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Erscheinen Webers im Odeon. Castilblaze. Mozart. Lachnith. Die Arrangeure. Despair and die!.
Mitten in dieser stürmischen Studienzeit, als das Fieber meiner Leidenschaft für Gluck und Spontini und meines Hasses gegen die Schule und Formen Rossinis am hitzigsten war, erschien Weber. Der »Freischütz«, nicht etwa in seiner ursprünglichen Gestalt, sondern durch einen Arrangeur verstümmelt, gemein gemacht, gemartert und auf tausend Arten beschimpft, dieser Freischütz wurde als »Robin des Bois« im Odeon gegeben. Interpretiert wurde er von einem jungen, vortrefflichen Orchester, einem mittelmäßigen Chor und schauderhaften Sängern. Eine einzige Sängerin, Frau Pouilly, die mit der Rolle der Agathe (vom Übersetzer Anette geheißen) betraut war, hatte ein ganz nettes Talent zum Lokalisieren, aber auch nicht mehr. So kam es denn, daß sie ihre ganze Rolle ohne Verstand, ohne Leidenschaft, ohne den geringsten seelischen Aufschwung sang und sie beinahe in Grund und Boden trat. Insbesondere hatte die Arie im zweiten Akt, bei deren Vortrag sie unerschütterlichen Gleichmut bewies, den Reiz einer Vokalise von Bordogni und ging nahezu unbeachtet vorüber. Ich brauchte lange, um die Schätze der Erfindungskraft zu entdecken, die sie birgt.
Die erste Vorstellung wurde vom ganzen Hause mit Zischen und Gelächter aufgenommen. Walzer und Jägerchor, die von Anfang an aufgefallen waren, erregten am nächsten Abend solche Begeisterung, daß sie bald genügten, um den Rest der Partitur »erträglich« zu machen und die Menge ins Odeon zu ziehen. Später »erfreute« das Lied der Brautjungfern im dritten Akte und das (um die Hälfte gekürzte) Gebet der Agathe. Hierauf fand man »einen gewissen bizarren Schwung« in der Ouvertüre, und die Arie des Max »entbehrte nicht dramatischer Züge«. Darnach gewöhnte man sich daran, die Teufeleien der Wolfsschlucht »komisch« zu finden, und ganz Paris wollte das »schnurrige« Werk sehen. Das Odeon machte Geschäfte, und Herr Castilblaze, der das Meisterwerk auf den Kopf gestellt hatte, gewann mehr als 100 000 Franken damit.
Der neue Stil, gegen den mich mein unduldsamer, ausschließlicher Kult der großen Klassiker zuerst voreingenommen hatte, überraschte und entzückte mich aufs äußerste, trotz der unvollständigen oder plumpen Aufführung, die seine Linien entstellte. So gänzlich verstümmelt sie auch war, hauchte die Partitur dennoch einen herben Duft aus, dessen Frische mich berauschte. Daß ich es nur gestehe: ich war des feierlichen Gebarens der tragischen Muse etwas müde; die munteren, bisweilen anmutig ungestümen Bewegungen der Baumnymphe aber, ihre träumerische Haltung, ihre kindliche, jungfräuliche Leidenschaft, ihr keusches Lächeln, ihre Schwermut überströmten mich mit einem Sturzbach ungekannter Empfindungen.
Es versteht sich, daß die Aufführungen in der Oper ein wenig vernachlässigt wurden, aber ich fehlte bei keiner von denen im Odeon. Vom Orchester dieses Theaters war mir freier Eintritt bewilligt worden; bald wußte ich alles auswendig, was dort von der Partitur des Freischütz zur Aufführung gelangte.
