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Fünftes Kapitel.

Schreckliche Fehde, die sich in dem Wirthshause erhob, wo die Gesellschaft speiste, nebst den blutigen Folgen, die sie für Herrn Adams hatte.


Sobald die Passagiere abgestiegen waren, begab sich Herr Adams, wie er zu thun pflegte, direct in die Küche, wo er Joseph am Feuer sitzend, und die Wirthin beschäftigt fand, dessen Bein zu salben, denn das Pferd, das Herr Adams von seinem Küster geliehen, hatte einen solchen Hang zum Niederknieen, daß man hätte glauben sollen, dieses liege in seinem Beruf, wie in dem seines Besitzers; doch ließ es sich nie eine solche Absicht vorher merken, es lag oft auf den Knieen, wenn der Reiter es am wenigsten vorhersehen konnte. Dieses war jedoch für den Pfarrer, der daran gewöhnt war, weniger beschwerlich; und da seine Beine fast den Boden berührten, wenn er auf dem Thier saß, so hatte er keine große Strecke zu fallen, und warf sich bei solchen Gelegenheiten immer mit so großer Gewandtheit vorwärts, daß er nie in Schaden gerieth, und wenn er sammt dem Pferde mehrere Schritte fortgerollt war, standen beide ruhig wieder auf, und waren so gute Freunde wie zuvor.

Der arme Joseph, der noch nie mit einem solchen Geschöpf zu thun gehabt, kam nicht so gut davon, obgleich er ein vortrefflicher Reiter war, sondern erhielt, da er mit dem Bein unter das Thier fiel, eine starke Quetschung, auf welche die gute Frau, wie wir bereits berichteten, eine warme Hand mit einigem Kampferspiritus gerade zu der Zeit, als Adams in die Küche trat, applicirte.

Kaum hatte er Joseph sein Beileid bezeigt, als der Wirth ebenfalls eintrat. Dieser, an unterwürfiger Sinnesart dem Herrn Towwouse nichts weniger als ähnlich, war wirklich vollkommner Herr in seinem Hause und alles dessen, was dieses enthielt, seine Gäste etwa ausgeschlossen.

