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Beethovens Zwei Trios, für Pianoforte, Violine und Violoncell.

Op. 70.

Schon vor geraumer Zeit beurteilte Rez. eins der wichtigsten Werke Beethovens: die große, geistreiche Symphonie Nr. 5, C moll, und versuchte bei dieser Gelegenheit über den Geist und den Stil des genialen Meisters sich ganz auszusprechen. Als Resultat des eifrigen Studiums der Werke desselben stellte Rez. damals den Satz auf, daß Beethoven ein rein romantischer Komponist mehr als je einer sei, woher es denn komme, daß ihm Vokal-Musik, die den Charakter des unbestimmten Sehnens nicht zulasse, sondern nur durch Worte bestimmte Affekte, als in dem Reiche des Unendlichen empfunden, darstelle, weniger gelänge, und seine Instrumental-Musik von der Menge nicht begriffen würde. Eben diese Menge, sagte Rez. ferner, spräche ihm einen hohen Grad von Phantasie nicht ab, dagegen sähe man in seinen Werken gewöhnlich nur das Produkt eines Genies, das, um Auswahl und Formung der Gedanken unbekümmert, sich dem ihn hinreißenden Feuer und den augenblicklichen Anregungen seiner Phantasie blindlings überlasse. Nichtsdestoweniger sei er, rücksichts der Besonnenheit, Haydn und Mozart ganz an die Seite zu stellen, da er sein Ich von dem innern Reiche der Töne trenne und darüber als unumschränkter Herr gebiete. –

Alles dieses findet Rez. bei jedem neuen Werke des Meisters, das ihm vor Augen und Ohren kommt, immer mehr und mehr bestätigt. Auch diese beiden herrlichen Trios beweisen aufs neue, wie B. den romantischen Geist der Musik tief im Gemüte trägt und mit welcher hohen Genialität, mit welcher Besonnenheit er damit seine Werke belebt. Jeden wahren Fortepianospieler muß es entzücken und begeistern, wenn ein neues Werk für sein Instrument des Meisters erscheint, der selbst Virtuos auf dem Fortepiano ist und also mit tiefer Kenntnis dessen, was ausführbar und wirkungsvoll ist, sowie mit sichtlicher Vorliebe dafür schreibt. Das Fortepiano ist und bleibt ein mehr für die Harmonie, als für die Melodie brauchbares Instrument. Der feinste Ausdruck, dessen das Instrument fähig ist, gibt der Melodie nicht das regsame Leben in tausend und tausend Nüancierungen, das der Bogen des Geigers, der Hauch des Bläsers, hervorzubringen imstande ist. Der Spieler ringt vergebens mit der unüberwindlichen Schwierigkeit, die der Mechanism, der die Saiten durch einen Schlag vibrieren und ertönen läßt, ihm entgegensetzt. Dagegen gibt es (die doch immer weit beschränktere Harfe abgerechnet) wohl kein Instrument, das, so wie der Flügel, in vollgriffigen Akkorden das Reich der Harmonie umfaßt und seine Schätze in den wunderbarsten Formen und Gestalten dem Kenner entfaltet. Hat die Phantasie des Meisters ein ganzes Tongemälde mit reichen Gruppen, hellen Lichtern und tiefen Schattierungen ergriffen, so kann er es am Flügel ins Leben rufen, daß es aus der inneren Welt farbig und glänzend hervortritt. Die vollstimmige Partitur, dieses wahre musikalische Zauberbuch, das in seinen Zeichen alle Wunder der Tonkunst, den geheimnisvollen Chor der mannigfaltigsten Instrumente bewahrt, wird, unter den Händen des Meisters, am Flügel belebt, und ein in dieser Art gut und vollstimmig vorgetragenes Stück aus der Partitur möchte dem wohlgeratenen Kupferstich, der einem großen Gemälde entnommen, zu vergleichen sein.

