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Ein höchst denkwürdiges Abenteuer, bei welchem Herr Adams einen viel größern Beweis von der ehrlichen Einfalt seines Herzens, als von seiner Weltkenntniß ablegte.
Unsere Wanderer mochten eine gute Stunde von der Schenke entfernt sein, welche sie, wegen der Schwierigkeit, daraus zu entkommen, mehr Grund gehabt hätten, für eine feste Burg zu halten, als Don Quixote irgend eine der Kneipen, in denen er übernachtete – da kamen sie durch ein Dorf, und sahen an einem Hause ein gastlich einladendes Zeichen. Vor der Thüre saß ein Herr, der sein Pfeifchen schon rauchte, und Herrn Adams die Frage nach dem Wege so gefällig und artig und mit einer so freundlichen Mine beantwortete, daß der gute Pfarrer, dessen Herz von Natur zur Hingebung und Mittheilung geneigt war, mehrere andre Fragen zu stellen begann; namentlich nach dem Namen des Dorfs, und wie der Besitzer eines großen Hauses heiße, dessen Vorderseite sie grade vor sich hatten. Der Herr antwortete eben so freundlich als zuvor, und sagte, das Haus sei sein eigenes. Hierauf fuhr er folgendermaßen fort: »Ihrem Anzuge nach, Sir, hatte ich Sie für einen Geistlichen, und da Sie zu Fuß reisen, so denke ich, ein Glas gutes Bier wird Ihnen nicht unangenehm sein; ich kann das des Wirthes hier als eins der besten weit und breit empfehlen. – Nun, was meinen Sie, wollen Sie sich ein wenig ausruhen, und ein Pfeifchen mit mir rauchen? Ohne Ruhm zu melden, bessern Taback werden Sie im ganzen Königreich nicht finden.« – Dieser Vorschlag war Herrn Adams keineswegs unangenehm, indem er an jenem Tage seinen Durst noch mit keinem bessern Getränke gestillt, als das Mistreß Trulliber aus dem Keller gebracht hatte, und das in der That so wohl an Feuer als an Geschmack wenig jenem vorzuziehen war, welches den durch ihren edlen Gatten den Schweinen bestimmten Körnern entträufelte. Unter herzlichstem Dank für des Herrn gütige Einladung trat Herr Adams daher mit Joseph und Fanny in das Bierhaus, und nachdem ihnen ein großes Brot und Käse nebst Bier vorgesetzt worden, welches letzter vollkommen dem ertheilten Lobe entsprach, fielen sie mit einem Appetit darüber her, dessen gleichen man in den vornehmsten Speisehäusern in dem Bezirk von St. James wohl vergeblich suchen dürfte.
Der Herr zeigte sich über des Pfarrers herzliches und heiteres Benehmen sehr vergnügt, besonders aber schien ihm die Vertraulichkeit zu gefallen, womit dieser sich mit Joseph und Fanny unterhielt, die er seine Kinder – wohlverstanden setzte er hinzu, seine Beichtkinder – nannte, indem er sagte: er betrachte sich als den Vater aller Derer, die Gott seiner Seelsorge übergeben habe. Hier schüttelte der Herr, diese Gesinnungen höchlich lobend, ihm die Hand. »Dies sind,« sagte er, »die wahren Grundsätze eines christlichen Lehrers, und ich wünschte von Herzen, sie wären allgemein; aber leider, da ist gleich unser Pastor hier, der sieht wahrlich seine armen Pfarrkinder nicht für einen Theil seiner Familie, ja nicht einmal, wie es scheint, für Geschöpfe gleicher Gattung mit sich selbst an. Er spricht selten mit Jemandem, außer mit einigen wenigen der reichsten von uns; vor den übrigen greift er nicht einmal an den Hut. Oft muß ich lachen, wenn ich ihn Sonntags wie einen Truthahn durch die Reihen