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V. Johannes Straußfeder an Ortuin Gratius.

Herzlichen Gruß und eben so viele gute Nächte, als Sterne am Himmel und Fische im Meere sind. Auch sollt Ihr wissen, daß ich gesund bin, und ebenso meine Mutter, und daß ich das nämliche auch von Euch hören möchte, da ich täglich wenigstens einmal an Ew. Herrlichkeit denke. Nun aber, mit Erlaubnis, vernehmet etwas höchst Erstaunliches was hier ein gewisser Edelmann (Ulrich von Hutten) getan hat – stütz' ihn der Teufel auf ewig ins Verderben, weil er mit unserem Herrn Magister Petrus Meyer in Gegenwart vieler Herren und Edelleute bei Tische so schmählich umgegangen ist und auch kein bißchen Respekt gezeigt, sondern sich so anmaßlich benommen hat, daß ich nur staunen muß! Er sagte: Seht da, Dr. Reuchlin ist gelehrter, als Ihr«, und schlug ihm dabei ein Schnippchen. Auf dies versetzte unser Magister Petrus: »Ich will mir den Hals abschneiden lassen, wenn das wahr ist. Heilige Maria! Dr. Reuchlin ist in der Theologie doch nur ein Knabe, und selbst ein Knabe weiß in der Theologie mehr, als Dr. Reuchlin. Heilige Maria! Ihr dürft mir glauben denn ich habe Erfahrung, er versteht doch auch nichts von der ›Libri Sententarium‹. Heilige Maria! Das ist eine Materie voll Scharfsinns, und die Menschen können das nicht so begreifen, wie die Grammatik und Poetik. Ich könnte, wenn ich wollte, gar wohl auch ein Poet sein, und verstünde wohl Gedichte zu machen, habe ich ja doch zu Leipzigden Sulpicius über die Silbenmessung (Metrik) gehört. Doch, wozu das? Er sollte mir nur eine Frage in der Theologie vorlegen, sollte sich auf eine Disputation einlassen.« Und nun bewies er mit vielen Gründen, daß niemand vollkommene Kenntnisse in der Theologie habe, außer durch den heiligen Geist. Der heilige Geist sei es, der uns diese Fertigkeit eingieße; die Poetik aber sei eine Speise des Teufels, wie Hieronymus in seinen Briefen sagt. Hierauf entgegnete jene Kröte: Das sei nicht wahr, Dr. Reuchlin habe auch den heiligen Geist und Kenntnisse genug in der Theologie; er habe ja ein ganz theologisches Buch verfaßt – ich weiß nicht, wie es heißt – und nannte unsern Magister Petrus eine Bestie; ebenso nannte er unsern Magister Hoogstraten einen Käsebruder. Da lachten alle, welche am Tische saßen; ich aber sagte: das sei ein Skandal, daß ein bloßer Geselle so wenig Ehrfurcht vor einem unserer Magister hege. Auch Dr. Petrus geriet dermaßen in Zorn, daß er vom Tisch aufstand und das Evangelium anführte, das da sagt: »Du bist ein Samariter und hast den Teufel.« Ich aber sagte: »Nimm das für Dich«, und freute mich sehr, daß er jenen Windbeutel so gründlich abgefertigt hatte. Ihr müßt in Eurem Tun fortfahren und die Theologie verteidigen, wie vordem, und auf niemanden Rücksicht nehmen, sei er Edelmann oder Bauer, denn Ihr seid Mannes genug dazu. Wenn ich so gut Gedichte zu machen verstünde, wie Ihr, so würde ich mich selbst um einen Fürsten nichts kümmern, wenn er mich sogar umbringen wollte. Ich bin aber auch sonst ein Feind der Juristen weil sie in roten Stiefeln und Schauben von Marderfellen einhergehen und den Magistern, und unsern Magistern nicht die gebührende Ehrerbietung erweisen. Auch bitte ich Euch untertänig und herzlichst, mir doch anzuzeigen; wie es in Paris mit dem »Augenspiegel« steht, Gott gebe, daß die segenspendende Mutter, die Pariser Universität, es mit Euch halte und jenes ketzerische Buch verbrenne, das so viel ärgerliches enthält, wie unser Magister von Tongern schreibt. Ich habe vernommen, daß unser Magister von Zütphen in der Kneck-Burs, der die bekannte Glosse über die vier Bücher des Alexander verfasst hat, gestorben sei. Indessen hoffe ich, es sei nicht wahr, da er ein so ausgezeichneter Mann und gründlicher Grammatiker, und wohl besser war, als jene neuen poetischen Grammatiker. Grüßet mir auch gefälligst den Magister Remigius er war ehemals mein Klassenlehrer und nahm mich oft wacker coram, wobei er sagte: »Du bist wie eine Gans, und willst nicht studieren, um dereinst ein großer Exeget zu werden.« Da erwiderte ich : »Sehr wohl, Herr Magister, ich will mich in Zukunft bessern.« Auf dies ließ er mich manchmal laufen, manchmal aber gab er mir eine heilsame Disziplin (Tracht Schläge), und da war ich dann so fügsam, daß ich die Besserungsmittel für meine Nachlässigkeiten gern hinnahm. Nun aber habe ich Euch nichts mehr zu schreiben, als daß Ihr noch hundert Jahre leben möget leben möget. Lebet wohl und in Ruhe und Frieden!

Gegeben zu Mainz.


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