Zum Phantasieren, zum Vortragen aus der Partitur, zu einzelnen Sonaten, Tokkaten etc. ist daher der Flügel vorzüglich geeignet, sowie nächstdem Trios, Quartetten, Quintetten etc., wo die gewöhnlichen Saiteninstrumente hinzutreten, schon deshalb ganz in das Reich der Flügel-Komposition gehören, weil, sind sie in der wahren Art, d. h. wirklich vierstimmig, fünfstimmig etc. komponiert, hier es ganz auf die harmonische Ausarbeitung ankommt, die das Hervortreten einzelner Instrumente in glänzenden Passagen von selbst ausschließt. Rez., der hier einen sehr wahren Satz aufzustellen glaubt, hat aus dem Grunde einen Widerwillen gegen alle Flügel Konzerte da hier die Virtuosität des einzelnen Spielers in Passagen und im Ausdruck der Melodie geltend gemacht werden soll, der beste Spieler aber auf dem schönsten Instrumente vergebens nach dem strebt, was z. B. der Violinist mit leichter Mühe erringt. Jedes Solo klingt nach dem vollen Tutti der Geiger und Bläser steif und matt, und man bewundert die Fertigkeit der Finger und dergl. ohne daß das Gemüt recht angesprochen wird. –

Schon aus dem, was im allgemeinen über den Geist und Charakter Beethovenscher Musik gesagt wurde, sowie aus dem im voraus als richtig anzunehmenden Satze, daß er, der tiefe Meister in der Komposition, der Virtuos auf dem Flügel, den eigentümlichsten Geist des Instruments auffassen und in der dafür geeignetsten Art setzen wird, läßt sich die Idee, sowie die Struktur seiner Klavier-Trios, Quartetten etc. abstrahieren, und ein Fehlgriff ist kaum möglich, sollte man auch noch nie Werke der Art von dem Meister gesehen und gehört haben. Ein einfaches, aber fruchtbares, zu den verschiedensten kontrapunktischen Wendungen, Abkürzungen etc. taugliches, singbares Thema liegt jedem Satze zum Grunde, alle übrigen Nebenthemata und Figuren sind dem Hauptgedanken innig verwandt, so daß sich alles zur höchsten Einheit durch alle Instrumente verschlingt und ordnet. So ist die Struktur des Ganzen; aber in diesem künstlichen Bau wechseln in rastlosem Fluge die wunderbarsten Bilder, in denen Freude und Schmerz, Wehmut und Wonne neben- und ineinander hervortreten. Seltsame Gestalten beginnen einen lustigen Tanz, indem sie bald zu einem Lichtpunkt verschweben, bald funkelnd und blitzend auseinanderfahren, und sich in mannigfachen Gruppen jagen und verfolgen; und mitten in diesem aufgeschlossenen Geisterreiche horcht die entzückte Seele der unbekannten Sprache zu, und versteht alle die geheimsten Ahnungen, von denen sie ergriffen.

Nur der Komponist drang wahrhaft in die Geheimnisse der Harmonie ein, der durch sie auf das Gemüt des Menschen zu wirken vermag; ihm sind die Zahlenproportionen, welche dem Grammatiker ohne Genius nur tote, starre Rechenexempel bleiben, magische Präparate, denen er eine Zauberwelt entsteigen läßt. –

Rez. mußte alles dieses der Beurteilung der einzelnen Trios vorausschicken, um es recht ins Licht zu stellen, wie unnachahmlich groß Beethoven in seinen Flügel-Kompositionen ist. Er wendet sich zuerst zu dem

Trio Nr. 1, D dur,

dessen Anfang er hersetzt, damit das klarer werde, was er darüber zu sagen willens ist.

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Die ersten vier Takte enthalten das Hauptthema, der siebente und achte Takt im Violoncell aber enthält das Nebenthema, aus welchen beiden Sätzen, wenige Nebenfiguren ausgenommen, die zwischen die Ausführung jener Hauptideen geworfen sind, das ganze Allegro gewebt ist. Um so zweckmäßiger war es, den im ganzen Stück vorherrschenden Gedanken in vier Oktaven unisono vortragen zu lassen; er prägt sich dem Zuhörer fest und bestimmt ein, und dieser verliert ihn in den wunderlichsten Krümmungen und Wendungen, wie einen silberhellen Strom, nicht mehr aus dem Auge. Übrigens offenbart sich in diesem Thema auch schon ganz der Charakter des Trios, das weniger düster als manche andere Instrumental-Komposition B.s gehalten, eine heitere Gemütlichkeit, ein frohes, stolzes Bewußtsein eigner Kraft und Fülle ausspricht.

