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Nr. V, Op. 67.
Rez. hat eins der wichtigsten Werke des Meisters, dem als Instrumentalkomponisten jetzt wohl keiner den ersten Rang bestreiten wird, vor sich; er ist durchdrungen von dem Gegenstande, worüber er sprechen soll, und niemand mag es ihm verargen, wenn er, die Grenzen der gewöhnlichen Beurteilungen überschreitend, alles das in Worte zu fassen strebt, was er bei jener Komposition tief im Gemüte empfand. – Wenn von der Musik als einer selbständigen Kunst die Rede ist, sollte immer nur die Instrumentalmusik gemeint sein, welche, jede Hülfe, jede Beimischung einer andern Kunst verschmähend, das eigentümliche, nur in ihr zu erkennende Wesen der Kunst rein ausspricht. Sie ist die romantischste aller Künste – fast möchte man sagen, allein rein romantisch. – Orpheus' Lyra öffnete die Tore des Orkus. Die Musik schließt dem Menschen ein unbekanntes Reich auf; eine Welt, die nichts gemein hat mit der äußern Sinnenwelt, die ihn umgibt, und in der er alle durch Begriffe bestimmbaren Gefühle zurückläßt, um sich dem Unaussprechlichen hinzugeben. Wie wenig erkannten die Instrumentalkomponisten dies eigentümliche Wesen der Musik, welche versuchten, jene bestimmbaren Empfindungen, oder gar Begebenheiten darzustellen, und so die der Plastik geradezu entgegengesetzte Kunst plastisch zu behandeln! Dittersdorfs Symphonien der Art, so wie alle neuere Batailles des trois Empereurs etc. sind, als lächerliche Verirrungen, mit gänzlichem Vergessen zu bestrafen. – In dem Gesange, wo die hinzutretende Poesie bestimmte Affekte durch Worte andeutet, wirkt die magische Kraft der Musik wie das Wunder-Elixier der Weisen, von dem etliche Tropfen jeden Trank köstlich und herrlich machen. Jede Leidenschaft – Liebe – Haß – Zorn – Verzweiflung etc. wie die Oper sie uns gibt, kleidet die Musik in den Purpurschimmer der Romantik, und selbst das im Leben Empfundene führt uns hinaus aus dem Leben in das Reich des Unendlichen. So stark ist der Zauber der Musik, und, immer mächtiger wirkend, müßte er jede Fessel einer andern Kunst zerreißen. – Gewiß nicht allein in der Erleichterung der Ausdrucksmittel (Vervollkommnung der Instrumente, größere Virtuosität der Spieler), sondern in dem liefern innigeren Erkennen des eigentümlichen Wesens der Musik liegt es, daß geniale Komponisten die Instrumentalmusik zu der jetzigen Höhe erhoben.
Haydn und Mozart, die Schöpfer der neuern Instrumentalmusik, zeigten uns zuerst die Kunst in ihrer vollen Glorie; wer sie da mit voller Liebe anschaute und eindrang in ihr innerstes Wesen, ist – Beethoven. Die Instrumentalkompositionen aller drei Meister atmen einen gleichen romantischen Geist, welches eben in dem gleichen innigen Ergreifen des eigentümlichen Wesens der Kunst liegt, der Charakter ihrer Kompositionen unterscheidet sich jedoch merklich. Der Ausdruck eines kindlichen heitern Gemüts herrscht in Haydns Kompositionen. Seine Symphonien führen uns in unabsehbare, grüne Haine, in ein lustiges, buntes Gewühl glücklicher Menschen. Jünglinge und Mädchen schweben in Reihentänzen vorüber; lachende Kinder hinter Bäumen, hinter Rosenbüschen lauschend, werfen sich neckend mit Blumen. Ein Leben voll Liebe, voll Seligkeit, wie vor der Sünde, in ewiger Jugend; kein Leiden, kein Schmerz, nur ein süßes, wehmütiges Verlangen nach der geliebten Gestalt, die ferne im Glanz des Abendrotes daherschwebt, nicht näher kommt und nicht verschwindet; und solange sie da ist, wird es nicht Nacht, denn sie selbst ist