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20. Marstig.

1286.

Der Name ›Marstig‹ ist eine Zusammenziehung von Marsk (Marschall) und Stig, dem Vornamen des Helden der Ballade, Stig Andersen. S. die Erläuterungen.

Marstig erwacht um Mitternacht,
Spricht zur Trauten an seiner Seiten:
»Mir hat geträumt so seltsamlich,
Gott weiß, was das soll bedeuten.
– Mein adliger Herr, der junge Herr Marstig.

Mir träumte, daß meine Meute
Sei worden zum wilden Borstenvieh;
Das drang in meinen Garten
Und rodete all meine Blumen hie.

Mir träumte, daß mein stattlich Schiff
Sei worden zum kleinen Boot,
Das ohne Ruder und Steuer
Trieb um in Sturmesnot.

Mir träumte, daß ich und die Sassen mein
Ritten über eine Bruck so breit
Und es würfe mein Roß zu Boden mich
Und rannt' in die Koppel weit.«

– »Legt euch nur hin, mein adliger Herr,
Und laßt euch das nicht grämen!
Euch regt nur auf, daß das frohnende Volk
Die Schatzung sich wieder will nehmen.«

Herein trat der Edelknabe Marstigs,
Gekleidet in Zobel und Pelz:
»Des jungen Königs Erich Bote drauß
Vor unserm Schlosse hält.«

Auf stand der junge Herr Marstig,
Kleidet an vorm Bett sich schnell,
Dann geht er hinab in den Burghof,
Da hält des Königs Gesell.

»Vernehmet die Botschaft, Herr Marstig,
Die hiermit euch sei gebracht:
Reiten sollt Ihr zum Königsschloß,
Und das noch diese Nacht.«

»So höre denn, mein kleiner Gesell,
Was ich nun sage dir:
Ist dir bekannt des Königs Befehl?
Verbirg es nicht vor mir!«

»Nichts weiß ich von des Königs Sinn,
Seinen Willen wird er euch schon sagen,
Doch glaub' ich, Ihr sollt dies Jahr ins Feld
Und das Banner des Königs tragen.«

Zur Thüre hinein trat Herr Marstig,
So gramvoll ganz und gar:
»Bei den Heiligen, schöne Frau Ingeborg,
Nun wird mein Traum doch wahr!

Nicht kam das niedere frohnende Volk,
Daß die Schatzung es wieder hol':
Hinaus soll ich ziehn dies Jahr ins Feld –
Wann ich kehr', weiß der Herrgott wohl.

Und daß mir träumte, mein gutes Roß
Renn' in die Koppel weit,
Das heißt: zur Beute wird's anderm Herrn
Und ich selber fall' im Streit.«

– »O schweigt mir doch, mein adliger Herr,
Sonst grämt sich ja mein Herz!
Der reiche Christ im Himmel droben,
Der schirm' euch allerwärts!«

Und Herrn Marstig trug sein gutes Roß; –
Vor'm Königsschloß nun hält's:
Der Dänenkönig stand draußen
Wohl eingehüllt im Pelz.

»Merk auf, mein junger Herr Marstig,
Wie dir sichs will gebühren:
Dies Jahr sollst in das Feld du ziehn
Und sollst mein Banner führen.«

– »Und soll ich aus dem Lande fort,
Mein Leben wagen fürs Reich,
Schirmt indes mir die schöne Frau Ingeborg!
Kein Weib war je der gleich!«

König Erich sprach es, der junge,
Und lächelte falsch darein:
»So treu werd' ich sie schirmen,
Als wär' sie mein Schwesterlein.

So treu will ich sie schirmen
Und schützen tagein, tagaus:
Mehr Schaden soll sie nicht nehmen,
Als wäret Ihr selber zu Haus!«
– Mein adliger Herr, der junge Herr Marstig.«

Das war der junge Herr Marstig,
In den Krieg zog er wohl hin:
Allein saß die schöne Frau Ingeborg,
Seufzend mit sorgendem Sinn.
– Die Edelfrau harrt auf Seeland
Und sitzt in tiefer Trauer.