Außer der kanonischen Imitation des zweiten Themas gibt es in dem ersten, nur 73 Takte langen Teile des Allegros keine weitern kontrapunktischen Ausführungen. Der Schlußgedanke, den zu einem Unisono des Violoncells und der Violine erst der Flügel vorträgt, und den dann jene Instrumente zu einem Unisono des Flügels in Achtelfiguren aufgreifen, kommt erst ohne weitere Ausführung bei dem Schlusse des zweiten Teils, jedoch in veränderter Gestalt, wieder. Der erste Teil gibt überhaupt nur die Exposition des Stückes. Im zweiten Teile fängt nun ein kunstreiches, kontrapunktisches Gewebe an, das bis zum Eintritt des Hauptthemas D dur in seiner ursprünglichen Gestalt fortdauert. Der Baß des Flügels nimmt ein Thema auf, das aber beinahe wie die Figur des zweiten Taktes im Nebenthema, welches im ersten Teile von dem Violoncell vorgetragen wurde, in rückgängiger Bewegung erscheint, und wozu das Violoncell und die Oberstimme des Flügels abwechselnd das abgekürzte Hauptthema ausführen, die Violine aber mit noch einem kleineren Teile des Hauptthemas in einer kanonischen Imitation hinzutritt. Siehe das Beispiel Nr. 2 zu Trio Nr. I (in der »Beilage zur Allg. Musikalischen Zeitung« vom 3. März 1813).

Schon im neunten Takte führen der Baß des Flügels und des Violoncells unisono durch das Hauptthema von D dur in B dur, und reihen in dieser Tonart dem Hauptthema gleich das Nebenthema an, das von der Oberstimme des Flügels zu einem liegenden Grundbasse (Orgelpunkt) weiter fortgeführt wird, während Violoncell und Violine den ersten Takt des Nebenthemas in Terzen wiederholen. Jetzt tritt ein neues, die Skala bis zur Septime auf- und abschreitendes Thema ein, das abwechselnd in der Ober- und in der Unterstimme des Flügels liegt, wozu aber wieder Violine und Violoncell abwechselnd den Gedanken des Nebenthemas weiter durchführen. Von dem Flügel und den übrigen Instrumenten wird nun dieser einen einzigen Takt lange Gedanke imitiert, bis in seiner kanonischen Engführung der Satz zu ersterben scheint; doch bald wird es wieder lebendiger; die Violine ergreift den ersten Takt des Hauptthemas, die Oberstimme des Flügels folgt nach, während das Violoncell den zweiten Takt des Nebenthemas vorträgt. Nun entsteht ein Ringen und Kämpfen sämtlicher Stimmen. Zwei Takte – ein Takt – drei Noten des Hauptthemas,

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in gerader und rückgängiger Bewegung, sind in kanonischen Imitationen durcheinander verschlungen. Dies ist der originellste, kunstreichste Teil des ganzen Allegros, und Rez. setzt ihn her, zur augenblicklichen Einsicht der Kenner. Siehe das Beispiel Nr. 3 (a. a. O.).

Jetzt kehrt das Hauptthema in der ursprünglichen Tonart wieder, und man erwartet, nach der gewöhnlichen Einrichtung der Instrumentalstücke dieser Art, die Rückkehr des ersten Teils, der nun auch bei dem Eintritt des zweiten Themas in der Tonika bleibt. Es ist dem aber nicht so; der geniale Meister überrascht durch eine schnelle Wendung in D moll, in welcher Tonart das Thema wiederholt wird, woraus der Satz in D dur geht, und das zweite, so singbare Thema eintritt. Mit dem chromatisch aufsteigenden Baß geht der Satz in A dur und dann in D dur zurück,

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worauf das Schlußthema des ersten Teils in veränderter Gestalt folgt, indem die Figur in Achteln erst von Violine und Violoncell unisono, dann von der Oberstimme des Flügels vorgetragen wird. Bei der Reprise des zweiten Teils wird das zweite Hauptthema noch einmal in G dur in kanonischen Imitationen der drei Instrumente wiederholt, die den Satz in D dur zurückführen, worauf das Ganze mit dem ersten Teile des Hauptthemas unisono schließt.