das Abendrot, von dem Berg und Hain erglühen. – In die Tiefen des Geisterreichs führt uns Mozart. Furcht umfängt uns, aber, ohne Marter, ist sie mehr Ahnung des Unendlichen. Liebe und Wehmut tönen in holden Stimmen; die Nacht der Geisterwelt geht auf in hellem Purpurschimmer, und in unaussprechlicher Sehnsucht ziehen wir den Gestalten nach, die freundlich uns in ihre Reihen winken, in ewigem Sphärentanze durch die Wolken fliegen. (Z. B. Mozarts Symphonie in Es dur, unter dem Namen des Schwanengesanges bekannt.) So öffnet uns auch Beethovens Instrumentalmusik das Reich des Ungeheueren und Unermeßlichen. Glühende Strahlen schießen durch dieses Reiches tiefe Nacht, und wir werden Riesenschatten gewahr, die auf und ab wogen, enger und enger uns einschließen und alles in uns vernichten, nur nicht den Schmerz der unendlichen Sehnsucht, in welcher jede Lust, die schnell in jauchzenden Tönen emporgestiegen, hinsinkt und untergeht, und nur in diesem Schmerz, der, Liebe, Hoffnung, Freude in sich verzehrend, aber nicht zerstörend, unsre Brust mit einem vollstimmigen Zusammenklange aller Leidenschaften zersprengen will, leben wir fort und sind entzückte Geisterseher. – Der romantische Geschmack ist selten, noch seltener das romantische Talent: daher gibt es wohl so wenige, die jene Lyra, welche das wundervolle Reich des Romantischen aufschließt, anzuschlagen vermögen. Haydn faßt das Menschliche im menschlichen Leben romantisch auf; er ist kommensurabler für die Mehrzahl. Mozart nimmt das Übermenschliche, das Wunderbare, welches im innern Geiste wohnt, in Anspruch. Beethovens Musik bewegt die Hebel des Schauers, der Furcht, des Entsetzens, des Schmerzes, und erweckt eben jene unendliche Sehnsucht, welche das Wesen der Romantik ist. Beethoven ist ein rein romantischer (eben deshalb ein wahrhaft musikalischer) Komponist, und daher mag es kommen, daß ihm Vokalmusik, die unbestimmtes Sehnen nicht zuläßt, sondern nur die durch Worte bezeichneten Affekte, als in dem Reiche des Unendlichen empfunden, darstellt, weniger gelingt und seine Instrumentalmusik selten die Menge anspricht. Eben diese in Beethovens Tiefe nicht eingehende Menge spricht ihm einen hohen Grad von Phantasie nicht ab; dagegen sieht man gewöhnlich in seinen Werken nur Produkte eines Genies, das, um Form und Auswahl der Gedanken unbesorgt, sich seinem Feuer und den augenblicklichen Eingebungen seiner Einbildungskraft überließ. Nichtsdestoweniger ist er, rücksichts der Besonnenheit, Haydn und Mozart ganz an die Seite zu stellen. Er trennt sein Ich von dem innern Reich der Töne und gebietet darüber als unumschränkter Herr. Wie ästhetische Meßkünstler im Shakespeare oft über gänzlichen Mangel innerer Einheit und inneren Zusammenhanges geklagt haben, und nur dem tieferen Blick ein schöner Baum, Knospen und Blätter, Blüten und Früchte aus einem Keim treibend, erwächst: so entfaltet auch nur ein sehr tiefes Eingehen in die innere Struktur Beethovenscher Musik die hohe Besonnenheit des Meisters, welche vom wahren Genie unzertrennlich ist und von dem anhaltenden Studium der Kunst genährt wird. Tief im Gemüte trägt Beethoven die Romantik der Musik, die er mit hoher Genialität und Besonnenheit in seinen Werken ausspricht. Lebhafter hat Rez. das nie gefühlt, als bei der vorliegenden Symphonie, die in einem bis zum Ende fortsteigenden Klimax jene Romantik Beethovens mehr als irgend ein anderes seiner Werke entfaltet und den Zuhörer unwiderstehlich fortreißt in das wundervolle Geisterreich des Unendlichen.