Und das war der König, Herr Erich,
Ließ satteln seine Rosse:
»Wir reiten und laden uns zu Gast
Bei der schönen Frau im Schlosse!« – – –

»Gruß euch, Ihr schöne Frau Ingeborg!
Und zeigt Ihr euch mir hold,
Dann näht Ihr ein Hemd von Seide mir
Und säumt es mit rotem Gold.«

– »Wollt' ich ein Hemd euch nähen
Und es säumen mit rotem Gold:
Bei den Heiligen, Dänenkönig,
Herrn Marstig dann wär' ich unhold.«

– »Hört mich nur, schöne Frau Ingeborg,
Laßt mich eure Liebe besitzen,
Und jeder Finger eurer Hand
Soll von rotem Golde blitzen.«

– »Herr Marstig giebt goldene Ringe
Und Kettlein für meinen Hals:
Bei den Heiligen, König Erich,
Ihm werd' ich nimmer falsch.

Ihr verspracht Marstig, meinem jungen Herrn,
Da fort er zog mit dem Heer,
Ihr wolltet mich schirmen und schützen,
Als wenn eure Schwester ich wär'.«

– »Höre du, stolze Frau Ingeborg,
Und ende doch dein Trauern!
Marstig wird fallen im Kriege,
Drauf magst du sicher bauen.«

Mit Kerzen von weißem Wachse
Erleuchtete man die Kammer,
Frau Ingeborg mußt' ihm folgen,
Mit Thränen that sie's und Jammer.

Das war der König, Herr Erich,
Er hüllte sie in den Mantel sein,
So mußte sie ihm folgen
Hinein ins Kämmerlein.

Es war der schönen Frau Ingeborg
Der allergrößte Harm:
Er ritt zu ihr so früh wie spät
Und nahm sie in den Arm.
– Die Edelfrau harrt auf Seeland
Und sitzt in tiefer Trauer.

Aus dem Lande ritt fort so Herr Marstig,
Gewann Ruhm und gewann Beute schwer,
Indes König Erich, daheim geblieben,
Seiner Trauten nahm die Ehr'.
– Doch die Edelfrau harrt auf Seeland
Und sitzt in tiefer Trauer.

Das war der junge Herr Marstig,
Er kam vom Kriegeszug,
Als ihm unheilvolle Kunde
Das Gerücht entgegentrug.

Und als er heim nun kehrte,
Aufs eigene Schloß er ritt,
Doch nicht die schöne Frau Ingeborg
Zum Empfang ihm entgegen schritt.

Das war Marstig, der junge Herr,
Zur Thür hinein er trat,
Doch nicht erhob sich Frau Ingeborg
Zum Gruß, wie sonst sie's that.

Lang' stand wohl Herr Marstig und sann
Und dachte still bei sich:
»Was ist es, daß mein holdes Weib
Keinen Gruß mehr hat für mich?«

– »Als zuletzt Ihr aus dem Lande zogt,
Hatt' ich einen Ritter zum Mann;
Nun ward ich Dänemarks Königin,
Das Glück ging mir zur Hand.

Damals als Ihr aus dem Lande zogt,
War ich noch eines Ritters Frau:
Nun ward ich Dänemarks Königin,
Doch wenig nur mir's taugt.«

Und Herr Marstig nun war es,
Sein Messer thät er erheben:
»Wenn das ein andrer mir gesagt,
Es kostete ihm das Leben!«

– »Nie werdet Ihr im Schlaf nun ruhn
In meinem weißen Arm,
Eh' Ihr den König Erich gefällt,
Der mir anthat solchen Harm.

Nie werdet Ihr im Schlafe ruhn
An meiner weißen Seite,
Eh' Ihr den König Erich gefällt,
Der soviel mir that zu leide!«

Und das war Herr Marstig,
Er entgegnete ihr kein Wort,
Dann ritt er hin aufs Landesting,
König Erich zu treffen alldort.

Er kleidet sich und die Sassen all'
In Brünnen mit eisernen Kragen,
Zum Landsting reist er, dem Könige
Will er die Treu' aufsagen.

Und das war Herr Marstig,
Zum Landsting schritt er hinan;
Ihn grüßte männiglich, Herr und Knapp
Und sonst jeder ehrliche Mann.

Auf stand der junge König Erich,
Bot ihm seine weiße Hand:
»Seid willkommen, Herr Marstig,
Daheim in Reich und Land.