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Rez. hofft durch die genaue Entwicklung des Ganges in diesem genialen Prachtstück, nicht allein denjenigen, denen das Trio noch unbekannt war, eine genügende Idee davon verschafft, sondern auch dem Kenner bei dem Anhören oder Spielen desselben das tiefere Eindringen in den Geist des Stücks, der sich eben in den verschiedenen kontrapunktischen Wendungen eines kurzen, faßlichen Themas ausspricht, erleichtert zu haben. Zur Erreichung dieses Zwecks scheute er es auch nicht, die Partitur des kompliziertesten, schwierigsten Teils ganz einzurücken. –

Der zweite Satz, ein Largo assai ed espressivo, trägt den Charakter einer sanften, dem Gemüt wohltuenden Wehmut. Das Thema ist wieder in ächt Beethovenscher Manier aus zwei ganz einfachen nur einen Takt langen Figuren, in die sich der Flügel und die übrigen Instrumente teilen, zusammengesetzt.

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Es enthalten diese wenigen harmonisch-reichen Takte wieder den Stoff, woraus das Ganze gewebt ist. Vorzüglich ist es die Figur des Violoncells im neunten Takte, mit dem Kontrathema im Flügel, das sich so schön verbindet, die immer wieder in Imitationen vorkommt, und auch das Hauptthema im zweiten Takte des Flügels ist von eingreifender Wirkung, wenn es vom Violoncell aufgefaßt und weiter fortgeführt wird.

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Die Modulation ist übrigens gar nicht verwickelt, und Rez. erwähnt nur noch einer Eigenheit, die diesen Satz vor so vielen Flügel-Kompositionen auszeichnet und hervorhebt. Zu dem Hauptthema, wenn es Violine und Violoncelli vortragen, hat der Flügel meistenteils einen Satz in 64teil Sextolen die pp. und leggiermente vorgetragen werden sollen.

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Es ist dies fast die einzige Art, wie auch der Ton eines guten Flügels auf eine überraschende, wirkungsvolle Weise geltend gemacht werden kann. Werden nämlich diese Sextolen mit aufgehobenen Dämpfern und dem Pianozug mit geschickter, leichter Hand gespielt, so entsteht ein Säuseln, das an Äolsharfe und Harmonika erinnert, und, mit den Bogentönen der übrigen Instrumente vereinigt, von ganz wunderbarer Wirkung ist. Rez. tat zu dem Pianozug und den Dämpfern auch noch den sogenannten Harmonikazug, der bekanntlich das Manual verschiebt, so, daß die Hämmer nur eine Saite anschlagen, und aus dem schönen Streicherschen Flügel schwebten Töne hervor, die wie duftige Traumgestalten das Gemüt umfingen und in den magischen Kreis seltsamer Ahnungen lockten. – Der Schlußsatz, Presto, D dur, hat wieder ein kurzes, originelles Thema, das, in manchen Wendungen und sinnreichen Anspielungen durch das ganze Stück, im Wechsel verschiedener Figuren, immer wieder durchblickt.

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So wie der Sturmwind die Wolken verjagt, mit im Augenblick wechselnden Lichtern und Schatten – wie sich dann im rastlosen Jagen und Treiben Gestalten bilden, verfließen und wieder bilden, so eilt nach der zweiten Fermate der Satz unaufhaltsam fort. – Mit einem Unisono des Flügels, wozu Violine und Violoncell eine neue, die Skala bis zur Quinte durchschreitende Figur kanonisch imitieren, wendet sich der Satz nach A dur, F dur etc. Es erfolgen Imitationen des Hauptsatzes, wie z. B.

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bis in B dur das ganze erste Thema einzutreten scheint, welches aber auf eine originelle Weise weiter geführt wird, die mehr als je eine den Beethovenschen Stil, der sich in den Schlußsätzen vorzüglich durch ein fortdauerndes, immer steigendes Drängen und Treiben zeigt, ausspricht. Der Schluß des ersten Teils führt in das erste Hauptthema hinein, so, daß gar kein merkliches Absetzen, das den ersten Teil von dem zweiten scheidet, entsteht, welches dem in rastloser Unruhe forttreibenden Charakter des ganzen Satzes angemessen ist. Der zweite Teil fängt mit einer Durchführung und Imitation des Unisonos im ersten Teil an, und da es den Rez. in der Tat zu weit führen würde, alle die neuen einzelnen Wendungen und die originelle Struktur des ganzen zweiten Teils so genau entwickeln, daß er verstanden würde, welches nur durch Beispiele geschehen könnte: so begnügt er sich aus dem zweiten Teile nur eine einzige kanonische Imitation einer Figur in Viertels-Triolen, die bisher noch nicht vorkam, herzusetzen, da diese wieder mit unverkennbaren Zügen den Meister individualisiert.