Das erste Allegro, 2/4 Takt C moll, fängt mit dem nur aus zwei Takten bestehenden Hauptgedanken, der in der Folge, mannigfach gestaltet, immer wieder durchblickt, an. Im zweiten Takt eine Fermate; dann eine Wiederholung jenes Gedankens einen Ton tiefer, und wieder eine Fermate; beide Male nur Saiten-Instrumente und Klarinetten. Noch ist nicht einmal die Tonart entschieden; der Zuhörer vermutet Es dur. Die zweite Violine fängt wieder den Hauptgedanken an, im zweiten Takt entscheidet nun der Grundton C, den Violoncelle und Fagotte anschlagen, die Tonart C moll, indem Bratsche und erste Violine in Nachahmungen eintreten, bis diese endlich dem Hauptgedanken zwei Takte anreihet, die dreimal wiederholt (zum letztenmal mit einfallendem ganzen Orchester) und in eine Fermate auf der Dominante ausgehend, des Zuhörers Gemüte das Unbekannte, Geheimnisvolle ahnen lassen. Der Anfang des Allegros bis zu diesem Ruhepunkt entscheidet den Charakter des ganzen Stücks, und eben deshalb rückt ihn Rez. hier zur Ansicht des Lesers ein:
Nach dieser Fermate imitieren, in der Tonika verweilend, den Hauptgedanken Violinen und Bratsche, während der Baß dann und wann eine Figur, die jenen Gedanken nachahmt, anschlägt, bis ein immer steigender Zwischensatz, der aufs neue jene Ahnung stärker und dringender aufregt, zu einem Tutti leitet, dessen Thema wieder den rhythmischen Verhalt des Hauptgedankens hat und ihm innig verwandt ist:
Der Sexten-Akkord aus dem Grundton D bereitet die verwandte Dur-Tonart Es vor, in welcher das Horn wieder den Hauptgedanken nachahmt. Die erste Violine greift nun ein zweites Thema auf, welches zwar melodiös ist, aber doch dem Charakter ängstlicher, unruhvoller Sehnsucht, den der ganze Satz ausspricht, getreu bleibt. Die Violine trägt dieses Thema abwechselnd mit der Klarinette vor, und allemal im dritten Takte schlägt der Baß jene erst erwähnte Nachahmung des Hauptgedankens an, wodurch dies Thema wieder ganz in das kunstvolle Gewebe des Ganzen verflochten wird. In der weiteren Fortführung dieses Themas wiederholen die erste Violine und das Violoncell, in der Tonart Es moll, eine aus zwei Takten bestehende Figur fünfmal, während die Bässe chromatisch aufwärts steigen, bis endlich ein neuer Zwischensatz zum Schluß führt, in welchem die Blasinstrumente das erste Tutti in Es dur wiederholen und endlich das ganze Orchester mit der oft erwähnten Nachahmung des Hauptthemas im Basse in Es dur schließt.
Den zweiten Teil fängt wiederum das Hauptthema in seiner ersten Gestalt, nur eine Terz höher gerückt und von Klarinetten und Hörnern vorgetragen, an. In F moll, C moll, G moll folgen die Sätze des ersten Teils, nur anders gestellt und instrumentiert, bis endlich, nach einem wiederum nur aus zwei Takten bestehenden Zwischensatze, den die Violinen und die Blasinstrumente wechselweise aufgreifen, während die Violoncells eine Figur in der Gegenbewegung ausführen und die Bässe aufwärts steigen, folgende Akkorde des ganzen Orchesters eintreten:
Es sind Laute, womit sich die Brust, von Ahnungen des Ungeheuren gepreßt und beängstigt, gewaltsam Luft macht; und wie eine freundliche Gestalt, die glänzend, die tiefe Nacht erleuchtend, durch die Wolken zieht, tritt nun ein Thema ein, das im 58. Takte des ersten Teils von dem Horn in Es dur nur berührt wurde. Erst in G dur, dann in C dur, tragen die Violinen alla 8va dieses Thema vor, während die Bässe eine abwärtssteigende Figur ausführen, die gewissermaßen an den im 44. Takte des ersten Teils vorgekommenen Tuttisatz erinnert.