Willkommen seid, mein Herr Marstig!
Seitdem Ihr zoget von dannen,
Wie ist's in der Ferne ergangen euch
Mit meinen guten Mannen?«

Entgegnete so ihm Herr Marstig,
Voll Grimm und Groll im Sinn:
»Vergolten ward mir schlecht mein Mühn,
Seit ich fortgezogen bin.«

Herr Marstig hat auf dem breiten Ting
Zur Anklag' das Wort dann genommen:
»Mein Weib ist beschimpft und geschändet,
Deshalb bin ich gekommen.

Ich war in fernen Landen,
Eroberte Reval und Rig':
Ihr saßet indes, König Erich,
Daheim und bestahlet mich.

Ich war in fernen Landen,
Fürs Reich preis gab ich den Leib:
Ihr bliebet daheim, König Erich,
Und schändetet mein Weib.«

Das sprach der junge König Erich
Und lächelte höhnisch drein:
»Es wird ihr Ja und ihr Wille
Wie der meine gewesen sein.«

Entgegnet' der junge Herr Marstig,
Er war nicht sehr erfreut:
»Ein Spruch sagt: Spott und Schaden,
Sie geben einander 's Geleit.

Ihr schändetet mein holdes Weib,
Mein Glück mir zu verderben:
So wißt es denn, König Erich,
Dafür müßt Ihr nun sterben!«

Ging Herr Marstig vom Tinge
Und lüpfte seinen Hut:
»Absag' hab' ich König Erich gethan,
Merkt's euch, Ihr Dänen, gut!«

– »He, höre, du junger Herr Marstig,
Nimm zurück das böse Wort!
Gold geb' ich dir, Burgen und Vesten
Und reiche Weiden sofort!«

– »Was frag' ich nach euren Burgen?
Des mögt Ihr euch getrauen:
Ihr sühntet mit eurer Krone nicht,
Was gesündigt an meiner Frauen!«

– »Marstig, wie reich du an Sassen auch,
Vor dir bin ich leicht geborgen,
Und wenn du nicht mein Freund willst sein,
Macht's mir auch wenig Sorgen.«

– »Ich weiß, an Mannen kann nimmer ich,
König Erich, mit euch mich vergleichen;
Doch hörtet Ihr wohl sagen schon:
Der List muß Macht oft weichen.

Wohl hab' ich nicht der Mannen so viel'
Wie Ihr, und so prunkend Gesinde;
Doch findet man oft einen Windhund,
Der da packt so Hirsch wie Hinde.

Indessen – wollt's nicht vergessen:
Ich kündigte euch die Treu'!
Oft bringt zu Fall ein kleiner Stein
Ein großes Fuder Heu.«
– Doch die Edelfrau harrt auf Seeland
Und sitzt in tiefer Trauer.

Frau Ingeborg hat einen Schwestersohn,
Rane wird er geheißen,
Er diente dem jungen König Erich,
Das sollte der nimmer preisen.
– Mein adliger Herr, der junge Herr Marstig.

Frau Ingeborg und jung Rane,
Die halten zusammen Rat,
Mit Listen an dem König
Zu strafen die Missethat.

Das war der junge Rane,
Er stand an des Königes Tisch
Und erzählte von Hirschen und Hinden,
Die da spielen in Wald und Gebüsch.

»Ich weiß, wo Hirsche in Rudeln
Durchstreifen das Waldesgrün;
Gelüstet's euch, mein adliger Herr,
So laßt dahin uns ziehn.«

Das war der junge König Erich,
Ließ satteln sein schlohweiß Roß:
»Zum Landesting wollen wir reiten,
Das ich zu halten beschloß.

Ihr reitet voraus, meine Mannen gut,
Und besorget mir Herberg dort;
Ich reit' indes mit Rane,
Zu sehn, ob wahr sein Wort.«

Er hieß seine Mannen um Herberg
Reiten nach Wiborg voraus;
Daß Rane ihn könnte verraten,
Mocht' er sich nicht denken aus.

Und Rane ritt mit dem König
Waldpfade kreuz und quer,
Die dieser nicht kannte und ahnte,
Und führte ihn hin und her.

Sie hetzten Hirsch und Hinde,
Und setzten nach den Reh'n,
Und trieben das so lange,
Bis der Tag war im Vergehn.

So sprach der junge König Erich,
Vom dichten Wald umwirrt:
»Nun helf' uns der Herr im Himmel,
Wir haben uns verirrt!«

Er sah wohl hin und sah wohl her –
Im Waldesdunkel so dicht
Gewahrt' er da ein Hüttchen,
Sah drin ein helles Licht.