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Unerachtet der Gemütlichkeit, die in dem ganzen Trio, selbst das wehmutsvolle Largo nicht ausgenommen, herrscht, bleibt doch der Beethovensche Genius ernst und feierlich. Es ist, als meinte der Meister, man könne von tiefen, geheimen Dingen, selbst wenn der Geist, mit ihnen innig vertraut, sich freudig und fröhlich erhoben fühlt, nie in gemeinen, sondern nur in erhabenen, herrlichen Worten reden; das Tanzstück der Isispriester kann nur ein hochjauchzender Hymnus sein. Auch Rez. ist überzeugt, daß die reine Instrumental-Musik, da, wo sie nur durch sich als Musik und nicht vielleicht zu einem bestimmten Zweck dramatisch wirken soll, das unbedeutend Spaßhafte, die tändelnden Lazzi, vermeiden soll. Es sucht das tiefe Gemüt für die Ahnungen der Freudigkeit, die herrlicher und schöner als hier in der beengten Welt, aus einem unbekannten Lande herübergekommen, ein inneres, wonnevolles Leben in der Brust entzündet, einen höheren Ausdruck, als ihn geringe Worte, die nur der befangenen, irdischen Lust eigen, gewähren können. Rez. behält sich vor, am Schlusse der Rezension des zweiten Trios, zu dem er sich jetzt wendet, noch einmal hierauf zurückzukommen, und zwar bei Gelegenheit der gerechten Klage, die er darüber, daß recht viele gute Klavierspieler so schwer zum Vortragen Beethovenscher Kompositionen zu bewegen sind, erheben muß.

Trio Nr. 2, Es dur.

Das fließende, in einem ruhigen Charakter gehaltene Thema des Einleitungs-Satzes: Poco sostenuto, Es dur, ganzer Takt, wird von den drei Instrumenten in einer kanonischen Imitation vorgetragen. Siehe das Beispiel Nr. 1 zu Trio Nr. II (a. a. O.).

Aber schon im elften Takte erscheinen, während Violine und Violoncell nur einzelne Noten anschlagen, in der Oberstimme des Flügels lebhaftere Figuren in Sechszehnteilen und Sechszehnteil-Triolen, bis wieder ein gar gemütliches, ausdrucksvolles Thema zu dem Ruhepunkt in der Dominante führt, worauf ein Allegro ma non troppo, Es dur, 6/8-Takt, eintritt.

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Unerachtet des 6/8-Taktes, der sonst dem Hüpfenden, Scherzhaften so eigen ist, behauptet doch dieser Satz in seiner ursprünglichen Gestalt, sowie in seinen mannigfachen Wendungen, einen ernsten und – es sei der Ausdruck erlaubt, adeligen Charakter. Unwillkürlich ist Rez. an manche Mozartsche Komposition gleichen Schwunges, vorzüglich an das Allegro der herrlichen Symphonie in Es dur, die unter dem Namen des Schwanengesanges bekannt ist, erinnert worden; er spricht indessen nur ganz ausschließlich von dem Thema, nicht aber von der weitern Ausführung und der Struktur des Satzes, in der wieder der Beethovensche Genius auf die originellste Weise hervortritt. Nach manchen aus dem Hauptthema genommenen Gedanken in der Oberstimme des Flügels und der Violine, als da sind:

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u. a. m. folgt in dem 21sten Takte ein zweites, herrliches Thema, noch in der Haupttonart Es dur, das erst zur Begleitung des Flügels von dem Violoncell, dann aber von der Oberstimme des Flügels und der Violine all' ottava vorgetragen wird. Nun wendet sich der Satz nach der Dominante, und, nur in den 6/8-Takt umgeschrieben, tritt wiederum kanonisch imitiert das Thema des Einleitungssatzes, wiewohl anders in die Instrumente verteilt, ein.

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So wie der Satz hier gestellt ist, klingt er wie ein unerwartet eintretender Choral, der das künstliche Gewebe plötzlich durchbricht, und wie eine fremde, wunderbare Erscheinung das Gemüt aufregt. – Nur ein geübteres Ohr wird augenblicklich den Einleitungssatz wiedererkennen, so ganz anders, so neu erscheint er, und es beweiset den überschwenglichen Reichtum des genialen Meisters, der die Tiefen der Harmonie ergründet, daß einem einzigen Gedanken von ein paar Takten so viele Motive entsprießen, die sich ihm, wie herrliche Blüten und Früchte eines fruchtbaren Baums, darbieten.

