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XXI. Magister Conrad von Zwickau grüßt den Magister Ortuin Gratius.

Was maßen Ihr mir unlängst von Eurer Liebsten geschrieben habt, daß Ihr sie so innig liebet, und auch sie Euch liebe, und Euch Kränze, Sacktücher, Gürtel und dergleichen Sachen schicke, und kein Geld dafür nehme, wie die feilen Weibsbilder; und daß Ihr sie, wann ihr Mann von Hause fort ist, besuchet, und sie wohl damit zufrieden sei; sodann mir auch unlängst gesagt habt, daß Ihr sie dreimal hinter einander hergenommen hättet, und einmal stehend hinter der Türe am Eingang, nachdem Ihr gesungen hattet: »Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch«; wie hierauf ihr Mann kam und Ihr Euch hinten hinaus durch den Garten davon machtet: so will auch ich Euch jetzt schreiben, wie es mir mit meiner Liebsten gut von statten geht. Sie ist ein gar herrliches Weib, ist reich, und es ist wunderlich zugegangen, wie ich ihre Bekanntschaft gemacht habe, indem ein gewisser Bursianer, welcher mit dem Bischof bekannt ist, mir förderlich war. Und auf der Stelle begann ich sie heftig zu lieben, so daß ich bei Tage nichts tun und bei Nacht nicht schlafen konnte. Wann ich aber schlief, rief ich in meinem Bette: »Dorothea! Dorothea! Dorothea!« so daß meine Kollegen in der Burs es hörten, aufstanden und sagten: »Herr Magister, was habt Ihr, daß Ihr so ruft? Wenn Ihr beichten wollt, so wollen wir einen Priester holen«; sie glaubten nämlich, ich wäre am Sterben und rufe zu der heiligen Dorothea und den anderen Heiligen. Da errötete ich heftig. Wann ich aber zu der Geliebten kam, war ich immer so erschrocken, daß ich sie nicht anblicken konnte, und ward über und über rot. Da sagte sie: »Ach, Herr Magister, warum seid Ihr so schämig?« Und oft fragte sie mich um den Grund hievon. Ich aber erwiderte, daß ich nicht den Mut hätte, es zu sagen. Sie wollte es jedoch wissen und mich nicht fortlassen, ohne daß ich es ihr gesagt hätte, fügte auch bei, sie wolle mir nicht böse sein, selbst wenn ich eine arge Schalkheit aussprechen würde. Da faßte ich auf einmal Mut und enthüllte ihr meine Geheimnisse; habt ja Ihr mir einst in Euren Vorlesungen über Ovids Kunst zu lieben gesagt, Liebhaber müßten sehr kühn sein, wie die Kriegsleute, sonst sei es nichts mit ihnen. Nun sagte ich zu ihr: »Meine hochgeehrte Gebieterin, verzeihet mir bei Gott und aller Eurer Ehre, ich liebe Euch und habe Euch vor den Menschenkindern auserwählt, denn Ihr seid schön unter den Weibern und ist kein Makel an Euch; Ihr seid die Schönste, wie es nur eine in der ganzen Welt gibt.« Da lachte sie und sprach: »Bei Gott, Ihr verstehet recht liebenswürdig zu reden, wenn ich es nur glauben dürfte.« Von nun an kam ich oft in ihr Haus und zechte mit ihr. Und wann sie in der Kirche war, stellte ich mich so, daß ich ihr ins Gesicht sehen konnte, und sie sah auch mich an, als ob sie mich mit den Augen durchbohren wollte. Unlängst habe ich sie auch inständig gebeten, sie wolle mich bei sich empfohlen halten, worauf sie sagte, ich hätte keine Liebe zu ihr; ich aber

schwur, daß ich sie liebe, wie meine eigene Mutter, und ihr alles zu Diensten tun wolle, selbst wenn es mich das Leben kosten sollte. Auf dies erwiderte diese meine schöne Geliebte: Ich will wohl sehen, ob es so ist«, machte ein Kreuz an ihr Haus mit Kreide und sagte: »Wenn Ihr mich liebet, so müßt Ihr immer abends, wann es dunkel ist, jenes Kreuz mir zu liebe küssen.« Das tat ich denn viele Tage hindurch. Da kam einmal einer und überschmierte mir das Kreuz mit Dreck, so daß ich beim Küssen Mund, Zähne und Nase dreckig machte. Ich geriet in heftigen Zorn über sie; allein sie schwur auf's allerheiligste, daß nicht sie es getan hätte; auch glaube ich es, weil sie, bei Gott, sonst voll Gefühl für Anstand ist. Auch hatte ich in Gedanken Verdacht auf einen Kameraden, daß der es getan haben möchte, und wenn ich es herausbringen kann, so soll er – das sage ich Euch – seine Vergeltung empfangen. Schon aber begegnet sie mir freundlicher als zuvor, und ich habe Hoffnung, sie meinen Gelüsten fügsam zu finden. Schon früher sagte ihr einer, ich sei ein Dichter; da sagte sie: »Ich habe gehört, Ihr wäret ein guter Dichter; Ihr müßt mir einmal ein Gedicht verfassen.« Ich machte ein solches, sang es abends auf der Straße, daß sie es hörte, und nachher übersetzte ich es ihr in's deutsche. Hier ist es:

Himmlische Venus, Erfinderin Du und Beherrsch'rin der Liebe,
Sage, warum Dein Sohn mir sich so feindlich erweist?
Reizende Dorothea, von mir zur Freundin erkoren,
Tue doch Du an mir ebenso, wie ich an Dir!
Du bist schöner, als alle die Mägdlein hier in der Stadt sind,
Gleichst dem Gestirn an Glanz, lachst wie die Rose mich an.

Sie sagte, sie wolle es ihr ganzes Leben hindurch mir zu Liebe aufbewahren. Ihr müßt mir einen Rat erteilen, wie ich mich zu verhalten und wie ich es anzugreifen habe, daß sie mich liebt. Verzeihet mir auch, daß ich so grob war, an Ew. Herrlichkeit zu schreiben, denn es ist meine Gewohnheit so, als guter Freund mit meinen Freunden. Lebet wohl im Namen des Gebenedeiten!

Aus Leipzig.


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