Er ging ins niedre Häuschen,
Das war gar bald geschehn;
Da stand die schönste Jungfer,
Die je ein Mann gesehn.

Er nahm sie scherzend in den Arm
Und redete auf sie ein:
»Hört Ihr, meine schönste Jungfer,
Wollt Ihr die meine sein?«

Entgegnete die schöne Maid
Und hat so seltsam gelacht:
»König Erich, begleicht vorerst die That
Die jüngsthin Ihr vollbracht.«

– »Mein schönstes Kind, und wißt Ihr das,
Mögt sicher Ihr mehr noch klären:
So sagt mir, schönstes Dirnlein, denn,
Wie lang' wird mein Leben noch währen?«

Entgegnet' das schöne Mägdelein
Und hat so seltsam gelacht:
»Frag' doch den kleinen Haken,
Wo dein Schwert du angebracht.

Und willst die Zahl du wissen,
Laß deinen Gürtel dir's melden,
Ach, hüt' dich vor der Graubrüder Kutten,
Die bergen gar kühne Helden.«

Das war Herr Erich, er wollte
Die Maid umfangen da,
Doch entwand sie sich seinen Händen,
Nie wieder er sie sah.

Derweil die Jungfrau bei ihm war,
Umgab's ihn hell und licht,
Als sie verschwunden, fand er sich
Im Walde, der dunkel und dicht.

Das war der junge Rane,
Der sprach mit besorgter Miene:
»Ihr reitet, Herr, nun aus dem Wald –
Wenn der Mond nur so hell nicht schiene!

Ich weiß ein Dorf unferne,
Dicht außer dem grünen Wald,
Gefällt's euch, adliger Herr, dann lasset
Dahin uns reiten alsbald.

Dort wollen so lange wir weilen,
Als der Mond vom Himmel sieht;
Bei den Heiligen, König Herr Erich,
Kein Leid euch dann geschieht.«

So ritten sie denn nach Finderup,
Dort suchten ein Haus sie nicht,
Denn gar zu spät war es worden,
Erloschen war Feuer und Licht.

Eine Scheune nahm sie und die Rosse auf,
Sie gaben sich nicht zu erkennen,
Der König wollte um Speise und Trank
Kein Laufen und kein Rennen.

Sprach da der junge König Erich
Und so zu reden begann:
»Rane, verschließe das Scheunenthor,
Wenn ich noch dir trauen kann.

Verschließe wohl das Scheunenthor,
Rane, thu' es sofort!
Denk nur an den jungen Herrn Marstig,
Denke nur an sein Wort!«

– »Marstig, mein Sipp, ist raschen Sinns
Und seltsam oft er spricht;
Bei allen Heiligen, adliger Herr,
Glaubt seinen Worten nur nicht!

Der Kibitz pfeift an jedem Ort
Im weiten Moor und Feld,
Könnt' er das Häufchen schirmen nur,
Wo er sein Nest bestellt.

Ich schob vor's Thor so Stab wie Stang',
Dazu den Balken, den dicken,
Kein Mann, der vom Weibe geboren,
Mag mit Händen ihn fortrücken.«

Das war kein Balken, war keine Stang',
Die er gelegt vors Thor:
Die Wahrheit will ich vermelden:
Zwei Strohhalme legt' er davor.
– Mein adliger Herr, der junge Herr Marstig.

Es sind so viele in Dänemark,
Alle wollen sie Herrn sein, leider!
Die reiten nun nach Ribe hin
Und besorgen sich sondere Kleider.
– Nun liegt das Land in Leide.

Sie besorgen sich sondere Kleider,
Graubrüdern aufs Haar zu gleichen;
Ripp rapp dann ritten sie ins Land,
König Erich sollt' erbleichen.

Sie umlauerten ihn so hier wie dort
Ringsum auf allen Seiten,
Und ungesehen sahen sie ihn
Zur Scheune in Finderup reiten.

So ritten sie in den Bauernhof,
In Händen den scharfen Speer,
Das Gesicht von der grauen Kapuze verdeckt,
Nicht erkannte sie irgendwer.