Der erste Teil schließt in B dur mit einer Triolenfigur des Flügels, zu der Violoncell und Violine das Hauptthema abgekürzt berühren, und es geht der Schluß unmittelbar zum Anfange des ersten Teils über. Bei der Reprise wird die Triolenfigur weiter fortgeführt, indem Violoncell und Violine, einander imitierend, erst vier und dann nur zwei Noten des Hauptthemas anschlagen. Siehe das Beispiel Nr. 4 (a. a. O.).

Rez. erwähnt noch des enharmonischen Überganges aus Des moll in H dur, in dem 18., 19. und 20sten Takte, der, ohne im mindesten so grell zu sein, wie manche Modulationen der Art in neuen Kompositionen, doch von der frappantesten Wirkung ist. Der Meister hat in dem Flügel und dem Violoncell im 20sten Takte Ces dur vorgezeichnet; die Violine aber schon H dur nehmen lassen. Desgleichen Nr. 5.

Offenbar geschah es, weil die Intonation nach den vorhergegangenen Pausen dem Spieler sehr erleichtert wurde, und bei dem Flügel ohnedies nur von der gleichschwebenden Temperatur, die keinen Unterschied zwischen H dur und Ces dur gestattet, die Rede sein kann. Die Rückkehr nach G moll geschieht rasch durch drei Akkorde

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Nach dem wieder eingetretenen Hauptthema in der Tonika ist die weitere Ausführung, nur geringe abgeändert, dem ersten Teile gleich, nur daß der Satz auch nach dem zweiten eingetretenen Hauptthema in der Tonika beharrt. Noch vor dem Schlusse kehrt der Einleitungssatz im ganzen Takt wieder, nachdem er aber nur neun Takte gedauert, tritt der 6/8-Takt und das Hauptthema wieder ein, mit dem in der Abkürzung das Allegro schließt. Unerachtet die Elemente, aus denen dieser Satz geschaffen, verschiedenartiger sind, als man es sonst bei Beethovenscher Musik gewohnt ist, da der zweite Satz des Allegros mit dem ersten wenig verwandt ist, und das dritte, der Einleitung entnommene Thema vollends fremdartig erscheint: so steht doch alles in einem Gusse kräftig da, und der wahrhaft musikalische Zuhörer wird leicht den freilich komplizierten Gang des Allegros auffassen, wenn auch vielleicht dem ungeübteren Ohr manches im Anfange nicht deutlich werden könnte.

Der folgende Satz Allegretto, C dur, 2/4-Takt, hat ein gefälliges, singbares Thema und ist nach der Art, wie Haydn, vorzüglich in Symphonien, manches Andante gesetzt hat, aus variierenden Zwischensätzen im Minore, nach denen das Hauptthema immer wieder im Majore lichtvoll eintritt, gewebt.

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Auch in diesem Allegretto bleibt der Meister dem wahren Stil dieser Art Komposition getreu, indem der Satz so durch die drei Instrumente verflochten ist, daß sie nur zusammen den Begriff des Ganzen geben. Jede Figur ist reiflich erwogen und greift an gehöriger Stelle wirkungsvoll ein; ja selbst der Anfang

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kehrt öfters in weiterer Ausführung und schärfer den Charakter des Stücks aussprechend wieder; wie z. B. am Ende des ersten Minore und bei dem Schlusse. Rez. muß sowohl hier, als bei dem folgenden Allegretto ma non troppo, As dur, 2/4 Takt, um nicht zu weitläufig zu werden, auf die Einsicht, auf das Studium des Werkes, das jeden wahren Musiker erfreuen und erheben wird, verweisen, da nur Beispiele, die die billigen Schranken einer Rezension überschreiten würden, das deutlich machen könnten, was er wohl noch sagen möchte. Nur sei es ihm erlaubt, zu bemerken, daß das herrliche Thema dieses Allegrettos, das eigentlich der durch Haydn unter dem Namen Menuetto eingeführte pikante Mittelsatz ist, ihn wieder an den hohen, edlen Adlerschwung Mozartscher Sätze ähnlicher Art erinnert hat.

