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XXVII. Johann Stabler aus Miltenberg entbietet seinen Gruß dem Magister Ortuin Gratius.

Da Ihr stets gewünscht habt, Neuigkeiten von mir zu erhalten, so ist es nunmehr an der Zeit, Euch, wie ich es schuldig bin und vermag, neues zu berichten, obgleich ich bedauere, daß es nichts gutes ist. Wisset denn: die Brüder vorn Predigerorden hier waren im Besitz von Indulgenzen, welche sie mit großen Kosten in der römischen Kurie erlangt hatten, und sie haben bedeutend viel Geld zusammengebracht. Da kam bei Nacht ein Dieb in die Kirche, erwischte mehr als dreihundert Gulden und stahl sie. Hierüber gerieten jene gottesfürchtigen und dem christlichen Glauben eifrig ergebenen Brüder in Betrübnis und stellten Klage gegen den Dieb an. Die Bürgerschaft schickte von allen Seiten herbei, konnte ihn aber nicht ausfindig machen, denn er war entflohen und hatte das Geld bei sich. Das ist nun ein großer Schelmenstreich, daß so etwas an päpstlichen Indulgenzen und an einem so heiligen Orte geschehen soll: er ist exkommuniziert, sei er, wo er wolle. Die Leute, welche Absolution erhalten und ihr Geld in jenen Kasten gegeben haben, glauben jetzt, sie seien nicht absolviert. Das ist aber nichts: sie sind so gut absolviert, als wenn die Brüder Prediger ihr Geld noch hätten. Wißt auch, daß die, welche von der Partei des Dr. Reuchlin sind, hier herumgehen und viel Lärmen machen, indem sie sagen: »Die Brüder Prediger erlangen deshalb jene Indulgenzen bei der römischen Kurie, weil sie Willens seien, diesen Doktor in Sachen des Glaubens zu quälen und ihm zu Leibe zu gehen; die Leute, wes Standes sie sind, hohen oder niedern, geistlichen oder weltlichen, sollten ihnen nichts geben.« Unlängst war ich in Mainz bei jenem Akt, den unsere Magister gegen Reuchlin vorgenommen haben. Daselbst ist ein Prediger an der Kathedrale, der als unser Magister zu Heidelberg promoviert hat, namens Bartholomäus Zehender, lateinisch Decimarius; dieser verkündete von der Kanzel, die Leute sollten sich auf den folgenden Tag versammeln und mit ansehen, wie der »Augenspiegel« verbrannt werde; denn er hielt es für unmöglich, daß Dr. Reuchlin eine List ersinnen könne, daß dieses nicht geschehe. Hierauf ging ein Geselle, welcher sich daselbst befindet und von dem es heißt, er sei ein Poet, herum, streute die schlechtesten Reden wider unsern obengenannten Magister aus, und als er ihm begegnete, da schaute er ihn mit einem giftigen Drachenblicke an und sagte öffentlich: ‹Jener Prediger ist nicht wert, an einem Tische zu sitzen, woran rechtschaffene Männer sitzen, denn ich kann beweisen, daß er ein Taugenichts und Poltron ist, weil er in Eurer Kirche von der Kanzel herab vor allem Volk Lügen wider den guten Ruf eines ausgezeichneten Mannes vorgebracht und Dinge gesagt hat, die nicht geschehen sind.« Auch wird behauptet, er habe gesagt, aus Neid gehe man jenem guten Doktor so zu Leibe, und nannte ihn eine Bestie und einen Hund, auch setzte er noch bei, kein Pharisäer sei je so boshaft und voll Neides gewesen. Eine derartige Rede gelangt zu obengenanntem Magister; und er rechtfertigte sich meines Dafürhaltens gehörig, denn er sagte: »Obgleich jenes Buch nicht verbrannt worden ist, so wird es doch wohl künftig noch verbrannt werden«; auch führte er viele Stellen aus der heiligen Schrift an, daß es keine Lüge sei, wenn einer etwas zugunsten des katholischen Glaubens sage. Ferner sagte er, die Amtleute und Offizialen des Mainzer Bischofs hätten jenen Akt wider alles Recht verhindert, die Leute sollten nur sehen, was nachher geschehen werde, denn er wolle prophezeien, daß jenes Buch werde verbrannt werden, selbst wenn der Kaiser und der König von Frankreich und alle Fürsten und Herzoge zu Dr. Reuchlin ständen. Diese Vorkommnisse wollte ich Euch berichten, damit Ihr auf Eurer Hut seid; auch bitte ich Euch, Ihr wollet sorgfältig in Euern Geschäften sein, auf daß Ihr in nichts Ärgerliches hineingeratet. Und so lebet denn wohl!

Gegeben zu Miltenberg.


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