Dann stießen sie auf das Scheunenthor
Mit Lanze, Schwert und Speer:
»Steh auf, du junger König Erich,
Steh auf und komm zu uns her!«

Antwortet der junge Rane,
Aufspringend in leichter Schaube:
»Nicht ist der junge König Erich hier,
Daß niemand solches glaube!«

Und er warf über ihn Heu,
Und er warf über ihn Stroh,
Und wo der König verborgen,
Das zeigt' er ihnen so.

So drangen sie in die Scheune hinein
Und auf die Tenne so,
Wo wach der junge König lag
In Aengsten unter dem Stroh.

Sie gingen in die Scheune hinein,
Wachskerzen in den Handen,
Und suchten den jungen König,
Bis sie den Elenden fanden.

Da trat Marstig zur Thür herein,
Das Schwert in seiner Faust;
Der König hat sich aufgesetzt,
Erkennt ihn und ihm graust.

Die Wachslichte alle löschten sie aus,
Kein Licht sollt' dem König mehr scheinen,
Die kleinen Edelknaben jedoch
Huben bitterlich an zu weinen.

»Höre, höre, du Rane Jonson!
Schirmst du mich mit tapferem Streich,
Dann geb' ich dir meine Schwester
Und dazu mein halbes Reich!«

Das aber war Rane Jonson,
Er hieb auf Bank und Balk –
Ich will euch die Wahrheit künden,
Er schirmt' ihn wie ein Schalk.
– Nun liegt das Land in Leide.

– »Wer will nach Wiborg reiten nun,
Die Leiche dahin zu geleiten?
Und der Königin Kunde zu bringen,
Wer will nach Skanderborg reiten?«
– Nun liegt das Land in Leide.

Nach Wiborg wollte keiner
Die Leiche des Königs geleiten,
Zur Königin ließ nach Skanderborg
Einen Knappen mit Kunde man reiten.

Es war ein kleiner Edelknapp,
Der sich dazu entschloß,
Er legte seinen Sattel
Auf des Königs schloweiß Roß.

Den Sattel legt' er aufs schloweiße Roß,
Von Gold eine Trens' er ihm gab,
Und er gelangte nach Skanderborg,
Eh' die Sonne sank hinab.

Die Königin sitzt im Saale
Und blickt hinaus in die Weiten:
»Dort seh ich einen Knappen
In fliegender Eile reiten.

Er reitet meines Herren Roß,
Mir graut vor grimmen Losen;
Gebe doch Gott, daß meinem Herrn
Kein Leid sei zugestoßen!«

Da trat herein der kleine Gesell
Und wurde vor sie geführt,
Er wußte die Worte zu fügen,
So wie es sich gebührt.

»Heil euch, vieledle Königin,
Gekleidet in Scharlach rot:
Erschlagen ist König Erich,
In Finderup liegt er tot.

Mein Herr ist mit Waffen erschlagen,
Gott mög' ihm Gnade schenken!
Nun hütet wohl euren kleinen Sohn,
Der Dänemark einst soll lenken.

Sie stachen hinein beim rechten Arm
Und heraus an der linken Seite –
O hütet wohl euren jungen Sohn,
Ganz Dänemark trägt jetzt Leide.

An der linken Seite auch stachen sie ein
Und heraus beim rechten Arm –
O hütet wohl euren jungen Sohn,
Ganz Dänemark ist voll Harm!«

– »Hab Dank für deine Kunde,
Wie sehr darum ich auch leide:
Ich will dich kleiden und speisen im Schloß,
So lange wir leben beide.«
– Nun liegt das Land in Leide.

Den König erschlug in Finderup Marstig,
Ihn dünkt' es kein volles Gelingen,
Drum lenkte er nach Skanderborg
Seine Rosse in schnellen Sprüngen.
– Mein adliger Herr, der junge Herr Marstig.

An der Spitze ritt wohl Herr Marstig
So stolz und so selbstbewußt,
Ihm folgten seine Sassen all,
Gold schimmert' auf ihrer Brust.

Die Königin steht im Saale
Und blickt hinaus auf sie:
»Geritten kommt dort der Herr Marstig,
Der nun den König spielt.«

Und es sprach voll Zornes die Königin
Und trat auf die Zinne vor:
»Der selbstgemachte König
Hält an des Schlosses Thor.«

– »O schweiget nur, gnädige Fraue,
Und höhnt mich nicht als Herrn!
Der heißet Marschall Herr Owe,
Den zum König Ihr hättet gern.