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Das Trio hat eine ganz originelle Struktur, indem es aus abgebrochenen Sätzen, in denen Violoncell und Violine mit dem Flügel wechseln, besteht. Siehe das Beispiel Nr. 7 (a. a. O.). In eben diesem Trio moduliert der Meister in keckem Vertrauen auf seine Macht und Herrschaft über das Reich der Töne auf folgende Weise:

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Man sieht welchen Reichtum pikanter Effekte das enharmonische System darbietet: aber Rez. dürfte auch wohl die Meinung jedes ächten, geschmackvollen Musikers für sich haben, wenn er den Gebrauch dieser Mittel nur dem tief erfahrnen Meister vertraut, und jeden, der noch nicht in den innersten Zauberkreis der Kunst getreten, recht sehr davor warnt. Nur der Künstler, der den exzentrischen Flug seines Genies durch das eifrigste Studium der Kunst zügelte, der so die höchste Besonnenheit erlangte, und nun über das innere Reich der Töne herrscht, weiß es klar und sicher, wo er die frappantesten Mittel, die ihm die Kunst darbietet, mit voller Wirkung anwenden soll, und der Schüler, oder gar der blinde Nachahmer ohne Genie und Talent, wird da am ersten fehlgreifen, wo er gerade es vor hat, mit aller Macht und Kraft zu wirken. – Bei dem Schlußsatz, Allegro, Es dur, 2/4-Takt, trifft nun alles das wieder ein, was Rez. schon bei der Beurteilung des letzten Satzes im ersten Trio sagte. Es ist ein fortdauerndes, immer steigendes Treiben und Drängen – Gedanken, Bilder, jagen im rastlosen Fluge vorüber, und leuchten und verschwinden, wie zuckende Blitze – es ist ein freies Spiel der aufgeregtesten Phantasie. Und doch ist dieser Satz wieder aus wenigen, kurzen Gedanken, aus innigst mit einander verwandten Figuren gewebt.

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Die ersten sechs Takte scheinen nur die Einleitung zu dem eigentlichen einfachen Thema, das erst im siebenten Takte eintritt, zu sein: allein gerade dieser zur Einleitung dienende Gedanke, mit den anschlagenden Akkorden der Violine, des Violoncells und des Flügelbasses, wird weiterhin in den mannigfaltigsten Wendungen und Anspielungen durchgeführt. Nachdem die Violine, dann wiederum der Flügel, das Thema weiter geführt, das Violoncell nur den ersten Takt desselben angeschlagen, sowie die Violine denselben in noch einmal so geschwinden Noten (Sechszehnteilen) imitiert hat, tritt im 31sten Takte jener Einleitungssatz wieder ein. Eine Art Kadenz des Flügels in Triolen führt in C moll – wieder jener Einleitungssatz – eine Kadenz der Violine in G moll – noch einmal der Einleitungssatz – eine Kadenz des Violoncells. – Nun folgt ein neues Thema in Viertelsnoten, das ruhiger gehalten ist, aber nur wenige Takte dauert, denn ein neuer Sturm treibt den Satz durch G moll, G dur, C dur, bis jener Satz, womit das Allegro anfing, wieder durch G moll, C moll, in die Haupttonart und die Reprise des ersten Teils zurückleitet. Mit derselben Figur fängt der zweite Teil an, und nun sind es eben jene einzelnen Akkorde des Anfangs, sowie die Figur in Sechszehnteln, die alle drei Instrumente einander imitierend vortragen, welche zu der künstlichsten, frappantesten Durchführung in den kühnsten Modulationen Anlaß geben. Ohne Einsicht der Partitur ist kein anschaulicher Begriff der originellen Behandlung möglich; Rez. setzt daher die ganze Stelle her, indem er so, selbst bei der Kenntnis des Trios, die größere Aufmerksamkeit zu beleben und das Studium des Kunstwerks zu erleichtern glaubt. Siehe das Beispiel Nr. 10 (a. a. O.).

