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Im Hause des Doktor Meunier

Es kam der Befehl, dass die Gruppe Latour am nächsten Mittag in Estaires von der zweiten Abteilung des 38. Bayrischen Regiments abgelöst würde. Als Ruheplatz wurde dem Stab das Gehöft »Fin de la Guerre« bei Lille angewiesen.

Das Gehöft mit dem überraschenden Namen lag auf einem grasbewachsenen Abhang und war von früheren Kämpfen teilweise zerstört. Pioniere hatten es ausgebaut und bombensicher gemacht. Die Geschäftszimmer wurden in betonierten Räumen eingerichtet; ebenso wohnten die Offiziere; die Mannschaft wurde teils in betonierten Klötzen in der Nähe untergebracht, teils in Scheunen, in denen auch die Pferde eingestellt wurden. Die Räume waren angenehm kühl; man war vor Fliegerbomben geschützt und genoss die kurze Ruhe. Talbot ging mit Cora auf die Hühnerjagd. Leerodt und Holtzem beobachteten vergnügt, welche Mühe Iwan sich gab, seinem neuen Burschen richtige Formen beizubringen, vor allem, dass er ihn selbst stets in der Mehrzahl der dritten Person anzureden habe.

Die Offiziere hatten eben zwischen den glatten gelben Betonwänden an groben Holztischen das Frühstück gegessen, als Josef eintrat, die Haken zusammenschlug und laut meldete: »Das Pferd von Herrn Leutnant sind vorgeführt!«

»Ich hoffe, das Pferd von Herrn Leutnant werden geruhen, ihn zu tragen«, rief Holtzem, als Josef gegangen war.

»Einen so höflichen und gut gezogenen Burschen hat noch niemand gehabt, wie Sie, Herr von Dreetz«, sagte Leerodt, »sein Respekt für alles, was Ihnen gehört, ist ohne Grenzen. Gestern meldete er: Der Apparat von Herrn Leutnant haben geklingelt!«

Talbot lächelte, aber die Stimmung wurde nur für Augenblicke heiter; alle gingen gedrückt in Fin de la Guerre, und eine dumpfe Spannung war in ihnen.

In der Nacht vom 28. zum 29. September tönte an der ganzen, schon stark zurückgenommenen, flandrischen Front rasendes Schiessen, und am 30. wurde die Division zwischen Armentières wieder eingesetzt.

Es war ein warmer schöner Herbsttag.

Auf dem hochbeinigen Braunen, den er von den Portugiesen übernommen hatte, ritt Talbot, von Wöbke begleitet, pfeifend durch die Batteriestellungen und hatte für die Bedienungsmannschaften Lob und gute Worte.

Da er in der Nähe einer Infanteriestellung bei Fleurbaix vorüberkam und sein Pferd einen Augeblick anhielt, um sich umzusehen, wurde er plötzlich angeschrien: »Um Gotteswillen! Reiten Sie doch fort! Sie verraten ja unsere Stellung den Engländern!«

»Um Gotteswillen!« rief Talbot zurück und hob die Hände empor: »Schiessen die auf Infanterie?«

Der nervöse Rittmeister, der das Infanteriebataillon führte, sah ihn grimmig an. Talbot ritt an den Grabenrand und reichte ihm die Kognakflasche: »Wir wollen uns wieder vertragen!« sagte er und bot ihm eine Zigarre an.

Weiterreitend kam er in eine mit dunklen Büschen bewachsene Mulde, aus der sich ein zerschossenes Kruzifix erhob. Nur die hohe senkrechte Stange und ein Teil der Querstange waren geblieben, die Figur selbst hing fast unversehrt daran, der rechte Arm war gleichsam warnend und beschwörend in die Luft erhoben. Weiter unten war ein Brett befestigt, auf dem Stand: »Sichtzone II« und »Nach Fleurbaix«, darunter ein Pfeil, der die Richtung wies. Zu Füssen des Kreuzes lagen graue Holzsplitter ohne Zahl.

Talbot und Wöbke ritten schweigend vorüber.

Ein paar weisse Blätter flatterten vor ihnen zur Erde. Talbots Pferd wurde unruhig.

»Heb mir mal so einen Wisch auf, Wöbke«, sagte er, das Tier anhaltend und ihm den Hals klopfend.

Der Vizewachtmeister stieg ab und reichte dem Kommandeur ein Papier, das dieser, im Sattel sitzend, las.

