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Es war halb fünf, als Kolo Isbaregg in der Verkleidung vor dem schäbigen, das billige Laster verratende Haus in der Apfelgasse erschien. Weit und breit keine Menschenseele, ungesehen konnte er das Haustor aufschließen, unbemerkt sein Absteigequartier erreichen und sich dort wieder zum normalen Menschen wandeln. Rasch hatte er sich umgekleidet, aber nun galt es noch Wichtiges zu erledigen. Mantel, Hut, die orthopädischen Schuhe, der Bart, das Werkzeug, die Brillen und der Pfropfen des Stockes — das alles ließ sich leicht in dem Handkoffer unterbringen. Was aber mit ihm tun? Ihn einfach in dem Zimmer stehen lassen, auf die Gefahr hin, daß die Vermieterin ihn nach einigen Wochen öffnen und den verräterischen Inhalt der Polizei bringen würde? Nein, das ging nicht, dazu waren die Einkäufe vor allzu kurzer Zeit gemacht worden! Ein neues Absteigequartier mieten und dort den Koffer einstellen? Nicht übel, aber doch riskant! Vielleicht würden in der nächsten Zeit die Gäste der Pension Metropolis überwacht werden und man ihm nachspüren, wenn er so ein neues Absteigquartier betrat! Noch eine Idee: Den Koffer nach einem Bahnhof bringen und ihn in Aufbewahrung geben, um ihn natürlich niemals abzuholen. Aber auch das hatte seine Bedenken. Wer weiß, nach wie kurzer Zeit man den nicht abgeholten Koffer öffnen würde? Aber ein anderer, absolut sicherer Ausweg ergab sich und zu ihm entschloß er sich.
Langsam schlenderte Isbaregg gegen den Südbahnhof zu, wo sich schon Ausflügler zu Hunderten eingefunden hatten und reges, geschäftiges Treiben herrschte. Er ließ sich im Bahnhofrestaurant nieder, verzehrte ruhig sein Frühstück, las Zeitungen, bis es sieben Uhr geworden war und das Bahnpostamt die Schalter öffnete. Nun ließ er sich einen Frachtbrief geben, füllte ihn aus und gab den Handkoffer als Postkolli nach Graz, bahnpostlagernd, auf, als Absender einen Johann Merker, Wien, I., Annagasse 4, bezeichnend. So, nun würde dieses Kolli monatelang in Graz umherliegen, dann nach Wien zurückgeschickt, werden, wo man den Herrn Merker natürlich nicht fand, es würde also nach dem Hauptpostamt wandern und wieder ungezählte Monate unter anderem Gerümpel verstauben.
Jetzt nur noch eines: die zehn Pakete mit den Tausendkronenscheinen konnte er natürlich nicht länger mit sich herumtragen. Kolo kaufte in einem Laden einen Bogen Packpapier und eine Schnur, zog sich in den Toiletteraum eines Kaffeehauses zurück und packte die Banknoten, von denen er drei Stück in seine Brieftasche steckte, sorgfältig zusammen. Dieses Paket gab er auf einem anderen Postamt als rekommandierte Sendung an sich selbst, hauptpostlagernd, auf. Dazu schrieb er den Vermerk: „Bitte einen Monat lagern zu lassen!“ So — und damit war nach den Gesetzen der Logik und Wahrscheinlichkeit alles vermieden, was auch nur den Schein eines Verdachtes auf ihn lenken konnte.