Dieser sauertöpfische Mensch, der seine Achtung jederzeit dem äußern Ansehen der Reisenden entsprechen ließ, von seinem: »Gott segne Euer Gnaden!« an bis zu dem: »Gleich, ich komme schon!« sah seine Frau kaum mit einem Bedienten beschäftigt, als er, ohne die mindeste Rücksicht auf dessen Umstände, ausrief: »Was zum Henker hat das Weib da vor? Weßhalb siehst Du nicht lieber nach den Passagieren? Geh und frage sie, was sie zu essen haben wollen.« – »Mein Schatz,« erwiederte sie, »Du weißt, sie können nichts bekommen, als was schon am Feuer steht, und das wird gleich fertig sein; sieh doch nur, wie des armen jungen Menschen Bein geschwollen ist.« – Bei diesen Worten rieb sie noch heftiger als zuvor; da aber die Klingel jetzt läutete, so hieß der Wirth mit einem Fluche die Frau sich zu den Gästen scheren, und nicht den ganzen Tag des jungen Burschen Bein reiben, denn es scheine ihm nicht so schlimm damit zu sein, als er vorgeben möge, und wenn auch, auf vier Meilen in der Runde werde sich wohl ein Wundarzt finden, der es abschneiden könne. Als Adams diese Worte vernahm, lief er ein paarmal auf und ab, schnippte mit den Fingern über seinem Kopfe, und murrte laut, einen solchen unbarmherzigen Menschen könne er ohne Bedenken vom Abendmahl ausschließen, denn der Teufel selbst, glaube er, müsse menschlicher gesinnt sein. Diese Aeußerungen leiteten ein Zwiegespräch zwischen Adams und dem Wirthe ein, worin zwei oder drei scharfe Repliken vorkamen, in Folge deren Joseph sich bewogen fand, dem Wirth zu sagen, er solle sich gegen Leute, die mehr werth seien als er, besser aufführen lernen. Hierauf gerieth der Wirth, nachdem er erst den Pfarrer spöttisch gemustert, und die Worte »mehr werth« höhnisch wiederholt hatte, in eine solche Wuth, daß er an Joseph, mit der Betheuerung, so gut derselbe ins Haus gekommen sei, könne er sich auch wieder daraus fortpacken, gewaltsame Hände legen wollte. Kaum bemerkte Adams diese Absicht, als er ihm einen so kräftigen Hieb mit der Faust ins Gesicht beibrachte, daß das Blut aus seiner Nase strömte. Der Wirth wollte sich an Höflichkeit nicht überbieten lassen, besonders von einem Menschen von Adams äußerem Ansehen, und erwiederte das Compliment mit so großem Erfolg, daß des Pfarrers Nasenlöcher etwas röther auszusehen begannen, als gewöhnlich, worauf er seinen Gegner nochmals angriff, und ihn mit einem andern Hiebe zu Boden streckte. Die Wirthin, ein besseres Weib, als solch ein Brummbär vom Mann verdiente, eilte jetzt, da sie ihre Ehehälfte so zugerichtet sah, zu seinem Beistand herbei, oder vielmehr um den Hieb zu rächen, allem Anscheine nach dem letzten, den er je erhalten würde, doch unglücklicher Weise gerieth ihr zuerst eine auf dem Heerde stehende Pfanne voll Schweinsblut in die Hand. Diese ergriff sie in ihrer blinden Wuth, und schleuderte den Inhalt mit so sicherm Ziel auf den Pfarrer, daß der größere Theil sein Gesicht traf, und sich in so breitem Strom seinen Bart hinab und über alle seine Kleider ergoß, daß ein schrecklicheres Schauspiel sich kaum sehen oder auch nur denken läßt. Grade in diesem kritischen Moment trat Mistreß Slipslop in die Küche, und flog, nicht gelassenen und geduldigen Temperaments genug, bei dieser Gelegenheit erst viel zu fragen, der Wirthin äußerst ungestüm an die Mütze, welche sie ihr, nebst einigen ihrer Haare, vom Kopfe riß; auch ihr fast gleichzeitig mehrere gut angebrachte Ohrfeigen in das Gesicht versetzte, worin sie eine besondere Fertigkeit durch lange Uebung in ihrem Aufseheramte über das Gesinde erlangt haben mochte. Der arme Joseph konnte kaum vom Stuhle aufstehen; der Pfarrer hatte genug damit zu thun, sich das Blut aus den halb verklebten Augen zu wischen, und der Wirth kam eben wieder zur Besinnung, indeß die Slipslop, mit ihrer Linken der Wirthin Kopf darnieder haltend, von der Rechten einen so geschickten Gebrauch machte, daß das arme Weib in ein Gebrüll ausbrach, wodurch Alles im ganzen Hause in Aufruhr gerieth.

Es befanden sich zu dieser Zeit in dem Wirthshause außer den in der Landkutsche angekommenen Frauenzimmern auch noch die beiden Herren, die bei Towwouse gegenwärtig gewesen waren, als Joseph während des Pferdefütterns zurückgehalten wurde, und die später, wie wir berichteten, mit Adams in dem Bierhause verweilten. Ferner war noch ein Herr da, der eben von seiner Reise nach Italien zurückkehrte; diese Alle eilten auf das fürchterliche Mordgeschrei in die Küche, wo sich ihnen die kämpfenden Parteien in den eben geschilderten Stellungen darboten.