»Deutsche Soldaten«, stand darauf in grosser Druckschrift, »man belügt Euch. Ihr seid geschlagen. Ihr werdet bald das Land verlassen müssen, zu das Euer Kaiser gegen das Recht Krieg erklärt hat. Eure Frauen warten für Euch. Eure Kinder weinen. Eure Fürsten ...«

Eine in der Nähe einschlagende Salve, die das Pferd wieder unruhig machte, lenkte seine Aufmerksamkeit ab. Er faltete das Papier zusammen, steckte es in die Tasche, und sie ritten weiter.

Auf der Strasse kam ein Reiter auf sie zu. Es war Leerodt, der eine rückwärtige Batterie besucht hatte. Sie ritten zusammen weiter auf der staubigen Landstrasse auf Armentières zu. Der Himmel hatte sich überzogen. Sie mussten durch Armentières hindurch zur letzten Batterie, die südlich von Houplines stand. Die Stadt war vollkommen zerstört; Stein- und Holzschutt bedeckte die Strassen; sie mussten im Schritt reiten. Eine halbe Stunde ritten sie unter dem grauen Himmel durch die Strassen, zwischen zerfetzten Häuserresten, in denen kein lebendes Wesen mehr war. Ein steigendes Grauen ergriff sie, und alle atmeten auf, als sie jenseits des Bahndamms wieder im Freien waren. –

Noch in dieser Nacht wurden die deutschen Truppen in das Vorfeld von Lille zurückgezogen. »Fin de la Guerre« wurde verlassen und der Gefechtsstand der Gruppe in ein Haus im Vorort Lambersart verlegt, das einem Arzt, Doktor Meunier, gehörte. Der Doktor war geflüchtet; sein Haus, mit der säulengeschmückten Fassade und einer marmornen Freitreppe glich einem Palast. Im Erdgeschoss befand sich ein Tanzsaal mit glattestem Parkett, dessen hohe Fenster in den Garten sahen, in fürstlichen Räumen wohnten die Offiziere.

In dem grossen Treppenhaus mit dem massiven Messinggeländer liefen die Ordonnanzen auf und ab. Talbot ging mit Leerodt in den Billardsaal hinunter, an dessen Wände englische Jagdbilder hingen, und wo jetzt die Karten auf den Billardtischen ausgebreitet lagen. »Was sagen Sie zu diesem plötzlichen Luxus, Leerodt? Ich habe eine ganze Flucht, und das Bett in meinem Schlafzimmer ist so breit, dass man ein Serail einquartieren könnte. Und unerhörter Genuss, ein Badezimmer!«

»Auch wir haben manche köstliche Entdeckung gemacht, Herr Hauptmann, die wir im Interesse des lieben A. B. C. Iwan verwerten werden.«

»Was heisst A. B. C.? Und wo steckt Dreetz denn eigentlich?«

»A. B. C. heisst 'armer blödsinniger Camerad'. Der Betreffende sitzt seit zehn Uhr in einer Bar in Lille. Koch war auch dort und konnte ihn von Melanie nicht loseisen.«

»Ein grässlicher Kerl ...«, sagte Talbot, in die Karte blickend.

Aus dem Nebenzimmer ertönte Gelächter. In der Ferne war die ganze Zeit dumpfes Schiessen hörbar.

»Sie lachen über das Trommelfeuer der Engländer. Die schiessen noch immer auf unsere verlassenen Stellungen!«

»Ja, den Bewegungskrieg verstehen sie nicht. Wir würden ganz anders nachdrücken.«

»Leider sind wir es, die zurückgehen ...«, sagte Leerodt schmerzlich.

Talbot begab sich zu den Batterien, die im Vorfeld eingegraben waren. In dem weissen Herbstlicht lagen die von hohen Hecken umsäumten Wiesen, die kleinen dunkeln Wäldchen, die versteckten unvermuteten Gebäude. Jetzt, auf dem Rückzug, war die Unübersichtlichkeit des Geländes ein Vorteil, selbst die feindlichen Fliegerschwärme am Himmel vermochten in der bunten Abwechslung nichts deutlich zu erkennen.

Als Talbot zum Mittagessen zurückkam, das in dem schönen, braun getäfelten Speisezimmer eingenommen wurde, war Iwan noch nicht da und wurde auch nicht vermisst.