Die Blasinstrumente fangen dies Thema in F moll Fortissimo an, aber nach dem dritten Takte ergreifen die Saiten-Instrumente die beiden letzten Takte, und diese Takte imitierend wechseln Saiten- und Blasinstrumente noch fünfmal, dann schlagen sie wieder wechselsweise und immer diminuendo einzelne Akkorde an. Nach dem Sexten-Akkorde
hätte Rez., bei der weiteren Akkordenfolge, Ges moll erwartet, das dann, wenn auf die Art, wie es hier geschieht, nach G dur moduliert werden sollte, enharmonisch in Fis moll verwechselt werden konnte. Die Blasinstrumente, welche den Akkord, der jener Sexte folgt, anschlagen, sind aber geschrieben:
Gleich darauf schlagen die Saiteninstrumente den Fis moll-Akkord an,
der von ihnen und von den Blasinstrumenten dann noch abwechselnd immer einen Takt hindurch viermal wiederholt wird. Die Akkorde der Blasinstrumente sind immer fort geschrieben, wie es oben angeführt wurde, wozu Rez. kein Motiv finden kann. Nun folgt ebenso der Sexten-Akkord
immer schwächer und schwächer. Das wirkt wieder ahnungsvoll und schauerlich! – Das ganze Orchester bricht nun mit einem Thema, das dem, welches 41 Takte vorher eintrat, beinahe ganz gleich ist, unisono G dur ein, nur die Flöte und die Trompete halten die Dominante D aus. Aber schon im vierten Takte ruht dies Thema und nun schlagen pianissimo die Saiteninstrumente mit den Hörnern und dann die übrigen Blasinstrumente siebenmal wechselnd den verminderten Septimen-Akkord
an; dann ergreifen die Bässe den ersten Hauptgedanken im zweiten Takte, die übrigen Instrumente unisono; so imitieren sich Baß und Oberstimme fünf Takte hindurch, alsdann vereinigen sie sich drei Takte lang, im vierten Takte fällt das ganze Orchester mit Pauken und Trompeten im Hauptthema, in seiner ursprünglichen Gestalt, ein. Der erste Teil wird nun mit geringen Abweichungen wiederholt; das Thema, welches dort in Es dur begann, tritt jetzt in C dur ein, und führt zum Schlusse in C dur jubelnd mit Pauken und Trompeten. Indessen mit diesem Schlusse selbst wendet sich der Satz nach F moll. Fünf Takte hindurch mit vollem Orchester der Sexten-Akkord:
Klarinetten, Fagotten und Hörner schlagen piano eine Imitation des Hauptgedankens nach. Einen Takt General-Pause, dann sechs Takte hindurch
alle Blasinstrumente schlagen wie zuvor nach: und nun ergreifen die Bratschen, Violoncells und Fagotte ein Thema, welches im zweiten Teile früher in G dur vorkam, während die Violinen, im dritten Takt unisono eintretend, einen neuen Gegensatz ausführen. Der Satz bleibt jetzt in C moll und mit geringen Veränderungen wird das Thema, welches im ersten Teil Takt 71 anfing, von den Violinen erst allein, dann mit den Blasinstrumenten wechselnd wiederholt. Immer näher und näher rücken sie zusammen, erst einen Takt, dann einen halben Takt; es ist ein Drängen und Treiben – ein schwellender Strom, dessen Wellen höher und höher schlagen, – bis sie endlich 24 Takte vor dem Schlusse den Anfang des Allegros nochmals wiederholen. Es folgt ein Orgelpunkt, zu dem das Thema imitiert wird, bis endlich stark und kräftig der ganze Schluß folgt. –
Es gibt keinen einfacheren Gedanken, als den, welchen der Meister dem ganzen Allegro zum Grunde legte
und mit Bewunderung wird man gewahr, wie er alle Nebengedanken, alle Zwischensätze, durch rhythmischen Verhalt jenem einfachen Thema so anzureihen wußte, daß sie nur dazu dienten, den Charakter des Ganzen, den jenes Thema nur andeuten konnte, immer mehr und mehr zu entfalten. Alle Sätze sind kurz, nur aus zwei, drei Takten bestehend, und noch dazu verteilt im beständigen Wechsel der Saiteninstrumente und der Blasinstrumente, Man sollte glauben, daß aus solchen Elementen nur etwas Zerstückeltes, schwer zu Fassendes entstehen könnte: aber statt dessen ist es eben jene Einrichtung des Ganzen, sowie auch die beständige aufeinanderfolgende Wiederholung der kurzen Sätze und einzelner Akkorde, welche das Gefühl festhält in einer unnennbaren Sehnsucht. – Ganz davon abgesehen, daß die kontrapunktische Behandlung von tiefem Studium der Kunst zeigt, so sind es auch die Zwischensätze und die beständigen Anspielungen auf das Hauptthema, welche dartun, wie der Meister das Ganze mit allen den charaktervollen Zügen nicht allein im Geist auffaßte, sondern auch durchdachte. –
