hört.

»Nun hör' ich Rapp in banger Stund':
Mein Bruder sank auf des Meeres Grund!

Durch sein Gewieher kündet das Roß,
Daß ich nun geworden bruderlos!«

Doch bald auf den Füßen Rapp wieder sich fand,
Er sah, wo gebunden Hildeborg stand.

Rapp sprang hinein zum Tinge dann,
Daß vor ihm wich so Weib wie Mann.

Die Hufe Rapps, sie hieben und trafen,
Zerschlugen die Herzenswurzel dem Grafen.

Und Rapp schlug so, das tapfre Roß,
Daß Blut von hundert Männern floß.

Da kam auch Rab der braune
Geflogen her vom Zaune.

Die Leber samt den Lungen
Erhielt er Torkild des jungen.

Ein Königssohn da vor ihnen er stand,
Von Hildeborg als ihr Bruder erkannt.

»Gelobt sei Gott, der dich mir gab,
Daß wieder ich dich, lieb Brüderchen, hab'!«

Erschöpft vom Tinge Rapp dann schritt,
Auf seinem Rücken Hildeborg ritt.

Und als sie kamen zum Strande,
Stand Hildebrand auf dem Lande.

»Welch Glück ward mir zu teile!
Zwei Brüder hab' ich derweile!«

Sprach Rapp alsbald mit frohem Mut:
»Küsse mich, du mein Schwesterchen gut!«

Und als sie ihn geküßt auf den Mund,
Da ward er erlöst zur selben Stund'.

Sie küßte Rapp aus freiem Trieb,
Und vor ihr stand er, auch ein Bruder lieb.

Und alle nahmen nun sie in den Arm:
Verwunden ganz war Angst und Harm.

Alle Angst war, alles Weh vorbei,
       – An der Halde –
Sie hatte der kühnen Brüder nun drei.
Ich weiß wohl, wo die Jungfrau weilt, die mein darf harren.


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