Talbot war müde und erschöpft; er erledigte die nötigsten Dinge und wollte sich zu kurzer Ruhe in sein Zimmer zurückziehen; der grosse helle Raum im oberen Stockwerk hatte rot und goldene Tapeten und in der einen Ecke einen prächtigen Marmorkamin; Empiremöbel aus braunem goldgeziertem Holz standen an den Wänden, auf dem mit Seide überzogenen Ruhebett lag ein weisses Eisbärfell. Darauf streckte er sich und zündete sich eine Zigarre an, legte sie wieder weg und war eben im Einschlafen, als an seine Türe geklopft wurde. Doktor Pfeilschmidt kam mit Papieren.

Ich muss mich über den Leutnant Holtzem beschweren, Herr Hauptmann«, sagte er, während Talbot sich aufsetzte und unterschrieb, »ich hatte mich eben in meiner Wohnung im Parterre gegenüber hingelegt, um nach Tisch ein wenig zu schlafen, da bringt er draussen ein Schild an, darauf steht: 'Kantine! Frischer Anstrich!' Alle Augenblicke kam ein Kerl herein, weckte mich und verlangte frisches Bier. Ehe ich dahinter kam, waren schon zehn oder zwölf Landser da gewesen. Ich hatte keinen Rock an, und da wurden sie noch grob!«

»Wann war denn das?« fragte Talbot, wider Willen lachend.

»Jetzt eben«, sagte der Arzt geärgert, »vor einer halben Stunde. Es geht nicht, Herr Hauptmann. Ich bin siebenundvierzig Jahre alt. Die jungen Leute erlauben sich zuviel.«

Talbot schätzte den Doktor Pfeilschmidt. »Ich sehe es ein«, sagte er, »und werde es abstellen. Aber nehmen Sie es nicht zu ernst!«

»Nein, nein«, erwiderte der Doktor einlenkend. »Ich finde es nur unglaublich, dass Offiziere in diesen Zeiten solchen Uebermut treiben können!«

»Eben darum, Doktor. Begreifen Sie das nicht?«

Es war, als hätten die hohen üppigen Räume, in die sie sich plötzlich versetzt sahen, eine eigentümliche Lust entfesselt.

Abends gegen zehn Uhr sass Talbot wieder in seinem Zimmer und schrieb noch, als er aus dem Treppenhaus lautes Geschrei hörte. Einen Augeblick später wurde seine Tür aufgerissen, und Iwan stürzte herein.

»Herr Hauptmann! Herr Hauptmann!« schrie er mit schreckensbleichem Gesicht, »In meinem Zimmer ist ein Gespenst!«

»Schreien Sie doch nicht so, Sie Schaf!« sagte Talbot ärgerlich und ging über den Flur nach Iwans Zimmer. Iwan folgte ihm zitternd. In dem schwachen Licht, das durch die halbgeöffnete Türe und durch das Fenster auf der andern Seite in das schmale Zimmer fiel, sah Talbot neben dem Bett ein menschliches Gerippe mit glühenden Augen stehen. Er drehte das Licht an: was aus den Augen des Skeletts leuchtete, waren die Glühbirnen zweier Taschenlampen; am Rückgrat war eine Batterie befestigt.

»Da sehen Sie Ihr Gespenst an, Sie Hasenfuss! – Gehen Sie zu Bett und schlafen Sie sich aus! Morgen früh kriegen Sie ohnedies noch eine aufs Dach.« Er warf die Türe zu und kehrte in seine Räume zurück.

Er hörte noch Gepolter, da Iwan mit Josefs Hilfe den knöchernen Gast aus seinem Zimmer entfernte. Dann kam Leerodt mit Unterschriften. »Lasst doch den Unfug mit dem Iwan!« sagte Talbot, aber sie hatten sogleich Wichtigeres zu erörtern, ehe der Adjutant ging.

Mitten in der Nacht erwachte Talbot, da er deutlich Klavierspiel hörte: Walzer ..., Tangotöne ..., dazwischen dröhnte ein ferner Schuss. Er wunderte sich, war aber zu müde, weiter darauf zu achten und drehte sich auf dem weichen Kissen des breiten Himmelbettes wohlig um und entschlief wieder.

»Du, Wöbke«, fragte er am andern Morgen, »was war denn heute Nacht für Musik im Haus?«

»Die Herren Leutnants hatten Damens da und haben getanzt.«

»Was denn für Damens?«

Wöbke zuckte die Achseln und grinste.