Es war jetzt ein Leichtes, dem Kampfe ein Ende zu machen, da die Sieger sich mit der genommenen Rache begnügten, und die Besiegten nicht gar viel Lust bezeigten, das Treffen zu erneuern. Die Hauptfigur, die Aller Augen auf sich zog, war Adams, über und über vom Blut triefend, welches die Zuschauer für sein eigenes hielten, und daher glauben mußten, er könne schwerlich dieser Welt mehr angehören; doch der Wirth, der sich jetzt wieder erholt, und vom Boden erhoben hatte, benahm ihnen bald diese Besorgniß, indem er auf seine Frau schimpfte, daß sie das zu Würsten bestimmte Schweineblut vergossen, und sagte, Alles würde ganz gut abgelaufen sein, wenn sie sich nicht ihrer verwünschten Manier nach in die Sachen eingemischt hätte, wozu er noch die Versicherung fügte, es freue ihn sehr, daß das fremde Frauenzimmer sie dafür abgestraft habe, obgleich sie wohl doppelt so viel verdient hätte. Das arme Weib war wirklich am schlechtesten davongekommen, da sie außer den Ohrfeigen, die sie erhalten, auch noch ein hübsches Bündel Haare verloren hatte, welches Mistreß Slipslop triumphirend in ihrer Linken hielt.

Der aus Italien kommende Reisende wendete sich an Miß Graveairs mit der Bemerkung, das habe alles nichts zu bedeuten; es sei nur ein kleines Faustboxen, woran die Engländer zu ihrer disgracia gewohnt seien, ihm dagegen, der eben aus Italien komme, könne die Scene wohl wieder etwas Neues sein, denn die Italiener, sagte er, sind nicht zu dem cuffando sondern zu der bastonza geneigt. Hierauf schritt er auf Adams zu, und bat ihn, indem er ihn mit Othello's Geist verglich, seine blutigen Locken nicht gegen ihn zu schütteln, denn dieser könne nicht behaupten, er habe es gethan. Adams antwortete sehr unbefangen: »Sir, ich bin weit entfernt, Sie zu beschuldigen.« – Jetzt wandte sich der Fremde wieder zu der Dame und rief: »Der blutige Herr, finde ich, ist uno insipido del nullo senso. Damnata di me, wenn mir auf meinem ganzen Wege von Viterbo aus ein solches spettacolo vorgekommen ist!« – Nachdem einer der beiden Rechtsgelehrten vom Wirth die Veranlassung dieses Streites vernommen, und die Zusicherung erhalten hatte, Adams habe zuerst losgeschlagen, flüsterte er Jenem zu: er stehe ihm dafür, er könne sich erholen. – »Mich erholen, Herr,« erwiederte der Wirth lächelnd, »ja, ja, ich fürchte nicht, von einem oder zwei Hieben gleich zu sterben; solch ein zartes Hühnchen bin ich aber nicht.« – »Ei was« sagte jener, »ich meine, an Ihres Gegners Geldbeutel können Sie sich erholen, wenn Sie eine Klage anbringen, was Sie doch unstreitig thun werden; denn Sie scheinen mir ein zu verständiger und resoluter Mann zu sein, als daß Sie Mißhandlungen von irgend Jemanden erdulden, ohne ihn gesetzlich zur Rechenschaft zu ziehen. Was müßte das nicht für ein elender Mensch sein, der eine Tracht Schläge ruhig einsteckte, da das Gesetz ihm doch Hülfe darbietet. – Ueberdem hat er Sie blutig geschlagen, und Ihre Kleider verdorben, und das Geschwornengericht wird Ihnen dafür schon Entschädigung zuerkennen. – Ein scharmanter neuer Rock, auf Ehre und jetzt keinen Schilling mehr werth! Ich mische mich übrigens nicht gern in solche Händel, aber Sie haben ein Recht auf mein Zeugniß, und wenn mir der Eid abgenommen wird, so muß ich wohl die Wahrheit sagen. Mit meinen eigenen Augen habe ich Sie zu Boden gestreckt, und aus Ihrer Nase das Blut strömen sehen. Sie mögen nach Ihrem eigenen Ermessen handeln, aber wäre ich an Ihrer Stelle, jeder meiner Blutstropfen müßte mir eine Unze Gold in die Tasche bringen. Wohl gemerkt, ich rathe Ihnen nicht zu prozessiren, aber wenn die Geschworenen Christenmenschen sind, so müssen sie Ihnen einen bedeutenden Schadenersatz zuerkennen; das ist meine Ansicht.« – »Herr,« rief der Wirth, und kratzte sich hinter den Ohren, »ich habe keine Lust zum Prozessiren, so viel weiß ich. – Wir haben es satt in unserm Kirchspiel, seitdem ein paar meiner Nachbarn um ein Haus stritten, bis sie sich beide ins Gefängnis prozessirt hatten.« – Bei diesen Worten kehrte er sich um, und fragte von Neuem, was nun aus den Würsten werden solle? Auch würde seine Frau sich wahrscheinlich vergebens damit entschuldigt haben, daß sie das Schweineblut zu seiner Vertheidigung vergossen, wenn nicht einige Rücksicht für die Gesellschaft, besonders für den italienischen Reisenden, der sich ein Ansehen von Wichtigkeit zu geben wußte, seinen Grimm bezähmt hätte.