Der Komponist kam damals selbst nach Frankreich. Einundzwanzig Jahre sind verstrichen seit jenem Tage, an dem Weber zum ersten und letzten Male Paris durchquerte. Er ging nach London, sah dort eines seiner Meisterwerke (Oberon) beinahe durchfallen und starb. Wie sehnte ich mich danach, ihn zu sehen! Mit welchem Herzklopfen suchte ich nach ihm am Abend, wo er, bereits leidend und im Begriff, nach England abzureisen, der Wiederholung der Olympia beiwohnen wollte. Mein Suchen war vergebens. Am Morgen desselben Tages hatte Lesueur zu mir gesagt: »Gerade war Weber bei mir! Fünf Minuten früher hätten Sie hören können, wie er mir ganze Szenen aus unseren französischen Opern auf dem Klavier vorspielte; er kennt sie alle.« Ein paar Stunden später ging ich in eine Musikalienhandlung. »Wenn Sie wüßten, wer vorhin dort gesessen hat!« – »Wer denn?« – »Weber!« Ich betrete die Oper und höre überall: »Weber ist gerade durchs Foyer gegangen – er ist drinnen – sitzt in einer der ersten Logen.« Ich war verzweifelt, weil ich ihn nicht endlich treffen konnte. Aber alles war umsonst; niemand konnte mir ihn zeigen. Im Gegensatz zu Shakespeares Geistererscheinungen blieb er, den alle sahen, mir allein unsichtbar. Ich war zu unbekannt, als daß ich es gewagt hätte, ihm zu schreiben, und da ich keine Freunde hatte, die mich ihm hätten vorstellen können, so kam ich nicht dazu, ihn zu sehen.
O, wenn die Männer von Genie die großen Leidenschaften ahnen könnten, die ihre Werke hervorrufen! Wenn es ihnen gegeben wäre, die Bewunderung von hunderttausend Seelen wahrzunehmen, die auf eine einzige gerichtet ist und in ihr aufgeht! Wie süß müßte es für sie sein, sich mit ihnen zu umgeben, sie bei sich aufzunehmen, und so sich zu trösten über den neidischen Haß der einen, die unverständige Kleinlichkeit der anderen, die Gleichgültigkeit aller!
Weber hätte sich, vielleicht noch mehr als ein anderer, gefreut über solche aufrichtige Huldigungen, wenn sie auch von unbekannter Seite gekommen wären, trotz seiner Popularität, trotz des durchschlagenden Erfolges und der Beliebtheit seines Freischützen, trotz des zweifellosen Bewußtseins seiner Genialität. Er hat wunderbare Sachen geschrieben, die von den Virtuosen, wie von der Kritik, mit verächtlicher Kälte behandelt worden sind. Seine letzte Oper, Euryanthe, hatte nur einen halben Erfolg; sollte er sich da nicht über das Schicksal seines Oberon beunruhigen, wenn er daran dachte, daß sich für ein solches Werk ein Publikum von Dichtern, ein Haus von Königen des Gedankens zieme! Endlich hatte ihn Beethoven, der König aller Könige, lange verkannt. Man versteht also, daß er manchmal, wie er selbst schrieb, an seiner musikalischen Sendung zweifeln konnte, und daß er an dem Schlage starb, der den Oberon traf.
Wenn der Unterschied zwischen dem Schicksal dieser herrlichen Partitur und dem Los ihres älteren Bruders, des Freischützen, groß war, so lag das nicht daran, daß der glückliche Günstling des Volkes auch nur mit einem Zuge Gemeinheit verraten hätte, daß seine Formen dürftig, sein Glanz falsch, seine Sprache schwülstig und hochtrabend gewesen wäre; der Komponist hat nie, weder im einen, noch im andern Werk, den kindischen Forderungen der Mode das geringste eingeräumt, jenen Forderungen, die noch gebieterischer sind, als Sängerdünkel. Er zeigte sich, im Freischütz, wie im Oberon, gleich wahr und einfältig, gleich kühn und originell, gleich feindlich dem Formalismus, gleich würdig gegenüber dem Publikum, dessen Beifall er durch keinerlei feige Selbstdemütigung erkaufen wollte. Aber die Dichtung des Freischütz ist voller Leben, voller Leidenschaft und Gegensätze. Melodie, Harmonie und Rhythmus brausen, lodern und leuchten im Verein. Außerdem erregen die Personen, die dem gewöhnlichen Leben entnommen sind, lebhafte Teilnahme. Das Gemälde ihrer Empfindungen, die Zeichnung ihrer Sitten, rechtfertigen die Anwendung eines minder hohen Stils, der, belebt durch eine erlesene Arbeit, selbst für Verächter von Singspielen, unwiderstehlichen Reiz gewinnt, und, schmuck wie er ist, dem Volke als das Ideal der Kunst, als Wunder der Empfindung erscheint.