seiner Pfarrkinder über den Kirchhof stolziren sehe; sie verbeugen sich vor ihm mit so tiefer Demuth, und werden so wenig von ihm der geringsten Aufmerksamkeit gewürdigt, als nur irgend eine Schaar kriechender Hofleute vor dem mächtigsten Potentaten der Christenheit. Ist aber ein solcher Stolz auf weltliche Macht lächerlich, so ist der geistliche Hochmuth doppelt hassens- und verabscheuenswerth, und reizt eine solche leere aufgeschwollene menschliche Blase, wenn sie in fürstlicher Pracht auftritt, uns mit Recht zum Spotte, so verdient sie gewißlich, mit priesterlichem Gewand angethan, unsern bittersten Hohn.« –
»Sie haben ohne Zweifel vollkommen Recht,« antwortete Adams, »doch ich hoffe, solche Beispiele sind nur selten. Die Geistlichen, die zu kennen ich die Ehre habe, benehmen sich nicht so, und Sie werden mir zugeben, Sir, daß die Bereitwilligkeit, welche nur zu viele von dem nicht geistlichen Stande zeigen, den unsrigen zu verachten, auch mit ein Grund sein mag, weßhalb dieser zu viel Demuth darzulegen vermeidet.« – »Sehr wahr,« sagte der Herr; »ich finde, Sir, daß Sie ein Mann von trefflichem Verstande sind, und fühle mich glücklich, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben; vielleicht dürfte unser zufälliges Zusammentreffen auf Ihnen keinen Nachtheil bringen. Für jetzt nur so viel: der Pfarrer hier ist ein alter gebrechlicher Mann, und ich habe die Pfründe zu vergeben. Herr schlagen Sie ein, kein Anderer soll die Stelle haben, als Sie.« – Adams antwortete: so beschämt sei er in seinem ganzen Leben nicht gewesen, als über seine gänzliche Unfähigkeit, so großen unverdienten Edelmuth gehörig zu erwiedern. – »O eine Kleinigkeit, Sir,« rief Jener, »kaum Ihrer Annahme werth; etwas über dreihundert Pfund jährlich; ich wünschte Ihnen zu Liebe, es wäre noch einmal so viel.« – Adams verbeugte sich, und die Dankbarkeit lockte ihm Thränen in die Augen, da fragte ihn der Andere, ob er verheirathet sei, und Kinder habe, außer in dem geistlichen Sinne, worin er vorhin das Wort gebraucht. – »Sir,« versetzte Adams, »ich habe eine Frau und sechs Kinder, Ihnen zu dienen.« – »Das ist fatal,« sprach der Herr, »ich hätte Sie sonst als Hauskaplan zu mir genommen; doch ich habe noch ein anderes Haus in Dorf (denn das Pfarrhaus ist ohnedem nicht gut genug), das ich für Sie einrichten lassen will. Um Vergebung, versteht Ihre Frau eine Milchkammer zu bewirthschaften?« – »Sie hat bisher keine Gelegenheit dazu gehabt,« antwortete Adams. – »Das thut mir leid,« fuhr Jener fort, »ich hätte Ihnen sonst ein halbes Dutzend Kühe und schöne Wiesen dazu gegeben.« – »Sir,« rief Adams in einem Ausbruch des Entzückens, »Sie sind zu freigebig, zu großmüthig!« – »O nicht doch,« unterbrach ihn der Herr; »den Reichthum schätze ich nur insofern, als er mir die Mittel darbietet, Gutes zu thun; und ich habe in meinem Leben keinen Menschen gesehen, dem ich lieber nützlich sein möchte, als Ihnen;« wobei er dem Pfarrer abermals herzlich die Hand schüttelte und hinzufügte, er habe in seinem Hause Platz genug, ihn und die jungen Leute da zu bewirthen. Adams bat ihn, sich ihretwegen keine Umstände zu machen, indem es ja in dem Wirthshause gut genug für sie sei, vergaß aber, daß sie kein sechs Pencestück im Vermögen hatten. Der Herr wollte sich jedoch nicht abweisen