Während der eine der beiden Rechtsgelehrten so rege Theilnahme, wie wir gesehen haben, für den Wirth darlegte, zeigte sich der andere nicht minder für Herrn Adams geschäftig, und rieth ihm, sogleich seine Klage anzubringen. Er sagte, der Angriff eines Weibes werde den Gesetzen nach wie der ihres Mannes gebüßt, indem beide für eine Person gälten; und da sich hier blutdürstige Gesinnungen so augenscheinlich offenbart hätten, könne die Entschädigung nicht anders als sehr reichlich ausfallen. Adams erwiederte, wenn Mann und Weib nur als eine Person betrachtet würden, so habe er selbst letzteres zuerst angegriffen, denn er müsse leider gestehen, daß von seiner Seite der erste Hieb gefallen sei. – »Daß Sie das gestehen, dazu möchte ich auch ›leider‹ sagen,« rief Jener, »denn es kann vor dem Gerichtshofe nicht leicht bewiesen werden, es war ja weiter kein Zeuge dabei, als der lahme Mann der da im Armstuhl sitzt, und da dieser Ihr Freund zu sein scheint, so würde er wohl nichts aussagen, was nicht zu Ihrem Vortheile wäre.« – »Wie Herr,« entgegnete Adams, »halten Sie mich für einen Bösewicht, der bei kaltem Blut seine Rache verfolgen würde, und noch dazu auf einem Wege, der sich nicht rechtfertigen ließe? Kennten Sie mich und meinen Stand, so würde ich glauben, Sie wollten beide beleidigen.« – Bei dem Wort »Stand« stutzte der Herr (denn Adams triefte zu sehr von Blut, als daß sich das Zeichen irgend eines Standes entdecken ließ) und sagte, indem er sich schnell entfernte: »Jeder muß selbst wissen, was er zu thun hat.« –

Als alles auf diese Weise beigelegt war, begab sich die Gesellschaft auf ihre verschiedenen Zimmer. Die beiden Rechtsgelehrten wünschten sich gegenseitig Glück zu dem Erfolg ihrer Bemühungen, eine vollkommene Versöhnung zwischen den Parteien bewirkt zu haben, und der italienische Reisende setzte sich mit den Worten zu Tisch, wie der italienische Dichter sagte:

Je voi very well, que tuta e pace
Nun so schick's Essen, guter Boniface!