Dagegen herrscht im Oberon, obwohl darin die menschlichen Leidenschaften eine große Rolle spielen, das Phantastische vor; aber das anmutige, stille Gesund-Phantastische. An die Stelle der Ungeheuer, der schreckhaften Erscheinungen, sind die Scharen der Luftgeister, der Sylphen, Feen, Undinen getreten. Und die Sprache, die diesem Völkchen des süßen Lächelns eignet, eine besondere Sprache, die ihren Reiz hauptsächlich der Harmonie entlehnt, deren Melodie launisch schwankt, deren überraschender, geflügelter Rhythmus oft schwierig zu erfassen ist, wird von der Menge um so schwerer verstanden, als ihre Feinheit, auch von Musikern, nur bei großer Achtsamkeit, gepaart mit großer Lebhaftigkeit der Phantasie, empfunden werden kann. Die deutsche Traumseligkeit neigt zweifellos viel williger dieser göttlichen Poesie zu; für uns Franzosen wird sie, wie ich fürchte, nichts weiter sein, als einen Augenblick lang Gegenstand neugieriger Aufmerksamkeit, woraus bald Ermüdung und Langeweile entspringen werden. Seitdem dies geschrieben worden, hat die Aufführung des Oberon im Théâtre-Lyrique meine Meinung widerlegt. Das Meisterwerk hat größtes Aufsehen erregt; der Erfolg war ungeheuer. – Demnach hätte also das Pariser Publikum bemerkenswerte Fortschritte in der Musik gemacht. Als im Jahre 1828 die Operntruppe aus Karlsruhe kam, um Vorstellungen im Théâtre Favart zu geben, konnte man sich hierüber ein Urteil bilden. Der Chor der Undinen, dieser so lind dahingleitende Sang, der reines, ungetrübtes Glück atmet, besteht nur aus zwei ziemlich kurzen Strophen; aber da er sich im langsamen Zeitmaße sanft und beständig neigt und wiegt, so erlahmte die Aufmerksamkeit des Publikums im Verlauf weniger Takte. Am Schlusse der ersten Strophe merkte man ersichtlich die schlechte Laune der Zuhörer; ein Murmeln ging durch den Saal, und die zweite Strophe wurde kaum angehört. Man strich sie eilends zur zweiten Vorstellung.
Als Weber sah, was der musikalische Viehdoktor Castilblaze aus seinem Freischütz gemacht hatte, empfand er die schändliche Verhunzung natürlich tief, und seine gerechten Klagen ergossen sich in einem Schreiben, das er vor seiner Abreise von Paris veröffentlichte. Castilblaze war so frech zu antworten: die Änderungen, über die sich der deutsche Komponist beklage, hätten dem Robin des Bois allein den Erfolg gesichert, und es sei recht undankbar von Herrn Weber, seine Vorwürfe gegen einen Mann zu richten, der das Stück in Frankreich populär gemacht hätte.
O Elender! ... Und ein armer Matrose bekommt für die geringste Insubordination fünfzig Hiebe mit dem Tauende!
Einige Jahre vorher hatte der Direktor der Oper, gleichfalls um den Erfolg der »Zauberflöte« zu sichern, das schöne Pasticcio anfertigen lassen, das wir unter dem Namen »Die Mysterien der Isis« kennen. Das Textbuch allein ist ein Mysterium, das noch niemand hat entschleiern können. Aber als dies Meisterwerk gehörig zerrupft war, rief der kluge Direktor einen deutschen Musiker zu Hilfe, um auch die Musik Mozarts zu rupfen. Der deutsche Musiker war nicht vorsichtig genug, die pietätlose Handlangerarbeit von sich zu weisen. Er fügte dem Schluß der Ouvertüre (der Ouvertüre zur Zauberflöte!!!) einige Takte an, er machte aus der Oberstimme eines Chores Des Chores: per voi risplende il giorno. eine Baßarie, der er, nach seiner Weise, noch etliche Takte anhängte; er ließ die Blasinstrumente in der einen Szene weg und brachte sie in einer andern an; er veränderte Melodie und Begleitungsfiguren in Sarastros erhabener Arie, machte ein Lied aus dem Sklavenchor » O cara armonia«, verwandelte ein Duett in ein Terzett, und da die Partitur der Zauberflöte seinem Harpyenhunger nicht genügte, so stillte er ihn mit »Titus« und »Don Juan«. Die Arie »O welch ein Zauber weckt im Herzen« ist dem Titus entnommen, aber nur das Andante davon; das folgende Allegro mißfiel vermutlich unserm uomo capace, er riß es heraus und pflöckte dafür ein anderes eigener Komposition an, in das er nur Flicken des Mozartischen mit hineinnahm. Und ahnt man, was dieser Herr noch aus dem berühmten » Fin ch' han dal vino« gemacht hat, diesem Glanzstück üppigen Schwunges, das den ganzen Charakter des Don Juan in sich faßt? ... Ein Terzett für Baß und zwei Soprane, die, unter andern sentimentalen Artigkeiten, folgende Verse singen:
O süße Lust
an deiner Brust!
