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Crailsheimer Sagen.

I.

Die Horaffen.

Das zu Ende gehende 14. Jahrhundert brachte fürs Frankenland trübe Zeit. Städte und Ritter befehdeten sich, und der Bauer mußte die Zeche bezahlen. Das Elend lag vielgestaltig über den fränkischen Gauen. Doch schlimme Zeit weckt starken Geist und kühnen Mut. So auch bei den Crailsheimer Bürgern und Bürgerinnen. Es war im November des Jahres 1379, als von drei Seiten feindliche Horden gegen das Städtchen Crailsheim heranzogen. Die Reichsstädte Hall, Rothenburg und Dinkelsbühl hatten ihre Scharen aufgeboten, um gegen Herrn Gottfried und Herrn Ulrich von Hohenlohe »von großen Unrechts wegen« zu Streit und Fehde auszuziehen, und da das befestigte Crailsheim damals hohenlohisch war, und weil es schon in jener Zeit nach dem Wort ging: »Herren sündigen, Bürger büßen«, so wurde die Stadt Crailsheim von den Reichsstädtern berannt. Dieser Ansturm hatte keinen Erfolg, es wurde darum die Stadt eingeschlossen. Doch der Mut der Belagerten war durch nichts zu dämpfen. Alle Bemühungen der Feinde, die Stadt zu überwältigen, waren umsonst. Tag und Nacht verteidigten sich die Crailsheimer aufs glücklichste, und wenn die Kraft der Männer zu erlahmen drohte, traten die Weiber auf den Plan. So zog sich die Belagerung durch fünf lange Wintermonate hin. Ein starker Mann namens Burkhardt – so erzählt ein Chronist – wurde der Held des Tages. Der habe einmal während der Nacht mit dem Feinde seine Defension gehabt und am andern Morgen gesagt, es habe ihn nacht immer einer so heftig geplaget. Der habe versucht immer und immer wieder auf die Mauer zu steigen, so oft er ihn auch durch Stiche mit seiner Hellebarde hinabgejagt habe. Aber als man hernach über die Mauer gesehen, da lagen der toten Feinde gar viele drunten, von Burkhardts Hand erschlagen. Nicht minder tapfer hielten sich die Frauen. Steine, Asche, Lauge, Sand, Kalk, brennende Kränze u. a. sollen sie auf die Feinde geworfen haben, und so wurde deren Anstürmen immer erfolgreich abgeschlagen. Da faßten die Belagerer den Entschluß, die Stadt auszuhungern. Die Not der Eingeschlossenen stieg aufs höchste. Die Lebensmittel gingen zusammen. Doch die Bürgermeisterin wußte Rat. Sie, eine weitläufige Persönlichkeit, stieg auf die Mauer der Stadt und zeigte den Feinden – auf eine freilich wenig weibliche Weise, doch helf' was helfen mag! – denjenigen umfangreichen Teil ihres leiblichen Daseins, wo der Rücken seinen anständigen Namen verliert. Da stutzten die Belagerer und verzweifelten daran, die Stadt je aushungern zu können. Es war der Mittwoch vor Estomihi anno 1380, als sie ihre Zelte abbrachen und sich von dannen huben, indem sie im Abzug noch den Bürgern Crailsheims das Scheltwort » Hôraffen« zuriefen. Das war ein Freudentag für die Bewohner der Stadt. Und noch heutigen Tags wird das Andenken an jene Errettung im » Stadtfeiertag« lebendig erhalten. Da ist Gottesdienst, und die Schulkinder erhalten ein mürbes Gebäck, »Hôraffen« genannt.

(C. Schnerring.)


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