Als Talbot zum Frühstück hinabging, warf er im Vorbeigehen einen Blick in den Tanzsaal. Auf dem offenen Flügel und auf den Tischen lagen umgestürzte Gläser und standen Sekt- und Kognakflaschen, sowie Platten mit Speiseresten. Geruch von schlechtem Parfüm und kaltem Tabakrauch war in dem Raum, ein roter Schal lag über einem vergoldeten Stuhl, und mitten im Saal stand ein einsamer weisser Damenschuh.

Sein Eintritt in den Speisesaal wurde zunächst kaum bemerkt. Irgendetwas war im Gang. Die jüngeren Offiziere sahen übernächtig aus; Iwan stand, grüngelb im Gesicht, am Tisch.

»Nur immer ran, Dreetz!« schrie Leutnant Koch, »Das müssen Sie aufessen!«

»Los, Cousin!« brüllte ein anderer.

Iwan schüttelte sich und warf flehende Blicke auf Talbot. Dieser sah auf dem Tisch an Iwans Platz ein grosses Einsiedeglas, das mit einer hellen Flüssigkeit gefüllt war und in dem etwas Weissliches schwamm.

»Was ist denn das?« fragte er.

»Das ist der eingeweckte kleine Meunier!« schrie Holtzem.

Der kleine Leutnant von Gartow, der eben erst zum Stabe gekommen war, lachte bis zu Tränen und rief: »Iwan, ein Embüro!«

Jetzt wurde Talbot böse. »Ihr scheint zu glauben, dass Ihr Euch in meiner Gegenwart alles erlauben könnt, Herrschaften!« sagte er, »Dazu ist die Lage zu ernst. Gestern der Blödsinn mit dem Skelett, heute das widerliche Zeug auf dem Frühstückstisch! ... Ausserdem ersuche ich Sie, die Gruppe Latour nicht für ein Puff anzusehen! – Meinen Kaffee möchte ich auf mein Zimmer haben«, sagte er, zur Ordonnanz gewendet. »Sie, Herr von Dreetz, wollen sich in einer Viertelstunde bei mir melden.«

Damit verliess er sporenklirrend das Zimmer und ging die Treppe hinauf.

Im Saal herrschte Schweigen.

Als Iwan eine Viertelstunde später bei Talbot eintrat, stand dieser auf: »Wo waren Sie gestern den ganzen Tag?« fragte er.

»In der Stadt, Herr Hauptmann.«

»Das ist keine Antwort. Wo Sie waren, will ich wissen.«

»In der Bar Hollandaise.«

Talbot schwieg einen Augenblick; dann sagte er: »Abgesehen davon, dass Sie ohne Erlaubnis wegblieben, – schämen Sie sich nicht, sich als Verlobter so aufzuführen? Wenn Ihre Braut es erfährt?«

»Ach!« erwiderte Iwan mit zweideutigem Lächeln, »Wegen der Lily!«

»Was?!«

»Die ist auch nicht so!«

Talbot sah ihn scharf an, und Iwan senkte die Augen. »Für mich sind Sie erledigt, Herr von Dreetz. Nicht, weil Sie sich gestern mit französischen H... herumgetrieben haben, – de gustibus ... – Aber die Bemerkung, die Sie eben gemacht haben, beweist, dass Sie neben Ihrer Dummheit auch eine Dreckseele haben. Ich müsste Sie übrigens jetzt einsperren, – aber es lohnt nicht. – Ich danke Ihnen, Herr von Dreetz.«

Iwan verschwand, und Talbot ging auf und ab. Er hatte Kopfschmerzen.

In den nächsten Tagen drückte Iwan sich, soviel er konnte. Dann aber machte Doktor Pfeilschmidt Talbot eine Mitteilung, die ihn auffahren liess: »Er muss ins Lazarett?! Das sieht ihm ähnlich. Das fehlte noch. Schicken Sie ihn sofort weg! Ich will das hemmungslose Tierchen nicht mehr sehen.«

Am Nachmittag meldete der Adjutant, dass Iwan abgereist sei.

Talbot lächelte. »There is a great spirit gone. Thus did I desire it«, sagte er. »Heute Abend können Sie mir nochmals Ihre Bibel leihen, Gustav.«

Doktor Pfeilschmidt trat ein. »Dies ist das Ende Iwans des Schreckhaften«, wendete der Adjutant sich zu ihm, »ein lehrreiches Beispiel für lasterhafte Jünglinge. Uebrigens ist hier ein neuer Befehl: das Meuniersche Haus ist zu räumen, der Stab übersiedelt in das Schloss von La Cessoie.«

»Also mit dieser kalten Pracht ist's auch zu Ende«, sagte der Doktor.

