Friedrich Gerstäcker
Die Colonie
Friedrich Gerstäcker

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31.

Graf Rottack's weitere Beschäftigung.

Durch die kleine Coloniestadt wälzte sich ein Menschenschwarm, der von Minute zu Minute wuchs und gerade auf das Directionsgebäude zu hielt.

Herr von Reitschen spielte eben mit dem Baron eine Partie Schach, als das Geschrei und Jubeln an sein Ohr schlug, und er sprang erschreckt in die Höhe, denn er kannte recht gut die gegen ihn herrschende Stimmung der Colonisten und hielt den Ausbruch einiger Tollköpfe gar nicht für unmöglich. Freilich wußte er aber auch, daß sie keinen Führer hatten, und was die Masse auch vielleicht gethan hätte, wenn richtig zusammengehalten, die Einzelnen wieder waren viel zu indolent, um aus eigenem Antrieb etwas Derartiges zu beginnen.

Uebrigens hatte er die bewaffnete Mannschaft größtentheils unten in seinem Wohngebäude liegen, die Uebrigen waren seines Rufes gewärtig im Auswanderungshaus, und diese Macht hielt er für vollkommen genügend, ein paar unzufriedene deutsche Bauern im Zaum zu halten. Nichtsdestoweniger sprang er an's Fenster, um zu sehen, was es gäbe, und mit dem Baron neben sich beobachtete er die Schaar, die wunderlich geführt war, aber allem Anschein nach doch nichts Feindseliges gegen ihn bezweckte.

»Was zum Teufel haben die Holzköpfe nur wieder, Jeorgy, daß sie am hellen Tage durch die Straßen brüllen? Sowie man ihnen die Zügel nicht immer straffer und straffer zieht, werden sie den Augenblick wieder übermüthig. Wen, um Gottes willen! bringen sie da auf einem Maulthier? Ist der Mann nicht gebunden?«

»Wahrhaftig!« sagte der Baron Jeorgy, der sein Opernglas aufgeschraubt hatte und damit hinaus auf den Zug sah – »das ist der Mensch, der sich hier eine Zeit lang herumgetrieben und dann mit seiner Familie die Colonie verlassen hat. Bux heißt er, glaub' ich, und wollte hier Vorstellungen im Bauchreden und dergleichen geben, was ihm aber nicht glückte.«

»Und wer ist der Reiter neben ihm?«

»Der junge Graf Rottack; wie aber die Beiden auf solche Art zusammenkommen, ist mir ein Räthsel.«

»Nun, wir werden ja gleich hören, denn augenscheinlich kommen sie hierher. – Daß Ihr mir Keinen von dem Volk in's Haus laßt!« rief er dann auf Portugiesisch den beiden Soldaten zu, die vor seinem Haus standen – nur der Herr, der zu Pferd sitzt, kommt herauf.«

Vor dem Hause hielt der Schwarm, der noch ununterbrochen von Hinzuströmenden anwuchs. Und in der That war es auch ein wunderliches Schauspiel, denn auf dem Maulthier, das von zwei fremden Negern geführt wurde, festgeschnürt, die Ellbogen außerdem noch auf dem Rücken zusammengebunden, saß bleich und blutig der gefangene Mörder, während der junge Graf, in seinen zerfetzten Kleidern, Könnern's Gewehr über der Schulter, auf seinem Rappen daneben saß und zu den Umstehenden sprach.

Endlich stieg der Reiter ab, gab sein Pferd Einem der Leute, der es augenblicklich in das Hotel hinüberführte, um nur recht bald wieder zurück zu sein und schritt dann langsam in das Haus. Die beiden Soldaten ließen ihn, dem Befehl gehorsam, hinein und verstellten dann wieder die Thür – aber es wollte ihm außerdem Niemand folgen, denn er hatte sie gebeten, seine Rückkunft hier draußen abzuwarten.

Unten im Hause trieben sich noch einige Soldaten herum, die ihn neugierig betrachteten – sonst war Alles leer und öde. Der junge Mann stieg langsam die Holztreppe hinauf, die zu dem Zimmer des Directors führte, welchem er wenige Minuten später gegenüberstand.