Wie eine holde Geisterstimme, die unsre Brust mit Trost und Hoffnung erfüllt, tönt hierauf das liebliche (und doch gehaltvolle) Thema von dem Andante in As dur ? Takt, welches Bratsche und Violoncello vortragen. Die weitere Ausführung des Andante erinnert an mehrere Mittelsätze in Haydnschen Symphonien, indem hier, sowie es dort oft zu geschehen pflegt, das Hauptthema nach eingetretenen Zwischensätzen auf mannigfache Weise variiert wird. An Originalität ist es dem ersten Allegro nicht gleichzustellen, wiewohl der Gedanke, immer zwischen hindurch ins As dur einen pomphaften Satz aus C dur mit Pauken und Trompeten eintreten zu lassen, frappant wirkt. Zweimal geschieht der Übergang ins C mittelst der enharmonischen Verwechslung:
worauf jenes pomphafte Thema eintritt und dann die Modulation in den Dominanten-Akkord von As dur zurück auf folgende Weise geschieht:
Einfacher, aber mit vieler Wirkung bereiten das dritte Mal Flöten, Oboen und Klarinetten den Übergang in jenes Thema C dur vor:
Alle Sätze des Andante sind sehr melodiös und der Hauptsatz sogar schmeichelnd, aber selbst der Gang dieses Themas, welches As dur, B moll, F moll, B moll durchläuft und dann erst ins As zurückkehrt, das stete Aneinanderrücken der harten Tonarten As und C, die chromatischen Modulationen – sprechen wieder den Charakter des Ganzen aus, und eben deshalb ist dies Andante ein Teil desselben. – Es ist, als träte der furchtbare Geist, der im Allegro das Gemüt ergriff und ängstete, jeden Augenblick drohend aus der Wetterwolke, in die er verschwand, hervor, und entflöhen dann vor seinem Anblick schnell die freundlichen Gestalten, welche tröstend uns umgaben.
Die dem Andante folgende Menuett ist wieder so originell, so des Zuhörers Gemüt ergreifend, als man es von dem Meister bei der Komposition des Teils der Symphonie, der nach der Haydnschen Form, welche er befolgte, der pikanteste, geistreichste des Ganzen sein soll, erwarten konnte. Es sind hauptsächlich die eignen Modulationen, Schlüsse in dem Dominanten-Akkord dur, dessen Grundton der Baß als Tonika des folgenden Thema in moll aufgreift – dies sich immer nur einige Takte erweiternde Thema selbst, die den Charakter Beethovenscher Musik, wie ihn Rez. oben angab, lebhaft aussprechen, und jene Unruhe, jene Ahnungen des wunderbaren Geisterreichs, womit die Sätze des Allegro des Zuhörers Gemüt bestürmten, von neuem aufregen. Das Thema C moll, bloß von Bässen vorgetragen, wendet sich im dritten Takte nach G moll, die Hörner halten das G aus, und die Violinen und Bratschen führen, im zweiten Takte mit den Fagotten, dann mit den Klarinetten, einen vier Takte langen Satz aus, der in G kadenziert. Die Bässe wiederholen nun das Thema, aber nach dem dritten Takte, G moll, wendet es sich nach D moll, dann nach C moll und jener Satz der Violinen wird wiederholt. Die Hörner führen nun, indem die Saiteninstrumente bei dem Anfange jedes Taktes Akkorde in Viertelsnoten anschlagen, einen Satz aus, der ins Es dur geht. Das Orchester führt aber den Satz weiter ins Es moll und schließt in der Dominante B dur: aber in demselben Takte fängt der Baß das Hauptthema an, und führt es ganz wie im Anfange in C moll, jetzt in B moll aus. Auch die Violinen etc. wiederholen ihren Satz und es folgt ein Ruhepunkt in F dur. Der Baß wiederholt jenes Thema, erweitert es aber, indem er F moll, C moll, G moll durchläuft und dann in C moll zurückkehrt, worauf das Tutti, welches erst in Es moll vorkam, den Satz durch F moll in den Akkord C dur führt; aber, so wie erst von B dur in B moll gehend, ergreift jetzt der Baß den Grundton C als Tonika das Thema C moll. Flöten und Oboen mit der Nachahmung der Klarinetten im zweiten Takte haben jetzt den Satz, der erst von den Saiteninstrumenten ausgeführt wurde, während diese einen Takt des erst erwähnten Tutti