Nach einer Unterbrechung von nur acht Takten, die selbst wieder auf die Figur des ersten Satzes anspielen, tritt dieser abermals ein, und führt mit dem lieblichen Hauptthema in die Tonika zurück. Die weitere Struktur entspricht dem ersten Teile, nur sind die Modulationen verändert, und der sangbare Mittelsatz, der im ersten Teil, in G dur vorkam,

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wird nicht allein in C dur wiederholt, sondern auch, bei der Rückkehr des Satzes in die Tonika, in Imitationen aller Instrumente durchgeführt. Er erscheint endlich noch abgekürzt in einer Art Engführung, und nun stürmt wieder der Einleitungssatz daher, der mit dem Hauptthema wechselnd zuletzt zu den brillanten, brausenden Schlußperioden mit Sechszehnteilen in allen Instrumenten führt. –

Es gibt in diesen Trios, wenn von bloßer Fingerfertigkeit und halsbrechenden Passagen auf und ab mit beiden Händen, in allerlei seltsamen Sprüngen und possierlichen Capriccios die Rede ist, am Flügel gar keine besondere Schwierigkeit, da die wenigen Läufe, Triolenfiguren u. dgl. m., wohl jeder geübte Spieler in der Hand haben muß: und doch ist ihr Vortrag bedingt recht schwer. Mancher sogenannte Virtuos verwirft die Beethovensche Flügel-Komposition, indem er dem Vorwurfe: Sehr schwer! noch hinzufügt: Und höchst undankbar! – Was nun die Schwierigkeit betrifft, so gehört zum richtigen, bequemen Vortrag Beethovenscher Kompositionen nichts Geringeres, als daß man ihn begreife, daß man tief in sein Wesen eindringe, daß man im Bewußtsein eigner Weihe es kühn wage, in den Kreis der magischen Erscheinungen zu treten, die sein mächtiger Zauber hervorruft. Wer diese Weihe nicht in sich fühlt, wer die Musik nur als Spielerei, nur zum Zeitvertreib in leeren Stunden, zum augenblicklichen Reiz stumpfer Ohren, oder zur eignen Ostentation tauglich betrachtet, der bleibe ja davon. Nur einem solchen steht auch der Vorwurf: Und höchst undankbar! zu. Der ächte Künstler lebt nur in dem Werke, das er in dem Sinne des Meisters aufgefaßt hat, und nun vorträgt. Er verschmäht es, auf irgend eine Weise seine Persönlichkeit geltend zu machen, und all sein Dichten und Trachten geht nur dahin, alle die herrlichen, holdseligen Bilder und Erscheinungen, die der Meister mit magischer Gewalt in sein Werk verschloß, tausendfarbig glänzend ins rege Leben zu rufen, daß sie den Menschen in lichten, funkelnden Kreisen umfangen, und seine Phantasie, sein innerstes Gemüt entzündend, ihn raschen Fluges in das ferne Geisterreich der Töne tragen. – Daß es wenig solche eigentliche Künstler, wahrhafte Virtuosen gibt, da leider auch in der Kunst der Egoism, die leidige, leere Prahlsucht, um sich greift, ist ebenso gewiß, als daß man wohl wenige Kenner antrifft, die sich von dem tiefen Geist des sinnigen Meisters ganz angeregt und erhoben fühlen. Seitdem es Mode geworden ist, die Musik nur so nebenher zum Vertreiben der Langweile in der Gesellschaft zu benutzen, soll alles leicht, gefällig, angenehm – das heißt, ohne alle Bedeutung und Tiefe sein, und da leider Komponisten genug auf der Erde wandeln, die dem Zeitgeist frönen, so gibt es der losen Speise gar viel. Auch manche nicht gänzlich schlechte Musiker klagen über die Unverständlichkeit Beethovenscher, selbst Mozartscher Kompositionen: es liegt da aber an der subjektiven Imbezillität, die es nicht zuläßt, das Ganze in seinen Teilen zusammen zu fassen und zu halten. Sie rühmen daher immer an schwachen Kompositionen die große Klarheit. – Rez. ist es so gut geworden, mehrere Beethovensche Kompositionen von einer geistreichen Dame, die den Flügel mit Virtuosität spielt, so vortrefflich zu hören, daß er es recht deutlich einsah, wie nur das, was der Geist gibt, zu achten, alles übrige aber vom Übel ist. – Möchten glücklichere Verhältnisse in der Kunstwelt es der Verlagshandlung möglich machen, Beethovens Instrumental-Kompositionen in Partitur herauszugeben: was für eine überreiche Fundgrube für das wahre Studium der Musik würde sich da dem Künstler, dem Kenner öffnen! Mit diesem Wunsche schließt Rez. seinen Aufsatz, worin er so manches ausgesprochen, was ihm recht eigentlich auf dem Herzen lag.

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