»Guten Abend, meine Herren!«

»Ah, guten Abend, lieber Graf,« sagte der Baron mit etwas verlegener Freundlichkeit, während der Director nur eine stumme Verbeugung machte – »Parbleu! Sie sind gut zugerichtet; wo, um Gottes willen! haben Sie nur gesteckt?«

»Draußen im Walde, Baron. – Herr Director, ich weiß nicht, ob es nöthig ist, daß ich mich Ihnen noch einmal vorstelle?«

»Graf Rottack?« sagte der Director – »ich hatte das Vergnügen bei der Frau Gräfin.«

»Ja,« sagte der junge Mann, während ein spöttisches Lächeln um seine Lippen zuckte – »bei der Frau Gräfin – doch zur Sache. Ich bringe Ihnen den Mörder des Schneiders, jenen Bux, an dessen Statt Sie den armen Köhler so lange unschuldig eingesperrt gehalten haben.«

»Und sind Sie dessen gewiß?« fragte der Director, eben nicht angenehm überrascht.

»Hier,« sagte Rottack vollkommen ruhig, indem er eine Uhr und ein rothseidenes Tuch aus der Brusttasche nahm, »sind zwei Gegenstände, welche dem Ermordeten gehört, und die wir bei seinem Mörder gefunden haben. Die Uhr warf er auf der Flucht von sich und ich hob sie selber auf – das Tuch hatte er unter seinem Hemd um den Leib gebunden. Außerdem gestand er schon den Mord, welchen er nur auf allerlei ausweichende Art zu entschuldigen sucht.«

»Hm,« sagte der Director, ohne die auf den Tisch gelegten Sachen anzufassen – »und sind Sie fest überzeugt, daß Uhr wie Tuch dem Ermordeten – wie hieß er gleich, Baron?«

»Justus Kernbeutel.«

»Dem Justus Kernbeutel gehört haben?«

Rottack sah etwas überrascht Herrn von Reitschen an, dann antwortete er wieder ruhig:

»Ich habe Ihnen schon gesagt, Herr Director, daß der Mann den Mord gestanden hat. Außerdem haben wir beide Gegenstände der alten Haushälterin gezeigt, und sie ist erbötig, jeden Augenblick zu beschwören, daß sie nicht allein sein Eigenthum waren, sondern daß er sie auch an dem Tage in der That getragen hat.«

»Hm – das sind allerdings sehr starke Beweise, und demnach scheint es,« sagte der Director, »als ob der Köhler nicht den Mord begangen hat – keinesfalls wenigstens allein.«

»Außerdem,« fuhr Rottack fort, »ist, wie ich eben da unten höre, der Colonist jetzt mit unten vor der Thür und hat seinen Schwager und seine beiden Brüder mitgebracht, in dessen Haus sich Köhler gerade die Nacht, in welcher der Mord verübt, aufgehalten. Der Mann war schon einmal da, um seine Aussage zu beschwören, wurde aber nicht vorgelassen und mußte wieder nach Hause, weil seine Frau schwer krank lag.«

»Hm – gut – ich will wünschen, daß er unschuldig ist,« sagte der Director, nach seiner Uhr sehend – »doch das werden wir ja Alles bei dem Verhör heraus bekommen. Ich werde gleich Auftrag geben, den gefangenen Verbrecher in Gewahrsam zu nehmen – heute ist es doch zu spät, noch daran zu gehen, und morgen früh um zehn Uhr ersuche ich Sie dann, sich wieder hierher zu verfügen, um das Weitere zu erwarten.«

»Herr Director,« sagte Rottack staunend, »der arme Mann, der Köhler, hat Wochen lang unschuldig gesessen, und ist in seinem Gefängniß sogar erkrankt; wir haben jetzt den bestimmten Beweis, daß er unschuldig war – wollen Sie ihn noch eine Nacht länger ohne Noth in dem Zustande lassen?»