lassen, und als er vernahm, wie weit sie noch zu wandern hätten, sagte er, es sei zu Fuß eine zu lange Tagereise, und er müsse darauf bestehen, daß sie seine Equipage annähmen, wobei er hinzusetzte, wenn sie ihn mit dem Vergnügen ihrer Gesellschaft nur auf zwei Tage erfreuen wollten, so könne er ihnen seinen Wagen mit Sechsen vorspannen lassen. Adams wendete sich zu Joseph mit den Worten: »Wie glücklich für Sie ist dieses Herrn Großmuth, da ich fürchtete, Sie würden mit Ihrem lahmen Bein kaum die Reise zurücklegen können;« – und hierauf rief er unter vielen Verbeugungen dem mit Versprechungen so freigebigen Unbekannten entgegen: »Gesegnet sei die Stunde, die mich mit einem so mildthätigen Mann bekannt machte, mit einem Christen aus den Zeiten der ersten Kirche, dem Stolz und der Ehre des Landes, worin er lebt. Mit Freuden hätte ich eine Pilgrimschaft in das gelobte Land angetreten, um Sie zu sehen; denn der Nutzen, den uns Ihre Güte verspricht, macht mir in Vergleich mit der Freude, die ich um Ihrer selbst willen bei dem Gedanken empfinden, welche unvergänglichen Schätze Sie auf diese Weise sich in jener Welt sammeln, nur wenig Vergnügen. Wir nehmen daher, höchst großmüthiger Mann, Ihr gütiges Erbieten an, sowohl was die Bewirthung, die Sie uns für heute Abend in Ihrem Hause wollen angedeihen lassen, als was die weitere Beförderung durch Ihre Equipage morgen früh betrifft.« – Hier begann er nach seinem Hut zu suchen; ein Gleiches that Joseph, und beide, so wie Fanny waren bereit, den großmüthigen Gönner zu begleiten, als dieser plötzlich stillstand, und nachdem er etwa eine Minute lang sich besonnen, ausrief: »Das ist aber doch verdrießlich; ich vergaß, daß meine Haushälterin heute über Land gegangen ist, und die Schlüssel zu allen meinen Zimmern mitgenommen hat. Ich würde die Thüren aufbrechen lassen, aber dann könnte ich Ihnen doch kein Bett anbieten, denn sie hat auch alles Leinenzeug verschlossen. Es ist mir nur lieb, daß ich noch daran dachte, bevor ich Sie zu mir bemüht habe; überdem, glaube ich, werden Sie sich hier im Wirthshause besser befinden, als Sie vielleicht erwarteten. He Wirth, könnt Ihr diesen Leuten gute Betten geben?« – »»Ja wohl, Euer Gestrengen zu dienen,« schrie der Wirth, »und zwar so gute Betten, daß kein Lord oder Friedensrichter im Königreich sich schämen dürfte, darin zu schlafen.« – »Es thut mir herzlich leid,« sagte der Fremde, »dies zugeben zu müssen; aber die Haushälterin soll mir auch nie wieder die Schlüssel mitnehmen.« – »O, Sir, machen Sie sich keine Unruhe darüber,« versetzte Adams, »wir werden uns hier schon behelfen; und wenn Sie uns morgen Ihre Equipage leihen wollen, so ist dies eine Gefälligkeit, für die wir nicht dankbar genug sein können.« – »Ja,« erwiederte Jener, »die Equipage soll hier bereit stehen, zu welcher Stunde morgen früh Sie wollen.« – Und nun schied er von ihnen nach vielen Höflichkeitsbezeugungen, mit deren Aufzählung wir unsern Leser nicht behelligen wollen, nach vielen Händedrücken und gegenseitigen freundlichen Blicken und Lächeln mit der Zusage, punkt sieben Uhr am nächsten Morgen würden die Pferde zu ihrem Befehl bereit stehen. Adams setzte sich mit seinen Gefährten wieder an den Tisch, und als er noch ein Pfeifchen geschmaucht hatte, legte man sich allerseits zur Ruhe.
