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Ferner erzählt Mâlik bin Dinâr – Gott hab' ihn selig! – folgende Geschichte: Als uns einst in Basra der Regen ausblieb, und wir wiederholentlich um Regen gebetet hatten, ohne irgendwie ein Zeichen der Erhörung zu sehen, da ging ich mit mehreren andern, als die Kinder gerade aus den Schulen kamen, ins Bethaus und betete mit ihnen um Regen, ohne irgend ein Zeichen der Erhörung zu sehen. Zur Mittagszeit gingen die andern nach Hause, während ich mit Thâbit el-Banânī in der Moschee bis zur Nacht verweilte. Mit einem Male kam ein Neger an, der ein hübsches Gesicht, dünne Schenkel und einen dicken Bauch hatte und um seinen Leib einen wollenen Gurt trug. Hätte man alles, was er auf dem Leibe trug, abschätzen wollen, so wäre es nicht zwei Dirhem wert gewesen. Er brachte Wasser und vollzog die Waschung, worauf er in die Gebetsnische ging und das Gebet der zweimaligen Verneigung in gefälliger Weise verrichtete, wobei seine Haltung beide Male beim Stehen, Verneigen und Niederwerfen die gleiche war. Alsdann erhob er seinen Blick gen Himmel und sprach: »Mein Gott, mein Herr und 21 mein Meister, wie lange willst du deinen Diener abweisen in dem, was deiner Macht keinen Eintrag thut? Ist das, was bei dir ist, ausgegangen oder sind die Schätze deiner Herrschaft geschwunden? Ich beschwöre dich bei deiner Liebe zu mir, laß deinen Regen unverzüglich auf uns herniederströmen!« Und kaum hatte er seine Worte beendet, da bedeckte sich der Himmel mit Wolken, und es strömte der Regen wie aus offenen Wasserschläuchen, so daß wir beim Verlassen der Moschee durch knietiefes Wasser zu waten hatten.
Vierhundertundachtundsechzigste Nacht.
Verwundert über den Schwarzen, wendete ich mich zu ihm und sagte zu ihm: »Wehe dir, Schwarzer, schämst du dich nicht über deine Worte?« Da kehrte er sich zu mir um und fragte: »Was hab' ich denn gesagt?« Und ich versetzte: »Du sagtest, »bei deiner Liebe zu mir;« woher weißt du denn, daß dich Gott liebt?« Da entgegnete er: »Hinweg von mir, du, den die Welt von der Sorge für seine eigene Seele abgewendet hat! Wo war ich denn, als Er mir die Kraft gab den einigen Gott zu bekennen, und als Er mich mit der Kenntnis seines Wesens begnadete? Glaubst du, Er hätte mir ohne seine Liebe zu mir die Kraft hierzu verliehen?« Alsdann setzte er hinzu: »Seine Liebe zu mir richtet sich nach meiner Liebe zu Ihm.« Da sagte ich: »Wart' ein wenig auf mich, so wird Gott sich deiner erbarmen.« Er erwiderte jedoch: »Ich bin ein Mamluk, und mir ist von Gott befohlen meinem geringern Herrn zu gehorchen.« Hierauf folgten wir seiner Spur von ferne, bis er in das Haus eines Sklavenhändlers trat. Da aber bereits die erste Hälfte der Nacht verstrichen war, und uns die andere Hälfte zu lange währte, gingen wir fort. Am nächsten Morgen suchten wir den Sklavenhändler auf und fragten ihn: »Hast du einen Burschen, den du uns als Diener verkaufen kannst?« Er erwiderte: »Jawohl; ich habe gegen hundert Burschen bei mir, die alle verkäuflich sind.« Hierauf führte er uns einen 22 nach dem andern vor, bis er uns bereits gegen siebzig gezeigt hatte, ohne daß ich meinen Freund unter ihnen gesehen hätte. Wie er nun sagte: »Außer diesen habe ich keinen mehr bei mir,« schickten wir uns zum Fortgehen an, doch traten wir zuvor noch in einen zerfallenen Stall, der sich hinter seinem Haus befand, und, siehe, da stand der Schwarze. Da rief ich: »Da ist er, beim Herrn der Kaaba!« Dann kehrte ich wieder zum Sklavenhändler zurück und sagte zu ihm: »Verkaufe mir diesen Burschen.« Er versetzte: »O Abū Jahjā, das ist ein unseliger, störrischer Gesell, der die Nächte über weint und am Tage seine Sünden bereut.« Ich erwiderte jedoch: »Ich will ihn haben;« worauf der Sklavenhändler ihn rief, und er schläfrig herauskam. Dann sagte er zu mir: »Bezahl' mir für ihn soviel als du willst, doch entbinde mich zuvor von jeglicher Verantwortung für alle seine Fehler.« Ich kaufte ihn nun für zwanzig Dinare und fragte ihn: »Wie heißest du?« Er antwortete: »Meimûn.« Alsdann nahm ich ihn bei der Hand und wollte mit ihm nach Hause gehen; doch da wendete er sich zu mir und sagte: »O mein geringerer Herr, weshalb hast du mich gekauft, wo ich, bei Gott, zum Dienst bei Gottes Geschöpfen nicht tauge?« Da sagte ich zu ihm: »Ich kaufte dich nur, um dir selber zu dienen; auf meinen Kopf!« Er fragte: »Weshalb dies?« Und ich erwiderte: »Bist du nicht gestern mit uns in der Moschee gewesen?« Nun fragte er: »Hast du mich etwa gehört?« Ich entgegnete: »Ich war's ja, der dich gestern anredete.« Darauf schritt er weiter, bis wir zu einer Moschee gelangten; hier trat er ein und sprach, nachdem er das Gebet der zweimaligen Verneigung verrichtet hatte: »Mein Gott, mein Herr und Meister, das Geheimnis, das zwischen mir und dir bestand, hast du deinen Geschöpfen offenbart und hast mich vor der Welt dadurch bloßgestellt. Wie sollte mir jetzt noch das Leben lieb sein, wo andere wissen, was zwischen mir und dir besteht? Ich beschwöre dich, nimm meine Seele unverzüglich zu dir hinfort!« 23 Alsdann warf er sich aufs Angesicht, und ich wartete eine Weile; da er jedoch sein Haupt nicht erhob, schüttelte ich ihn, und siehe, da war er tot. – Gott, der Erhabene, hab' ihn selig! Hierauf reckte ich seine Hände und Füße und blickte ihm ins Gesicht, und, siehe, er lächelte. Die schwarze Farbe war hellem Weiß gewichen, und sein Angesicht leuchtete und schimmerte und strahlte wie der neue Mond. Während wir uns noch über den Vorfall verwunderten, trat mit einem Male ein Jüngling zur Thür herein und sprach: »Frieden sei auf euch! Gott belohne uns und euch reichlich für unsern Bruder Meimûn! Hier ist das Leichentuch; wickelt ihn darin ein.« Mit diesen Worten gab er uns zwei Tücher, wie ich ähnliche noch nie zuvor gesehen hatte, und wir wickelten ihn in dieselben ein. An seinem Grabe aber betet man noch heute um Regen und bringt seine Anliegen Gott, dem Mächtigen und Herrlichen, vor.