Der Postillon, der die Landkutsche fuhr, hatte zur Zeit der Abfahrt seine liebe Noth mit den Passagieren, indem Miß Graveairs, gegen die Vorstellungen aller übrigen, darauf bestand, keinen Lakeien in den Wagen zuzulassen, denn der arme Joseph hatte noch zu viel Schmerzen am Bein, um das Pferd wieder besteigen zu können. Eine junge Mitreisende, welche, wie man uns versichert, eines Grafen Enkelin war, bat die Widerspenstige fast mit Thränen in den Augen; Herr Adams ermahnte, Mistreß Slipslop zankte, aber alles umsonst, Miß Graveairs sagte: sie könne sich nicht so erniedrigen, mit einem Lakeien zu fahren; es seien ja Frachtwagen genug auf der Straße, wenn der Postmeister es verlange, so wolle sie für zwei Plätze bezahlen, aber sie könne einen solchen Menschen durchaus nicht in den Wagen lassen. – »Madame,« erwiederte die Slipslop, »ich weiß bestimmt, kein Mensch darf einem andern den Eintritt in eine Landkutsche verwehren.« – »Wohl möglich, Madame,« erwiederte die Andere, »ich weiß nicht viel, wie es in Landkutschen hergeht; ich reise selten auf diese Art.« – »Kann sein, Madame,« entgegnete die Slipslop, »sehr anständige Leute reisen so, Leute, die ein Bischen mehr werth sind, als gewisse Leute, das kann ich sagen.« – Miß Graveairs bemerkte dagegen: gewisse Menschen ließen bisweilen gegen gewisse Personen, denen sie nicht das Wasser zu reichen werth wären, unschicklich genug ihrer Zunge den Zügel zu sehr schießen; sie ihrerseits sei nicht gewohnt, sich mit Dienstboten abzugeben. – Die Slipslop versetzte hierauf: gewisse Leute hielten keine Dienstboten, mit denen sie sich abgeben könnten; sie ihrestheils sage dem Himmel Dank, daß sie in einem Hause lebe, wo es ihrer eine Menge gebe, und sie habe deren mehr unter ihrem eigenen Befehl, als irgend eine unbedeutende hungrige Bürgersfrau im ganzen Königreich.« – Miß Graveairs schrie, sie glaube nicht, daß der Madame Herrschaft eine solche Impertinenz gegen Vornehmere gut heißen werde. – »Vornehmere!« versetzte die Slipslop, »wer sind die Vornehmeren, wenn ich fragen darf?« – » Ich bin vornehmer,« antwortete Jene, »und ich werde mich bei Ihrer Herrschaft über Sie beklagen« – worauf die Slipslop laut auflachte, und erwiederte: ihre Herrschaft sei eine Dame von zu hohem Range, und solche armselige Bürgersweiber, wie gewisse Leute, die in Landkutschen reisten, würden nicht so leicht Zutritt bei ihr finden. Dieser pikante Dialog zwischen »gewissen Leuten« und »gewissen Personen« fand an der Kutschenthüre statt, als ein Mann, der sich ein Ansehen von Wichtigkeit zu geben wußte, vor das Wirthshaus geritten kam, und als er Miß Graveairs erblickte, sie sogleich mit einem: »Wie geht's liebes Kind?« anredete. – »O wie freu' ich mich, Papa,« antwortete sie, »daß Sie mich eingeholt haben.« – »Mir ist's auch lieb,« versetzte Jener, »denn eine von unsern Kutschen wird bald hier sein, und da für Dich noch Platz ist, so kannst Du einsteigen, wenn Du sonst willst.« – »Wie sollte ich nicht wollen?« rief sie; und indem sie der Slipslop anheimstellte, jetzt mit dem Lakeien zu fahren, wenn es ihr beliebte, reichte sie ihrem Vater, der nun abgestiegen war, die Hand, und ging mit ihm in ein Zimmer.

Adams fragte sofort bei Seite den Postillon, ob er etwa den Herrn kenne? dieser erwiederte, er möge jetzt wohl ein Herr heißen, denn er halte seine Pferde und Leute, aber die Zeiten hätten sich geändert. »Ich weiß noch,« fügte er hinzu, »daß der Mensch früher nichts Besseres war als ich.« – »Wie so?« fragte Adams. – »Mein Vater,« versetzte der Postillon, »war Kutscher bei dem Gutsbesitzer, dem eben dieser Mann als Jokei diente, doch jetzt ist er dessen Haushofmeister, und spielt den großen Herrn.« – Adams schnippte mit den Fingern und rief, so habe er das Weibsbild gleich beurtheilt.