Nicht macht' ich mich selber zum König,
Wie euer Mund es sprach,
Denn zuletzt in euren Armen
Der Marschall Herr Owe lag.

Nur wenig schmerzt euch König Erichs Tod,
Euch ist es wie einer Erlösten;
Ihr habt ja den Marschall Herrn Owe,
Mit dem könnt Ihr euch trösten!«

– »Schimpf über sie alle, die Mäuler grob,
Die solches mir nachsagen,
Und Schimpf auch dir und den Deinen all,
Die mir meinen Herrn erschlagen!«

Das aber sprach Herzog Christoffer,
Im Scharlachkleide rot:
»All dies ist gar zu minder
Für meines Vaters Tod!«

Und dies sprach ferner das Königskind
Und thät den Dolch erheben:
»Wenn du nicht aus dem Lande ziehst,
Dann kostet es dich dein Leben!«

Das sprach Herr Erich Erichson,
Wie klein er auch mochte sein:
»Gewißlich sollst Dänemark du meiden,
Wird seine Krone mein!«

– »Werd' ich des Landes verwiesen
Und soll ich schweifen weit,
Dann werd' ich heeren und hausen
In Dänemark jederzeit.

Heimsuchen werd' ich Dänemark
Ob Sommer, ob Winter es sei,
Es soll mir Beute liefern
Wie im Herbste so im Mai.

Und soll ich das Land verlassen
Und schweifen auf schwankem Kiele,
Dann giebt es in Dänemark der Wittfrau'n,
Dann giebt es der Waisen viele!«

Marstig ritt fort von Skanderborg
In Sprüngen, in gar geschwinden,
Er ritt hindann nach Möllerup,
Frau Ingeborg da zu finden.

Es ritt der junge Herr Marstig
Zum eigenen Hofe mit Ungestüm:
Auf stand die schöne Frau Ingeborg,
Nun ging sie entgegen ihm.

Sprach da der junge Herr Marstig
Und nahm sie in seinen Arm:
»Nun hab' ich erlegt König Erich,
Um den du littst schweren Harm.

Willst du lieber sein ein armes Weib
Und folgen friedlosem Mann,
Oder willst du sein eine Kebse,
Die jeder schmähen kann?«

»Weit lieber bin ich das ärmste Weib
Und folge friedlosem Mann,
Als ich sein wollt' eine Kebse,
Die jeder schmähen kann!«
– Mein adliger Herr, der junge Herr Marstig.

Ihrer waren siebenundsiebzig;
Auf der Heide hielten sie Rast:
»Was sollen wir nun beginnen,
Da der König uns that in die Acht?
– In Dänemark sind wir geächtet.

Was sollen wir nun beginnen,
Wo wir nicht geduldet wären?
Nichts Besseres ist zu ersinnen,
Als suchen Norwegens Schären.«

Antwortet der junge Herr Marstig,
Er war so keck und kühn:
»Eh' will ich mein Leben lassen,
Als aus dem Lande ziehn.

Erbaun laßt uns auf Hjälm ein Haus,
Mit hohen Mauern und Zinnen,
Wir fürchten den König von Dänemark nicht,
Der soll's uns nicht abgewinnen.«

Marstig zog eiligst hin nach Hjälm,
Das er mit Sturm bezwang:
Darob (das ist gewiß und wahr!)
Erbleichte manche Wang'.

Dann ward das Haus alsbald gebaut,
Ganz rasch war es gemacht –
Es währte (das ist gewiß und wahr!)
Zween Tage und eine Nacht.

So ließ er baun das Haus auf Hjälm,
Aufragend aus den Rieden,
Da spotteten sie des schnellen Pfeils,
Gleichwie des Steinwurfs der Bliden.

Marstig saß in dem Haus auf Hjälm
Mit den hohen Mauern und Zinnen:
Der König mit seiner ganzen Macht
Vermocht' es nicht zu gewinnen.

Der Bauer geht hinaus aufs Feld
Und sä't allda sein Korn:
»Hilf uns, Gott Vater im Himmelreich,
Der Helm erhielt ein Horn!

Die großen Eichen im Walde drauß,
Wenn die im Sturme fallen,
Dann schlagen sie nieder Birk' und Busch
Samt allen den Reislein, allen!«
– In Dänemark sind wir geächtet!


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