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O grosser Wald!
O tiefer, dunkler Wald!
Fern sind die lauten Städte,
Der Menschen Treiben ist verhallt,
Das dort im dumpfen Bette
Den freien Strom der Luft beengt,
Den hellen Sonnenglanz verdrängt . . . . .
O, wie sie freudlos schreiten,
Hinaus in Deine Weiten,
Du grosser, freier Wald!
Durch den gedämpften Tag
Geht es wie Wellenschlag,
Wie ew'ger Geisterreigen
In Deines Laubsaals Kronen!
Das sonnenfrohe Blatt
Dreht sich im Sommerhauch
Die Töne einzusaugen . . . . .
Was raschelt dort im Strauch?
Sieh hin, mit scheuen Augen
Manch braunes Thierlein schaut
Aus dichtem Unterholz hervor,
Und athmet kaum, und spitzt das Ohr,
Und spürt mit klugem Wittern
Warum die Zweige zittern,
Und horcht auf jeden Laut!
Doch sorglos wie ein Kind
Das Keinem noch misstraut,
Springt wie ein rother Blitz
Eichkätzchen hin und her,
Vom grünen Eichensitz
Zum schwanken Tannenast,
Es drückt ja nirgend schwer
Der kleine, leichte Gast!
[In veränderter Tonart]
Doch der Tag ging dahin und das Licht entschwand,
Es stehen so finster die Eichen,
Die wachsamen Thierlein unerkannt
Auf heimlichen Gängen schleichen . . . . . . . .
Und die einsame Quelle ist auch erwacht
Und ergiesst sich laut in die lauschende Nacht
Mit Schluchzen und klagenden Bitten . . . . . .
Und auf bebenden Füsschen geschritten
Kommt die Hindin und duckt sich und reckt sich auf,
Und dann stürzt sie fort in rasendem Lauf
Zum stolzen gekrönten Herzensfreund . . . . . .
Und der Wald ist verschwiegen, der sie vereint,
Der dunkle, schweigende Wald!
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Aber seine Stille
Schreckt sie nicht, jene Zwei,
Die ganz ein Herz, ein Wille,
Fern dieses Lebens Einerlei,
Hier unter seinen stillen Buchen
Den tiefen Tempelfrieden suchen.
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Hin über Wurzeln geht ihr leichter Schritt,
Als hätten ihre Füsse Schwingen,
Unsichtbar allen, aber sie durchdringen
Das tiefste Dunkel . . . . . .
O, dieser Blicke heimliches Gefunkel,
Auf blasser Stirn verwirrtes Haar,
O rothes Kelchblatt, Lippenpaar,
O Lächeln, das verstohlen irrt,
Und plötzlich, ach, so schmerzlich wird;
Die Arme schauern, Hand sucht Hand,
Brust strebt zu Brust und wölbt sich im Gewand,
Die Buchen stehn so hoch um sie . . . . . kein Laut –
Die stille Kammer ist für Euch gebaut!
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Da hört die Quelle auf mit ihrer Klage
Und flüstert wieder jene Frühlingssage,
Wie sie der Nymphe weissen Leib umspült
Und ihrer Anmuth weiche Last gefühlt,
Verklärt im Mond die zauberischen Glieder . . . . . .
. . . . . Und horch! in allen Nestchen regt sich's wieder,
Und zarte Hymne durch die Stille hallt:
»Der Seligkeit Gesetz gilt aller Kreatur,
»Der Menschheit breitet weit die Arme aus Natur!«
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Und es ward Licht im tiefen, düstern Wald! |