Der Pfarrer stand sehr frühe auf, und weckte Joseph, mit dem er aber bald in einen lebhaften Streit darüber gerieth, ob Fanny – da der Herr nur Pferde, aber keinen Wagen seiner letzten Aeußerung nach zu schicken angeboten hatte – mit Joseph oder mit dem Diener des fremden Herrn dasselbe Pferd besteigen solle. Joseph behauptete, er sei völlig hergestellt, und so gut wie irgend ein Anderer im Stande, für Fanny Sorge zu tragen; Adams hingegen wollte hiervon nichts hören, und betheuerte, er könne sie ihm nicht anvertrauen, da er noch nicht so weit zu Kräften gelangt sei, als er selbst wohl glauben möge.
Dieser Streit währte schon lange und begann heftig zu werden, als ein Bedienter eintrat und von Seiten ihres gütigen Gönners sie benachrichtigte, dieser sei unglücklicher Weise außer Stande, ihnen die Pferde zu leihen, indem der Kutscher ohne sein Wissen dem ganzen Stalle Arznei verordnet habe.
Diese Nachricht brachte sofort beide streitende Parteien auf andere Gedanken. »Hat man je,« rief Adams, »ein unglücklicheres Geschick gesehen, als das über diesem armen Herrn waltet? Ich bedaure ihn wahrlich mehr um sein selbst, als um unsertwillen. Sie sehen, Joseph, wie dieser gutmüthige Mann von seiner Dienerschaft behandelt wird; die Haushälterin schließt ihm die Wäsche ein, der Kutscher purgirt ihm die Pferde, und ich vermuthe, nach seinem gestrigen Besuch in der Schenke zu schließen, seinen Keller wird man ihm auch verschlossen haben. Gerechter Himmel, wie wird die Gutmüthigkeit doch in dieser Welt gemißbraucht! Ja, ich betheure nochmals, ich bedaure ihn mehr um seinet- als um unsertwillen.« – »Ich nicht,« versetzte Joseph, »zu Fuß zu wandern würde mich im Grunde wenig kümmern, aber was mir Sorge macht, ist wie wir aus diesem Wirthshause wegkommen wollen, wenn uns nicht der Himmel abermals einen Hausirer zuschickt, der uns auslöst. Doch unstreitig ist der fremde Herr Ihnen so gewogen, daß er Ihnen eine viel größere Summe vorstrecken würde, als wir hier schuldig sind, was nicht mehr als vier oder fünf Schilling betragen kann.« – »Ja wohl, mein Sohn,« versetzte Adams, »ich will ihm gleich schreiben, und sogar kühn genug sein, ihn um ein Darlehn von anderthalb Kronenthalern anzusprechen; es kann nicht schaden, wenn wir noch einige Schillinge in der Tasche behalten; denn da wir noch an achtzehn Stunden zu gehen haben, so können wir's vielleicht gebrauchen.«
Da Fanny jetzt ebenfalls aufgestanden war, so stattete ihr Joseph einen Besuch ab und ließ den Pfarrer seinen Brief schreiben, den er dann sogleich durch einen Knaben an den fremden Herrn abschickte. Darauf setzte er sich vor die Thüre, zündete sich ein Pfeifchen an, und überließ sich seinen Betrachtungen.