Geliebte, was trennt mich von dir?
Wem geht es so wohl noch, wie mir?
Glaub's deinem Freund:
mit dir vereint
nur beschließ' ich mein Leben allhier!
Wie süß verzückt
mein Herz mich jückt,
die Hand dich drückt!
Gott! Welch Pläsier!
(sic!)
Als dann dieser schauerliche Mischmasch fertig war, erhielt er den Titel »Die Mysterien der Isis« und wurde Oper genannt; die Oper wurde in diesem Zustand gegeben, die Partitur gestochen und verlegt Die Partituren »Die Mysterien der Isis« und des »Robin des Bois« sind gedruckt und befinden sich alle beide auf der Bibliothek des Pariser Konservatoriums., und der Arrangeur setzte, an die Stelle von Mozarts Namen, den eines Troddels und Schänders, seinen eigenen Namen Lachnith Nicht Lachnitz; es ist wichtig, daß man den Namen eines so großen Mannes orthographisch richtig schreibe., den ich hiermit dem von Castilblaze als würdiges Gegenstück zur Seite stelle.
Zwanzig Jahre lang wälzten sich diese beiden Bettler in ihren Lumpen auf dem reichen Mantel eines Königs der Musik; so zugerichtet, wurden zwei Genien, als Affen verkleidet, mit lächerlichem Aufputz behangen, einäugig, an Arm und Bein verrenkt oder gebrochen, dem französischen Publikum vorgestellt! Und ihre Henkersknechte sagten zum Publikum: das ist Mozart, das ist Weber! und das Publikum glaubte es. Und niemand fand sich, diese Ruchlosen nach Gebühr zu züchtigen oder ihnen wenigstens ein wütendes Dementi zu übersenden!
Ach! wenn es auch darum weiß, das Publikum kümmert sich wenig um dergleichen Handlungen. In Deutschland, wie in England und andererorten, so gut, wie in Frankreich, duldet man, daß die vornehmsten Werke auf alle Arten bearbeitet, das heißt tausendfältig beschmutzt und verhunzt werden, von Nichtskönnern. Man wird gerne zugeben, daß sich gegen große Künstler nur außerordentliche, noch viel größere Künstler derartige Freiheiten herausnehmen dürfen, wenn sie überhaupt vonnöten sind. Verbesserungen an einem alten oder neuen Werke sollten nie von unten nach oben, sondern von oben nach unten vorgenommen werden, wie niemand bestreitet; dennoch entrüstet man sich nicht im geringsten darüber, täglich Zeuge vom Gegenteil zu sein.
Mozart wurde von Lachnith gemeuchelt;
Weber von Castilblaze;
Gluck, Grétry, Mozart, Rossini, Beethoven, Vogel sind durch denselben Castilblaze Es gibt kaum eine Partitur dieser Meister, die er nicht auf seine Weise bearbeitet hat; ich glaube, er ist verrückt. verstümmelt worden;
Beethoven hat sich Korrekturen an seinen Sinfonien von Fétis Ich sage noch, welche. gefallen lassen müssen, von Kreutzer und von Habeneck.
Molière und Corneille wurden von Unbekannten zerstückt, die mit dem Théâtre-Français vertraut waren.
Shakespeare endlich wird in England noch in der Bearbeitung von Cibber und einigen anderen gegeben.
Die Korrekturen hier sind, wie mir scheint, nicht von oben nach unten, sondern sehr von unten nach oben vorgenommen worden und noch dazu senkrecht!
Man komme nur nicht damit, die Arrangeure hätten bei der Bearbeitung von Meistern manchmal einen glücklichen Einfall gehabt; denn diese ausnahmsweise eintretenden Folgen könnten niemals die Einführung einer so abscheulichen Unsittlichkeit in die Kunst rechtfertigen.
Nein, nein, nein, zehn Millionen mal nein, ihr Musiker, Dichter, Belletristen, Schauspieler, Pianisten, Kapellmeister dritten, zweiten und selbst ersten Ranges, ihr habt nicht das Recht, Beethoven oder Shakespeare anzutasten, um ihnen das Almosen eurer »Kenntnisse« und eures »Geschmacks« darzureichen.