»Sie haben den Beweis, mein lieber Herr Graf,« lächelte der Director, »aber ich habe ihn nicht eher, als bis das Verhör geschlossen ist. Sie nehmen sich überhaupt der Sache mit einem solchen Feuereifer an, daß Sie sogar ganz in Gedanken bewaffnet in mein Zimmer gekommen sind.«

»Herr Director,« sagte der junge Graf finster, »der Ort wimmelt hier so von Bewaffneten, daß man sich ordentlich in einem Belagerungszustand glaubt, und da kann Einem etwas Derartiges wohl passiren. Doch das sind Nebendinge, und im Auftrag der sämmtlichen Colonisten von Santa Clara ersuche ich Sie recht freundlich, das Verhör des Gefangenen jetzt gleich vorzunehmen und den Unschuldigen seiner Familie wieder zu geben.«

Der Baron bog sich zu dem Director über und flüsterte ihm ein paar Worte in's Ohr. Es lag etwas in Rottack's Auge, das ihm nicht gefiel, und er war von je ein Mann des Friedens gewesen.

»Mein lieber Baron,« sagte aber der Director, »es thut mir wirklich leid, aber ich kann und werde von meinen bestimmten Geschäftsstunden nicht abgehen. Es ist vier Uhr vorüber« – er sah wieder nach der Uhr – »ja, sogar schon ein Viertel auf Fünf vorbei, und es bleibt uns heute keine Zeit mehr, die Sache vorzunehmen. Wie ich Ihnen also gesagt habe, Herr Graf, morgen früh um zehn Uhr.«

Graf Rottack stand Herrn von Reitschen gerade gegenüber – nur der Tisch war zwischen ihnen – und man sah es ihm an, wie er sich gewaltsam zwang, ruhig zu bleiben.

»Herr Director, im Namen der Menschlichkeit bitte ich Sie, von Ihrem Grundsatz heut einmal abzugehen. Köhler muß seiner Familie heute wiedergegeben werden.«

»Von einem Muß, Herr Graf, kann hier gar keine Rede sein,« erwiderte Herr von Reitschen kalt und fast höhnisch – »ich bitte Sie, Ihre Worte ein wenig auf die Wage zu legen; mein letztes Wort haben Sie.«

»Nun denn, beim ewigen Gott!« rief Rottack, der seinen ausbrechenden Zorn nicht mehr mäßigen konnte – »dann hören Sie auch meins! Glauben Sie denn, Sie erbärmlicher Miniatur-Tyrann, daß Sie hier wirthschaften können wie Sie wollen, und mit Sclaven, anstatt mit freien Colonisten zu thun haben? Ich gebe Ihnen zwanzig Minuten Zeit, und hat bis dahin das Verhör nicht begonnen, dann verderbe meine Seele, wenn ich nicht an der Spitze der Schaar da unten dieses Gaunernest stürme und Sie höchsteigenhändig aus dem Fenster werfe!«

»Herr Graf!« rief der Director erschreckt und trat an's Fenster.

»Lieber, bester Graf!« bat der Baron.

»Zum Teufel mit Ihrem Grafen!« rief der junge Mann außer sich. »Soll einem die Galle nicht überlaufen, wenn man da eine solche bleiche Canaille alle Menschenrechte mit Füßen treten sieht! Ha, sehen Sie sich nach Ihren Soldaten um – glauben Sie, der Schwarm hohläugiger, in Mark und Saft verdorbener Brasilianer könnte einem einzigen Anprall unserer deutschen Bauern widerstehen? Ist das der ganze Schutz, den Sie haben, und mit dem hatten Sie die Frechheit, hier aufzutreten, wie Sie aufgetreten sind? Hier meine Uhr zeigt auf fünf Minuten vor halb – hat um drei Viertel das Verhör nicht begonnen, dann sind Sie jetzt gewarnt. Das Blockhaus, in dem Köhler sitzt, wird mit dem Schlag drei Viertel über den Haufen geworfen, und fällt ein einziger Schuß von Ihrer Schaar, so stürmen wir das Nest hier, und daß Sie schneller hinausfliegen als Sie hineingekommen sind, dafür bürgt Ihnen mein Ehrenwort – also auf Wiedersehen!« und mit den Worten stürmte er hinaus, die Treppe hinunter und unbelästigt von den Wachtposten, die mit Staunen den Lärm da oben gehört hatten, unter die vor dem Hause versammelten Kolonisten.