Da der Knabe länger ausblieb, als nöthig schien, so begann Joseph, der jetzt mit Fanny zu dem Pfarrer zurückgekehrt war, einige Besorgniß auszusprechen, daß der Haushofmeister des Herrn auch dessen Geldbeutel eingeschlossen haben möge, worauf Adams entgegnete: »Das sei leicht möglich, und es werde ihn nicht wundern, wenn der Satan dem ungezogenen Bedientenvolk eines so würdigen Herrn in den Kopf setze, sich wer weiß was für Freiheiten gegen diesen zu erlauben; fügte aber hinzu, da die verlangte Summe so unbedeutend sei, so werde es einem Herrn wie diesem leicht möglich sein, sie von einem Nachbarn zu erhalten, wenn er auch selbst nicht so viel in der Tasche habe. »Freilich,« fügte er hinzu, »wenn's vier oder fünf Guineen oder eine ähnliche Summe wäre, so wollte ich nicht dafür gut sagen.«
Sie saßen jetzt bei einem Frühstück von Bier und Brot, als der Knabe zurückkehrte, und ihnen sagte, der Herr sei nicht zu Hause. »Nun,« rief Adams, »weßhalb hast Du denn nicht gewartet, bis er wiederkommt? Geh nochmals hin, mein Kind, und komm nicht ehe zurück, bis Du ihn gesprochen hast; er kann nicht weit sein, da seine Pferde alle unbrauchbar sind, und die Absicht zu verreisen hatte er nicht, denn sonst würde er uns nicht auf heute und morgen zu sich eingeladen haben. Geh daher schnell zurück, mein Söhnchen, und warte bis er heimkehrt.« – Der Bote ging, kam aber bald mit der Nachricht wieder, der Herr habe eine lange Reise angetreten, und werde erst in vier Wochen zurück erwartet. Hierüber schien Adams nicht wenig betroffen, äußerte: es müsse etwas Außerordentliches vorgefallen sein, wie die Krankheit oder der Tod eines nahen Verwandten, oder ein ähnliches unvorhergesehenes Unglück und rief, indem er sich an Joseph wendete: »Ich wünschte, Sie hätten mich erinnert, das Geld gleich gestern Abend von ihm zu borgen.« Joseph antwortete lächelnd, er müsse sich sehr irren, oder der Herr werde in diesem Fall auch wohl eine Ausflucht gefunden haben. »Ich muß gestehen,« fuhr er fort, »es wollte mir nicht gefallen, daß er gleich nach der ersten Bekanntschaft mit seinen Freundschaftsbezeigungen gegen Sie so freigebig war; denn ich habe meine Londoner Kameraden mehr als eine solche Geschichte von ihren Herren erzählen hören. Als aber der Knabe mit der Nachricht zurückkam, er sei nicht zu Hause, wußte ich gleich, was ich davon zu halten hatte; denn wenn ein Herr von Ton seine Versprechungen nicht zu erfüllen gedenkt, so befiehlt er seinen Bedienten, ihn vor den Personen, die er meiden will, zu verleugnen. Ich selbst habe mehr als hundertmal Sir Thomas Borby verleugnet; hat nun der unwillkommene Gast vier Wochen hintereinander oder bisweilen noch länger täglich seine Aufwartung gemacht, so wird ihm zuletzt gesagt, der Herr sei verreist, und könne überhaupt nichts in der Sache thun.« – »Du lieber Himmel!« rief Adams, »wie gräulich geht es doch in der Christenwelt her! Wahrlich nicht viel besser, als wie ich's von den Heiden gelesen habe. Aber gewiß, Joseph, Ihr Verdacht gegen diesen Herrn kann sich nicht bestätigen; denn wie albern müßte er sein, wenn er das Teufelswerk für nichts und wieder nichts thäte! und können Sie mir etwa sagen, welchen Beweggrund er möglicher Weise haben könnte, uns durch seine Versprechungen zu hintergehen?« – »Mir kommt es nicht zu,« antwortete Joseph, »einem so gelehrten Manne wie Sie sind, Gründe anzugeben, warum ein Mensch nun eben so handelt und nicht anders.« – »Ganz recht,« sprach Adams, Menschenkenntniß ist nur aus Büchern zu erlernen; da haben wir Plato und Seneka, und dies sind Autoren, welche Sie wohl nie gelesen haben werden.