wiederholt anschlagen; die Hörner halten G aus, die Violoncelle fangen ein neues Thema an, dem sich erst der Anfangssatz der Violinen in weiterer Ausführung, dann aber ein neuer Satz in Achteln (diese kamen noch nicht vor) zugesellt. Selbst das neue Thema der Violoncelle enthält Anspielungen auf den Hauptsatz, und wird dadurch, sowie durch den gleichen Rhythmus, ihm innig verwandt. Nach einer kurzen Wiederholung jenes Tutti schließt der Teil der Menuett in C moll fortissimo mit Pauken und Trompeten. Den zweiten Teil (das Trio) fangen die Bässe mit einem Thema C dur an, welches die Bratschen fugenmäßig in der Dominante, dann die zweite Violine abgekürzt, und ebenso in der Restriktion die erste Violine imitieren. Die erste Hälfte dieses Teils schließt in G dur. Im zweiten Teil fangen die Bässe das Thema zweimal an und halten wieder ein, zum drittenmal geht es weiter fort. Manchem mag das scherzhaft vorkommen, dem Rez. erweckte es ein unheimliches Gefühl. – Nach manchen Imitationen des Hauptthema ergreifen dies die Flöten, von Oboen, Klarinetten, Fagotten unterstützt, zu dem Grundton G, den die Hörner aushalten, und es erstirbt in einzelnen Noten, die erst Klarinetten und Fagotte, dann die Bässe anschlagen. Nun folgt die Wiederholung des Thema des ersten Teils von den Bässen; statt der Violinen haben jetzt die Blasinstrumente den Satz in kurzen Noten, der mit einem Ruhepunkt schließt. Hierauf, wie im ersten Teil, der verlängerte Hauptsatz, aber statt der halben Noten stehen jetzt Viertel und Viertelspausen; in dieser Gestalt kommen auch die anderen Sätze des ersten Teils meistens abgekürzt wieder zurück. – Die unruhvolle Sehnsucht, welche das Thema in sich trug, ist jetzt bis zur Angst gesteigert, die die Brust gewaltsam zusammenpreßt; ihr entfliehen nur einzelne abgebrochene Laute. Der Akkord ♮ G scheint zum Schluß zu führen; der Baß hält aber nun pianissimo funfzehn Takte hindurch den Grundton As, und Violinen und Bratschen halten ebenso die Terz C aus, während die Pauke das C erst im Rhythmus jenes oft erwähnten Tutti, dann vier Takte hindurch in jedem Takte einmal, dann vier Takte hindurch zweimal, dann in Vierteln anschlägt. Die erste Violine ergreift endlich das erste Thema und führt den Satz 28 Takte hindurch immer auf jenes Thema anspielend, bis in die Septime der Dominante des Grundtons; die zweite Violine und die Bratsche haben so lange das C ausgehalten, die Pauke das C in Vierteln, der Baß aber ebenso, nachdem er die Skala von As bis Fis und zurück ins As durchlaufen, den Grundton G angeschlagen. Nun fallen erst die Fagotten, dann einen Takt später Oboen, dann drei Takte später Flöten, Hörner und Trompeten ein, während die Pauke fortwährend in Achteln das C anschlägt, worauf der Satz unmittelbar in den C dur-Akkord übergeht, womit das letzte Allegro anfängt. – Warum der Meister das zum Akkord dissonierende C der Pauke bis zum Schluß gelassen, erklärt sich aus dem Charakter, den er dem Ganzen zu geben strebte. Diese dumpfen Schläge ihres Dissonierens, wie eine fremde, furchtbare Stimme wirkend, erregen die Schauer des Außerordentlichen – der Geisterfurcht. Rez. erwähnte schon weiter oben der steigenden Wirkung des sich um einige Takte erweiternden Thema, und um jenen Effekt anschaulicher zu machen, rückt er hier diese Erweiterungen zusammen:
Bei der Wiederholung des ersten Teils erscheint dieser Satz in folgender Art:
Ebenso einfach, und doch, wenn er durch spätere Sätze wieder hindurchblickt, von so eingreifender Wirkung, wie das Thema des ersten Allegro, ist der Gedanke des eintretenden Tutti der Menuett