Die Erbitterung gegen den Director hatte aber in der ganzen Colonie schon einen solchen Grad erreicht, daß es wirklich nur noch des zündenden Funkens bedurfte, den der junge, wüthende Graf unter sie brachte, um zu explodiren. Kaum hatte er ihnen unten zugerufen, was der Direktor beabsichtige und was er ihm zugeschworen, als die jungen Burschen nach allen Richtungen auseinander stoben, und kaum zehn Minuten später mit Gewehren, Heugabeln, Sensen, Dreschflegeln und allen möglichen anderen, als Waffen zu verwendenden Dingen angesprungen kamen.

Der Director war indessen fast sprachlos vor ohnmächtiger Wuth in seinem Zimmer auf und ab gelaufen, und sein eigenes Gewehr von der Wand reißend, schwor er, daß er die Bande wolle zusammenschießen lassen, und wenn er selber dabei zu Grunde ginge. Der Baron aber sah weiter; brach hier im Ort eine Revolution aus, so warfen sich die »Demokraten« allerdings zuerst auf das Directionsgebäude – und er selber hatte nur geringes Vertrauen zu den brasilianischen Soldaten. Dann aber mußte sich die Wuth, ihr erstes Ziel erreicht, im natürlichen Lauf der Dinge gegen die übrige Aristokratie wenden, und daß er selber nicht übermäßig im Ort beliebt war, wußte er eben so gut. Aus innerstem Herzen heraus bat er deshalb den Director – nur um Blutvergießen zu vermeiden, – der Gewalt nachzugeben, eine spätere Untersuchung sollte dann schon die Schuldigen bestrafen und besonders den Rädelsführer treffen. Er war Zeuge, und der Director konnte in allen Fällen auf ihn rechnen – wozu jetzt Alles auf eine Karte setzen, während noch dazu die Chancen des Spieles gegen ihn waren.

Der Director sah aus dem Fenster – unten wogte und tobte es – mehr als dreihundert Männer in Hemdsärmeln, ihre Gewehre und andere Waffen im Arm, sammelten sich dort um den Grafen Rottack, der mit der Uhr in der Hand zwischen ihnen stand. Der Director sah nach seiner eigenen Uhr – es fehlten noch fünf Minuten an drei Viertel. – Die Soldaten im Hause hatten sich vor der drohenden Bewegung gesammelt, und der Unterofficier steckte jetzt ganz verblüfft den Kopf in die Thür und fragte, welche Befehle der Herr Director gäbe. Es war den Blaujacken da unten auch nicht wohl geworden, denn einem einzelnen hülflosen Colonisten gegenüber hatten sie Muth genug gezeigt, heute aber sah es beinahe aus, als ob sich das Spiel umdrehen solle, und die kleine Schaar hatte eigentlich schon unter sich einen Plan gemacht, wenn die Sache bös abliefe, in geschlossenem Trupp nach den Booten zu fliehen und den Fluß hinab zu gehen.

Der Director lief noch immer im Zimmer auf und ab.

»Sie weichen ja nur der Uebermacht – der rohen Gewalt,« sagte der Baron – »kein Mensch in der Welt kann Ihnen darüber einen Vorwurf machen, und die Regierung wird Ihre Mäßigung lobend anerkennen. – Nachher kommen wir wieder oben auf, und wenn Sie dann Ihren Vortheil benutzen, kann Sie ebenfalls kein Mensch deshalb tadeln.«

»Gut – so will ich Ihrem Rathe folgen,« sagte der Director endlich – es fehlten nur noch zwei Minuten an drei Viertel. – »Nehmt zwei Mann, Unterofficier, geht augenblicklich in's Gefängniß und holt den dort sitzenden Deutschen her.«

»Aber die Leute draußen,« sagte der Soldat mit eben nicht sehr großer Zuversicht – »sie schreien und toben und sind alle gut bewaffnet.«

»Ihr habt nichts zu fürchten,« sagte der Director mit finsterem Blick – geht direct auf den Schwarm zu und bittet den Herrn, der eben bei mir oben war, augenblicklich seine Zeugen zusammen zu rufen und mit ihnen herauf zu kommen. Nun, was steht Ihr noch da und sperrt das Maul auf? – Rasch, die Zeit vergeht!«

»Zu Befehl, Herr Director,« sagte der Soldat, drehte sich auf dem Absatz herum und stieg hinunter, den Befehl auszuführen. Gerade als er mit den zwei Mann das Haus verließ, wies der Zeiger auf drei Viertel; aber Graf Rottack hatte die Boten schon bemerkt und erwartete sie. Es bedurfte jetzt aber auch seiner Autorität, die Colonisten abzuhalten, daß sie den Soldaten nicht ihren Auftrag abnahmen und den Gefangenen selber befreiten. Sie waren einmal warm geworden und hätten nun auch gern eine kleine Beschäftigung gehabt.