Nun eilte er, der Slipslop die, wie er glaubte, ihr erfreuliche Kunde mitzuteilen, fand aber damit eine andere als die erwartete Aufnahme. Die kluge Zofe, die der Miß Graveairs Zorn verachtet hatte, so lange diese für die Tochter eines Mannes von geringem Vermögen galt, begann jetzt, da sie deren Verhältniß zu einer in der Nähe ihrer Herrschaft wohnenden angesehenen Familie erfuhr, deren etwaigen Einfluß bei ihrer Gebieterin zu fürchten. Sie wünschte, den Zank nicht so weit getrieben zu haben und sann schon darauf, sich mit der jungen Dame, noch bevor diese das Wirthshaus verlasse, wieder auszusöhnen, als ihr zum Glück der von dem Leser wohl noch nicht vergessene Auftritt in London einfiel, und sie mit solcher Zuversicht erfüllte, daß sie nicht länger irgend einen Feind scheute, der sie bei ihrer Gebieterin anschwärzen könne.

Da jetzt alles zur Abfahrt bereit war, stieg die Gesellschaft in den Wagen ein, und eben sollte abgefahren werden, als eine Dame sich erinnerte, ihren Fächer, eine zweite, ihre Handschuh, eine dritte, ihre Schnupftabacksdose, und eine vierte, ihr Riechfläschchen vergessen zu haben, was denn eine abermalige Verzögerung, und mehrere Flüche von Seiten des Postillons zur Folge hatte. Sobald die Kutsche endlich im Gange war, begannen die Frauenzimmer einmüthig, sich in Schmähreden gegen Miß Graveairs zu ergehen. Eine erklärte, sie habe diese gleich vom Anfang der Reise an für eine gemeine Creatur gehalten; eine andere behauptete, sie habe durchaus nichts von dem Benehmen einer anständigen Dame an sich; eine dritte versicherte, sie sei ihr gleich verdächtig vorgekommen und sagte, zu der Erzählerin der Geschichte von Horatio und Leonoren sich wendend: »Hat man je etwas so Albernes gehört, als die Bemerkungen, die sie einwarf? Der Himmel bewahre uns doch vor der Tadelsucht solcher Tugendheldinnen!« – Die vierte fügte hinzu: »o Madame, tadelsüchtig sind alle Creaturen solchen Schlages; ich meines Theils möchte nur wissen, wo die Unglückliche erzogen worden ist. Ich selbst habe nie mit schlecht erzogenen Menschen Umgang gehabt, so daß mir ihre Gesellschaft auch grade nicht angenehm sein kann, aber dem allgemeinen Wunsch aller Reisegefährten zu widerstreben, ist so unschicklich, daß ich's kaum glauben würde, wenn ich's nicht mit meinen eigenen Ohren angehört hätte.« – »Ja, und noch dazu ein so schöner junger Mensch,« rief die Slipslop; »das Geschöpf muß gar nicht wissen, was Mitleid ist; eine Türkin mag sie sein, aber keine Christin; hätte sie nur etwas Blut von einer Christin in ihren Adern, der Anblick eines solchen jungen Burschen müßte es doch gewiß erwärmt haben. Ich gebe zu, man findet mitunter elende kümmerliche alte Objecte, die man nicht ohne Ekel ansehen kann; hätte sie sich geweigert, mit einem solchen Gesellen zu fahren, so sollte es mich nicht wundern; nein, da nehme ich's wohl eben so genau, und frage eben so wenig nach der Gesellschaft solcher stinkenden alten Burschen; aber, erheben Sie Ihr Haupt, Joseph, Sie sind keiner von diesen; und die keine Compulsion für Sie hat, ist eine Myhometanerin, das will ich vor Jedem behaupten.« – Diese Unterhaltung war Joseph aber so unangenehm, als den Frauenzimmern, welche die Stimmung der Mistreß Slipslop wohl zu würdigen wußten (sie hatte wirklich ein Gläschen zu viel geleert) und die Folgen zu fürchten begannen; eine derselben bat daher die Erzählerin, ihre Geschichte zu beendigen: »Ach ja, Madame,« sagte die Slipslop, »ich bitte recht sehr, uns doch die Inklination von der Geschichte, die Sie heut morgen anfingen, mitzutheilen;« – welcher Bitte die gefällige Dame sofort entsprach.


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