Nein, nein, nein, tausend Millionen mal nein, kein Mensch, wer es auch sei, hat das Recht, einen andern Menschen, wer er auch sei, zu zwingen, sein Gesicht gegen ein anderes zu vertauschen, sich auf eine Weise auszudrücken, die nicht die seine ist, eine Gestalt anzunehmen, die er nicht gewählt hat, lebendigen Leibes zum Popanz zu werden, den ein fremder Wille bewegt, oder sich nach dem Tode galvanisieren zu lassen. Wenn solch ein Mensch mittelmäßig ist, so mag er doch in seiner Mittelmäßigkeit begraben sein! Ist er aber ein Auserlesener, so soll ihn seinesgleichen, selbst die Größeren, achten, und die Kleineren sich demütig vor ihm beugen.
Zweifellos hat Garrick für Romeo und Julie den pathetischesten Schluß gefunden, den es auf dem Theater gibt, und ihn an die Stelle des Shakespearischen gesetzt, dessen Wirkung weniger ergreifend ist; aber welcher freche Hanswurst hat dagegen den Schluß für König Lear ausgeheckt, den man mitunter, ja recht oft sogar, mit der letzten Szene vertauscht, die Shakespeare für sein Meisterwerk erdacht? Wer ist der plumpe Reimschmied, der diese brutalen Tiraden der Cordelia Lears jüngster Tochter. in den Mund gelegt hat, Zeugnisse von Leidenschaften, die ihrem zarten, vornehmen Herzen so fremd sind? Wo ist er? Damit alles, was es auf Erden an Dichtern, Künstlern, an Vätern und Liebenden gibt, komme und ihn geißele, ihn festschmiede am Pranger der öffentlichen Entrüstung und zu ihm sage: Greulicher Idiot! Du hast ein schändliches Verbrechen begangen, das hassenswerteste, schwerste der Verbrechen, weil es an der Vereinigung höchster menschlicher Fähigkeiten frevelt, die man Genie nennt. Sei verflucht! Verzweifle und stirb! Despair and die!!!
Und wie hat er Richard III., dem ich hier einen Fluch entlehne, zugerichtet! ... hat er nicht dem »Sturm« Personen hinzugefügt, hat er nicht Hamlet, Romeo usw. verstümmelt? ... Dahin ist es durch Garricks Beispiel gekommen. Alle Welt hat Shakespeare Unterricht erteilt!!! ...
Kommen wir wieder zur Musik zurück. Nachdem Kreutzer, bei seinen letzten geistlichen Konzerten in der Oper, allerlei Striche in einer Sinfonie von Beethoven In der zweiten, in D-Dur. hatte anbringen lassen, haben wir es nicht erlebt, daß Habeneck gewisse Instrumente Seit zwanzig Jahren wird am Konservatorium die C-Moll-Sinfonie aufgeführt, und niemals wollte Habeneck, beim Eintritt des Scherzos, die Kontrabässe mitspielen lassen. Er findet, daß sie hier nicht angebracht sind ...: eine Belehrung Beethovens ... in einer andern Sinfonie desselben Meisters fortgelassen hat? Hört man in London nicht große Trommel, Posaunen und Ophikleïde; Stimmen, die Herr Costa den Partituren des Don Giovanni, des Figaro, des Barbier von Sevilla hinzugefügt hat? ... Und wenn es die Kapellmeister wagen, bei Werken dieser Art gewisse Stimmen nach Laune verschwinden zu lassen oder einzuführen, wer hindert dann die Geiger oder die Hornisten oder den letzten der Musiker, nicht auch desgleichen zu tun? ... Haben ferner nicht die Herausgeber und selbst die Kopisten, die Stecher und Drucker einen guten Vorwand, diesem Beispiel zu folgen? Und sie tun es auch. ...
Ist das nicht der Untergang, die gänzliche Vernichtung, das völlige Ende der Kunst? ... Und wenn wir die Frevel sehen, die an ihr verübt werden, wir, die wir erfüllt sind von ihrer Herrlichkeit und eifersüchtig auf die unverjährbaren Rechte des Menschengeistes, müssen wir da nicht den Schuldigen anzeigen, ihn verfolgen und ihm mit der ganzen Kraft unseres Grimmes zurufen: »Lächerlich ist dein Verbrechen! Despair!! Strafbar ist dein Stumpfsinn; Die!! Sei verhöhnt, bespien, verflucht! Despair and die!! Verzweifle und stirb!«