Rottack rief alle nöthigen Zeugen zusammen: Bux wurde vom Maulthier gehoben und der Obhut einiger Colonisten übergeben – man traute den Soldaten noch nicht, bis Köhler wirklich freigesprochen war. Justus' Wirthschafterin mußte dann ebenfalls herbei, und um das Directionshaus gruppirte sich jetzt die wilde, malerische Schaar, um den Erfolg, den sie Alle vorher wußten, abzuwarten.

Rottack hatte indessen strengen Befehl gegeben, daß Niemand die Soldaten belästige, die Köhler aus seinem Gefängniß brachten. Niemand sogar mit ihm sprechen solle, um jede Unregelmäßigkeit zu vermeiden. Das aber konnte er nicht verhindern, daß ein allgemeines Hurrah! ausbrach, als die Schaar zum ersten Mal wieder ihres Kameraden ansichtig wurde – und wie bleich und elend war er in der kurzen Zeit geworden, die man ihn hier festgehalten!

Wunderbar schnell ging aber Alles von Statten. Köhler behielt kaum Zeit, seinen Freunden zuzunicken und zu winken, so fand er sich schon im Directionsgebäude dem wirklichen Mörder gegenüber, und hier zeigte sich ein Verhör nicht einmal nöthig. Es war weiter nichts als die Abnahme eines Geständnisses von Bux' Seite, der, durch den Aufruhr um sich her vollkommen eingeschüchtert, bei der ersten Frage an ihn auf die Kniee fiel, Alles bis zu den kleinsten Einzelheiten gestand und nur um Gnade und Barmherzigkeit – nur um sein Leben flehte.

Jeremias mußte auch noch her – er stand schon vor der Thür – und die einzelnen Data bestätigen, was er mit klaren, einfachen Worten that. Dabei fragte ihn der Direktor, woher er das viele Geld habe, worauf Jeremias aber trocken erwiderte:

»Das geht Niemanden 'was an. – Wenn ich einmal vor Gericht stehe, können Sie wieder danach fragen,« und damit schob er seine Hände in die Taschen und ging hinaus.

Bux wurde in das Gefängniß abgeführt, das Köhler bis dahin inne gehabt, und Letzterer war frei. Nur als sich die Zeugen mit dem Freigesprochenen wandten, um das Haus zu verlassen, sagte der Director:

»Diese Sache ist jetzt beendet, Herr Graf, aber für Ihr Betragen, dem Gesetz gegenüber, werde ich Sie noch besonders verantwortlich machen.«

»Ich stehe Ihnen in jeder Hinsicht zu Diensten, Herr von Reitschen,« sagte der junge Mann, warf dem Herrn einen letzten Blick zu und verließ mit Köhler das Haus.

Und der Jubel, der jetzt da unten losbrach! Durch die Menge drängte sich eine Frau, ein Kind auf dem Arm.

»Hans! Hans!« schrie sie – »wo bist Du?«

»Hier! – Trine – Trine!« und die beiden Gatten lagen sich in den Armen und die Frau schluchzte, als ob ihr das Herz brechen müsse vor Freude und Seligkeit.

»Und Der hat mich frei gemacht,« sagte Hans, als sie sich nur ein klein wenig gesammelt, und zeigte auf Rottack.

»Und dafür bekomme ich auch einen Kuß,« lachte dieser.

»Zehn – zehn!« rief die Frau unter Thränen jubelnd, flog an Rottack's Hals und küßte den jungen Mann herzhaft ab.

Der Baron von Reitschen stand oben am Fenster – Rottack sah ihn, nahm seinen Hut ab, grüßte hinauf und ging dann lachend die Straße hinunter.



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