Mit dem prächtigen, jauchzenden Thema des Schlußsatzes, C dur, fällt das ganze Orchester, dem jetzt noch kleine Flöten, Posaunen und Kontrafagott hinzutreten, ein, – wie ein strahlendes, blendendes Sonnenlicht, das plötzlich die tiefe Nacht erleuchtet. Die Sätze dieses Allegro sind breiter behandelt als die vorhergegangenen; nicht sowohl melodiös, als kräftig und zu kontrapunktischen Imitationen geeignet; die Modulationen sind ungekünstelt und verständlich; der erste Teil vorzüglich hat beinahe den Schwung der Ouvertüre. Vierunddreißig Takte hindurch bleibt dieser Teil in C dur ein Tutti des ganzen Orchesters; dann moduliert zu einer kräftigen, steigenden Figur des Basses ein neues Thema der Oberstimme nach G dur und führt in den Dominanten-Akkord dieser Tonart. Nun tritt abermals ein neues, aus Viertelsnoten mit untermischten Triolen bestehendes Thema ein, das, rücksichts seines Rhythmus und seines Charakters, ganz von den früheren abweicht, und wieder drängt und treibt, wie die Sätze des ersten Allegro und der Menuett:
durch dieses Thema und durch seine weitere Ausführung durch A moll nach C dur wird das Gemüt wieder in die ahnungsvolle Stimmung versetzt, die bei dem Jauchzen und Jubeln augenblicklich aus ihm wich. Mit einem kurzen, rauschenden Tutti wendet sich der Satz wieder nach G dur, und Bratschen, Fagotten und Klarinetten fangen ein Thema in Sexten an, das weiterhin das ganze Orchester ergreift und nach einer kurzen Modulation in F moll mit einer kräftigen Figur des Basses, die dann die Violinen in C dur und wiederum die Bässe al rovescio aufnehmen, schließt der erste Teil in C dur. Die erwähnte Figur wird im Anfange des zweiten Teils in A moll beibehalten und jenes charakteristische, aus Vierteln und Triolen bestehende Thema tritt wieder ein. In Abkürzungen und Restriktionen wird dies Thema nun vierunddreißig Takte durchgeführt und in dieser Durchführung der Charakter, der sich schon in seiner ursprünglichen Gestalt aussprach, ganz entwickelt, wozu nicht wenig die beigemischten Nebensätze, die aushaltenden Töne der Posaunen, die Triolen nachschlagenden Pauken, Trompeten und Hörner, beitragen. Der Satz ruht endlich in dem Orgelpunkte G, den erst die Bässe, als diese aber mit den Violinen unisono eine Schlußfigur ausführen, Baßposaune, Trompeten, Hörner und Pauken anschlagen. Nun tritt vierundfünfzig Takte hindurch jenes einfache Thema der Menuett
wieder ein und es erfolgt in den beiden letzten Takten der erste Übergang der Menuett in das Allegro, nur gedrängter. Mit geringen Abweichungen und in der Haupttonart beharrend, kommen jetzt die Sätze des ersten Teils wieder und ein rauschendes Tutti scheint zum Schluß zu führen. Nach dem Dominanten-Akkorde ergreifen aber die Fagotte, Hörner, Flöten, Oboen, Klarinetten nacheinander das Thema, welches erst nur berührt wurde,
es erfolgt wieder ein Schlußsatz; aufs neue ergreifen die Saiteninstrumente jenen Satz, dann die Oboen, Klarinetten und Hörner, dann abermals die Violinen. Es geht wieder zum Schluß, aber mit dem Schluß-Akkorde in der Tonika nehmen die Violinen Presto (schon einige Takte früher trat ein Più stretto ein) den Satz auf, der im vierundsechzigsten Takte des Allegro vorkam, und die Figur der Bässe ist dieselbe, welche sie im achtundzwanzigsten Takte des ersten Allegro anschlugen, und welche, wie es schon oben bemerkt wurde, durch ihren Rhythmus dem Hauptthema innig verwandt, lebhaft an dasselbe erinnert. Das ganze Orchester (die Bässe treten einen Takt später, die Oberstimmen kanonisch imitierend, ein) führt mit dem ersten Thema des letzten Allegro zum Schlusse, der, durch manche prächtige, jubelnde Figuren aufgehalten, nach einundvierzig Takten erfolgt. Die Schluß-Akkorde selbst sind eigen gestellt; nach dem Akkorde nämlich, den der Zuhörer für den letzten hält, ein Takt Pause, derselbe Akkord, ein Takt Pause, nochmals der Akkord, ein Takt Pause, dann drei Takte hindurch in jedem in Viertelsnoten einmal jener Akkord, ein Takt Pause, der Akkord, ein Takt Pause, C unisono vom ganzen Orchester angeschlagen. Die vollkommene Beruhigung des Gemüts, durch mehrere aneinander gereihte Schlußfiguren herbeigeführt, wird durch diese einzeln in Pausen angeschlagenen Akkorde, welche an die einzelnen Schläge in dem Allegro der Symphonie erinnern, wieder aufgehoben und der Zuhörer noch durch die letzten Akkorde aufs neue gespannt. Sie wirken wie ein Feuer, das man gedämpft glaubte und das immer wieder in hell auflodernden Flammen in die Höhe schlägt.