Als beide wieder gegangen waren, setzte Talbot sich an den Schreibtisch und schrieb einen Brief: »Liebe Tante Daisy: Leider muss ich Dir berichten, dass Iwan, obwohl ich ihn, Deinem Wunsch entsprechend, nie dorthin geschickt habe, wo geschossen wurde, dennoch ins Lazarett musste. Ich kann Dir nicht sagen, auf welchem Felde der Ehre er verwundet wurde, aber es ist nicht schlimm. Für das Eiserne Kreuz Erster kann ich ihn auch nicht eingeben. Es tut mir leid, diesen Wunsch Lilys nicht erfüllen zu können, aber wenn er es vor den Herren bekäme, die länger an der Front sind, würde eine Palastrevolution ausbrechen, und das scheue ich. Ich habe ihn behütet so weit ich konnte. Vor dem Unfall, der ihn traf, konnte ich ihn nicht schützen. Allah wird sich unser aller erbarmen. Mit ... usw.«

Er war kaum mit dem Briefe fertig, als Leutnant Koch aufgeregt ins Zimmer trat und meldete, dass zwei englische Flieger abgeschossen und unverwundet eingebracht wären; die Division habe angeklingelt, Talbot möge sie verhören.

Einige Minuten später hallten schwere Schritte im Treppenhaus; zwei Infanteristen mit umgehängten Gewehren, den Stahlhelm auf dem Kopf, führten die Gefangenen herein. »Captain Maughan, Royal Airforce«, stellte sich der eine, ein grosser blonder Mann von dreissig Jahren vor; der andere, der kleiner und jünger war, sagte leise: »Leutnant Burns«. Beide waren von Kopf bis zu Fuss in weiches Leder gekleidet, ohne Schuhe, und hinkten schmerzhaft von dem halbstündigen Wege, den sie von der Stelle, an der sie niedergegangen waren, zum Hause des Doktor Meunier hatten zurücklegen müssen.

Talbot liess Wein und Zigaretten bringen und wendete sich mit einer zwangslosen Frage an den jüngeren dunkelhaarigen Leutnant, der in ebenso leisem Ton wie vorher bedauerte, jede Aussage verweigern zu müssen. Talbot liess ihn in ein anderes Zimmer führen.

Sowie die Ordonnanz das Tablett auf den Tisch gestellt und Talbot eingeschenkt hatte, warf Captain Maughan sich sehr ungeniert in einen Plüschsessel, schlug die Beine übereinander, stürzte ein paar Gläser hinab und begann zu rauchen. »Wohin werden wir kommen?« fragte er, »In welches Lager, meine ich?«

»Vermutlich in eines, auf das Ihre Kameraden Bomben abwerfen.«

»Nun, das wird nicht mehr lange dauern.«

»Warum? Habt Ihr genug?«

»Nein, Ihr! – Ehe vier Wochen um sind, wird Euer Kaiser abdanken, und Ihr werdet Revolution haben. Sie können es mir glauben, Commandeur«, fuhr er fort, da Talbot ironisch lächelte, »es ist aus. Ihr werdet alle kaputt gehen, wie die russische Aristokratie.«

»Die habt Ihr auf dem Gewissen.«

»Mag sein. Oder mag auch nicht sein. Ich bedaure, Ihnen so schlechte Nachrichten geben zu müssen. – Himmel, habt Ihr schwarzes Brot!« Der Koch hatte belegte Brötchen vor ihn gestellt.

»Sie werden sich daran gewöhnen«, sagte Talbot. »Zu welcher Division gehören Sie übrigens?«

»Darüber wollen wir nicht sprechen, alter Junge«, sagte der Engländer lächelnd. »Ueber alles, was Sie wollen, nur nicht über die Royal Army.«

Und er begann sogleich von den politischen Ereignissen der letzten Zeit, der Note Wilsons und anderem zu sprechen. Da brach Talbot die Unterredung kurz ab und liess beide Gefangene in einem Automobil nach Lille zur Division bringen.

Aber die unbeirrbare, bei aller Höflichkeit der Form, höhnische Zuversicht des Engländers hatte auf ihn, sowohl als auf die Offiziere, die dem Gespräch hatten folgen können, einen gewissen Eindruck gemacht und versetzte alle in eine Erregung, die den ganzen Abend nachhallte.


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