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K. v.

Ihr beiden harmlosen Buchstaben, die ich da hinschreibe, welches Entsetzen wohnte in euch! Wieviel Angst und Qual lag in dem kurzen zweisilbigen Klang »Ka vau!« Wie manch einer hat sich, diesen Ton im Ohr, ruhelos auf seinem heißen Lager herumgewälzt! Wie zwei stahlbehelmte, mit Maschinengewehren bewaffnete wüste Kriegsknechte, die hinter Gasmasken auf ihn eindrangen, ihn von Weib und Heim in die Todesschauer und das Blutbad der Massenschlachterei zu ziehen, also erscheint ihr manchem schlummernden im Traum, ihr gräßlichen beiden Konsonanten. Wie ein Albdruck saßt ihr an den Schlafstellen der Einkasernierten, lagt ihr auf den Seelen der Reklamierten und scheuchtet die Sorglosigkeit der Zerstreuungen fort. Kriegsverwendungsfähig! »Ka vau«, wie man in der Abkürzung sagte in einer Zeit, die mit Silben geizte und mit Menschenblut wucherte. Jahrelang hingen diese beiden Buchstaben wie scharfe Degenspitzen über den Scheiteln aller jungen Männer in Deutschland und bannten jede Lebensfreude. Mit ihnen wurde, was man erwischen konnte und was sich nicht durch seine höhere Stellung oder seine Geschicklichkeit oder seine Beziehungen zu retten wußte, in den Tod gehetzt. Wem diese zwei Zeichen wie einst die Brandmarkung den Galerensklaven aufgedrückt waren, an dessen Leben war die Axt gelegt, der mußte wie diejenigen, die im Rom des Diktators Sulla auf der Proskriptionsliste standen, jede Minute darum bangen, daß er geopfert wurde. Ka vau! Mit welcher Wollust wurden diese beiden Silben oft von kalten Kreaturen, von Ärzten oder Generälen, über die armen Schelme ausgesprochen, die zitternd und frierend in ihrer Nacktheit wie eine Herde geschorener Schafe vor ihnen standen, um ans Messer geliefert zu werden.

Wieviel Mühe, wieviel Anstrengungen und Schweiß ist wohl in allen Ländern, in denen der Krieg geführt wurde, aufgewandt worden, um diesen oder den überall entsprechenden verhängnisvollen Buchstaben, die ein Todesurteil einschlossen, zu entgehen. Man könnte die Pyramiden Ägyptens tausendmal davon aufbauen. Könnte ein Denkmal des Friedens davon errichten, wie es großartiger noch kein Stern gesehen hätte! Entsinnt ihr euch noch, ihr Freunde bei allen Nationen, zu welchen Kriegslisten der friedliebende Mensch gezwungen wurde, um zu versuchen, dem Mordbefehl zu entgehen? Erinnert ihr euch nicht mehr, wie man Zigaretten in wahnsinnigen Unmengen vor jeder ärztlichen Untersuchung rauchte, die einen zum berufsmäßigen Menschenschlächter stempeln sollte? Oder wie man in der Nacht vorher Kaffee Tasse auf Tasse hinuntertrank oder Alkohol Glas auf Glas oder anderes schluckte, von dem das Herz schneller jagte, um nicht hinauszuziehen und mitmorden zu müssen? Schämt euch nicht nachträglich dieser Mittel, die es manchem von euch ermöglichten, ein liebevoller, gütiger Mensch unter Menschen zu bleiben! Wie ihr das Andenken derer ehrt, die mutig gefallen sind, so haltet auch die Erinnerung an jene schwer durchfühlten Stunden eures Lebens heilig, da ihr entschlossen zu euch spracht: »Ehe sie mich zwingen, andere zu töten, müssen sie mich selber erschießen!«

Ka vau! Dieser schauerliche Klang trennte den Mann vom Weibe, den Sohn von der Mutter. Er tötete jedes Lachen und die schöne Daseinslust, die der Edle selbst am Tiere noch achtet. Diese Formel im Mund gewissenloser Schlächter hetzte hunderttausend kraftvolle, feurig durchblutete Männer in das frühe, das ewige Verderben. Diese Formel senkte alle Schauer der Vernichtung in das Gebein desjenigen, über den sie verkündet wurde. Wie zwei Tropfen Blausäure, die einem Menschen eingeträufelt werden, unter Starrkrämpfen seinen Tod herbeiführen, so überantworteten jene beiden Buchstaben den, den sie erreichten, dem Entsetzen und dem fürchterlichen Zufall des Krieges. Und ihre Wirkung war oft noch grauenvoller als die des Giftes, weil sie nicht schnell in ein paar Sekunden, sondern schleichend und quälend töteten. Wie mancher ist unter dem Eindruck und den Folgen dieser höllischen Formel, mit der er dem Bösen ausgespielt wurde, noch lebend langsam verwest und um jede edle Regung gebracht, bis ihm zuletzt sein eigener Atem wehe tat und er den Tod mit Wonne kommen sah.

Ihr fernen Enkel, ihr lächelt, wenn ihr die beiden unschuldigen Buchstaben seht und sprecht, mit denen sich ehemals eure Vorfahren ums Leben gebracht haben! Für euch fallen sie kaum in dem Abc auf, diese zwei mit Blut überlasteten Lettern. Ahnungslos lernen eure Kinder sie lesen und schreiben, diese Konsonanten oder Mitlauter, bei denen ihre Ahnen vor Schrecken froren wie Verurteilte beim Rasseln der Schlüssel frühmorgens vor der Hinrichtung. Ihre unheilvolle Bedeutung ist verschwunden und wird mehr und mehr vergessen werden. Nur unter der Erde, unter dem Rost, der über diese niederträchtigste Kriegszeit zieht, dort, wo die Millionen Gefallener gebettet wurden, bleibt noch die Schrecklichkeit der beiden Buchstaben erhalten. Und mit ihren verwitternden und zusammenbrechenden Knochen kritzeln die zahllosen Toten jene zwei Zeichen »K. v.« in den Sand, das entsetzliche Losungswort, das sie von dannen gejagt und in ihrer Blüte geknickt hat.

 

Gedruckt bei Otto v. Holten, Berlin C.

 


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