Beethoven hat die gewöhnliche Folge der Sätze in der Symphonie beibehalten; sie scheinen phantastisch aneinander gereiht zu sein, und das Ganze rauscht manchem vorüber, wie eine geniale Rhapsodie: aber das Gemüt jedes sinnigen Zuhörers wird gewiß von einem fortdauernden Gefühl, das eben jene unnennbare, ahnungsvolle Sehnsucht ist, tief und innig ergriffen und bis zum Schluß-Akkord darin erhalten; ja noch manchen Moment nach demselben wird er nicht aus dem wundervollen Geisterreiche, wo Schmerz und Lust in Tönen gestaltet ihn umfingen, hinaustreten können. Außer der inneren Einrichtung der Instrumentierung etc. ist es vorzüglich die innige Verwandtschaft der einzelnen Themas untereinander, welche jene Einheit erzeugt, die des Zuhörers Gemüt in einer Stimmung festhält. In Haydnscher und Mozartscher Musik herrscht diese Einheit überall. Sie wird dem Musiker klärer, wenn er den, zweien verschiedenen Sätzen gemeinen Grundbaß entdeckt, oder wenn die Verbindung zweier Sätze sie offenbart: aber eine tiefere Verwandtschaft, die sich auf jene Art nicht dartun kann, spricht oft nur aus dem Geiste zum Geiste, und diese Verwandtschaft ist es, welche unter den Sätzen der beiden Allegros und der Menuett herrscht und die besonnene Genialität des Meisters herrlich verkündet. Rez. glaubt sein Urteil über das herrliche Kunstwerk des Meisters in wenig Worte zusammenfassen zu können, wenn er sagt: daß es genial erfunden, und mit tiefer Besonnenheit ausgeführt, in sehr hohem Grade die Romantik der Musik ausspreche. –
Kein Instrument hat schwierige Passagen auszuführen: aber nur ein äußerst sicheres, eingeübtes, von einem Geiste beseeltes Orchester kann sich an diese Symphonie wagen; denn jeder nur im mindesten verfehlte Moment würde das Ganze unwiederbringlich verderben. Der beständige Wechsel, das Eingreifen der Saiten- und Blasinstrumente, die einzeln anzuschlagenden Akkorde nach Pausen u. dergl. erfordern die höchste Präzision, weshalb es auch dem Dirigenten zu raten ist, nicht sowohl, wie es oft zu geschehen pflegt, die erste Violine stärker als es sein sollte, mitzugeigen, als vielmehr das Orchester beständig im Auge und in der Hand zu behalten. Zu diesem Zwecke dienlich ist der Abdruck der ersten Violinen, der den Eintritt der obligaten Instrumente in sich enthält. – Der Stich ist korrekt und deutlich. In demselben Verlage ist dieselbe Symphonie fürs Pianoforte zu vier Händen unter dem Titel:
Cinquième Sinfonie de Louis van Beethoven, arrangée pour le Pianoforte à quatre mains. Chez Breitkopf et Härtel à Leipsic. (Pr. 2 Rthlr. 12 Gr.)
erschienen. Rez. ist sonst nicht sonderlich für Arrangieren: indes ist nicht zu leugnen, daß der Genuß eines Meisterwerks, das man mit vollem Orchester gehört, im einsamen Zimmer die Phantasie oft wie damals aufregt und das Gemüt in dieselbe Stimmung versetzt. Das Pianoforte gibt das große Werk, wie ein Umriß das große Gemälde, den die Phantasie mit den Farben des Originals belebt. Übrigens ist die Symphonie fürs Pianoforte mit Verstand und Einsicht eingerichtet, indem ohne Verwischung der Eigentümlichkeiten des Originals auf die Bedürfnisse des Instruments gehörige Rücksicht genommen worden.
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