« – »Nein gewiß nicht, Sir,« erwiederte Joseph; »nur so viel weiß ich, unter uns Bedienten ist es allgemein angenommen, daß die Herren, die am meisten versprechen, am wenigsten halten, und ich hörte meine Kameraden oft sagen, sie erhielten immer von den Herrschaften die größten Geschenke, die ihnen gar keine versprochen hätten. Doch statt über diese Dinge uns weitläuftiger auszulassen, Sir, wäre es wohl am rathsamsten, darüber nachzudenken, wie wir von hier fortkommen wollen, denn der großmüthige Herr hat uns die ganze Rechnung auf dem Halse gelassen, statt uns im mindesten nützlich zu sein.« – Adams wollte hierauf erwiedern, als der Wirth eintrat, und mit etwas spöttischem Lächeln sagte: »Nun, Ihr Herren, der Squire hat Ihnen die Pferde noch nicht geschickt. Du mein Himmel! wie freigebig sind doch manche Leute mit Versprechungen!« – »Wie,« rief Adams, »haben Sie den Herrn schon vorher von einer solchen Seite gekannt?« – »Das will ich meinen,« antwortete der Wirth; »für mich schickt sich's nicht, wie Sie wohl wissen, einem solchen Herrn so was ins Gesicht zu sagen; aber jetzt, da er nicht hier ist, kann ich Sie versichern, er hat seines Gleichen nicht in unserer ganzen Grafschaft. Ich hätte fast laut aufgelacht, als ich hörte, wie er Ihnen die Pfründe versprach; denn damit treibt er am liebsten seinen Spaß. Ich glaubte schon, er würde Ihnen zunächst mein Haus anbieten, denn das andere gehört ihm eben so wenig als dieses.« – Bei diesen Worten erklärte Adams, von einem solchen Ungeheuer habe er noch nie in einem Buch gelesen; »was mir aber am meisten Sorge macht,« fuhr er fort, »ist, daß er uns veranlaßt hat, eine große Schuld bei Ihnen zu contrahiren, die wir nicht bezahlen können, denn wir haben kein Geld bei uns, und wohnen, was noch schlimmer ist, so weit von hier, daß ich besorge, wir werden, wenn Sie uns auch Credit geben sollten, kaum Gelegenheit finden, Ihnen das Geld überschicken.« – »Ihnen Credit geben, Sir,« sagte der Wirth, »das will ich von ganzem Herzen. Ich achte die Geistlichen zu sehr, um wegen einer solchen Kleinigkeit Ihnen nicht Zutrauen zu schenken; überdem gefällt mir die Besorgniß, die Sie äußern, mich nie bezahlen zu können. Ich habe in meinem Leben schon manche Schuld verloren, die man immer binnen sehr kurzer Zeit abzutragen versprochen hatte; jetzt will ich einmal, um der Neuheit der Sache willen, die Ihrige in mein Buch eintragen. Es ist die erste der Art, das kann ich Sie versichern. Nun, Sir, was sagen Sie, trinken wir noch ein Gläschen zusammen, bevor wir scheiden? Auf das Bischen Kreide mehr, um es anzuschreiben, kommt's mir nicht an; und wenn Sie mir auch nie einen Schilling bezahlen, so wird dieser Verlust mich grade noch nicht arm machen.« – Adams ließ sich die Einladung gern gefallen, besonders da sie in so herzlichem Ton erfolgte. Er schüttelte dem Wirth die Hand, und sagte nach freundlichem Dank: Er wolle gern mittrinken, mehr noch um des braven Mitzechers als um des Biers willen, indem er hinzufügte, er freue sich, noch einen christlich gesinnten Menschen im Königreich zu finden, da er beinahe schon auf den Verdacht gerathen sei, er reise in einem Lande, das nur von Türken und Juden bewohnt werde.
Der biedere Wirth brachte das Getränk und Joseph begab sich mit Fanny in den Garten, wo sie sich mit Liebesgespräche erquickten, während Adams sich das Bier nochmals wohlschmecken ließ. Der Wirth schmauchte mit ihm sein Pfeifchen, und sie begannen das Gespräch, welches der Leser in dem folgenden Kapitel finden wird.